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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.12.2008
Aktenzeichen: 9 TaBV 165/08
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 18 Abs. 3 S. 1
WO § 13
WO § 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 11
WO § 36 Abs. 3
Wird zu einem früheren Zeitpunkt, als im Wahlausschreiben mitgeteilt, die Wahlversammlung beendet und mit der Stimmauszählung begonnen, führt dies jedenfalls dann nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl, wenn nicht ersichtlich ist, dass sich wahlberechtigte Arbeitnehmer noch an der Betriebsratswahl beteiligen wollten.
Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 25.06.2008 - 4 BV 9/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren nur noch darüber, ob die Wahl des Beteiligten zu 8. nichtig ist.

Die Antragsteller und Beteiligten zu 1. - 3. sowie 5. - 7. sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei der X. GmbH (Arbeitgeberin). Die Antragstellerin und Beteiligte zu 4. stand zur Zeit der mündlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin. Die Antragstellerin und Beteiligte zu 6. ist leitende Angestellte bei der Arbeitgeberin.

Der Beteiligte zu 8. (Betriebsrat) wurde am 14.03.2006 gewählt. Er besteht aus drei Mitgliedern. Die Wahl erfolgte im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14 a Abs. 3 BetrVG.

Der Wahlvorstand wurde vom Betriebsrat am 18.01.2006 bestellt. Nach der Wählerliste vom 07.02.2006 waren 26 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wahlberechtigt. Im Wahlausschreiben vom 07.02.2006 wurde mitgeteilt, dass die Betriebsratswahl auf einer Wahlversammlung am 14.03.2006 von 09:45 Uhr bis 10:45 Uhr im Betriebsratsbüro, 2. Etage, stattfindet. Zum Schluss des Wahlausschreibens heißt es, dass die öffentliche Stimmauszählung nach erfolgter Stimmabgabe am 14.03.2006 ab 11:00 Uhr im Betriebsratsbüro, 2. Etage, erfolgt.

Der Mitarbeiter U. war nicht in der Wählerliste aufgeführt, beteiligte sich aber an der Betriebsratswahl. Ein nicht wahlberechtigter Leiharbeitnehmer, der in der Wählerliste aufgeführt war, nahm an der Wahl nicht teil.

Während der Wahl vermerkte der Wahlvorstand auf einer Personalliste mit einem "Häkchen", wer gewählt hatte. Neben dem Namen des Auszubildenden C. brachte er den Vermerk "Briefwahl" an. Neben dem Namen des Leiharbeitnehmers und des Mitarbeiters O. vermerkte er "will nicht", neben den Namen zweier weiterer Mitarbeiter vermerkte er "krank".

Nachdem außer diesen Personen alle anderen in der Liste aufgeführten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gewählt hatten, führte der Wahlvorstand die Stimmauszählung ab 10:30 Uhr durch.

Nach der hierüber gefertigten Wahlniederschrift wurden zwei Wahlbewerber mit jeweils 18 Stimmen und ein Wahlbewerber mit 16 Stimmen gewählt.

Mit einem am 28.07.2008 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen Schriftsatz haben die Antragsteller und Antragstellerinnen und ein weiterer Arbeitnehmer, der seinen Antrag im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens zurückgenommen hat, die Nichtigkeit und die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend gemacht und hilfsweise den Ausschluss des Vorsitzenden des Betriebsrats aus dem Betriebsrat verlangt.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat die Anträge durch Beschluss vom 25.06.2008, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Gegen den ihnen am 27.06.2008 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller mit einem am Montag, den 28.07.2008, bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 29.09.2008 - mit einem am 29.09.2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 25.06.2008 - 4 BV 9/08 - abzuändern und festzustellen, dass die Wahl zum Betriebsrat bei der X. GmbH, D. busch 6 - 8, X., nichtig ist.

Der Beteiligte zu 8. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die im Beschwerdeverfahren beteiligte Arbeitgeberin hat keinen Antrag gestellt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 87 Abs. 1, Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3, 222 Abs. 2 ZPO), jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Wahl des Beteiligten zu 8. vom 14.03.2006 nicht nichtig ist.

1. Der Antrag, die Nichtigkeit der Betriebsratswahl festzustellen, ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des BAG kann die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, sofern daran ein berechtigtes Interesse besteht (BAG vom 21.07.2004, AP Nr. 15 zu § 4 BetrVG 1972). Der Zulässigkeit des Antrags steht daher nicht entgegen, dass das vorliegende Beschlussverfahren erst nach Ablauf von mehr als zwei Jahren nach Durchführung der Betriebsratswahl eingeleitet wurde.

Die Antragsteller und Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Soweit sie wahlberechtigt waren, konnten sie die Wahl nach § 19 Abs. 2 BetrVG anfechten. Sie haben daher auch ein berechtigtes Interesse, die Nichtigkeit der Wahl geltend zu machen.

Die Antragstellerin L. ist weiterhin antragsbefugt. Trotz der zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat sie ihre Anfechtungsbefugnis nach § 19 Abs. 2 BetrVG nicht verloren (BAG vom 04.12.1986, AP Nr. 13 zu § 19 BetrVG 1972). Entsprechendes gilt, wenn die Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend gemacht wird. Ebenso ist es auch der Antragstellerin zu 6. nicht verwehrt, die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl zu beantragen. Sie ist zwar als leitende Angestellte nicht wahlberechtigt (§ 5 Abs. 3 BetrVG). Da ihre Stellung als leitende Angestellte jedoch zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat streitig werden und von diesem im Wege eines Beschlussverfahrens auch zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann, hat sie ein berechtigtes Interesse, die Nichtigkeit der Wahl im vorliegenden Verfahren geltend zu machen.

2. Der Antrag ist unbegründet.

Eine Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist nach der Rechtsprechung des BAG, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sowohl ein offensichtlicher als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen (BAG vom 21.07.2004, a. a. O.; BAG vom 19.11.2003, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972).

Zwar hat der Wahlvorstand gegen Wahlvorschriften verstoßen. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und § 13 WO nimmt der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der Stimmen vor. Öffentlichkeit im Sinne dieser Bestimmungen ist die Betriebsöffentlichkeit. Die dazu gehörenden Personen, vor allen die Arbeitnehmer des Betriebes, müssen einen ungehinderten Zugang zum Ort der Stimmauszählung erhalten. Das Gebot der Öffentlichkeit der Auszählung erfordert ferner, dass Ort und Zeit der Auszählung vorher öffentlich bekannt gemacht werden. Denn interessierte Personen sollen die Möglichkeit erhalten, die Ordnungsmäßigkeit der Feststellung des Wahlergebnisses beobachten zu können (BAG vom 15.11.2000, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972). Diese Möglichkeit bestand bei der Betriebsratswahl nicht, nachdem mit der Stimmauszählung um 10:30 Uhr begonnen wurde, während im Wahlausschreiben mitgeteilt war, dass die Auszählung um 11:00 Uhr erfolgt. Der Wahlvorstand hat daher gegen die Bestimmungen der §§ 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, 13 WO verstoßen.

Eine weitere Verletzung von Wahlvorschriften liegt darin, dass der Wahlvorstand die Wahlversammlung vorzeitig beendet hat. Nach § 36 Abs. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 WO hat das Wahlausschreiben bei der Wahl des Betriebsrats im einstufigen Verfahren nach § 14 a Abs. 3 BetrVG den Ort, den Tag und die Zeit der Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrats zu enthalten. Es handelt sich um eine Muss-Vorschrift, deren Verletzung einen wesentlichen Verfahrensverstoß darstellt. Im vorliegenden Streitfall ist zwar die Angabe der Zeit für die Stimmabgabe im Wahlausschreiben nicht unterblieben. Sie war darin aber insoweit "falsch" angegeben, als sie nachträglich geändert wurde (BAG vom 11.03.1960, AP Nr. 13 zu § 18 BetrVG). Tatsächlich fand die Wahlversammlung nur bis 10:30 Uhr statt, da ab diesem Zeitpunkt mit der Stimmauszählung begonnen wurde.

Eine Nichtigkeit der Wahl ergibt sich aus diesen Verstößen aber nicht. Soweit die Stimmauszählung nicht öffentlich erfolgt ist, lag zwar ein Grund zur Wahlanfechtung vor, weil der Verstoß geeignet war, das Wahlergebnis zu beeinflussen (BAG vom 15.11.2000, a. a. O.). Der Verstoß ist aber weder offensichtlich noch handelt es sich um einen besonders groben Verstoß.

Die Änderung der Zeit der Wahlversammlung führt ebenfalls nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Zwar hatten bis zum Zeitpunkt des Beginns der Stimmauszählung noch nicht alle wahlberechtigten Arbeitnehmer gewählt. Der wahlberechtigte Arbeitnehmer O., der gegenüber dem Wahlvorstand erklärt hatte, nicht wählen zu wollen, hätte seine Entscheidung noch ändern können, die beiden krankgeschriebenen Arbeitnehmer waren möglicherweise in der Lage, noch an der Wahl teilzunehmen. Tatsächlich haben diese Arbeitnehmer aber nicht versucht, noch von 10:30 Uhr bis 10:45 Uhr an der Betriebsratswahl teilzunehmen. Hiervon ist auszugehen, da selbst die Antragsteller und Antragstellerinnen nicht behauptet haben, es habe noch Jemand von 10:30 Uhr bis 10:45 Uhr wählen wollen. Die Änderung des für die Wahlversammlung ursprünglich vorgesehenen Zeitraums hat das Wahlergebnis daher nicht beeinflusst. Wegen dieses Verstoßes kann daher nach § 19 Abs. 1 BetrVG selbst eine Anfechtung der Betriebsratswahl nicht erfolgreich sein. Erst recht kann daraus nicht die Nichtigkeit der Wahl hergeleitet werden.

Aus demselben Grund führt auch die Teilnahme des Arbeitnehmers U. nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Er durfte zwar nicht an der Wahl teilnehmen, da er in der Wählerliste nicht aufgeführt war und gegen deren Richtigkeit keinen Einspruch eingelegt hatte (§ 4 WO). Seine Beteiligung an der Wahl hat aber ebenfalls keinen Einfluss auf das Wahlergebnis.

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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