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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 28.10.2002
Aktenzeichen: 3 Ta 25/02
Rechtsgebiete: BetrVG, BRAGO, ArbGG, KSchG


Vorschriften:

BetrVG § 103
BRAGO § 8 Abs. 2 Satz 2
BRAGO § 10 Abs. 3 Satz 1
BRAGO § 8 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
KSchG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss

Geschäftszeichen: 3 Ta 25/02

In der Betriebsverfassungssache betreffend

beschließt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 3 Kammer, durch xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Landesarbeitsgericht xxxxxxxxxxxxxx als Vorsitzende/n

am 28. Oktober 2002:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Rechtsanwälte xxxxxxxxxxxxxx wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. August 2002 - 25 BV 13/01 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert und der Gegenstandswert für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren auf € 17.726,80 festgesetzt.

Gründe:

Gegenstand des zu Grunde liegenden Beschlussverfahren war ein Antrag gemäß § 103 BetrVG vom 12. November 2001 auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats, des Beteiligten zu 2., zu der von der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 1., beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3..

Beschwerdeführer des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2. und 3..

Der Beteiligte zu 3. hatte nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer, dem die Beteiligte zu 1. nicht entgegengetreten ist, im Rahmen seiner regulären Vollzeitbeschäftigung einen Anspruch auf eine monatliche Vergütung von DM 14.448,09. Für die Zeit vom 07. Mai bis 21. Dezember 2001 und vom 6. Mai bis 27. September 2002 hatte der Beteiligte zu 3. Elternzeit beantragt. Für diese Zeit hatten die Beteiligten zu 1. und 3. eine Teilzeitbeschäftigung des Beteiligten zu 3. mit einer monatlichen Vergütung von DM 4.000,00 vereinbart.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2. und 3. beantragten beim Arbeitsgericht für den erstinstanzlichen Rechtszug die Festsetzung eines Gegenstandswertes von DM 43.338,26 entsprechend dem dreifachen Monatseinkommen des Beteiligten zu 3. bei Vollzeitbeschäftigung. Das Arbeitsgericht setzte den Gegenstandswerts durch Beschluss vom 23. August 2002 im Hinblick auf das im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung auf DM 4.000,00 reduzierte Gehalt des Beteiligten zu 1. auf € 6.135,50 entsprechend DM 12.000,00 fest.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2. und 3. haben gegen den ihnen am 27. August 2002 zugestellten Festsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts am 9. September 2002 Beschwerde eingelegt. Sie machen erneut geltend, dass der Gegenstandswert gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO in Anlehnung an § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG auf das dreifache Bruttomonatsgehalt für das Vollzeitarbeitsverhältnis festzusetzen sei. Die Beteiligte zu 1. verteidigt den angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts, das der Beschwerde nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO an sich statthaft und, da innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses und mithin fristgerecht und auch formgerecht eingelegt, auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde hat überwiegend Erfolg.

Der Gegenstandswert für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ist vorliegend gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BRAGO in Anlehnung an § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG auf 80 % der sich für den Beteiligten zu 3. bei einer Vollzeitbeschäftigung für drei Monate ergebenden Vergütung festzusetzen.

Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:

1. Das Arbeitsgericht ist bei seiner Gegenstandswertfestsetzung zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem zu Grunde liegenden Beschlussverfahren um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit gehandelt hat, für die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BRAGO in der vorliegend noch anwendbaren Fassung DM 8.000,00, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über DM 1.000.000,00 anzunehmen ist.

2. Das Beschwerdegericht ist mit dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass bei einem Beschlussverfahren nach § 103 BetrVG der Gegenstandswert im Rahmen des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO auszuübenden billigen Ermessens in Anlehnung an § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG festzusetzen ist, wie dies auch ganz überwiegend in der Rechtsprechung und Literatur vertreten wird (vgl. Germelmann u. a., ArbGG, 4. Auflage, § 12 Rn. 135, m. w. N.). Dabei ist in der Regel auch der volle Streitwertrahmen des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG auszuschöpfen, da die präjudizielle Wirkung des Beschlussverfahrens das individualrechtliche Kündigungsschutzverfahren bestimmt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

3. Soweit das Arbeitsgericht in Anwendung dieser Grundsätze den Gegenstandswerts auf dem dreifachen Betrag des im Zeitpunkt der Einleitung des Beschlussverfahrens geltenden Gehalts des Beteiligten zu 3. und damit auf € 6.135,50 entsprechend DM 12.000,00 festgesetzt hat, vermag das Beschwerdegericht dem allerdings nicht zu folgen. Das Beschwerdegericht folgt dem Arbeitsgericht zwar in seiner Auffassung, dass bei der Wertfestsetzung für ein Beschlussverfahren gemäß § 103 BetrVG im Grundsatz auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Antrags abzustellen ist. Das Arbeitsgericht hat aber außer Betracht gelassen, dass das Gehalt des Beteiligten zu 3. in der Folgezeit nicht gleichbleibend DM 4.000,00 betragen hat. Der Kläger ist vielmehr auch bereits innerhalb der drei folgenden Monate teilweise wieder in Vollzeit beschäftigt gewesen und hatte demgemäss jedenfalls zeitweise Anspruch auf die volle monatliche Vergütung von DM 14.448,09. Mit Rücksicht hierauf ist ein höherer Gegenstandswert als der vom Arbeitsgericht angenommene Betrag von €6.135,50 entsprechend DM 12.000,00 festzusetzen.

3.

Im Einzelnen:

a) Soweit gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG für die Werterechnung der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend ist, ist diese Regelung im Grundsatz dahin gehend auszulegen, dass dabei auf das Arbeitsentgelt abzustellen ist, dass der Arbeitnehmer bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in den ersten drei Monaten nach dem streitigen Beendigungszeitpunkt hätte beanspruchen können (BAG, Beschluss vom 19. Juli 1973, AP Nr. 20 zu § 12 ArbGG 1953; Germelmann u. a., a.a.O., § 12 Rn. 98).

Da bei einem Verfahren nach § 103 BetrVG im Zeitpunkt der Einleitung nicht absehbar ist, ob die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt wird und wann ggf. das Verfahren entsprechend abgeschlossen sein wird und eine Kündigung ausgesprochen werden kann, erscheint es aus Gründen der Rechtssicherheit im Grundsatz sachgerecht, bei der Wertfestsetzung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO, die, wie dargelegt worden ist, in Anlehnung an § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG zu erfolgen hat, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung abzustellen, wie dies das Arbeitsgericht im Ansatz auch getan hat. Allerdings können dabei entgegen der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Festsetzung in diesem Zeitpunkt bereits feststehende Änderungen der Vergütung in den folgenden Monaten nicht außer Betracht bleiben, weil solche auch im Rahmen von § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG zu berücksichtigen sind.

b) Wenn man ausgehend hiervon vorliegend für die Wertfestsetzung auf die Arbeitsvergütung des Beteiligten zu 3. für die drei auf den Tag der Antragseinreichung, den 12. November 2001, folgenden Monate abstellt, ergibt sich ein Gegenstandswert von DM 29.757,83. Dieser errechnet sich aus der Vergütung in der Zeit vom 13. November bis 21. Dezember 2001 auf der Grundlage der reduzierten monatlichen Vergütung von DM 4.000,00 und der Vergütung von monatlich DM 14.448,09 für die Vollzeitbeschäftigung in der Zeit vom 22. Dezember 2001 bis zum 12. Februar 2002.

c) Auch eine Festsetzung auf diesem Gegenstandswert entspricht aber nicht billigem Ermessen im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO. Für Sachverhalte wie den vorliegenden ist eine Modifizierung des Grundsatzes geboten, dass für einen Antrag gemäß § 103 BetrVG bei der in Anlehnung an § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG erfolgenden Wertfestsetzung auf das Arbeitsentgelt abzustellen, dass der Arbeitnehmer in den ersten drei Monaten nach der Verfahrenseinleitung zu beanspruchen hat.

Eine solche Wertfestsetzung entspricht nicht billigem Ermessen, wenn die Vergütung in diesem Zeitraum auf Grund besonderer Umstände wie z. B. vorliegend wegen Elternzeit nicht der für das Arbeitsverhältnis normalerweise geltenden Vergütung entspricht. Dies wird unmittelbar deutlich, wenn abweichend vom vorliegenden Fall während der Elternzeit keine Teilzeitarbeit vereinbart ist, sondern die Arbeitspflicht und damit der Vergütungsanspruch insgesamt ruht und wenn ggf. die Elternzeit noch für mindestens drei Monate fortdauert. Denn ggf. würde sich bei unmodifizierter Anwendung der dargelegten Grundsätze überhaupt kein Gegenstandswert ergeben.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts gebietet es bei einer entsprechenden Sachlage das im Rahmen der Wertfestsetzung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO auszuübende billige Ermessen, das insbesondere auch zu einer angemessenen Vergütung des Rechtsanwalts führen soll, die Wertfestsetzung für einen Antrag nach § 103 BetrVG in der Weise festzusetzen, dass von der regelmäßigen Vergütung des Arbeitnehmers für drei Monate ausgegangen und die Tatsache, dass die Vergütung innerhalb der absehbaren Zeit durch die Elternzeit -oder ggf. aus anderen Gründen - vorübergehend gemindert ist oder vorübergehend auch ganz entfällt, durch einen angemessenen Abschlag berücksichtigt wird. Nur ein solches Vorgehen verhindert Zufallsergebnisse in Abhängigkeit davon, ob und in welchem Umfang bereits feststehende Zeiten vorübergehender Verdienstminderung gerade in die drei auf die Antragstellung folgenden Monate fallen.

Ohne dass dies vorliegend zu entscheiden wäre, dürfte Entsprechendes auch im Rahmen der Gegenstandswertfestsetzung gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG für einen Kündigungsschutzrechtsstreit zu gelten haben.

d) In Anwendung dieser Grundsätze erscheint es vorliegend angemessen, von dem sich bei einer Vollzeitbeschäftigung des Beteiligten zu 3. für drei Monate ergebenden Arbeitsentgelts einen Abschlag von 20% vorzunehmen. Ein höherer Abschlag erscheint deshalb nicht angemessen, weil bei einem Beschlussverfahren nach § 103 BetrVG das Arbeitsverhältnis des beteiligten Arbeitnehmers auf Grund seines Sonderkündigungsschutzes gemäß §§ 15 KSchG, 103 BetrVG auf nicht absehbare Zeit nur außerordentlich kündbar ist und damit für den Fall der Zurückweisung des streitbefangenen Antrages der Arbeitnehmerin in der Regel eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen längeren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses besteht und weil vorliegend die Gehaltsminderung während der befristeten Elternzeit es Beteiligten zu 3. nur für verhältnismäßig kurzer Zeiträume gegolten hat. Das Arbeitsverhältnis des Beteiligten zu 3. war damit bei unterstellter Unbegründetheit des im zu Grunde liegenden Verfahren streitbefangenen Antrags durch den Tatbestand eines deutlichen Überwiegens der Vollzeitbeschäftigung und einer entsprechenden Vergütung geprägt. Andererseits sind die Zeiträume der Gehaltsminderung und deren Ausmaß auch nicht so unerheblich gewesen, dass ein geringerer oder gar kein Abschlag angemessen wäre.

Auf der Grundlage des regelmäßigen monatlichen Gehalts des Beteiligten zu 3. bei Vollzeitbeschäftigung ergibt sich damit im Ausgangspunkt ein Betrag von DM 43.338,26 und bei dem hiervon vorzunehmenden Abschlag von 20 % der festgesetzte Gegenstandswert von DM 34.670,61 entsprechend € 17.726,80.

Ende der Entscheidung

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