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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.02.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 1356/05
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.09.2005 - 12 Ca 3971/05 - wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 57.009,04 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger (geboren 1945) war zuletzt als leitender Angestellter bei der Beklagten beschäftigt. Mit dieser schloss er am 30.06.2000 eine Altersteilzeitvereinbarung, nach der er vom 01.07.2000 bis 28.02.2005 mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt wurde. Hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit vereinbarten die Parteien das sog. Blockmodell. Sie vereinbarten ferner, dass der Kläger zusätzlich zum Altersteilzeitentgelt einen Aufstockungsbetrag und mit Ablauf der Altersteilzeit eine Abfindung in Höhe von 111.500,00 DM brutto (= 57.009,04 €) erhält. Dieser Betrag entspricht der Hälfte des damaligen Jahresgehalts des Klägers.
Zur selben Zeit schloss die Beklagte mit vier weiteren leitenden Angestellten, die alle im Jahr 1944 geboren sind, ebenfalls einen Altersteilzeitarbeitsvertrag. Auch diese Angestellten vereinbarten mit der Beklagten, dass sie zum Ablauf der Altersteilzeit eine Abfindung in Höhe von der Hälfte ihres jeweiligen Jahresgehalts erhalten. Wie im Fall des Klägers wurde auch hier vereinbart, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis am 01.07.2000 beginnt und mit Vollendung des 60. Lebensjahres des Mitarbeiters endet.
Im Jahr 2001 beschloss die Beklagte, ihren leitenden Angestellten für den Fall des Abschlusses eines Altersteilzeitarbeitsvertrages eine Abfindung nach folgender Staffelung anzubieten:
Altersteilzeit ab 55 Jahren: 1/2 Jahresgehalt
Altersteilzeit ab 56 Jahren: 1 Jahresgehalt
Altersteilzeit ab 57 Jahren: 1 1/2 Jahresgehalt
Altersteilzeit ab 58 Jahren: 2 Jahresgehälter.
Daraufhin baten die vier leitenden Angestellten des Jahrgangs 1944, die den Altersteilzeitarbeitsvertrag wie der Kläger am 30.06.2000 abgeschlossen hatten, ihre Abfindung auf ein Jahresgehalt zu erhöhen. Die Beklagte vereinbarte mit ihnen eine entsprechende Erhöhung. Gegenüber dem Kläger lehnte sie die von ihm ebenfalls gewünschte Erhöhung ab, weil dieser zum Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung das 56. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 57.009,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die Differenzierung zwischen den leitenden Angestellten, die mit Vollendung des 55. Lebensjahres und die mit Vollendung des 56. Lebensjahres in Altersteilzeit gingen, sei sachgerecht, da zum einen die Freistellungsphase der erstgenannten Mitarbeiter und zum anderen auch die Arbeitsphase der letztgenannten Mitarbeiter - gerechnet ab dem 55. Lebensjahr - länger sei.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat durch Urteil vom 09.09.2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 21.09.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 20.10.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.12.2005 - mit einem am 21.12.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Er ist der Ansicht, die Differenzierung nach dem Lebensalter sei nicht sachgerecht, weil die Beklagte dadurch ihr Ziel verfehle, frühzeitig Personal abzubauen. Er verweist darauf, dass seine Freistellungsphase nur um vier Monate länger war als die des Herrn U..
Er beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.09.2005 - 12 Ca 3971/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 57.009,04 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, sie habe die Erhöhung der Abfindung einzelvertraglich vorgenommen und nicht etwa die im Jahr 2001 beschlossenen neuen Konditionen rückwirkend angewandt. Es stelle einen vernünftigen Differenzierungsgrund dar, wenn sie berücksichtigt habe, dass die Freistellungsphase bei älteren Arbeitnehmern kürzer ausfalle und sie dadurch finanziell entlastet werde, und dass diese in den letzten fünf Jahren vor Beginn ihres Ruhestandes auch länger arbeiteten als die jüngeren Arbeitnehmer.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO) und begründet, weil die Klage begründet ist.
Die Beklagte ist nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, an den Kläger über die ihm bereits gezahlte Abfindung hinaus eine weitere Abfindung in Höhe der Hälfte seines Jahresgehalts von unstreitig 57.009,04 € brutto zu zahlen.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet Anwendung, soweit die Beklagte mit vier leitenden Angestellten, die mit ihr am 30.06.2000 einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen haben, vereinbart hat, sie sollten zusätzlich zu der bereits versprochenen Abfindung in Höhe eines halben Jahresgehalts eine weitere Abfindung in derselben Höhe erhalten, während sie den Kläger von der Erhöhung der Abfindung ausgenommen hat.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der nach von ihm gesetzten Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Dieser ist anwendbar, wenn den Leistungen ein erkennbares und generalisierendes Prinzip zugrunde liegt und der Arbeitgeber dazu bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (BAG, Urteil vom 28.07.2004, AP Nr. 257 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG, Urteil vom 08.03.1995, AP Nr. 184 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG, Urteil vom 23.08.1995, AP Nr. 134 zu § 242 BGB Gleichbehandlung m. w. N.). Die im Jahr 2001 beschlossene Regelung über die Zahlung von Abfindungen an leitende Angestellte, die mit der Beklagten einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abschließen, legt die Voraussetzungen fest, nach denen die Leistung erfolgt, und enthält Kriterien für deren Höhe.
b) Auch soweit die Beklagte mit vier leitenden Angestellten, die mit ihr am 30.06.2000 einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen haben, die Erhöhung der bereits zugesagten Leistung vereinbart hat, liegt dem ein erkennbares und generalisierendes Prinzip zugrunde. Denn sie hat diese Arbeitnehmer so behandelt, als wenn die im Jahr 2001 beschlossene Regelung schon am 30.06.2000 gültig gewesen wäre. Da die Arbeitnehmer dann die Leistungsvoraussetzungen für die Zahlung einer Abfindung in Höhe eines Jahresgehalts erfüllt hätten, hat sich die Beklagte mit der Erhöhung der Abfindung einverstanden erklärt. Auch den Kläger hat sie so behandelt, als wäre die Neuregelung schon am 30.06.2000 gültig gewesen, jedoch hat sie die Erhöhung zu seinen Gunsten abgelehnt, weil er die von ihr festgelegten Voraussetzungen für die Leistungsverbesserung am 30.06.2000 nicht erfüllt hat.
Darin liegt zweifellos die Anwendung eines generalisierenden Prinzips, so dass die nachträgliche Erhöhung der Abfindung mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang stehen muss. Der Umstand, dass die Leistungen vertraglich vereinbart wurden, hindert die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht.
2. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt vom Arbeitgeber die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage; er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen (BAG, Urteil vom 28.07.2004, a.a.O.). Dabei ist die Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen bei freiwilligen Leistungen immer dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG, Urteil vom 19.04.1995, AP Nr. 124 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG, Urteil vom 19.04.1995, AP Nr. 172 zu § 611 BGB Gratifikation).
Nicht gerechtfertigt, sondern sachfremd ist eine Differenzierung dann, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Billigenswert sind Gründe, die auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen. Dagegen ist nicht zu überprüfen, ob der Arbeitgeber die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gewählt hat (BAG, Urteil vom 18.09.2001, NZA 2002, S. 148, 149).
a) Der von der Beklagten genannte Zweck der Erhöhung der Abfindung um den Betrag eines halben Jahresgehalts bei denjenigen leitenden Angestellten, die bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrages das 56. Lebensjahr vollendet hatten, sie wolle berücksichtigen, dass bei diesen Arbeitnehmern die Freistellungsphase kürzer ausfalle und sie dadurch finanziell entlastet werde, rechtfertigt die vorgenommene Gruppenbildung nicht. Dies gilt auch dann, wenn zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen wird, dass ihr die Bundesagentur für Arbeit keine Zuschüsse zum Arbeitsentgelt oder den Aufstockungsbeträgen für den Kläger und die vier weiteren leitenden Angestellten geleistet hat.
Denn es ist nicht sachgerecht und verfehlt den Zweck der Zusatzleistung, dass diese von der Vollendung des 56. Lebensjahres abhängt. Zwar fordert der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz keine schematische Gleichbehandlung der Arbeitnehmer. Werden etwa Leistungen nur bis zu einem oder ab einem bestimmten Stichtag gewährt, ist dies nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Stichtagsregelung im Einzelfall zu Härten führen kann. Bei der Wahl eines Stichtags besteht ein weiter Ermessensspielraum. Allerdings muss der Zeitpunkt sachlich vertretbar sein. Entscheidend sind die Gründe, die sich hinter der Stichtagsregelung verbergen (BAG, Urteil vom 18.09.2001, NZA 2002, S. 148, 150; BAG, Urteil vom 23.11.2004, NZA 2005, S. 833, 835).
Stichtagsregelungen sind "Typisierungen in der Zeit" (BAG, Urteil vom 28.07.2004, a.a.O.). Bei der Bestimmung, dass die Erhöhung der Abfindung auf den Betrag eines Jahresgehalts nur geleistet wird, wenn der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsvertrages das 56. Lebensjahr vollendet hat, handelt es sich daher nicht um eine Stichtagsregelung. Aber auch bei der Gruppenbildung muss der Arbeitgeber nicht die gerechteste und zweckmäßigste Lösung wählen. So darf in Sozialplänen nach typischerweise zu erwartenden Nachteilen differenziert werden (BAG, Urteil vom 24.11.1993, AP Nr. 72 zu § 112 BetrVG 1972). Ebenso wie bei Stichtagsregelungen müssen die mit jeder Gruppenbildung unvermeidbar verbundenen Härten hingenommen werden, wenn die Gruppenbildung am gegebenen Sachverhalt orientiert, somit sachlich vertretbar ist und das auch für die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft (BAG, Urteil vom 14.12.1999 - 1 AZR 268/99 - Juris).
Ausgehend von dem Zweck, kürzere Freistellungsphasen und die damit verbundene finanzielle Entlastung der Beklagten zu "honorieren", ist die Differenzierung nach vollendeten Lebensjahren nicht sachlich vertretbar, weil die Freistellungszeiträume mit dem Umfang der finanziellen Entlastung der Beklagten nicht korrespondieren. Tatsächlich war etwa die Freistellungsphase des Mitarbeiters U. vier Monate kürzer als die des Klägers. Seine Abfindung wurde jedoch um den Betrag eines halben Jahresgehalts erhöht. Hätte das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der fünf leitenden Angestellten jeweils zu dem Zeitpunkt begonnen, zu dem sie das 55. bzw. 56. Lebensjahr vollendeten, wäre die Dauer der Freistellungsphase des Klägers sechs Monate länger gewesen als die der übrigen Mitarbeiter. Unter diesen Voraussetzungen wäre es daher denkbar, dass die Beklagte im Fall des Klägers zusätzliche Aufwendungen in Höhe eines halben Jahresgehalts hätte und ihre finanzielle Belastung bei den übrigen Mitarbeitern gleich oder annähernd gleich gewesen wäre.
Tatsächlich hatten jedoch alle fünf Altersteilzeitvereinbarungen eine unterschiedlich lange Dauer. Der Zweck der Kostenersparnis hätte daher die - ggf. auch pauschalierende - Anknüpfung an die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erfordert. Dagegen ist die Gruppenbildung nach Altersjahrgängen zur "Honorierung" einer geringeren finanziellen Belastung der Beklagten um den Betrag eines halben Jahresgehalts nicht sachgerecht, weil der Altersjahrgang der Mitarbeiter keinen geeigneten Maßstab für den Umfang der jeweiligen Kosten des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, die sich in der Höhe der Abfindung "wiederspiegeln", bildet.
b) Der von der Beklagten weiter genannte Zweck, sie wolle berücksichtigen, dass Mitarbeiter, deren Altersteilzeit erst nach Vollendung des 56. Lebensjahres beginnt, in den letzten fünf Jahren vor Beendigung der Altersteilzeit länger arbeiteten als Mitarbeiter, deren Altersteilzeit nach Vollendung des 55. Lebensjahres beginnt, rechtfertigt die Gruppenbildung ebenfalls nicht. Denn sachliche Gründe, nur die letzten fünf Jahre vor Beginn des Ruhestandes zu berücksichtigen, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Ein sachlicher Grund hätte etwa in der Anknüpfung an die Dauer der Betriebszugehörigkeit liegen können. Vernünftige Erwägungen für den von der Beklagten gewählten "Stichtag" vermag das Berufungsgericht dagegen nicht zu erkennen.
Damit kann der Kläger die Leistung verlangen, von der er ohne sachlichen Grund ausgeschlossen wurde, also die Leistung, die die begünstigten Arbeitnehmer erhalten haben (BAG, Urteil vom 24.04.1991, AP Nr. 140 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
3. Der Zinsanspruch ist zwischen den Parteien nicht streitig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu entscheiden war (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) und die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision nicht ersichtlich sind (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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