Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.08.2007
Aktenzeichen: 9 TaBV 41/07
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 14 Abs. 1
BetrVG § 19
WO § 3 Nr. 11
WO § 12 Abs. 1
1. Besteht eine Verkaufsstelle aus mehreren Räumen (z. B. Büroraum und Verkaufsraum), muss im Wahlausschreiben gem. § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO angegeben werden, in welchem Raum die Stimmabgabe erfolgt. Mehrere Räume können nur dann einen Wahlraum i. S. v. § 12 Abs. 1 S. 1 WO bilden, wenn gewährleistet ist, dass die Aufsichtspersonen von ihrem Standort aus das Wahlgeschehen überblicken.

2. Wo nicht in einem überwachbaren Nebenraum gewählt wird, ist ein Aufstellen von Wandschirmen, Trennwänden o. ä. im Wahlraum selbst erforderlich. Die in Verkaufsräumen vorhandenen Regale können eine unbeobachtete Stimmabgabe nicht gewährleisten.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 9 TaBV 41/07

Verkündet am 03. August 2007

In dem Beschlussverfahren

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Anhörung vom 03.08.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heinlein als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Professor Dr. Selke und die ehrenamtlichen Richterin Greven

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 13.03.2007 - 5 BV 93/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der in den Verkaufsstellen des Bezirks L. der Arbeitgeberin am 23.05. und 24.05.2006 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die Arbeitgeberin betreibt eine Drogerie - Filialkette mit ca. 10.800 Filialen und mehr als 30.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das Unternehmen ist in verschiedene regionale Bezirke untergliedert, für die Betriebsräte gewählt werden. Der Antragsgegner ist der am 23.05. und 24.05.2006 für den Bezirk L. gewählte Betriebsrat. Die Antragstellerinnen sind im Bezirk L. beschäftigte Arbeitnehmerinnen.

Der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl bestand aus fünf Arbeitnehmerinnen. Wahlberechtigt waren 208 Arbeitnehmerinnen.

Im Wahlausschreiben vom 10.04.2006 heißt es u.a.:

"Die Betriebsratswahl findet am 23.05. und 24.05.2006 von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr, 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr in den T.-VST im Bezirk L. statt.

...

Die wahlberechtigten Arbeitnehmer/innen werden hiermit aufgefordert, vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum 24.04.2006, 17.00 Uhr, Vorschlagslisten beim Wahlvorstand, T., L. str. 13, F. (Betriebsadresse des Wahlvorstands) einzureichen. Nur fristgerecht eingereichte Vorschlagslisten werden berücksichtigt."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Wahlausschreiben Bezug genommen (Bl. 26 u. 27 d.A.).

Der Wahlvorstand erstellte einen Tourenplan und hängte ihn in den Verkaufsstellen aus. In dem Tourenplan ist für jede Verkaufsstelle ein Zeitraum angegeben. So heißt es für den 23.05.2006:

"Tourenplan zur Wahl am 23.05.2006 1. Auto (Urne)

 VonbisVerkaufsstelle
9.00 Uhr9.15 UhrL. I. allee
9.30 Uhr9.45 UhrL. I. str.
10.00 Uhr10.15 UhrL. F. str.

...

Tourenplan zur Wahl am 23.05.2006 2. Auto (Urne)

 VonbisVerkaufsstelle
9.00 Uhr9.15 UhrC. S. str.
9.30 Uhr9.45 UhrC. O. str.
9.55 Uhr10.10 UhrC. P. str.

..."

Für den 24.05.2005 erstellte der Wahlvorstand einen entsprechenden Tourenplan für weitere Verkaufsstellen.

In einem "INFO zur BR-Wahl 2006" des Wahlvorstandes vom 02.05.2006 heißt es u.a.:

"Am 23. und 24.05.2006 sollt Ihr Euren neuen Betriebsrat wählen.

...

Den Tourenplan habt Ihr alle schon in Euren Verkaufsstellen aushängen, so dass jeder weiß, wann er, wo seine Stimme abgeben kann. Solltet ihr verhindert sein, ..., so beantragt bitte die sogenannte "Briefwahl"..."

Eine ursprünglich geplante Mehrheitswahl (Personenwahl) kam nicht zustande. Bei dem Wahlvorstand wurden die Vorschlagsliste "Fairness", auf der u.a. die Mitglieder des Wahlvorstandes kandidierten, und die Vorschlagsliste "Neuer Wind", auf der u.a. einige Antragstellerinnen kandidierten, eingereicht.

Die auf der Vorschlagsliste "Fairness" kandidierende Wahlbewerberin Frau M. erteilte ihre Zustimmungserklärung per Telefax. Die ebenfalls auf der Vorschlagsliste "Fairness" kandidierende Wahlbewerberin Frau L. erteilte ihre Zustimmungserklärung am 10.04.2006. Zu diesem Zeitpunkt ging sie davon aus, es werde zu einer Personenwahl kommen.

Die Vorschlagsliste "Neuer Wind" ging am 24.04.2006 beim Wahlvorstand ein. Auf dieser Liste waren ursprünglich neun Wahlbewerberinnen und 29 Arbeitnehmerinnen, die Stützunterschriften geleistet hatten, aufgeführt. Im Nachhinein wurde Frau M. als weitere Wahlbewerberin in die Vorschlagsliste aufgenommen. Wann genau Mitglieder des Wahlvorstandes hiervon erstmalig Kenntnis erlangten, ist zwischen den Beteiligten streitig. Der vom Wahlvorstand am 24.04.2006 telefonisch befragte Gewerkschaftssekretär L. vertrat zunächst die Auffassung, dies sei ein unheilbarer Mangel und empfahl, eine eidesstattliche Erklärung einzuholen. Später kam er zu der Auffassung, dass der Mangel heilbar sei.

Mit Schreiben vom 25.04.2006 teilte der Wahlvorstand der Antragstellerin zu 1. mit, der Wahlvorstand habe festgestellt, dass die am 24.04.2006 eingereichte Vorschlagsliste unheilbar ungültig sei (§ 8 Abs. 1 WO). Auf die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 31 d.A.).

An den beiden Wahltagen suchten jeweils zwei Mitglieder des Wahlvorstandes nach Maßgabe des Tourenplans jeweils mit einer Wahlurne die Verkaufsstellen auf. In den Verkaufsstellen sind regelmäßig jeweils zwei Verkäuferinnen und eine Verkaufsstellenverwalterin beschäftigt. Die Verkäuferinnen sind - abgesehen von umsatzstarken Zeiten - im Regelfall in zwei verschiedenen Schichten tätig. Die Verkaufsstellenverwalterinnen sind überwiegend Vollzeitbeschäftigte. Jede Verkaufsstelle hat mindestens einen Verkaufsraum und einen vom Verkaufsraum durch eine Tür getrennten Büroraum. Es gibt auch Verkaufsstellen, die einen oder mehrere weitere Räume (Aufenthaltsraum, Lagerraum) haben. Die Wahl fand in der Weise statt, dass die Anwesenden und zur Wahl bereiten Mitarbeiterinnen von den anwesenden Mitgliedern des Wahlvorstands die Wahlunterlagen bekamen und dann entweder den Stimmzettel im Büroraum oder an der Kasse oder an anderer Stelle ausfüllten. Wo sich die Mitglieder des Wahlvorstandes während dieser Zeit jeweils aufhielten, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Die beiden Wahlurnen waren versiegelt. Vor Beginn des Wahlvorgangs wurde das Siegel von dem Einwurfschlitz entfernt, danach wurde der Einwurfschlitz wieder versiegelt.

Am 31.05.2006 gab der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt. Die Einzelheiten ergeben sich aus einer Mitteilung des neu gewählten Betriebsrats ohne Datum, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 25 d.A.). Mit ihrer am 07.06.2006 bei dem Arbeitsgericht Wesel eingegangen Antragsschrift haben die Antragstellerinnen die Wahl angefochten.

Sie haben die Auffassung vertreten, die Wahl sei unwirksam, weil der Wahlvorstand die Listenführerinnen der Vorschlagsliste "Neuer Wind" nicht nach § 7 Abs. 2 S. 2 WO unverzüglich über die Ungültigkeit der Liste unterrichtet habe. Wäre dies geschehen, wäre eine neu erstellte, ordnungsgemäße Liste bis zum 24.04.2006, 17.00 Uhr eingereicht worden. Die Antragstellerinnen haben behauptet, dem Wahlvorstand habe am 24.04.2006 schon zwischen 13.00 und 14.30 Uhr eine eidesstattliche Versicherung von Frau M. vorgelegen. Sie haben ferner die Auffassung vertreten, beim Wahlvorgang sei gegen den Grundsatz der geheimen Wahl verstoßen worden. Hierzu haben sie behauptet, Mitarbeiterinnen hätten zum Teil in Anwesenheit von Kunden und der Wahlvorstandsmitglieder an der Kasse gewählt. Zumindest zwei Mitarbeiterinnen hätten ihre Kreuze im Beisein von Mitgliedern des Wahlvorstandes gemacht. Diese hätten die Verkaufsstelle auch schon eine 3/4 Stunde vor der mitgeteilten Wahlzeit aufgesucht. Schließlich haben die Antragstellerinnen die Auffassung vertreten, auch die Liste "Fairness" sei mangelhaft.

Sie haben beantragt,

die Betriebsratswahl vom 23.05./24.05.2006 für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er hat behauptet, einzelne Mitglieder des Wahlvorstandes hätten im Laufe des 24.04.2006 von Frau M. erfahren, dass sie im Nachhinein von einer Assistentin der zuständigen Bezirksleiterin gebeten worden sei, auf der Liste "Neuer Wind" zu kandidieren. Die auf Anraten des Gewerkschaftssekretärs L. eingeholte schriftliche Bestätigung habe erst gegen 16.00 Uhr vorgelegen. Erst kurz vor 17.00 Uhr habe sich der Wahlvorstand im Wahlbüro getroffen. Die Stimmabgabe der Mitarbeiterinnen an den beiden Wahltagen sei weder von Kunden noch von Mitgliedern des Wahlvorstandes beobachtet worden. Falls Mitarbeiterinnen die Wahlunterlagen an der Kasse ausgefüllt hätten, hätten sich die Mitglieder des Wahlvorstandes in einen anderen Teil des Ladenlokals begeben.

Das Arbeitsgericht Essen hat durch Beschluss vom 13.03.2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Betriebsratswahl vom 23.05./24.05.2006 für unwirksam erklärt. Gegen den ihm am 16.03.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit einem am 30.03.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 14.05.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Antragsgegner trägt ergänzend vor, falls eine Mitarbeiterin den Stimmzettel nicht an der Kasse ausgefüllt habe, seien die Mitglieder des Wahlvorstandes an der Kasse geblieben und hätten die Mitarbeiterinnen gerufen, falls Kunden gekommen seien. Am 24.04.2006 hätten zwei Mitglieder des Wahlvorstandes erstmals um 15.00 Uhr von Frau M. erfahren, dass sie als Wahlbewerberin auf die Liste "Neuer Wind" gesetzt worden sei, als 29 Stützunterschriften bereits vorgelegen hätten. Der Antragsgegner ist der Ansicht, wegen der in den Verkaufsräumen vorhandenen Regale habe unbeobachtet gewählt werden können.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 13.03.2007 - 5 BV 93/06 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 87 Abs. 1, 89 Abs. 1 u. 2, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO), jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Betriebsratswahl vom 23.05./24.05.2006 für unwirksam erklärt.

1. Der Antrag ist zulässig.

Nach § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG kann die Wahl des Betriebsrats von mindestens drei Wahlberechtigten angefochten werden. Im vorliegenden Streitfall haben sieben Arbeitnehmerinnen das Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG haben sie eingehalten.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl des Betriebsrats beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Bei der angefochtenen Wahl wurde gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen, wodurch eine Änderung des Wahlergebnisses möglich wurde.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen die Antragsteller in ihrem Antrag einen Sachverhalt darlegen, der möglicherweise die Ungültigkeit der durchgeführten Wahl begründen kann, der also nicht schon auf den ersten Blick erkennbar ganz unerheblich ist. Der Sachverhalt muss Anlass zu der Annahme geben können, es sei bei der Wahl gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts verstoßen worden. Wenn das der Fall ist, können nicht nur Anfechtungsgründe nachgeschoben werden, sondern das Gericht ist dann sogar gehalten, von Amts wegen allen für eine Wahlanfechtung in Betracht kommenden Wahlverstößen nachzugehen, die sich aus dem Vortrag der Beteiligten ergeben (BAG, Beschluss v. 04.12.1986, AP Nr. 13 zu § 19 BetrVG 1972 m.w.N.). Mit der Schilderung des Wahlablaufs in der Antragsschrift haben die Antragstellerinnen hinreichende Tatsachen für die Annahme vorgetragen, dass bei der Betriebsratswahl im Bezirk L. die Vorschriften der Wahlordnung (WO) nicht vollständig beachtet wurden.

b) Mit den Vorschriften der Wahlordnung vereinbar ist das auf Tourenplänen beruhende System der Urnenwahl in den Verkaufsstellen der Arbeitgeberin. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO muss das Wahlausschreiben den Ort, den Tag und die Zeit der Stimmabgabe enthalten. Nach § 12 Abs. 2 WO müssen während der Wahl immer mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder des Wahlvorstandes oder ein stimmberechtigtes Wahlvorstandsmitglied und ein bestellter Wahlhelfer bzw. eine bestellte Wahlhelferin im Wahlraum anwesend sein. Werden diese Vorschriften beachtet, kann auch an mehreren Orten und zu unterschiedlichen Zeiten gewählt werden (ebenso LAG Brandenburg, Beschluss v. 27.11.1998, NZA-RR 1999, S. 418 ff.).

Da alle Verkaufsstellen der Arbeitgeberin unstreitig von jeweils zwei Mitgliedern des Wahlvorstandes aufgesucht wurden, war die vorgeschriebene Anzahl von Personen, die den Wahlvorgang überwachen, jeweils vorhanden. Auch die Information der Wahlberechtigten über die Wahlzeit war ausreichend. Zwar enthält das Wahlausschreiben vom 10.04.2006 nicht die genaue Zeit für die Wahl in den Verkaufsstellen. Die Angabe von Beginn und Ende der Stimmabgabe für den gesamten Betrieb reicht nicht aus, weil aus dieser Mitteilung für die wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen nicht zu entnehmen war, wann die Wahl in den Verkaufsstellen stattfindet.

Insoweit ist jedoch rechtzeitig eine Berichtigung durch den in den Verkaufsstellen ausgehängten Tourenplan erfolgt. Fehler des betriebsverfassungsrechtlichen Wahlverfahrens können nach § 19 Abs. 1 BetrVG berichtigt werden. Sinn und Zweck der Berichtigung gem. § 19 Abs. 1 BetrVG ist es, trotz eines wesentlichen Verstoßes gegen das Wahlverfahren die Wirksamkeit der Wahl zu erhalten, wenn eine so rechtzeitige Korrektur erfolgt, dass für die Wahlberechtigten keine Einschränkung ihres Wahlrechts eintritt. Das ist dann der Fall, wenn das Wahlverfahren nach der Berichtigung noch ordnungsgemäß ablaufen kann (BAG, Beschluss v. 19.09.1985, AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG 1972).

Aus der Mitteilung des Wahlvorstandes vom 02.05.2006 ergibt sich, dass der Tourenplan vor dem 02.05.2006 in den Verkaufsstellen ausgehängt war. Damit verblieb bis zu den Wahltagen genügend Zeit, dass sich die Wahlberechtigten über die genauen Wahlzeiten in den Verkaufsstellen unterrichten konnten. Ohne Bedeutung ist es, dass das Wahlausschreiben keinen Hinweis auf eine noch zu erwartende Ergänzung bezüglich der Zeit der Stimmabgabe in den Verkaufsstellen enthält. Ein solcher Hinweis ist aus Rechtsgründen nicht erforderlich (BAG, Beschluss v. 19.09.1985, a.a.O.).

c) Ein nicht berichtigter Mangel liegt jedoch darin, dass das Wahlausschreiben nicht den Ort der Stimmabgabe enthält. Der Katalog der nach § 3 Abs. 2 WO erforderlichen Angaben dient dazu, die Wahlberechtigten ausreichend zu informieren, damit sie mit gleichen Chancen an der Wahl teilnehmen können. Deshalb muss nach § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO auch der Ort der Stimmabgabe angegeben werden. Gemeint ist damit der Standort des Wahllokals (BAG, Beschluss v. 19.09.1985, a.a.O.). Die Mitteilung, dass die Wahl in den Verkaufsstellen der Arbeitgeberin im Bezirk L. stattfindet, bezeichnet diesen nicht hinreichend genau.

Was unter "Ort der Stimmabgabe" zu verstehen ist, erschließt sich aus § 12 WO. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 WO hat der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel im Wahlraum zu treffen. Während der Wahl müssen nach § 12 Abs. 2 1. Halbs. WO immer mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder des Wahlvorstandes oder ein Wahlvorstandsmitglied und ein Wahlhelfer bzw. eine Wahlhelferin im Wahlraum anwesend sein. Diese Regelungen sollen eine geheime Wahl gewährleisten und verbieten die Stimmabgabe in einem anderen Raum als dem Wahlraum. Wahlraum ist somit der Raum, in dem die Stimmzettel in Anwesenheit oder jedenfalls unter Kontrolle der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern des Wahlvorstandes und ggf. von Wahlhelferinnen oder Wahlhelfern auszufüllen und in die Wahlurne einzulegen sind. Mehrere Räume können daher nur dann einen Wahlraum bilden, wenn gewährleistet ist, dass die Aufsichtspersonen von ihrem Standort aus Überblick über das Wahlgeschehen haben. Dies ist bei einem Nebenzimmer nur dann der Fall, wenn die Mitglieder des Wahlvorstandes oder die Wahlhelfer bzw. -helferinnen die Vorgänge im Nebenraum überblicken (so: OVG NRW, Beschluss v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW - Juris) oder zumindest den Zutritt zum Nebenraum überwachen können (so: Fitting/Engel/Schmidt, BetrVG, 23. Aufl., § 12 WO 2001 Rdn. 1).

Derartige Verhältnisse liegen in den Verkaufsstellen des Bezirks L. der Arbeitgeberin nicht vor. Denn es ist schon nicht ersichtlich, dass sämtliche Büroräume nur von den Verkaufsräumen aus betreten werden können. Auch ist nicht ersichtlich, dass etwa vom Kassenarbeitsplatz in den Verkaufsräumen aus gesehen werden kann, ob eine Person den Büroraum betritt. Hinzu kommt, dass es im Bezirk L. auch Verkaufsstellen gibt, die weitere Räume haben. Damit hätte im Wahlausschreiben, zumindest aber im Tourenplan, angegeben werden müssen, in welchem Raum der jeweiligen Verkaufsstelle die Wahl stattfindet. Das ist unterblieben.

d) Die fehlende Bestimmung eines Wahlraums führt auch dazu, dass der Wahlvorgang selbst mit Mängeln behaftet ist. Die Wahlberechtigten haben in den Verkaufsstellen nicht etwa trotz fehlender Bestimmung eines Wahlraums tatsächlich in einem Wahlraum gewählt. Vielmehr haben sie unstreitig teilweise den Stimmzettel im Büroraum ausgefüllt und ihn dann im Verkaufsraum in die Wahlurne gelegt. Es waren auch nicht stets Mitglieder des Wahlvorstandes in der nach § 12 Abs. 2 WO erforderlichen Mindestzahl während des Wahlvorgangs anwesend. Denn unstreitig haben sich die Mitglieder des Wahlvorstands, die die jeweilige Verkaufsstelle aufgesucht hatten, teilweise im Verkaufsraum an der Kasse aufgehalten, während die Stimmzettel im Büroraum ausgefüllt wurden.

e) Schon diese Verstöße führen dazu, dass die Betriebsratswahl unwirksam ist. Die Bestimmungen nach §§ 3 Abs. 2 Nr. 11, 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 WO sind wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren i.S. von § 19 Abs. 1 BetrVG. Zwingende Wahlvorschriften, auch die der Wahlordnung, sind nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig wesentliche Wahlvorschriften gem. § 19 Abs. 1 BetrVG (BAG, Beschluss v. 14.09.1988, AP Nr. 1 zu § 16 BetrVG 1972). Nach § 3 Abs. 2 WO muss das Wahlausschreiben die in diesem Absatz bezeichneten Angaben enthalten. Auch die Vorschriften des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 WO sind "Muss-Vorschriften". Da § 12 Abs. 1 u. Abs. 2 WO der Wahrung des Wahlgeheimnisses (§ 14 Abs. 1 BetrVG) dient, ist die Einhaltung der hier bestimmten Regelungen von ganz besonderer Bedeutung.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass durch die Verstöße das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbs. BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (BAG, Beschluss v. 25.05.2005, AP Nr. 2 zu § 14 BetrVG 1972).

Im Streitfall ist nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis ohne die Verstöße gegen §§ 3 Abs. 2 Nr. 11, 12 Abs. 1, Abs. 2 WO anders ausgefallen wäre. In den Verkaufsstellen im Bezirk L. sind im Regelfall zwei Verkäuferinnen und eine Verkaufsstellenverwalterin beschäftigt. Die Verkaufsstellenverwalterinnen sind überwiegend Vollzeitbeschäftigte. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass während des Wahlvorgangs in den Verkaufsstellen jeweils neben den Mitgliedern des Wahlvorstandes nur eine Verkäuferin anwesend war. Der Antragsgegner hat dies auch nicht behauptet, als im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer die personelle Besetzung der Verkaufsstellen erörtert wurde. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass etwa dann, wenn eine Mitarbeiterin in den Büroraum gegangen ist, um dort den Stimmzettel auszufüllen, während die beiden Mitglieder des Wahlvorstandes an der Kasse geblieben sind, eine oder beide weiteren Mitarbeiterinnen der Verkaufsstelle ebenfalls den Büroraum aufgesucht und auf die Stimmabgabe der wählenden Mitarbeiterin Einfluss genommen haben. Ebenfalls ist nicht auszuschließen, dass die Mitarbeiterinnen einer Verkaufsstelle gleichzeitig die Stimmzettel im Büroraum oder einem anderen Nebenraum ausgefüllt und sich dabei über die Wahlbewerberinnen und ihre Eignung für das Betriebsratsamt unterhalten haben. Schließlich kommt auch in Betracht, dass dann, wenn Kunden kamen, der Wahlvorgang abgebrochen wurde und die wählende Mitarbeiterin weniger Wahlbewerberinnen gewählt hat, als sie ursprünglich wollte.

Auf das Wahlergebnis könnte sich dies auch auswirken. Nach der Rechtsprechung des BAG fehlt es zwar an der nach § 19 Abs. 1 BetrVG erforderlichen Kausalität, wenn sich der Wahlverstoß lediglich auf die Reihenfolge auswirkt, in der Ersatzmitglieder gem. § 25 BetrVG nachrücken (BAG, Beschluss v. 21.02.2001, AP Nr. 49 zu § 19 BetrVG 1972). Im vorliegenden Streitfall konnte sich durch die fehlende Bestimmung ordnungsgemäß beaufsichtigter Wahllokale jedoch auch die Zusammensetzung des Betriebsrats ändern. Denn das erste Ersatzmitglied der Vorschlagsliste "Fairness", Frau I., wurde nur mit einer Stimme weniger gewählt als das mit den wenigsten Stimmen gewählte Betriebsratsmitglied, Frau A.. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass nur in wenigen Verkaufsstellen eine Beeinflussung wählender Mitarbeiterinnen während des Wahlvorgangs möglich war, könnte sich dies daher auf die personelle Zusammensetzung des Betriebsrats auswirken.

f) Gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren wurde überdies verstoßen, soweit nicht für geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel gem. § 12 Abs. 1 WO gesorgt wurde. Wo nicht in einem überwachbaren Nebenraum gewählt wird, ist ein Aufstellen von Wandschirmen, Trennwänden o.ä. im Wahlraum selbst erforderlich (Fitting/Engel/Schmidt, a.a.O., § 12 Rdn. 1). Entgegen der Ansicht des Antragsgegners können die in den Verkaufsräumen vorhandenen Regale nicht die unbeobachtete Stimmabgabe gewährleisten. Diese sind vielmehr schon deshalb keine geeigneten Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel, weil die am Kassenarbeitsplatz wählende Mitarbeiterin vom Eingang des Verkaufslokals aus u.a. von Kunden beobachtet werden könnte. Das Unterlassen geeigneter Vorkehrungen für das unbeobachtete Ausfüllen der Stimmzettel führt ebenfalls dazu, dass die Betriebsratswahl unwirksam ist, denn es lässt sich auch dann, wenn Kunden den Wahlvorgang nicht direkt beobachtet haben, nicht ausschließen, dass an der Kasse ihren Stimmzettel ausfüllende Mitarbeiterinnen etwa eine geringere Anzahl von Wahlbewerberinnen, als zunächst beabsichtigt, gewählt haben, nur weil Kunden die Verkaufsstelle betreten oder sich sonstwie bemerkbar gemacht haben. Damit kann auch insoweit nicht festgestellt werden, dass das Wahlergebnis durch diesen Verstoß nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

g) Damit kann dahingestellt bleiben, ob die Wahl auch deshalb unwirksam ist, weil der Wahlvorstand die Vorschlagsliste "Neuer Wind" nicht gem. § 7 Abs. 2 S. 2 WO unverzüglich geprüft und die Antragstellerin zu 1. nicht unverzüglich darüber unterrichtet hat, dass die Vorschlagsliste Mängel aufweist. Ebenso kann offenbleiben, ob gem. § 6 Abs. 3 S. 2 WO den Vorschlagslisten eigenhändig unterschriebene Zustimmungserklärungen beigefügt sein müssen oder per Telefax abgegebene Zustimmungserklärungen ausreichen, und ob es von rechtlicher Bedeutung ist, welche Vorstellungen die Wahlbewerberin Frau L. bei Abgabe ihrer Zustimmungserklärung hatte.

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück