Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.12.1998
Aktenzeichen: 9 TaBV 78/98
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 47
BetrVG § 54 Abs. 2
BetrVG § 55 Abs. 1
1. Ein Gesetzesverstoß bei der Wahl d es in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Gruppenvertreters der Angestellten gemäß § 47 Abs. 2 BetrVG muß in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG binnen einer Frist von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Wahl in einem Wahlanfechtungsverfahren geltend gemacht werden.

2. Ergibt sich bei einer derartigen betriebsratsinternen Wahl innerhalb der Gruppe der Angestellten eine Pattsituation, so geht das Wahlrecht nicht auf das Betriebsratsplenum über (im Anschluß an BAG 15.01.1992 - 7 ABR 24/91 - AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG 1972). Die Pattsituation ist vielmehr durch Losentscheid aufzulösen.

3. Der im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Gruppenschutz stellt zugleich einen Minderheitenschutz dar, der seinen verfassungsrechtlichen Ansatz aus Artikel 3 Abs. 1 GG bezieht. Daher bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, daß der Gesetzgeber im BetrVG an der Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten festgehalten hat.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

Geschäfts-Nr.: 9 TaBV 78/98

Verkündet am: 18.12.1998

In der Beschlußsache

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in dem Anhörungstermin am 18. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Boewer als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Ohler und den ehrenamtlichen Richter Kriegel beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 4. bis 7. gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 06.08.1998

- 4 BV 24/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Angestelltenvertreter für den Gesamtbetriebsrat und den Unterkonzernbetriebsrat der P.ierbu AG.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) und 5) bis 7) sind Angestellte der Firma .Pierbur AG, Werk N.eu und gleichzeitig Betriebsratsmitglieder. Der Beteiligte zu 4) ist der im Werk N.eu der P.ierbu AG gewählte Betriebsrat.

Am 12.03.1998 fand im Werk N.eu der P.ierbu AG die regelmäßige Betriebsratswahl in Form einer Gruppenwahl statt. Aus dieser Wahl ist der aus 15 Mitgliedern bestehende Betriebsrat hervorgegangen. Wahlberechtigt waren 893 Arbeiter und 613 Angestellte. Der Betriebsrat setzt sich aus neun Vertretern der Arbeiter und sechs Vertretern der Angestellten zusammen. Bei der Betriebsratswahl entfielen auf die Liste 1 - 2002 D.orst/E.ngel - 260 Stimmen und auf die Liste 2 - IG-Metall S.tru/K.lut - 205 Stimmen. Die Beteiligten zu 1) bis 3) wurden über die Angestelltenliste 1 und die Beteiligten zu 5) bis 7) über die Angestelltenliste 2 in den Betriebsrat gewählt.

Bei der P.ierbu AG besteht für die Werke der Fahrzeugtechnik in N.eu, N.ettet und B.erl ein Gesamtbetriebsrat. Des weiteren wird in Absprache mit dem Vorstand für die genannten und zwei weitere Betriebe, die P.ierbu Luftfahrt in N.eu und die H.erma- Elektronik in F.Fürt ein Unterkonzerbetriebsrat gewählt.

Am 17.04.1998 fand eine Sitzung des Betriebsrates statt, in der die Angestelltenvertreter für den Gesamtbetriebsrat und den Unterkonzerbetriebsrat von der Mehrheit der Betriebsräte in offener Wahl in einem einheitlichen Wahlgang gewählt wurden. Nachdem die Beteiligten zu 1) bis 3) am 05.05.1998 bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach ein Beschlußverfahren zur Anfechtung dieser Wahl eingeleitet hatten, wiederholte der Betriebsrat in der Sitzung vom 06.05.1998 die Wahlen dieser Angestelltenvertreter. Dabei wurden innerhalb der Gruppe der Angestellten als Angestelltenvertreter der Beteiligte zu 2) (E.rn E.ngel) und der Beteiligte zu 5) (H.a S.tru) vorgeschlagen. Eine offene Abstimmung innerhalb der Gruppe der Angestellten ergab drei Stimmen für den Angestellten S.tru und drei Stimmen für den Angestellten E.ngel. Mit elf Stimmen dafür und vier Stimmen dagegen beschloß der Betriebsrat in der Sitzung vom 06.05.1998 nunmehr, die Pattsituation durch den Betriebsrat aufzulösen. Die sich daran anschließende offene Abstimmung ergab für den Angestellten S.tru zehn Stimmen und für den Angestellten E.ngel drei Stimmen bei zwei Enthaltungen. Der Betriebsrat stellte anschließend fest, daß der Angestellte S.tru sowohl als Angestelltenvertreter für den Gesamtbetriebsrat als auch als Angestelltenvertreter für den Unterkonzerbetriebsrat gewählt worden war.

Mit einem bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach am 20.05.1998 anhängig gemachten Beschlußverfahren haben die Beteiligten zu 1) bis 3) geltend gemacht, die Wahl des Angestelltenvertreters für den Gesamtbetriebsrat und den Unterkonzerbetriebsrat der P.ierbu AG am 06.05.1998 sei rechtsunwirksam. Das Entsendungsrecht der Angestelltenvertreter in die vorgenannten Gremien habe ausschließlich der Gruppe der Angestellten zugestanden. Die in der Gruppe der Angestellten aufgetretene Pattsituation hätte ausschließlich durch einen Losentscheid aufgelöst werden müssen.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben beantragt,

die in der Betriebsratssitzung am 06.05.1998 durchgeführte Wahl des Angestelltenvertreters für den Gesamtbetriebsrat der P.Pierbur AG und die am 06.05.1998 durchgeführte Wahl des Angestelltenvertreters für den Unterkonzernbetriebsrat der Firma P.ierbu AG für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 4) bis 7) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben die Wirksamkeit der Wahl vom 06.05.1998 verteidigt und die Auffassung vertreten, der Gruppenschutz in der Betriebsverfassung, aus dem bei Pattsituationen innerhalb einer Gruppe der Losentscheid maßgebend sei, entspreche nicht mehr den gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen. Der Gruppenschutz fuße auf der formalen Einteilung der Arbeitnehmer in Arbeiter und Angestellte. Diese Einteilung sei überholt und verfassungswidrig, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur unterschiedlichen Behandlung von Arbeitern und Angestellten, insbesondere im Individualarbeitsrecht, ergebe. Ein zwingender Gruppenschutz für Arbeiter und Angestellte ließe kaum noch Spielraum für eine angemessene Berücksichtigung auch anderer Personengruppen. Es ginge bei den Gesetzesregelungen zum Gruppenschutz weniger um die eigentlichen Interessen der Arbeiter und Angestellten selbst, als vielmehr um die Interessen einzelner Fraktionen innerhalb einer Gruppe. Die Auflösung der in einer Gruppe aufgetretenen Pattsituation durch eine Mehrheitsentscheidung des Betriebsratsplenums sei daher sachgerechter als ein Losentscheid und gewähre außerdem eine stärkere demokratische Legitimation.

Durch Beschluß vom 06.08.1998 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach - 4 BV 24/98 - dem Antrag der Beteiligten zu 1) bis 3) entsprochen. In den Gründen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Wahl des Angestelltenvertreters zum Gesamtbetriebsrat als auch die Wahl des Angestelltenvertreters zum Unterkonzernbetriebsrat vom 06.05.1998 als rechtsunwirksam anzusehen sei, weil sie unter Verletzung wesentlicher Wahlvorschriften zustande gekommen seien. Die bei dieser Wahl entstandene Pattsituation habe nämlich nicht dadurch überwunden werden dürfen, daß in einem weiteren Wahlgang die Vertreter der anderen Gruppe mitgestimmt hätten. Dieser Wahlgang habe gegen das im Betriebsverfassungsgesetz zu beachtende Gruppenschutzprinzip verstoßen und führte zu einer Unwirksamkeit der Wahl der betreffenden Gruppenvertreter. Zur Lösung einer eingetretenen Pattsituation sei nach der Rechtsprechung mindestens ein zweiter Wahlgang durchzuführen und bei dessen Erfolglosigkeit zwischen den beiden Kandidaten der Gruppe durch Los zu entscheiden. Eine derartige Lösung von Pattsituationen sei auch sachgerecht. Die Abstimmung im Betriebsratsplenum führte auch nicht zu einer erhöhten demokratischen Legitimation der Gruppenvertreter, da nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung eine Legitimation des gesamten Plenums zur Wahl eines Gruppenvertreters eben grade nicht bestehe. Der Losentscheid sei demgegenüber ein demokratisch übliches und im Gesetz verankertes Mittel, um Pattsituationen aufzulösen. Die im Betriebsverfassungsgesetz verankerten Regelungen über den Gruppenschutz verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip des Art. 3 GG bzw. gegen das Rechtsstaatsprinzip sei nicht erkennbar.

Gegen den am 02.09.1998 zugestellten Beschluß haben die Beteiligten zu 4) bis 7) mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 18.09.1998 eingegangenen Schriftsatz - Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 02.11.1998 mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 24.10.1998 vorliegenden Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wenden sich die Beteiligten zu 4) bis 7) gegen den angefochtenen Beschluß und halten daran fest, daß die Wahl des Angestelltenvertreters in der Sitzung vom 06.05.1998 gesetzesgemäß verlaufen sei. Zunächst sei die in der Betriebsratssitzung vom 06.05.1998 geübte Vorgehensweise bei der hier in Rede stehenden Abstimmung über die in den Gesamtbetriebsrat bzw. Unterkonzerbetriebsrat zu entsendenden Vertreter nicht nur sachgerechter, sondern auch demokratischer als das Los, zumal - von der Ausnahme des § 47 Abs. 2 BetrVG abgesehen - die in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Mitglieder, gleichgültig ob Arbeiter oder Angestellte, grundsätzlich in einem von allen Mitgliedern des Betriebsrats gemeinsam durchgeführte Wahlgang ermittelt würden. Schließlich bliebe es auch beim Votum des Gesamtgremiums bei der Wahl eines der betreffenden Gruppe angehörenden Mitglieds. Es werde also nicht das Gruppenprinzip als solches verletzt; lediglich eine von zwei Fraktionen, die sich nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag hätte verständigen können, müsse zurückstehen. Soweit das Bundesarbeitsgericht seine Auffassung zur Auflösung der Stimmengleichheit durch Losentscheid aus dem zwingenden Charakter des Gruppenschutzes herleitete, sei dieser gesellschaftlich überholt und auch rechtlich nicht mehr begründbar. So enthielte das Betriebsverfassungsgesetz selbst keine eigene Definition der Begriffe Arbeiter und Angestellte und verweise insoweit lediglich auf die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der Arbeitnehmer. Dabei sei zu berücksichtigen, daß es dem Gesetzgeber nicht gelungen sei, eindeutige und überzeugende Kriterien für eine Abgrenzung der beiden Begriffe zu finden. Daher habe das Bundesverfassungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, daß es die formale Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten nicht mehr als geeigneten und sachlichen Anknüpfungspunkt gelten ließe. Die Beibehaltung der Gruppenunterscheidung in der Betriebsverfassung ließe sich auch nicht damit begründen, sie verfolge den Zweck, daß in den Betrieben Arbeitnehmer mit verschiedener Tätigkeit unter den Mitgliedern des Betriebsrats vertreten seien. Es sei nicht zu verantworten und auch nicht zu begründen, daß die rein formale Trennung zwischen den Gruppen zur unterschiedlichen Wahlrechten und Wahlchancen sowie zu ungleichen Arbeits- und Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Systems der betrieblichen Interessenvertretung führte. Es sei auch kein Grund erkennbar, der es dem Richter gebieten könnte, in dieser Frage noch weiter zu gehen als das Gesetz selbst. Dies gelte etwa für die bisherige Rechtsprechung zum Losentscheid bei Pattsituationen innerhalb der Arbeiter- und Angestelltengruppe. Daher müsse die bisherige Rechtsprechung überprüft und revidiert werden.

Die Beteiligten zu 4) bis 7) beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 06.08.1998 - 4 BV 24/98 - den Antrag der Beteiligten zu 1) bis 3) zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen,

die Beschwerde der Beteiligten zu 4) bis 7) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 06.08.1998 - 4 BV 24/98 - zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) schließen sich den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses an und machen sich diese zu eigen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) bis 7) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 06.08.1998 - 4 BV 24/98 - ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß eingelegt (§§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 und 3, 66 Abs. 1 ArbGG) und rechtzeitig innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 S. 2, 66 Abs. 1 ArbGG).

1. In der Sache selbst konnte die Beschwerde der Beteiligten zu 4) bis 7) keinen Erfolg haben, weil das Arbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich die Beschwerdekammer weitgehend anschließt, zu der Feststellung gelangt ist, daß die in der Betriebsratssitzung vom 06.05.1998 durchgeführte Wahl des Angestelltenvertreters für den Gesamtbetriebsrat und die in der gleichen Sitzung durchgeführte Wahl des Angestelltenvertreters für den Unterkonzerbetriebsrat der P.ierbu AG für rechtsunwirksam zu erklären sind.

Das von den Beteiligten zu 1) bis 3) angestrengte Wahlanfechtungsverfahren ist zulässig. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt eine ausdrückliche Regelung der Rechtsfolgen bei fehlerhaften betriebsratsinternen Wahlen nicht zur Verfügung. Lediglich für die Betriebsratswahl selbst sieht das Gesetz in § 19 BetrVG vor, daß sie bei Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften binnen einer Frist von zwei Wochen seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht angefochten werden kann. Denn danach führen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur in Ausnahmefällen zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Der Betriebsrat bleibt grundsätzlich solange im Amt, bis die Betriebsratswahl aufgrund einer Wahlanfechtung rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung und Bedeutung des Betriebsrats nimmt es der Gesetzgeber im Interesse einer funktionierenden Betriebsverfassung hin, daß auch der unter Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften gewählte Betriebsrat endgültig im Amt bleibt, wenn die Wahl nicht rechtzeitig angefochten wird, und daß er bei erfolgreicher Anfechtung sein Amt erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung verliert. Das Fehlen einer entsprechenden Anfechtungsregelung für betriebsratsinterne Wahlen hat nun aber nicht zur Konsequenz, daß ein Gesetzesverstoß bei solchen Wahlen stets und ohne weiteres die Nichtigkeit der Wahl zur Folge haben müßte. Auch hier ist im Interesse einer funktionierenden Betriebsverfassung in Übereinstimmung mit der ständigen Spruchpraxis des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, die Anfechtungsregelung des § 19 BetrVG auf die die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats herstellenden betriebsratsinternen Wahlen entsprechend anzuwenden, so daß die Gewählten solange im Amt bleiben, bis die Wahl aufgrund einer fristgebundenen Anfechtung durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung für unwirksam erklärt worden ist (BAG 13.11.1991 - 7 ABR 8/91 - EzA § 26 BetrVG 1972 Nr. 5 = AP Nr. 9 zu § 26 BetrVG 1972; BAG 13.11.1991 - 7 ABR 18/91 - AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG 1972 = NZA 1992, 989; BAG 15.01.1992 - 7 ABR 24/91 - AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG 1972 = NZA 1992, 1091).

Diese Grundsätze sind auch heranzuziehen, wenn es sich um die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern nach § 47 Abs. 2 BetrVG in den Gesamtbetriebsrat handelt, weil es auch insoweit um betriebsinterne Wahlen geht (ebenso Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 47 Rz. 86). Auch die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Gesamtbetriebsrat dient der Herstellung der vollen Funktionsfähigkeit des Betriebsrats. Seine Funktionsfähigkeit wäre beeinträchtigt, wenn längere Zeit ungewiß bliebe, ob die Entsendungswahl überhaupt rechtsgültig vorgenommen worden ist. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung der Anfechtungsregelung des § 19 BetrVG auch auf die betriebsinterne Wahl der in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Betriebsratsmitglieder.

2. Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten zu 1) bis 3) die zweiwöchige Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG gewahrt. Die hier angefochtenen betriebsinternen Wahlen zur Entsendung des Gesamtbetriebsrats haben am 06.05.1998 stattgefunden. Der die Anfechtung dieser Wahl betreffende Antrag nebst Begründung ist am 20.05.1998 bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach anhängig geworden und damit das vorliegende Beschlußverfahren innerhalb der Ausschlußfrist von zwei Wochen eingeleitet worden (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

3. Der Antrag der Beteiligten zu 1) bis 3) ist begründet. Die am 06.05.1998 durchgeführte Wahl des Angestelltenvertreters für den Gesamtbetriebsrat der P.ierbu AG war deshalb für unwirksam zu erklären, weil die bei der Wahl des Angestelltenvertreters aufgetretene Pattsituation durch Losentscheid aufzulösen war und nicht - wie geschehen - das Betriebsratsplenum als Wahlkörper an die Stelle der Angestelltengruppe im Betriebsrat treten durfte.

Soweit es um die Entsendung von Mitgliedern in den Gesamtbetriebsrat geht, bestimmt § 47 Abs. 2 BetrVG, daß jeder Betriebsrat, wenn ihm Vertreter beider Gruppen angehören, zwei seiner Mitglieder entsendet. Werden zwei Mitglieder entsandt, so dürfen sie nicht derselben Gruppe angehören. Ist der Betriebsrat - wie im vorliegenden Fall - nach § 14 Abs. 2 BetrVG in getrennten Wahlgängen gewählt worden und gehören jeder Gruppe mehr als 1/10 der Mitglieder des Betriebsrats, jedoch mindestens drei Betriebsratsmitglieder an, so wählt jede Gruppe den auf sie entfallenden Gruppenvertreter.

Im vorliegenden Fall haben die Arbeitnehmer der P.ierbu AG N.eu die Betriebsratswahl in Gruppenwahl durchgeführt, wobei 15 Betriebsratsmitglieder gewählt wurden, von denen neun Mitglieder auf die Gruppe der Arbeiter und sechs Mitglieder auf die Gruppe der Angestellten entfallen sind. Angesichts dessen hatte die Gruppe der Angestellten als eigener Wahlkörper den auf sie entfallenden Gruppenvertreter zu wählen, der in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden war. Da vorliegend der Wahlkörper am 06.05.1998 in vollständiger Zahl angetreten war, kann unentschieden bleiben, ob in entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 2 BetrVG mindestens die Hälfte der Gruppenvertreter an der Wahl teilnehmen muß.

Kommt es - wie im vorliegenden Fall - hinsichtlich der personellen Auswahl innerhalb einer Arbeitnehmergruppe zu einer Pattsituation, und können sich auch nach mehrmaligen Versuchen die Gruppenmitglieder nicht doch noch mehrheitlich auf einen Kandidaten verständigen, so muß das in den Gesamtbetriebsrat zu entsendende Betriebsratsmitglied durch Losentscheid bestimmt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Gruppenmitglieder vor der ersten Abstimmung oder hinterher auf einen Losentscheid einigen. Der Losentscheid ist nach ständiger Spruchpraxis der Gerichte das demokratisch übliche Mittel, um Pattsituationen bei Wahlen aufzulösen (vgl. nur §§ 23 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 4 WO BetrVG 1972; BAG 26.02.1987 - 6 ABR 54/85 - NZA 1987, 750 = DB 1987, 1995; BAG 15.01.1992 - 7 ABR 24/91 - NZA 1992, 1091 = AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG 1972; BVerwG 15.05.1991 - 6 P 15/89 - DVBl 1992, 153; BayVerw 13.02.1991 - 17 P 90.3560 - NJW 1991, 2306; HessVerw 29.11.1989 - HPV TL 1366/89 - AuR 1991, 62; OVG Münster 06.07.1987 - CB 30/85 - PersR 1988, 196), wenn das Losverfahren als solches nicht zu beanstanden ist.

In keinem Fall kann jedoch zur Vermeidung eines derartigen Losverfahrens das im Gesetz zwingend vorgeschriebene Arbeitnehmergruppenwahlrecht auf das Betriebsratsplenum übergehen, wenn innerhalb des Wahlkörpers einer Arbeitnehmergruppe eine Pattsituation entsteht. Nur über diesen Weg läßt sich der in § 47 Abs. 2 BetrVG zwingend vorgeschriebene Gruppenschutz realisieren, soweit eine Gruppe nicht gänzlich auf ihr Wahlrecht des in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Mitgliedes verzichtet.

Die Beschwerdekammer vermag die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beteiligten zu 4) bis 7) nicht zu teilen. Der im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Gruppenschutz stellt nämlich zugleich einen Minderheitenschutz dar, der seinen verfassungsrechtlichen Ansatz aus Art. 3 Abs. 1 GG bezieht. Die Fassung des § 47 Abs. 2 beruht auf dem am 01.01.1989 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des BetrVG, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan- Mitbestimmung (BGBl. I 1988, 2312). Mit diesem Gesetz wollte der Gesetzgeber unter anderem die Rechte von Minderheiten bei der Betriebsratswahl und der Betriebsratsarbeit stärken, um damit der Rechtsprechung des BVerfG zu genügen (BVerfG 16.10.1984 - 2 BVl 20/82 - AP Nr. 3 zu § 19 BPersVG). Gerade der vorliegende Fall verdeutlicht, wie richtig und wichtig die im Gesetz und von der Rechtsprechung geforderte Verfahrensweise ist. Aus dem Wahlergebnis der am 12.03.1998 bei der P.ierbu AG N.eu durchgeführten Betriebsratswahl ergibt sich, daß von den neun in den Betriebsrat zu wählenden Arbeitern sieben Arbeiter aus der Liste der IG-Metall gewählt worden sind und von den zu wählenden Angestellten drei Angestellte auf die Liste der IG-Metall entfallen. Die Beteiligten zu 1) bis 3), die auf einer eigenen Liste kandidiert haben, haben von den 465 abgegebenen gültigen Stimmen immerhin 260 Stimmen erhalten, während auf die Angestelltenliste der IG-Metall lediglich 205 Stimmen entfallen sind. Damit waren die Beteiligten zu 1) bis 3) völlig chanchenlos einen Angestelltenvertreter für die Entsendung in den Gesamtbetriebsrat durchsetzen zu können, wenn im Falle einer Pattsituation innerhalb der Angestelltengruppe das Wahlrecht auf das Betriebsratsplenum überging. Hier ließe sich rechtfertigen, daß im Falle einer Pattsituation die Gruppe der Angestellten in erster Linie zu berücksichtigen wäre, auf die im Falle der Listenwahl die meisten Stimmen der gruppenangehörigen Arbeitnehmer entfallen sind. Und das wäre im vorliegenden Fall die Liste 1 gewesen, auf der die Beteiligten zu 1) bis 3) kandidiert haben.

Es mag durchaus sein, daß sich die Einteilung der Beschäftigen in Arbeiter und Angestellte in vielen Bereichen überholt hat und sich dort mit der Verfassung nicht mehr vereinbaren läßt, wo allein der Status zu einer materiell rechtlichen Benachteiligung führt, d. h. die Verfassungswidrigkeit aus der Ungleichbehandlung wegen der Gruppenzugehörigkeit folgt. Für die Kündigungsfristen ist dies vom BVerfG bereits festgestellt worden (BVerfG AP Nr. 28 zu § 622 BGB). Im Betriebsverfassungsgesetz selbst werden jedoch nicht etwa die Gruppen spezifisch benachteiligt, sondern jeweilige Minderheiten geschützt, so daß es jedenfalls zur Zeit eine politische und nicht eine vom Gericht zu treffende Entscheidung ist, ob die Einteilung der Beschäftigten in Arbeiter und Angestellte noch zeitgemäß ist.

Nach alledem ist dem Arbeitsgericht darin zu folgen, daß die Wahl des Angestelltenvertreters zur Entsendung in den Gesamtbetriebsrat rechtswidrig vorgenommen worden ist und damit anfechtbar war.

Die gleichen Erwägungen treffen auf die Entsendung des Angestelltenvertreters in den Unterkonzernbetriebsrat zu, unabhängig davon, ob ein derartiges Gebilde im Betriebsverfassungsgesetz selbst eine Verankerung findet, weil insoweit auf § 55 Abs. 1 S. 2 und 3 BetrVG zurückzugreifen ist, der seinerseits auf § 47 Abs. 2 BetrVG verweist.

III.

Da die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist, ist die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

Zurück