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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 16.09.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 33/05
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 103
BetrVG § 103 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 611
BGB § 613
ZPO § 926
ZPO § 927
ZPO § 935
ZPO § 936
ZPO § 940
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamburg Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 3 Sa 33/05

Verkündet am 16. September 2005

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 3. Kammer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Lewerenz als Vorsitzenden die ehrenamtliche Richterin Bagger den ehrenamtlichen Richter Faelske für Recht:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. März 2005 - 3 Ga 5/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über den Anspruch des Verfügungsklägers auf Weiterbeschäftigung.

Der Verfügungskläger ist seit dem 22. Februar 1999 als Betriebshelfer bei der Verfügungsbeklagten tätig. Seine monatliche Vergütung beträgt 1.400,00 EUR brutto.

Der Verfügungskläger ist Mitglied des bei der Verfügungsbeklagten bestehenden Betriebsrats.

Die Verfügungsbeklagte beabsichtigt, den Verfügungskläger außerordentlich zu kündigen, da sie ihm vorwirft, unter anderem am 14. Januar 2005 unentschuldigt vorzeitig das Betriebsgelände verlassen und einen Stempelkartenbetrug begangen zu haben. Seit dem 17. Januar 2005 beschäftigt sie den Verfügungskläger nicht mehr.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2005 bat sie den Betriebsrat um die Erteilung zur Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Verfügungsklägers. Der Betriebsrat lehnte mit Schreiben vom 21. Januar 2005 die Erteilung seiner Zustimmung zur Kündigung ab. Die Verfügungsbeklagte beantragte darauf hin am 27. Januar 2005 gemäß § 103 BetrVG die gerichtliche Zustimmungsersetzung. Das Verfahren ist beim Arbeitsgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 3 BV 3/05 anhängig. Die Güteverhandlung ist am 18. Februar 2005 gescheitert. Ein erster Termin zur Kammerverhandlung hat am 1. Juli 2005 stattgefunden. Ein weiterer Behandlungstermin vor dem Arbeitsgericht ist auf den 19. Oktober 2005 anberaumt.

Nachdem der Verfügungskläger gegenüber der Verfügungsbeklagten in der Güteverhandlung in dem Beschlussverfahren vom 18. Februar 2005 seine Weiterbeschäftigung verlangt und seine Arbeitskraft angeboten hatte, erklärte die Verfügungsbeklagte, dass sie sich hierzu umgehend erklären werde und teilte mit Schreiben vom 24. Februar 2005 mit, dass sie es ablehne, den Verfügungskläger weiterzubeschäftigen.

Mit seinem am 9. März 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag verfolgt der Verfügungskläger sein Begehren weiter.

Er hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Antragsteller zu unveränderten Bedingungen als Betriebshelfer weiterzubeschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass ihre Interessen an der Suspendierung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Verfügungsklägers an der Weiterbeschäftigung überwögen. Hierzu trägt sie vor, dass ihr Betriebsleiter, Herr Haefner H., am 14. Januar 2005 unmittelbar in einem Gebüsch neben dem Parkplatz postiert gestanden und den Verfügungskläger dabei beobachtet habe, wie er gemeinsam mit dem Kollegen Herrn Indulto I. im Wagen des Herrn Indulto I. fast eine halbe Stunde vor Schichtende weggefahren sei (Beweis: Zeugnis des Herrn Haefner H., zum Termin sistiert). Dies habe auch ein weiterer Mitarbeiter, Herr Hartmann Hr., beobachtet, der hinter der nächsten Straßenecke gestanden habe und über Mobiltelefon mit Herrn Haefner H. verbunden gewesen sei (Beweis: wie vor). Seine Stempelkarte habe der Kläger anderweitig zum regulären Schichtende stempeln lassen. Das Verhalten des Verfügungsklägers habe strafrechtliche Relevanz. Indem der Verfügungskläger nunmehr abstreite, sich dergestalt verhalten zu haben, begehe er darüber hinaus einen Prozessbetrug.

Bei der Interessenabwägung sei ferner zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger weiterhin sein Betriebsratsamt ausüben könne, da ihm der Zutritt zum Betrieb gestattet werde. Im Übrigen habe sich im Betrieb der Vorfall herumgesprochen. Im Falle der Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers würde der Betriebsfrieden empfindlich gestört.

Ferner bestehe kein Eilbedürfnis mehr, da der Verfügungskläger seit fast zwei Monaten suspendiert sei.

Das Arbeitsgericht hat durch sein am 30. März 3005 verkündetes Urteil der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, den Verfügungskläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Betriebshelfer weiterzubeschäftigen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagte hat gegen das ihr am 27. April 2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 27. Mai 2005 Berufung eingelegt und diese am 22. Juli 2005 gegründet, nachdem ihr auf ihren Antrag vom 27. Juni 2005 durch Beschluss vom 28. Juni 2005 die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 27.Juni 2005 verlängert worden war.

Die Verfügungsbeklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:

In dem er wegen der beabsichtigten Kündigung des Verfügungsklägers beim Arbeitsgericht anhängigen Zustimmungsersetzungsverfahrens habe am 01. Juli 2005 eine mündliche Verhandlung stattgefunden, bei der der Betriebsleiter Herr Haefner H. als Zeuge vernommen worden sei und die Vorwürfe gegen den Verfügungskläger bestätigt habe. Da es dem Arbeitsgericht nicht gelungen sei, die Beweisaufnahme abzuschließen, sei Termin zur Fortsetzung der Beweisaufnahme auf den 19. Oktober 2005 anberaumt worden. Wie schon in dem Gütetermin in dem Beschlussverfahren vom 18. Februar 2005 sei der Verfügungskläger auch nach dem Kammertermin vom 1. Juli 2005 mit Triumphgebärden an seinen Arbeitsplatz im Betrieb zurückgekehrt. Er habe hierdurch den Betriebsfrieden ernsthaft gefährdet und beeinträchtigt, weil er der Belegschaft vermittelt habe, er könne dem Arbeitgeber "auf der Nase herum tanzen". Maßgeblich dabei sei vor allem, dass der im Zustimmungsersetzungsverfahren vom Verfügungskläger als Zeuge benannte Mitarbeiter Herr Indulto I., der zusammen mit dem Verfügungskläger den Betrieb vorzeitig verlassen habe, die fristlose Kündigung erhalten habe, der der Betriebsrat in diesem Fall auch zugestimmt habe. Bei einer solchen Parallelität der Kündigungssachverhalte müsse es dem Arbeitgeber auch schon vor Durchführung oder Abschluss einer Beweisaufnahme möglich sein, ein Betriebsratsmitglied von der Arbeitsleistung freizustellen.

Auch bestehe kein Verfügungsgrund. Sie bestreite die unsubstanziierte Behauptung des Verfügungsklägers, er habe bereits vor dem Gütetermin in dem Beschlussverfahren vom 18. Februar 2005 "mehrfach die tatsächliche Beschäftigung verlangt und die Arbeitskraft durch Erscheinen am Arbeitsplatz nochmals angeboten". Richtig sei, dass sie den Verfügungskläger am 17. Januar 2005 von der Arbeit suspendiert habe, und dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers, Herr Gürth G., anlässlich des Gütetermins erstmals darum gebeten habe, den Verfügungskläger weiterzubeschäftigen. Verfügungskläger selbst aber wieder am 17. Januar 2005 noch danach der Freistellung widersprochen und seine Beschäftigung verlangt.

Sie habe keine Einwendungen dagegen, wenn der Verfügungskläger weiterhin seiner Betriebsratstätigkeit nachgehe. Die Freistellung von der Arbeit hindere den suspendierten Verfügungskläger in keiner Weise daran, Betriebsratstätigkeiten zu entfalten und beispielsweise an Betriebsratssitzungen teilzunehmen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. März 2005 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Entgegen der Würdigung der Verfügungsbeklagten könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass durch das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme die Vorwürfe gegenüber dem Verfügungskläger bestätigt worden sein. Es sei unzutreffend, dass er entsprechend dem Vortrag der Verfügungsbeklagten nach dem Termin vom 01. Juli 2005 mit Triumphgebärden an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt sei und der Belegschaft vermittelt habe, er könne dem Arbeitgeber auf der Nase herum tanzen. Entgegen dem Vortrag der Verfügungsbeklagten bestehe auch keine Parallelität zu dem der Kündigung des Herrn Indulto I. zu Grunde liegenden Sachverhalt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat der Verfügungsbeklagten zu Recht im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, den Verfügungskläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Betriebshelfer weiterzubeschäftigen.

Wegen der Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Die von der Verfügungsbeklagten in der Berufungsinstanz gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:

1. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verfügungsbeklagten in der Berufungsinstanz hat der Kläger einen Verfügungsanspruch auf vertragsgemäße Weiterbeschäftigung.

a) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis hat seine Grundlage in den §§ 611, 613 BGB in Verbindung mit § 242 BGB. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung der Artikel 1 und 2 GG (grundlegend Bundesarbeitsgericht - Großer Senat - Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Der Anspruch beruht unmittelbar auf der sich für den Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Artikel 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers (BAG - Großer Senat - a. a. O., unter C I 2 b der Gründe). Wie der Große Senat in seinem Beschluss vom 27. Februar 1985 (a. a. O. unter C I 3 der Gründe) weiter ausgeführt hat, besteht bei der persönlichkeitsrechtlichen Begründung des Beschäftigungsanspruchs aus der ideellen Interessenlage heraus grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer ein Beschäftigungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Darauf, ob er höherwertige oder geringerwertige Arbeiten zu verrichten hat, ob er für seine Arbeit eine spezielle Vor- oder Ausbildung benötigt oder nicht, kommt es nicht an. Ebenso wenig kann der Beschäftigungsanspruch davon abhängig gemacht werden, ob im Einzelfall ein faktisches Interesse des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung besteht. Da schon das generelle ideelle Interesse zur Begründung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs genügt, kann es für den Beschäftigungsanspruch auch nicht entscheidend sein, ob der Arbeitnehmer durch die Nichtbeschäftigung einen konkreten Schaden erleidet. Schutzwerte Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers, den der Arbeitgeber trotz Verlangens nicht beschäftigt, werden - soweit nicht überwiegende Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen - stets verletzt, weil jeder Arbeitnehmer, der arbeiten will, im Rahmen seines Arbeitsvertrages dazu auch Gelegenheit haben muss (BAG, a.a.O., unter C I 3 der Gründe).

Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten ist, muss er allerdings dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende schutzwerte Interessen zu fördern. Deshalb bedarf es, wenn der Arbeitgeber wegen im Einzelfall entgegen stehender eigener Interessen die Beschäftigung des Arbeitnehmers ablehnt, eine Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Feststellung, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung schutzwürdig ist und überwiegt. Das kann etwa der Fall sein beim Wegfall der Vertrauensgrundlage, bei Auftragsmangel oder bei einem demnächst zur Konkurrenz abwandernden Arbeitnehmer aus Gründen der Wahrung von Betriebsgeheimnissen. Andererseits kann sich auf Seiten des Arbeitnehmers das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse im Einzelfall noch durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art verstärken (etwa Geltung in der Berufswelt, Ausbildung, Erhaltung von Fachkenntnissen).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der im ungekündigten Arbeitsverhältnis grundsätzlich bestehende Anspruch des Verfügungsklägers auf tatsächliche Beschäftigung nicht auf Grund überwiegender schutzwürdiger Interessen der Verfügungsbeklagten ausgeschlossen, so dass der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsanspruch gegeben ist.

aa) Der von der Verfügungsbeklagten vorgetragene Stand der Beweisaufnahme in dem Beschlussverfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Klägers vermag eine Suspendierung des Verfügungsklägers nicht zu rechtfertigen.

Auch wenn man zu Gunsten der Verfügungsbeklagten unterstellt, dass der Verfügungskläger die ihm vorgeworfene Arbeitszeitmanipulation begangen hat, mag dies zwar eine Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung im Verfahren nach § 103 BetrVG rechtfertigen und nach Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung seine fristlose Kündigung. Hieraus ergibt sich aber nicht auch zugleich, dass die Verfügungsbeklagte schon vor Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens berechtigt wäre, den Verfügungskläger zu suspendieren. Da der Vergütungsanspruch des Verfügungsklägers durch die Suspendierung nicht berührt wird, müsste gerade seine tatsächliche Beschäftigung auf Grund der Art der dem Verfügungskläger vorgeworfenen Pflichtverletzung in der Zeit bis zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach rechtskräftiger Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats im Verfahren gemäß § 103 BetrVG gewichtige schutzwürdige Interessen der Verfügungsbeklagten beeinträchtigen, gegenüber denen der Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis zurückzutreten hätte.

Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden.

Selbst eine Wiederholung einer vergleichbaren Arbeitszeitmanipulation würde die Verfügungsbeklagte, die dem Verfügungskläger seine Arbeitsvergütung ohne jegliche Arbeitsleistung zahlen will, nicht zusätzlich schädigen. Es sind von der Verfügungsbeklagten auch keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, auf Grund derer die ernsthafte Besorgnis gerechtfertigt wäre, der Verfügungskläger werde im Falle seiner tatsächlichen Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens etwa andere Arbeitnehmer dazu verleiten, sich in vergleichbarer Weise pflichtwidrig zu verhalten, so dass die Verfügungsbeklagte diesen den vollen Lohn zahlt, ohne die volle Arbeitsleistung zu erhalten.

bb) Die Verfügungsbeklagte macht gegenüber dem Beschäftigungsanspruch des Verfügungsklägers auch ohne Erfolg geltend, dieser habe den Betriebsfrieden ernsthaft gestört und beeinträchtigt, indem er der Belegschaft den Eindruck vermittele, er könne ihr "auf der Nase herumtanzen". Sie hat hierzu vorgetragen, wie schon nach dem Gütetermin vom 18. Februar 2005 in dem Zustimmungsersetzungsverfahren sei er auch nach dem Kammertermin vom 01. Juli 2005 in jenem Verfahren mit Triumphgebärden an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Maßgeblich sei dabei vor allem, dass der im Zustimmungsersetzungsverfahren vom Verfügungskläger als Zeuge benannte Mitarbeiter Herr Indulto I., der zusammen mit dem Verfügungskläger den Betrieb vorzeitig verlassen habe, die fristlose Kündigung erhalten habe, der Betriebsrat in diesem Fall auch zugestimmt habe. Bei einer solchen Parallelität der Kündigungssachverhalte müsse es dem Arbeitgeber auch schon vor der Durchführung des Abschlusses einer Beweisaufnahme möglich sein, ein Betriebsmitglied von der Arbeit freizustellen.

Aus diesem Vorbringen der Verfügungsbeklagten ergibt sich kein das Interesse des Verfügungsklägers an seiner Beschäftigung überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Verfügungsbeklagten, den Kläger nicht zu beschäftigen.

Dass bei gleicher Sachlage eine außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds erst nach rechtskräftiger Zustimmungsersetzung des Betriebsrats möglich ist, während ein sonstiger Arbeitnehmer bereits nach Abschluss der Betriebsratsanhörung gekündigt werden kann, ist vom Gesetzgeber zum Schutze der Amtsträger so gewollt und muss im Ergebnis vom Arbeitgeber hingenommen werden.

Der Vortrag, der Verfügungskläger sei nach dem Gütetermin 18. Februar 2005 in dem Beschlussverfahren und auch nach dem ersten Kammertermin vom 01. Juli 2005 mit Triumphgebärden an seinen Arbeitsplatz in den Betrieb zurückgekehrt, er habe den Betriebsfrieden dadurch ernsthaft gestört und beeinträchtigt, weil er der Belegschaft vermittelt habe, er könne dem Arbeitgeber "auf der Nase herumtanzen", ergibt keine schlüssige Darlegung eines rechtswidrigen Verhaltens des Verfügungsklägers, was immer auch mit Triumphgebärden gemeint sein mag. Auch ergibt sich aus diesem Vorbringen keine unsubstanziierte Darlegung einer konkreten Störung des Betriebsfriedens.

2. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht einen Verfügungsgrund für die beantragte einstweilige Verfügung bejaht.

a) Die einstweilige Verfügung ist notwendig im Sinne der §§ 935, 940 ZPO.

Ohne die Anordnung der Beschäftigung im Eilverfahren der §§ 935, 940 ZPO drohte hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs ein endgültiger Rechtsverlust. Für jeden Tag, an dem der Verfügungskläger nicht beschäftigt wird, ist sein Anspruch auf Beschäftigung unwiederbringlich verloren. Sinn der §§ 935, 940 ZPO ist es in der Regel aber gerade zu verhindern, dass die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt wird.

Allerdings wird teilweise die Auffassung vertreten, dass es im Falle der rechtswidrigen Suspendierung eines Arbeitnehmers ein Verfügungsgrund für eine auf Weiterbeschäftigung gerichtete einstweilige Verfügung nur dann gegeben ist, wenn über die Tatsache der bloßen Nichtbeschäftigung hinaus dem Arbeitnehmer weitere Nachteile entstehen, etwa weil die Beschäftigung auch seiner Ausbildung dient und das Ausbildungsziel durch die Nicht-Beschäftigung gefährdet ist, weil der Arbeitnehmer zur Erhaltung seiner beruflichen Fertigkeiten diese dauernd einsetzen muss oder weil die Suspendierung in besonderer Weise diskriminierend wirkt (so z. B. LAG Hamburg, Urt. vom 25. November 1992 - 5 Sa 84/92 - n.v.; Bauer in Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Auflage, B Rn. 99 mit weiteren Nachweisen; LAG Frankfurt, Urteil vom 23. März 1987 - 1 SaGa 316/87 - NZA 1988, 37). Dem gegenüber wird die Auffassung vertreten, dass jedenfalls dann, wenn der Beschäftigungsanspruch zweifelsfrei besteht, sich der Verfügungsgrund in der Regel bereits daraus ergebe, dass anderenfalls für die Vergangenheit ein endgültiger Verlust des Verfügungsanspruchs eintreten würde (LAG München, Urteil vom 19. August 1992, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 32, und Urteil vom 07. Mai 2003 - 5 Sa 344/03 - LAGE § 611 BGB 2002 Beschäftigungspflicht Nr. 1; Hessisches LAG, Urteil vom 10. Juli 2002 - 8 SaGa 781/02 - Juris; LAG Hamm, Urt. vom 12. Dezember 2001 - 10 Sa 1741/01 - NZA-RR 2003, 311 ff.; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, vor § 935 Rz. 55 ff; Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtigen Verfahren, 1993, S. 446 ff.).

Soweit in der Rechtssprechung für eine einstweilige Verfügung auf Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs ein über die Nichtbeschäftigung hinausgehender Nachteil verlangt wird, betreffen diese Entscheidungen im Wesentlichen Freistellungen von Arbeitnehmern nach Ausspruch einer Kündigung für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (so z. B. LAG Hamburg, Urt. vom 25. November 1992 - 5 Sa 84/92 -). Wenn es sich dabei um einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum von einigen Wochen bzw. um einen nicht erheblich längeren Zeitraum als den Jahresurlaub handelt, den der Arbeitgeber regelmäßig auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers innerhalb der Kündigungsfrist gewähren kann, hat auch nach Auffassung der erkennenden Kammer die durch die rechtswidrige Freistellung eintretende Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitnehmers nur dann ein solches Gewicht, dass eine Anordnung der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers durch einstweilige Verfügung im Sinne der §§ 935, 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, wenn für den Arbeitnehmer über die bloße Nichtbeschäftigung hinaus besondere Nachteile eintreten.

Anders ist die Sachlage aber dann zu beurteilen, wenn die Suspendierung, wie dies vorliegend bei der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds für die Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens gem. § 103 BetrVG der Fall ist, für einen längeren Zeitraum ausgesprochen wird. Das Maß der Beeinträchtigung der durch den Beschäftigungsanspruch geschützten Interessen des Arbeitnehmers, sein Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit durch tatsächlicher Arbeit im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses, wächst mit der Dauer der rechtswidrigen Nichtbeschäftigung. Bei einer unzweifelhaft rechtswidrigen Suspendierung, die die Dauer des Jahresurlaubs deutlich überschreitet, hat diese Rechtsverletzung regelmäßig bereits allein durch ihre Dauer eine solche Intensität, dass der Arbeitnehmer nicht auf den ordentlichen Klageweg verwiesen werden kann, der ihm auf Grund der zu erwartenden Dauer des Verfahrens bis zu einem vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteil nicht die Möglichkeit eröffnet, die Rechtsverletzung zu unterbinden. Das rechtsstaatliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes gebietet es deshalb, die §§ 935, 940 ZPO dahin gehend auszulegen, dass bei einer solchen Sachlage ein Verfügungsgrund für eine Beschäftigungsverfügung anzunehmen ist, wenn, wie dies vorliegend der Fall ist, der Beschäftigungsanspruch zweifelsfrei besteht (weiter gehend LAG München, Urteil vom 07. Mai 2003, a. a. O.).

b) Unabhängig hiervon ist ein Verfügungsgrund entsprechend der Entscheidung des Arbeitsgerichts vorliegend auch deshalb gegeben, weil ein Betriebsratsmitglied, das nicht mehr weiterbeschäftigt wird und deshalb nicht mehr persönlich in die betrieblichen Arbeitsabläufe einbezogen ist, nicht mehr in gleicher Weise sein Betriebsamt ausüben kann, wie ein voll in den Betrieb eingebundener und regelmäßig anwesender Arbeitnehmer, und dadurch auch seine Akzeptanz als Betriebsratsmitglied bei den anderen Arbeitnehmern und damit sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird (ebenso LAG Hamburg, Urteil vom 26. Februar 1993 - 1 Sa 7/93 - nicht veröffentlicht).

c) Der Verfügungskläger hat die Dringlichkeit seines Begehrens auch nicht durch eigenes Verhalten widerlegt.

Es ist allerdings anerkannt, dass ein Verfügungsgrund zu verneinen ist, wenn der Antragsteller durch sein eigenes Verhalten zeigt, dass es ihm bei der Durchsetzung seines Anspruchs selbst nicht dringlich ist. Dies wird angenommen, wenn der Antragsteller längere Zeit untätig bleibt oder selbst das einstweilige Verfügungsverfahren in die Länge zieht (Baur a. a. O., Rz. 16; Hess. LAG, a. a. O.; LAG München, Beschl. vom 17. Dezember 2003 - 5 Sa 1118/93 - NZA-RR 2005, 312).

Vorliegend kommt eine solche Selbstwiderlegung der Dringlichkeit deshalb im Grundsatz in Betracht, weil der Verfügungskläger seit seiner Freistellung durch die Verfügungsbeklagte mit Wirkung vom 1. Januar 2005 bis zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung bis zum 09. März 2005 und damit eine verhältnismäßig lange Zeit zugewartet hat.

Das Arbeitsgericht hat eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit im Hinblick darauf verneint, dass der Verfügungskläger nach seinem von der Verfügungsbeklagen im erstinstanzlichen Rechtszug nicht bestrittenen Vorbringen nach seiner Freistellung ab dem 17. Januar 2005 in der Folgezeit wiederholt seine Weiterbeschäftigung geltend gemacht habe und er dann nach der Zurückweisung seines Begehrens durch die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 24. Februar 2005 am 9. März 2005 seinen Antrag beim Arbeitsgericht anhängig gemacht habe. Hierin könne ein unbotmäßig langes Zuwarten nicht gesehen werden.

Von einem entsprechenden Sachverhalt kann in der Berufungsinstanz nicht mehr ausgegangen werden, nachdem die Verfügungsbeklagte in ihrer Berufungsbegründung ausdrücklich vorgetragen hat, der Verfügungskläger habe weder im Zusammenhang mit der Freistellung am 17. Januar 2005 noch danach dieser widersprochen und seine Beschäftigung verlangt, vielmehr sei das Beschäftigungsverlangen erstmals im Gütetermin des Beschlussverfahrens wegen der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Verfügungsklägers am 11. Februar 2005 erfolgt. Nach diesem konkreten Vorbringen der Verfügungsbeklagten hätte der Verfügungskläger seinen bisherigen Vortrag, er habe ab dem 15. Januar 2005 in der Folgezeit wiederholt seinen Beschäftigungsanspruch geltend gemacht, weiter substantiieren müssen.

Die Kammer hat davon abgesehen, dem Verfügungskläger entsprechend seinem Angebot in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zu geben, im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen, wann genau und wem gegenüber er bereits vor dem Gütetermin seine Weiterbeschäftigung verlangt haben will. Vorliegend ist ein Fall der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit unabhängig davon nicht gegeben, ob dies der Fall gewesen ist.

Nachdem in dem von der Verfügungsbeklagten gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren ein Gütetermin auf den 18. Februar 2005 anberaumt war, durfte der Verfügungskläger nach seiner Suspendierung ab 17. Januar 2005, ohne dass darin ein unbotmäßig langes Zuwarten zu sehen wäre, mit dem er die Dringlichkeit seiner Weiterbeschäftigung selbst widerlegt hätte, zunächst abwarten, ob in diesem verhältnismäßig zeitnahen Termin unter der Verhandlungsleitung der Vorsitzenden der zuständigen Kammer eine gütliche Regelung des Konflikts insgesamt oder aber jedenfalls hinsichtlich seiner Weiterbeschäftigung möglich ist. Wie ausgeführt worden ist, ergibt sich der Verfügungsgrund vorliegend gerade aus der langen Dauer der erfolgten Suspendierung. Die durch den Verfügungskläger bis zum Gütetermin in dem Beschlussverfahren vom 18. Februar 2005 hingenommene Dauer der Nichtbeschäftigung ist nicht zu erheblich, dass er damit selbst die Dringlichkeit der Abwendung der für eine nicht absehbare Dauer erfolgten Suspendierung widerlegt hätte. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass ein vor dem Gütetermin erfolgter Versuch einer Durchsetzung seines Beschäftigungsanspruchs nur geeignet gewesen, den Konflikt unnötig zu verschärfen und den Versuch einer gütlichen Regelung im Rahmen des Gütetermins zu erschweren.

Nachdem die Verfügungsbeklagte im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht angekündigt hatte, sie werde sich zu dem Beschäftigungsverlangen des Verfügungsklägers schriftlich erklären und mit Schreiben vom 24. Februar 2005 seine Beschäftigung abgelehnt hat, hat dieser dann mit seinem am 09. März eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sein Recht noch in hinreichend zügiger Weise geltend gemacht.

3. Entgegen der von der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung war die einstweilige Verfügung auch nicht zeitlich bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren über den Beschäftigungsanspruch des Verfügungsklägers oder bis zu einer Entscheidung in dem Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 103 BetrVG zu befristen.

Ein Hauptsacheverfahren auf Beschäftigung ist noch nicht anhängig, so dass eine zeitliche Beschränkung der einstweiligen Verfügung bis zu einer Entscheidung in diesem Verfahren nicht in Betracht kommt. Insoweit ist die Verfügungsbeklagte auf die Möglichkeit zu verweisen, einen Antrag nach §§ 936, 926 ZPO zu stellen.

Auch eine zeitliche Beschränkung der einstweiligen Verfügung auf die Zeit bis zu einer den Antrag stattgebenden instanzgerichtlichen Entscheidung im Beschlussverfahren oder bis dessen rechtskräftiger Entscheidung kommt nicht in Betracht. Der Beschäftigungsanspruch des Verfügungsklägers endet nicht ohne weiteres bereits mit einer instanzgerichtlichen und auch nicht mit einer rechtskräftigen Zustimmungsersetzungsentscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, sondern erst mit dem daraufhin erfolgten Ausspruch der außerordentlichen Kündigung, soweit diese nicht unter Umständen offensichtlich unwirksam ist. Letzteres kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Kündigung nicht unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses erfolgt. Die Verfügungsbeklagte ist deshalb insoweit auf die Möglichkeit eines Antrags auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände gemäß §§ 936, 927 ZPO zu verweisen. Die Voraussetzungen für eine solche Aufhebung werden in der Regel mit Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nach einer rechtskräftigen Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats gegeben sein.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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