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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.09.2001
Aktenzeichen: 4 Sa 26/01
Rechtsgebiete: BetrVG, RTV, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG §§ 111 ff
BetrVG § 102 Abs. 5
BetrVG § 102 Abs. 5 Satz 2
BetrVG § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2
BetrVG § 102 Abs. 5 Satz 1
RTV § 19 Ziffer 1 Abs. 5
ZPO § 91
ZPO § 543 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 72 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftszeichen: 4 Sa 26/01

Verkündet am: 12. September 2001

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 4. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2001 durch xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxx als Vorsitzende den ehrenamtlichen Richter xxxxxxxx den ehrenamtlichen Richter xxxxxxxx

für Recht:

Tenor:

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Februar 2001 -18 Ga 3/01 - dahingehend abgeändert, dass auch der Hilfsantrag der Verfügungsklägerin zurückgewiesen wird.

Die Verfügungsklägerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren über die Frage, ob die Verfügungsklägerin, Arbeitgeberin, gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten, Arbeitnehmers, mit sofortiger Wirkung zu entbinden ist.

Die Verfügungsklägerin hat einen Umschlagbetrieb im Hamburger Hafen betrieben. Sie ist ein Tochterunternehmen der xxxxxxx (AG & Co.). Zu dem Konzern der Muttergesellschaft xxxxxxxx (AG & Co.) gehören unter anderem auch die Unternehmen xxxxxxxxxxxxxxxxxxx, xxxxxxxxxxxxxx und xxxxxxxxxxxxxx. Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin ist zugleich auch der Geschäftsführer der Muttergesellschafft und Geschäftsführer von xxx.

Der am 11. März 1948 geborene Verfügungsbeklagte, Hafenfacharbeiter, ist seit dem 03. Januar 1978 bei der Verfügungsklägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis findet u.a. der Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe (zukünftig RTV) Anwendung. In § 19 RTV - "Kündigung" -sind in Ziffer 1 Kündigungsfristen geregelt, in Ziffer 1 Abs. 2 RTV eine verkürzte Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. § 19 Ziffer 1 Abs. 5 RTV lautet wie folgt:

"Bei Anwendung von Sozialplänen regeln sich die Kündigungsfristen nach Absatz 2 dieser Ziffer."

Ausweislich der Aufstellung gemäß Anlage AG 1 (Blatt 9 d.A.) erzielte die Verfügungsklägerin letztmals 1993 ein positives bilanzielles Ergebnis, seitdem nur bilanzielle Verluste. Wegen der Einzelheiten der Ergebnisse der Jahre von 1993 bis 1999 wird auf die Anlage AG 1 (Bl. 9 d.A.) verwiesen, wegen der Entwicklung des Kapitalstandes auf die Anlage AG 2 (Bl. 10 d.A.), wegen der Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 1999 und den Jahresabschluss auf die Anlage AG 3 (Bl.11 f. d.A.), wegen der Einzelheiten der Ergebnisentwicklung der Jahre 1998 bis 2ooo auf die Anlage AG 10 ( BI.127 d.A.), wegen der Einzelheiten der von der Verfügungsklägerin, den Unternehmen xxx, xxx und der Muttergesellschaft von 1997 bis 2000 erzielten wirtschaftlichen Ergebnisse auf die Anlage AG 12 (Bl. 129 d.A.), wegen der Einzelheiten der Ergebnis- und Liquiditätsplanung der Jahre 2001 und 2002 für das Unternehmen der Verfügungsklägerin auf die Anlage AG 13 (Bl. 131 d.A.).Das gesamte Anlagevermögen der Verfügungsklägerin ist an die xxxxxxxxxxxx sicherungsübereignet.

Im August 2000 entschloss sich die Geschäftsführung der Verfügungsklägerin, den Umschlagbetrieb am xxxxxxxxxxx einzustellen und sich zukünftig nur noch mit der Vermietung von Schuppen und Freiflächen zu befassen. Der sogenannte Greiferumschlag soll von der xxx fortgesetzt werden. Von den ca. einhundert Arbeitsplätzen, die zuvor bei der Verfügungsklägerin am xxxxxxxxxxxxx bestanden, sollten nach der Planung nur noch drei Arbeitsplätze, die des Betriebsleiters, kaufmännischen Leiters und Technikleiters verbleiben.

Über die von der Verfügungsklägerin beabsichtigte Einstellung ihres Umschlagbetriebes kam es am 18. Dezember 2000 zum Abschluss eines Interessenausgleichs (Anlage AG 6, Blatt 109 d.A.). Im Anschluss an den Interessenausgleich sprach die Verfügungsklägerin nach Anhörung und Widerspruch des Betriebsrates insgesamt neunundsechzig betriebsbedingte Kündigungen aus; bei weiteren einundzwanzig Mitarbeitern, die schwer behindert sind, wurde die Kündigung nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle beabsichtigt.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2000 kündigte die Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten zum 31. Januar 2001 in Anwendung des § 19 Ziffer 1 Abs. 5 RTV. Der Verfügungsbeklagte erhob am 11. Januar 2001 Kündigungsschutzklage (Az. 18 Ca 18/01) und verlangte seine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Der bei der Verfügungsklägerin gebildete Betriebsrat hatte zuvor mit Schreiben vom 27. Dezember 2000 auch der beabsichtigten Kündigung des Verfügungsbeklagten widersprochen.

Unter dem 27. April 2001 ist inzwischen ein Sozialplan (Anlage AG 7, Blatt 113 d.A.)vereinbart worden. Danach wurde nahezu sämtlichen Arbeitnehmern, so auch dem Verfügungsbeklagten, erneut mit der verkürzten KKündigungsfrist gekündigt. Im Hinblick auf diese Kündigung ist ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg unter dem Geschäftszeichen 18 Ca 157/01 anhängig. Da der Betriebsrat auch dieser Kündigung widersprochen hat, verlangt der Verfügungsbeklagte auch insofern seine Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG. In § 2 Ziffer 7 des Sozialplanes heißt es:

"Aufgrund des Weiterbeschäftigungsbegehrens gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG nach Ablauf der maßgeblichen regulären tariflichen Kündigungsfrist ohne Gegenleistung erfolgte Nettozahlungen werden in Höhe von 50% auf den Abfindungsbetrag angerechnet, maximal bis zu einer Höhe von 50% der Gesamtabfindung".

In einer Betriebsvereinbarung "Personaleinsatz" aus dem Jahre 1999 (Anlage AG 8, Blatt 120 d.A.) ist vorgesehen, dass alle Mitarbeiter der fünf Konzernunternehmen der xxxxxxxx (AG & Co.), die die Betriebsvereinbarung unterschrieben haben und zu denen auch die Verfügungsklägerin gehört, bei Bedarf in allen anderen von der Betriebsvereinbarung erfassten Betrieben eingesetzt werden können. Diese Betriebsvereinbarung ist nach zwischenzeitlicher Kündigung durch den Betriebsrat der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 30. August 2000 (Anlage AG 8, Blatt 80 der Akte) Anfang April 2001 wieder in Kraft gesetzt worden. Auf dieser Grundlage ist der Verfügungsbeklagte mit seinem Einverständnis ab April 2001 bei der Schwestergesellschaft xxx eingesetzt worden. Nach einer im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer vom Verfügungsbeklagten überreichten Aufstellung ist dieser im April 2001 in sechs Schichten, im Mai in sieben Schichten, im Juni in sechs Schichten und nach Urlaub vom 02. Juli bis 13. August 2001 im August in sieben Schichten eingesetzt worden. Wegen des Personaleinsatzes insgesamt von Mitarbeitern der Verfügungsklägerin bei der xxx in den Monaten April und Mai 2001 wird auf die Anlage AG 9 (Bl. 123 d.A.) Bezug genommen. Nach Vortrag der Verfügungsklägerin sind im Juni 2001 im Durchschnitt drei Mitarbeiter pro Arbeitstag, im Juli ein Mitarbeiter bei anderen Unternehmen der xxxx-Gruppe eingesetzt worden. Im August sind bei xxx 33 Schichten und bei xxx 21 Schichten abgeleistet worden.

Mit ihrem am 29. Januar 2001 bei Gericht eingegangenen Antrag begehrt die Verfügungsklägerin im vorliegenden Verfahren ihre Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, sie sei wegen der unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung, die mit einer Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten verbunden sei, gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung zu entbinden. Sie hat vorgetragen, der Verfügungsbeklagte habe zwar nach Widerspruch des Betriebsrates seine Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG rechtzeitig verlangt, so dass vom Grundsatz her der Weiter-beschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ausgelöst sei, jedoch sei die Erfüllung dieses Anspruchs für sie, die Verfügungsklägerin, mit ernsthaften Liquiditätsschwierigkeiten und damit letztlich mit der Gefahr der Insolvenz verbunden. Die Voraussetzungen für eine Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht wegen unzumutbarer wirtschaftlicher Belastung des Arbeitgebers lägen vor.

Der eigentliche Sinn des Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG könne bei der (weitgehenden) Stillegung eines Betriebes von vornherein nicht mehr erfüllt werden. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Weiterbeschäftigung zu "unveränderten Bedingungen" gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht mehr möglich sei, denn der Umschlagbetrieb sei zwischenzeitlich eingestellt. Auch wenn in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit dahingehend bestehe, dass der Arbeitgeber wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit nicht schon deshalb zu entbinden sei, weil die Weiterbeschäftigung mit Lohnfortzahlungspflichten ohne verwertbare Gegenleistung verbunden sei, müsse nach richtiger Auffassung von einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn im Rahmen einer Betriebsänderung einer großen Zahl von Arbeitnehmern aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werde und für jene jegliche Beschäftigungsmöglichkeit entfallen sei. Einigkeit bestehe mittlerweile jedenfalls dahingehend, dass bei einer Entlassung einer Vielzahl von Arbeitnehmern die aus der Weiterbeschäftigung resultierenden Belastungen insgesamt bewertet werden müssten.

Darüber hinaus würden die ohnehin bestehenden Liquiditätsschwierigkeiten durch die mit der Weiterbeschäftigung verbundenen Lohnzahlungsverpflichtungen substantiell verschärft. Die Summe der Verluste im Hinblick auf das betriebliche Ergebnis habe in den Jahren 1993 bis 1999 38,398 Mio. DM betragen. Ausweislich der Aufstellung gemäß Anlage AG 2 (Blatt 10 d.A.) hätten die fortlaufenden Verluste, die das Unternehmen erlitten habe, schon Ende 1998 zu einem nahezu gänzlichen Verzehr des Eigenkapitals geführt. Der Kapitalstand zum Ende des Jahres 1998 habe noch DM 321.000,- betragen im Gegensatz zu 1993 mit noch knapp 16 Mio. DM. Wie sich aus dem Jahresabschluss für das Jahr 1999 (vergl. Anlagenkonvolut AG 3, Blatt 11 ff d.A.) ergebe, habe der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag zum Ende des Kalenderjahres 1999 bereits 1,17 Mio. DM ausgemacht. Zum 31. Dezember 2000 habe der Kapitalfehlbetrag gemäß vorläufigem Jahresergebnis ca. 6,17 Mio. DM betragen. Dabei seien noch nicht die Rückstellungen für die Kosten der Umstrukturierung (insbesondere fortlaufende Lohn- und Gehaltszahlungspflichten, Sozialplan, Ablösung von Restmietverpflichtungen etc.) berücksichtigt, die ihrerseits substantiell den Verschuldungsgrad erhöhten. Die Insolvenz habe bislang nur vermieden werden können, weil sich auf Grund der Schließung des defizitären Umschlagbetriebs sowie auf Grund der zukünftigen Vermietungsaktivitäten eine sogenannte positive Fortführungsprognose herleiten lasse. Bis ein ausgeglichener Kapitalstand erreicht sein werde, sei indessen eine "Durststrecke" von mindestens fünf, möglicherweise sogar von bis zu zehn Jahren zu überbrücken. Die Sanierung setze außerdem voraus, dass die Muttergesellschaft xxxxxxxxxxxx (AG & Co.), die sich ebenfalls in einer ernsthaften Krisensituation befinde, den durch die Kapitalunterdeckung entstehenden Liquiditätsbedarf abdecke.

Um die an einem "seidenen Faden" hängende Sanierung der Gesellschaft nicht zu gefährden, müsse sie, die Verfügungsklägerin, unbedingt von den erheblichen zusätzlichen Kosten, die mit einer Weiterbeschäftigung verbunden wären, entlastet werden. Die ausweislich der Übersicht gemäß Anlage AG 4 (Blatt 13 d.A.) per 25. Januar 2001 ermittelten monatlichen Kosten in Höhe von DM 244.395,- für die Arbeitnehmer, die Weiterbeschäftigung geltend gemacht hätten, fielen dabei substantiell ins Gewicht. ~ Insoweit ist unstreitig, dass zu diesem Zeitpunkt 38 Arbeitnehmer ihre Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG verlangt hatten. Mit Stand vom 27. Juni 2001 (Anlage AG 11, Bl. 128 d.A.) verlangten 35 Arbeitnehmer ihre Weiterbeschäftigung mit Kosten für Bruttoentgelte und Sozialversicherungsabgaben in Höhe von DM 211.336,- monatlich. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer waren noch 44 bzw. 45 Kündigungsschutzklagen beim Arbeitsgericht anhängig. 25 Arbeitnehmer dieser 45 Arbeitnehmer werden weiterbeschäftigt.. Die Kosten der Weiterbeschäftigung dieser 25 Arbeitnehmer betragen derzeit monatlich DM 127.947,00 DM. -

Die zur Anwendung gebrachte verkürzte Kündigungsfrist sei rechtmäßig. Dies folge sowohl aus dem Wortlaut als auch dem Zweck der tariflichen Vorschrift.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

sie für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten zu entbinden, hilfsweise sie mit Wirkung ab dem 01. Januar 2002 von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten zu entbinden.

Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung der Verfügungsklägerin sei nicht gegeben bzw. nicht in ausreichendem Maße dargelegt.. Er hat vorgetragen, die Verfügungsklägerin stelle unzulässigerweise auf die Kosten aller die Weiterbeschäftigung verlangenden Mitarbeitern ab; es komme aber nur auf die Kosten an, die der einzelne Arbeitnehmer verursache. Nicht alle Arbeitnehmer verlangten außerdem ihre Weiterbeschäftigung. Im übrigen ergäben sich Beschäftigungsmöglichkeiten auch innerhalb des Konzerns. Insgesamt reduziere sich die von der Verfügungsklägerin behauptete wirtschaftliche Belastung damit.

Es fehle im übrigen an einer Prognose, zu welchen Belastungen die Weiterbeschäftigung führe. Die Belastung müsse ein solches Maß erreichen, dass sie als unzumutbar eingestuft werde. Dies könne allenfalls dann angenommen werden, wenn eine Existenzgefährdung des Unternehmens gerade wegen der Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers zu befürchten stehe. Eine angeblich schlechte wirtschaftliche Lage der Verfügungsklägerin werde mit Nichtwissen bestritten. Eine Bilanz für 1999 sei in diesem Zusammenhang nicht aussagekräftig. Die gesetzlich geforderte Unzumutbarkeit könne nur zukünftig eintreten: Die Verhältnisse in der Vergangenheit könnten hier nur eine untergeordnete Rolle spielen. Folge man der Argumentation der Verfügungsklägerin, so sei die unzumutbare wirtschaftliche Belastung bereits seit Jahren vorhanden gewesen. Dies reiche für eine Entbindung nach § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG nicht aus; die wirtschaftlich unzumutbare Belastung müsse vielmehr infolge der Weiterbeschäftigung eintreten. Außerdem hätten einige Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Arbeitsstelle gefunden. Des Weiteren fehlten Aussagen und Prognosen über die Einnahmenentwicklung aus Vermietung und Verpachtung. Im übrigen bestehe ein gemeinsamer Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Sinne mit der Firma xxx.

Die abgekürzte Kündigungsfrist des § 19 Ziffer 1 Abs. 5 RTV sei mangels Abschlusses eines Sozialplanes zum Zeitpunkt der Kündigung nicht anwendbar.

Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Tatbestandes wird in Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 ArbGG abgesehen. Es wird insoweit auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. Februar 2001 - 18 Ga 3/01 - Bezug genommen (S. 3 - 9 des Urteils, Bl. 37 d.A.).

Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit dem vorgenannten Urteil den Hauptantrag zurückgewiesen und auf den Hilfsantrag die Verfügungsklägerin für die Zeit ab 01. Januar 2002 von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbunden. Für die Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts vom 02. Februar 2001 (Seiten 9 bis 19, Blatt 43 d.A.) Bezug genommen.

Der Verfügungsbeklagte hat gegen das ihm am 23. Februar 2001 zugestellte Urteil am 09. März 2001 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 30. Mai 2001 begründet.

Die Verfügungsklägerin hat unter dem 26. März 2001 Anschlussberufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist am 27. April 2001 unter der Annahme, dass keine erneuten Kündigungen nach Abschluss des Sozialplanes ausgesprochen würden, zurückgenommen.

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Sach- und Rechtsvorbringen, insbesondere zu den Anforderungen an eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG, auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich abgeschlossenen Sozialplanes, zur Prognose im Zusammenhang mit Personaleinsatz in anderen Unternehmen, der Frage eines einheitlichen Betriebes mit xxx und insgesamt dazu, ob und inwiefern die zu befürchtenden Kosten infolge einer Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Absatz 5 BetrVG substantiell ins Gewicht fallen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. Februar 2001 18 Ga 3/01 - dahin abzuändern, dass auch der Hilfsantrag der Verfügungsklägerin zurückgewiesen wird.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung des Verfügungsbeklagten vom 29. Mai 2001 (Bl. 84 d.A.) und die Berufungserwiderung der Verfügungsklägerin vom 02. Juli 2001 (Bl. 89 d.A.) verwiesen. Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und Rechtsauffassungen im Übrigen sowie der von ihnen überreichten Unterlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Verfügungsbeklagten ist an sich statthaft und außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1, 62 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz, §§ 518, 519, 935, 936, 922 Abs. 1 ZPO) und damit zulässig. Sachlich hatte die Berufung Erfolg.

Die Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, werden wie folgt zusammengefasst (§ 313 Abs. 3 ZPO):

Die Berufung des Verfügungsbeklagten ist begründet, denn der allein noch in der Berufungsinstanz in Streit stehende Hilfsantrag der Verfügungsklägerin war zwar zulässig, aber unbegründet.

Der Hilfsantrag der Verfügungsklägerin, sie von der Weiterbeschäftigungspflicht des Verfügungsbeklagten mit Wirkung ab dem 01. Januar 2002 im Wege der Einstweiligen Verfügung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG zu entbinden, ist zwar statthaft und zulässig (1.). Der Antrag ist jedoch unbegründet (2.).

1. Der Antrag auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht ist zulässig. Da die Verfügungsklägerin nur durch gerichtliche Entscheidung von der gesetzlichen Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbunden werden kann, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag gegeben.

2. Der Antrag auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG nach Ablauf der regulären tariflichen Kündigungsfrist liegen nicht vor. Die Kammer nimmt zur Begründung im wesentlichen Bezug auf die den Parteien bekannte Entscheidung der Kammer vom 16. Mai 2001 - 4 Sa 33/01 - in einem Parallelfall. Danach gilt folgendes:

a) Der Antrag der Verfügungsklägerin scheitert nicht deshalb, weil es bereits an den Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs fehlte. Die formellen Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG sind gegeben.

Der Betriebsrat hat der ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß mit Schreiben vom 27. Dezember 2000 widersprochen. In dem Schreiben des Betriebsrats sind die Widerspruchsgründe durch Angabe von konkreten Tatsachen erläutert worden, wobei die vom Betriebsrat zur Begründung seines Widerspruchs angeführten Tatsachen es als möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 102 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 BetrVG angeführten Widerspruchsgründe vorliegen (vergl. zu den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Widerspruchs nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, 20. Auflage, § 102Rdnr. 38 f).

Auch die Verfügungsklägerin stellt die Ordnungsgemässheit des Widerspruchs nicht in Zweifel. Dies ergibt sich aus der Antragsschrift Seite zwei, zweiter Absatz sowie konkludent aus der Stellung des Antrags auf Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung. Der Verfügungsbeklagte hat auch rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus verlangt. Auch dies ist von der Verfügungsklägerin nicht in Streit gezogen worden.

Der Entbindungsantrag geht auch deshalb nicht ins Leere, weil die Verfügungsklägerin inzwischen erneut zum 30. Juni 2001 gekündigt hat. Grundsätzlich gilt, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch mit Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, kündigt der Arbeitgeber wiederholt ordentlich, wenn nicht die Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG erneut vorliegen, also der Betriebsrat wiederum ordnungsgemäß der Kündigung widersprochen hat und der Arbeitnehmer gegen die erneute Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben sowie die Weiterbeschäftigung verlangt hat (vgl. nur GK-Kraft, BetrVG, 5. Aufl., § 102 Rdnr. 170; KR-Etzel, 5. Aufl., § 102 BetrVG, Rdnr. 239). Nach Vortrag der Verfügungsklägerin sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt. Damit fehlt es auch im Hinblick auf die weitere Kündigung nicht an den Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs. Demgemäß hat auch die Verfügungsklägerin selbst vorgetragen, dass im vorliegenden Verfahren wegen der Rücknahme der Berufung durch sie nur eine Entbindung ab dem 01. Januar 2002 in Rede steht.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch des Verfügungsbeklagten gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG scheitert letztlich auch nicht daran, dass eine tatsächliche Weiterbeschäftigung im Betrieb der Verfügungsklägerin objektiv unmöglich wäre. Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Rahmen des Weiterbeschäftigungsanspruchs des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG kann - unter Fortbestehen des Vergütungsanspruchs - ausnahmsweise dann entfallen, wenn der Weiterbeschäftigung zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen und demgegenüber der Arbeitnehmer kein besonderes, vorrangig berechtigtes Interesse an der tatsächlichen Weiterbeschäftigung hat, z. B. wenn der Betrieb stillgelegt ist oder der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und eine andere Beschäftigungsmöglichkeit nicht vorhanden ist (KR-Etzel 5. Auflage § 102 BetrVG Rdnr. 214; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 65; Däubler/Kittner/Klebe, 7. Auflage § 102 Rdnr. 293, 273; vergl. bereits Urteile des LAG Hamburg vom 18. Mai 1993 - 2 Sa 33, 34/93 und der angerufenen Kammer vom 24. Februar 1993-4 Sa 13/93 - und vom 10. Mai 1993-4 Sa 20/93 - LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 16; anderer Auffassung Willemsen/Hohenstatt, DB 1995, 215). Der Wegfall der tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeit allein lässt weder die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG entfallen noch wird der Arbeitgeber etwa von vornherein im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht befreit, vielmehr verbleibt es bei bestehendem Weiterbeschäftigungsanspruch jedenfalls bei den Entgeltansprüchen der Arbeitnehmer (vergl. die vorstehend zitierte Rechtsprechung und Literatur, dagegen Willemsen/Hohenstatt, DB 95, 215). Demgemäss bedarf es entgegen der Auffassung von Willemsen/Hohenstatt (DB 95, 215) auch bei Wegfall der tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeit einer Entbindung durch das Gericht gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG.

Soweit es im Rahmen des Entbindungsverfahrens gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG überhaupt auf die Frage ankommt, ob ein beachtlicher Widerspruch des Betriebsrates vorliegt, (vergl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, 20.Auflage § 102 Rdnr. 68 a; KR-Etzel, § 102 Rdnr. 232) und soweit im Rahmen des auf eine schnelle gerichtliche Entscheidung angelegten Einstweiligen Verfügungsverfahrens überhaupt Gründe zu prüfen sind, die ggf. zum Wegfall eines Weiterbeschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers führen könnten, sind nach allem hierfür Anhaltspunkte nicht gegeben.

b) Der Antrag der Verfügungsklägerin ist unbegründet, denn es fehlt an ausreichenden Darlegungen zu den Voraussetzungen, unter denen nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG eine Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht erfolgen kann.

Die Verfügungsklägerin beruft sich allein auf den Entbindungsgrund des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG, so dass eine Erörterung der weiteren gesetzlich normierten Gründe unterbleiben kann.

aa) Gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG kommt eine Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung in Betracht, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde. In Literatur und Rechtsprechung werden die Anforderungen an diesen Entbindungsgrund nicht ganz einheitlich definiert. Nach ganz überwiegender und zutreffender Meinung besteht Einigkeit darin, dass der Entbindungsgrund des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG nur ganz ausnahmsweise gegeben sein kann, weil dem Arbeitgeber bei vorläufiger Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers dessen Arbeitskraft zur Verfügung steht und der Arbeitgeber im Übrigen das Entgelt auch dann gemäß §§ 615, 611 BGB zahlen muss, wenn er im Kündigungsschutzprozess unterliegt (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 68; Galperin/Loewisch, 6. Auflage 1982 § 102 Rdnr. 120; KR-Etzel, § 102 Rdnr. 226, Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 289; Bösche "Die Rechte des Betriebsrats bei Kündigungen" 1979, S. 168; Schaub, NJW 1981, 1810). Dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr benötigt, reicht allein nicht aus, denn das ist bei jeder betriebsbedingten Kündigung der Fall (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 68). Der mögliche Wegfall des Arbeitsplatzes und der tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeit allein begründen keine unzumutbare wirtschaftliche Belastung (Däubler/Kittner/Klebe § 102 Rdnr. 293; vergl. bereits LAG Hamburg, Urteile vom 18. Mai 1993-2 Sa 33, 34/93; vom 24. Februar 1993-4 Sa 13/93; vom 10. Mai 1993-4 Sa 20/93, LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 16; KR-Etzel, § 102 BetrVG Rdnr. 228; anderer Ansicht Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 7. Auflage, § 102 Rdnr. 235; Willemsen/Hohenstatt, DB 1995, 215).

Wann eine Weiterbeschäftigung den Arbeitgeber wirtschaftlich unzumutbar belastet, lässt sich generell ebenfalls nicht beantworten. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls und auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten des einzelnen Arbeitgebers an. Von der wohl überwiegenden Meinung wird vertreten, dass eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG gerade wegen der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers so gravierend sein muss, dass Auswirkungen für die Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers nicht von der Hand zu weisen sind (Galperin/Loewisch, § 102 Rdnr. 120; KR-Etzel, § 102 BetrVG Rdnr. 226), wenn z. B. die Gefahr drohenden Liquiditätsverlusts oder nachweisbare negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit gegeben sind (Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 290), wenn die wirtschaftliche Existenz des Betriebes durch die Lohnfortzahlung in Frage gestellt ist (Richardi, § 102 Rdnr. 235; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 68), wobei dies in größeren Betrieben allenfalls dann der Fall sein soll, wenn eine größere Anzahl von Arbeitnehmern entlassen werden muss, insbesondere bei Stillegung des ganzen Betriebes oder einer größeren Betriebsabteilung (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 68). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung vorliegt, ist streitig, ob es auf die durch den einzelnen Arbeitnehmer verursachte Belastung, d. h. gerade auf die wegen seiner Weiterbeschäftigung entstehenden Belastungen ankommt oder ob bei gleichzeitiger Entlassung mehrerer Arbeitnehmer die Lohnaufwendungen zusammengerechnet werden können (vergl. Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 292 und KR-Etzel, § 102 BetrVG Rdnr. 227 jeweils mit zahlreichen Angaben zur Literatur und Rechtsprechung).

Herauszustellen ist, dass die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers (Lohnkostenaufwand) gerade wegen der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers so gravierend sein muss, dass Auswirkungen für die Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers nicht von der Hand zu weisen sind. Es reicht nicht aus, dass die Weiterbeschäftigung den Arbeitgeber überhaupt wirtschaftlich belastet; die Belastung muss vielmehr ein unzumutbares Ausmaß haben wie drohender Liquiditätsverlust oder nachweisbare negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit (KR-Etzel, § 102 BetrVG, Rdnr. 226; Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 290). Die Auswirkungen auf Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit (bis hin zu einer Existenzgefährdung des Betriebes - vergl. Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 291) müssen gerade wegen der Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers entstehen. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn der Arbeitgeber auch ohne eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist (so ausdrücklich KR-Etzel, § 102 BetrVG Rdnr. 226 mit weiteren Nachweisen).

Zur Darlegung einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung durch die vorläufige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber die Tatsachen, die die vorläufige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers als wirtschaftlich unzumutbar erscheinen lassen, glaubhaft machen. Allgemeine Angaben des Arbeitgebers, z. B. gesunkene Umsätze, Arbeitsmangel, finanzielle Schwierigkeiten genügen zur Begründung nicht. Es ist vielmehr die Angabe konkreter und detaillierter Daten über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebes und Unternehmens und eine Prognose der künftigen Entwicklung erforderlich (KR-Etzel § 102 BetrVG Rdnr. 229; Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 291).

Soweit von der Verfügungsklägerin vertreten wird, dass von einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung im Sinne des Entbindungsgrundes des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG immer dann auszugehen ist, wenn im Rahmen einer Betriebsänderung einer großen Zahl von Arbeitnehmern aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird und für diese keine Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen (so auch Urteile des LAG Hamburg vom 09. März 1993 -1 Sa 29/93 -; vom 21. Oktober 1993 - 2 Sa 56/93 -; vom 25. Mai 1993 - 3 Sa 30/93 -; vergl. auch Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 68; Willemsen/ Hohenstatt, DB 1995, 215) hat die angerufene Kammer diese Auffassung bereits in ihren Urteilen vom 24. Februar 1993-4 Sa 13/93 - und 10. Mai 1993-4 Sa 20/93 - LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 16, zuletzt Urteil vom 16. Mai 2001 -4 Sa 33/01 - , nicht geteilt (vergl. auch Urteile des LAG Hamburg vom 18. Mai 1993 - 2 Sa 33, 34/93). Die Kammer folgt auch in ihrer jetzigen Besetzung der diesbezüglichen Auffassung der Verfügungsklägerin nicht: Bei der Beurteilung der Frage unzumutbarer wirtschaftlicher Belastungen im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG kann es nicht darauf ankommen, ob ein Betrieb oder Betriebsteil insgesamt stillgelegt wird, ob eine Betriebsänderung eine Viel- oder Mehrzahl von Arbeitnehmern erfasst oder ein Sozialplan abgeschlossen wird. Der von der Verfügungsklägerin in Anspruch genommene Entbindungsgrund des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG stellt für alle Arten von Kündigungen dieselben Voraussetzungen für eine Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht auf. Die Auffassung der Verfügungsklägerin würde dazu führen, dass Arbeitnehmer, die im Rahmen einer Betriebsänderung bis hin zur Betriebsstillegung entlassen werden, einen geringeren vorläufigen Bestandsschutz haben als Arbeitnehmer, die von einer solchen Maßnahme nicht erfasst werden. Hierfür lassen sich aus dem Gesetz Anhaltspunkte nicht entnehmen. Dieses stünde im Widerspruch zu dem in § 102 Abs. 5 Satzl BetrVG verankerten Grundsatz, dass der Arbeitgeber - und nicht der Arbeitnehmer - bei Vorliegen der dort aufgezählten Voraussetzungen das Beschäftigungsrisiko trägt. Es würde zu einer dem Willen des Gesetzgebers nicht zu entnehmenden Umkehrung dieses Grundsatzes kommen, folgte man für den Bereich von arbeitsplatzabbauenden Maßnahmen größeren Umfangs der Auffassung der Verfügungsklägerin. Mag der gesetzliche Weiterbeschäftigungsanspruch in Fällen einer Betriebsstillegung oder -teilstilllegung auch im Einzelfall auf einen reinen Entgeltfortzahlungsanspruch hinauslaufen, kann dies im Zusammenhang mit den finanziellen Verpflichtungen -auch im Zusammenhang mit einem ggf. abzuschließenden Sozialplan - doch nur bei konkreter Einzelprüfung zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führen. Selbst wenn eine tatsächliche Weiterbeschäftigung in einem derartigen Fall unmöglich oder zumindest wirtschaftlich sinnlos wäre, hat es nach der erkennbaren Zielsetzung des Gesetzgebers auch bei einer solchen Fallgestaltung dabei zu verbleiben, dass detaillierte Daten für eine Existenzgefährdung oder Gefährdung von Liquidität etc. infolge der durch den Weiterbeschäftigungsanspruch ausgelösten Lohnfortzahlungskosten konkret dargelegt werden. Hätte der Gesetzgeber den Fall einer Betriebsänderung anders regeln wollen, so hätte es nahegelegen, den kollektiv begründeten Weiterbeschäftigungsanspruch hier zu verneinen oder einzuschränken. Auch bei einer Betriebsänderung in Form einer Stillegung oder Teilstilllegung hat es nach allem dabei zu verbleiben, dass im Einzelfall auf Grund konkreter Daten und einer Zusammenschau der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung nachgewiesen wird. Anders würde das erkennbar vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, anhand einer konkreten tatsächlichen Konstellation die Zumutbarkeitsprüfung durch Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers an vorläufiger Weiterbeschäftigung gegenüber den Interessen des Arbeitgebers an Vermeidung wirtschaftlicher Belastung durchzuführen, verfehlt. Bei allem kann nicht in Zweifel zu ziehen sein, dass dem Arbeitgeber auch in einem solchen Fall, um seine wirtschaftlichen Verhältnisse entsprechend den oben dargestellten Anforderungen in die Zumutbarkeitsprüfung einbringen zu können, die Angabe entsprechender Zahlen und Fakten möglich ist.

Auch in Gesamtbetrachtung mit den Regelungen in §§ 111 ff BetrVG ergibt sich für den Fall einer Betriebsänderung mit Verpflichtungen aus einem Sozialplan nicht die Möglichkeit, ohne konkreten Einzelnachweis eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit im Sinne des gesetzlichen Entbindungsgrundes zu bejahen. Auch hier ist die Zumutbarkeitsgrenze im Einzelfall und unter Hinzuziehung der wesentlichen Daten der gesamten wirtschaftlichen Belastung zu überprüfen. Hätte der Gesetzgeber eine solche Konstellation, die er auch gesehen hat, denn die Regelungen der §§ 111 ff BetrVG sind erst nach Normierung des § 102 Abs. 5 BetrVG entstanden, im Sinne der Verfügungsklägerin regeln wollen, so hätte es wiederum nahegelegen, den Weiterbeschäftigungsanspruch für den Fall einer Betriebsstillegung oder Teilstilllegung auszuschließen. Soweit die Verfügungsklägerin in diesem Zusammenhang hervorhebt, es sei ihr nicht zu verwehren, sich zur Begründung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit auf Tatsachen zu berufen, die sie durch ihre eigene Unternehmerentscheidung herbeigeführt habe und der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der unternehmerischen Betätigungsfreiheit finde nicht nur im Kündigungsrecht, sondern auch im Rahmen der wirtschaftlichen Mitbestimmung gemäß §§ 111 ff BetrVG seinen Ausdruck, und soweit sie hierbei auf die Nichterzwingbarkeit eines Interessenausgleichs abstellt, vermag dies an der in § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG geforderten Einzelabwägung nichts zu ändern. Die gesetzliche Regelung in § 102 Abs. 5 BetrVG stellt bereits das Ergebnis einer Abwägung der unternehmerischen Betätigungsfreiheit einerseits gegenüber dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses andererseits dar. Dass der Gesetzgeber dem Betriebsrat bei Abschluss eines Interessenausgleiches kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht eingeräumt hat, verdeutlicht nur, dass er verschiedene Spannungsverhältnisse unterschiedlich geregelt hat. Die gesetzlichen Regelungen in § 102 Abs. 5 Satz 1 und 2 BetrVG einerseits und in §§ 111 ff BetrVG andererseits sind entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin auch in Einklang zu bringen, zeigen aber zugleich, dass der individualrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers auf kollektivrechtlich begründeten Bestandsschutz höher bewertet ist als das Mitwirkungsrecht des Betriebsrates bei Abschluss eines Interessenausgleichs.

bb) In Anwendung der vorstehenden Grundsätze war unter Berücksichtigung der gesamten von der Verfügungsklägerin vorgetragenen Daten festzustellen, dass die insoweit darlegungsbelastete Verfügungsklägerin zu einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG , und zwar bezogen auf den 01. Januar 2002, worauf es allein ankommt, nicht ausreichend vorgetragen hat. Wirtschaftliche Belastungen im Sinne der vorstehenden Ausführungen infolge der Weiterbeschäftigung über den 01. Januar 2002 hinaus sind nicht hinreichend zuverlässig festzustellen.

Soweit die Verfügungsklägerin eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung bereits durch die vorliegende Betriebsänderung per se als gegeben ansieht, ist hierauf im Rahmen der obigen Ausführungen eingegangen. Da es nach Auffassung der angerufenen Kammer auch in derartigen Fällen für die Prüfung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit auf die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen, die infolge der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bzw. auch der betroffenen Gruppe von Arbeitnehmern gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG entstehen, ankommt, hätte die Verfügungsklägerin hierzu spezifiziert vorzutragen gehabt.

Ein entsprechender Sachvortrag zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit im Sinne der oben dargestellten Anforderungen liegt nicht vor: Es fehlt an ausreichenden Darlegungen dazu, inwieweit anfallende Lohnkosten gerade durch den kollektivrechtlich begründeten Weiterbeschäftigungsanspruch von Arbeitnehmern im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG verursacht werden und nicht auch ungeachtet der Weiterbeschäftigungsverpflichtung zu tragen sind. Dabei ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer, die allein maßgeblich ist, insbesondere nicht hinreichend sicher zu beurteilen gewesen, in welcher Höhe von auf Grund der Weiterbeschäftigung gemäß § 102 BetrVG fortbestehenden Entgeltzahlungsverpflichtungen, bezogen auf den 01. Januar 2002 auszugehen ist. Ferner ist nicht prognosefest auszumachen, inwieweit und in welchem Umfang der Verfügungsklägerin nicht eine - auch außerhalb des Betriebes liegende - rechtlich mögliche und wirtschaftlich sinnvolle Verwertung der Arbeitskraft der weiterzubeschäftigenden Arbeitnehmer möglich ist. In allen Fällen wäre in dieser Zeit außerhalb der kollektivrechtlich begründeten Weiterbeschäftigung anfallender Lohnkostenaufwand bei der Zumutbarkeitsprüfung nicht in Ansatz zu bringen. Ob darüber hinaus hinsichtlich der zukünftigen wirtschaftlichen Lage und Entwicklung ausreichende Darlegungen zur erforderlichen substantiellen Prognose gebracht sind, kann letztlich unentschieden bleiben.

Soweit es um die konkret durch die vorläufige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bzw. auch der Gesamtheit der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG geht, haben von vornherein Entgeltkosten, die die Verfügungsklägerin auch ungeachtet ihrer Weiterbeschäftigungspflicht zu tragen hätte, unberücksichtigt zu bleiben, denn Kosten für Lohn und Gehalt, die unabhängig von einer Weiterbeschäftigungspflicht entstehen, begründen eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG, wie oben aufgezeigt, nicht. Der Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG setzt erst nach Ablauf der Kündigungsfrist ein, während der Arbeitnehmer zuvor kraft Arbeitsvertrages den allgemeinen Beschäftigungsanspruch hat (vergl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 56; KR-Etzel, § 102 Rdnr. 196; Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 247). Demgemäss kommt auch eine Entbindung von der Weiterbeschäftigung gemäss dem Katalog des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nummern 1 bis 3 BetrVG erst für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist in Betracht, vorliegend im Hinblick auf die Kündigung vom 28. Dezember 2000 zum 31. Dezember 2001 mithin erst ab 01. Januar 2002. Die erneut mit verkürzter Kündigungsfrist ausgesprochene Kündigung hat unberücksichtigt zu bleiben, denn die Verfügungsklägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Verfahren infolge der Rücknahme ihrer Berufung nur eine Entbindung ab 01. Januar 2001 in Rede steht.

Damit haben Kosten, die nur deshalb entstanden sind bzw. entstehen, weil die rechtmäßigen Kündigungsfristen nicht eingehalten wurden, außer Betracht zu bleiben, denn für die Zeit bis Ablauf der Kündigungsfristen handelt es sich um Lohnkosten, die auch ungeachtet der Weiterbeschäftigungsverpflichtung nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG zu tragen sind. Hieraus folgt, dass die Klärung der Frage, welche Kündigungsfrist zur Anwendung kommen musste, durchaus von rechtlicher Bedeutung war. Insoweit war festzustellen, dass die Verfügungsklägerin in einer Vielzahl von Fällen wie auch dem vorliegenden mit einer rechtlich unzutreffenden verkürzten Kündigungsfrist gekündigt hatte. Auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts (S. 10 des Urteils) wird vollinhaltlich Bezug genommen.

Wird die ordnungsgemäße tarifliche Kündigungsfrist zu Grunde gelegt, die bis zu sechs Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres bzw. sogar bis zu neun Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres beträgt, so ändert sich der Anteil der in die Zumutbarkeitsprüfung einzubeziehenden Beschäftigungskosten erheblich. Der weit überwiegende Teil der Kündigungen hätte auf Grund der tariflichen Kündigungsfristen anstelle einer angewendeten verkürzten Kündigungsfrist zum 31. Januar 2001 zum 30. Juni, 30. September oder 31. Dezember 2001 erfolgen müssen. Sollen unter Berücksichtigung der rechtlich zutreffenden Kündigungsfristen die durch die Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG entstehenden Entgeltkosten, mithin die erst nach Ablauf der ordnungsgemäßen tariflichen Kündigungsfrist anfallenden Lohn- und Gehaltskosten festgestellt werden, so stand eine prognosegeeignete Zahl damit bereits zur Zeit der Antragstellung nicht zur Verfügung, wobei mangels näherer detaillierter Angaben zu den regulären Kündigungsfristen die entsprechenden Zahlen auch nicht zu ermitteln waren. Die Schwierigkeit, eine ausreichend sichere Prognose des entscheidungserheblichen, nämlich des durch das kollektivrechtlich begründete Weiterbeschäftigungsverlangen verursachten Lohnkostenaufwandes zu ermitteln, wird durch die eigenen Angaben der Verfügungsklägerin belegt, wenn in der Anlage 4 per Januar 2001 für die Belastung durch Entgeltzahlung auf Grund Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG für damals achtunddreißig Arbeitnehmer ohne Hinzurechnung von Schwerbehinderten die drohenden Kosten mit DM 244.395,-monatlich ausgewiesen wurden, in der Anlage 11 per 27. Juni 2001 die Kosten mit DM 211.336,- angegeben wurden, aber im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 12. September 2001 die Kosten der Weiterbeschäftigung für jetzt nur noch 25 Mitarbeiter mit DM 127.947,00 benannt wurden. Diese Zahlen unterstreichen die Prognoseunsicherheit hinsichtlich des entscheidungserheblichen Lohnkostenaufwands zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, d.h. dem 01. Januar 2002.

Hat sich die Zahl der Arbeitnehmer, die ihre Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG geltend gemacht haben, schon in der zurückliegenden Zeit nicht unerheblich verringert, so muss als entsprechend ungewiss angesehen werden, inwieweit und in welchem Umfang noch zum Zeitpunkt 01. Januar 2002 Weiterbeschäftigung verlangt wird. Arbeitnehmer können auch weiterhin im Laufe des Jahres in andere feste Arbeitsverhältnisse überwechseln oder ausscheiden. Gerade im Hinblick auf den abgeschlossenen Sozialplan dürfte der Abschluss von Aufhebungsverträgen nicht seltener geworden sein. Hierbei sei auch auf die in der Verhandlung vor der Berufungskammer vom 12. September 2001 in einem Parallelfall vereinbarte Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses hingewiesen.

Konkrete und detaillierte Daten sind auch nicht im Hinblick auf die wirtschaftliche Gesamtsituation der Verfügungsklägerin, wie von ihr etwa in der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1999 (Anlage AG 3), der Ergebnisdarstellung (Anlage AG 11) oder in der Ergebnis IsWPIanentwicklung 1998 - 2002 ( Anlage AG 12) dargestellt, entbehrlich, denn die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers durch Lohnkostenaufwand muss, wie oben aufgezeigt, gerade wegen der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers so gravierend sein, dass Auswirkungen für die Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers nicht von der Hand zu weisen sind, wobei dieser Grundsatz auch gilt, wenn der Arbeitgeber auch ohne eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist. Bei dieser Sachlage kann von einer Unzumutbarkeit der Belastung durch Lohn- und Gehaltskosten, die durch die Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG per 01. Januar 2002 verursacht wird, nicht ausgegangen werden, denn es ist nicht hinreichend pronostizierbar, dass die monatlichen Entgeltkosten für diejenigen Arbeitnehmer, die Weiterbeschäftigung verlangt und durchgesetzt haben, im Sinne der vorstehend umrissenen Anforderungen, bezogen auf die gesamte wirtschaftliche Lage der Verfügungsklägerin, zum maßgeblichen Zeitpunkt des 01. Januar 2002 substantiell ins Gewicht fallen. Bei allem hat noch unberücksichtigt zu bleiben, welche Auswirkungen der erneute Ausspruch von Kündigungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung haben wird, denn diese Frage war im vorliegenden Verfahren nicht zur Beurteilung gestellt.

Eine nicht hinreichend sichere Prognose folgt auch aus der Ungewissheit, ob und in welchem Umfang die Arbeitskraft des Verfügungsbeklagten und - bei Gesamtbetrachtung - auch die der anderen weiterzubeschäftigenden Arbeitnehmer nicht auf anderen Arbeitsplätzen noch wirtschaftlich sinnvoll verwertet werden kann.. Bei der Prüfung einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung im Rahmen des Entbindungsgrundes des § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG sind auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einem Gemeinschaftsbetrieb oder im Konzern zu beachten, jedenfalls wenn sich der Widerspruch des Betriebsrates wie vorliegend hierauf erstreckt (vergl. nur Däubler/Kittner/Klebe, § 102 Rdnr. 294; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102 Rdnr. 68).

Auch wenn vorliegend keine Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb der Verfügungsklägerin bestehen, bedeutet dies ausweislich des Widerspruchs des Betriebsrates und des Vertrags des Verfügungsbeklagten nicht zugleich, dass damit alle Möglichkeiten der anderweitigen Verwertung der Arbeitskraft ausgeschlossen sind. Nur wenn insgesamt eine - rechtlich mögliche -Beschäftigungsmöglichkeit fehlt, könnten die dann durch Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG entstehenden Kosten für die Vergütung der Arbeitnehmer in die Prüfung der wirtschaftlichen Belastung fließen.

Der Verfügungsbeklagte hat in Übereinstimmung mit dem Widerspruch des Betriebsrates mehrere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb des Betriebes der Verfügungsklägerin aufgezeigt. Wenn die Verfügungsklägerin hierzu allgemein geltend gemacht hat, sie habe keine Möglichkeit, Arbeitnehmer in anderen Unternehmen des Konzerns unterzubringen, weil diese Unternehmen im Personalbereich selbständig agierten, kommt es hierauf nach Ansicht der Kammer nicht entscheidend an, denn es geht nicht um eine dauerhafte Versetzung oder Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf ein anderes Unternehmen, sondern nur darum, ob eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung der Arbeitskraft möglich ist in der Zeit, die vom Weiterbeschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers umfasst ist. Insoweit kommt es lediglich auf eine Unterbringungsmöglichkeit in anderen Unternehmen des Konzerns an. Da die Verfügungsklägerin unstreitig auch bisher Personal bei anderen Konzernunternehmen eingesetzt hat, wenn hier Bedarf für einen entsprechenden Personaleinsatz bestand, d. h. die Überlassung von Mitarbeitern an andere Konzernunternehmen unstreitig erfolgt ist, hätte dargetan werden müssen, weshalb eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht auch zukünftig, jedenfalls für die Dauer der Weiterbeschäftigungsverpflichtung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG und jedenfalls in entsprechendem Umfang wie bisher zur Vermeidung nachteiliger wirtschaftlicher Auswirkungen möglich sein konnte. Dass angesichts des bisher geübten unternehmensübergreifenden Personalaustausches eine Kostenentlastung gar nicht oder nur in völlig bedeutungslosem Umfang zu erwarten sein wird, hat die Verfügungsklägerin nicht dargelegt. Derartiges belegen auch nicht die bisher bei anderen Unternehmen der xxxxx-Gruppe von Arbeitnehmern der Verfügungsklägerin, die den Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machen, geleisteten Schichten, auch wenn der Einsatz nur für einen Teil der Arbeitnehmer möglich war.

Soweit die Verfügungsklägerin einer unternehmensübergreifenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit entgegenhält, es handele sich dann nicht mehr um eine Weiterbeschäftigung "zu unveränderten Bedingungen" im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG, kommt dem im Hinblick auf die Betriebsvereinbarung "Personaleinsatz" aus dem Jahre 1999 (Anlage AG 8) keine gesonderte Bedeutung zu. Die Beschäftigung bei anderen Konzernunternehmen ist generell nicht nur unstreitig erfolgt, sondern auch durch die vorgenannte Betriebsvereinbarung geregelt. Auch wenn die Betriebsvereinbarung mit der Verfügungsklägerin lediglich den Zweck hat, sogenannte Beschäftigungsspitzen auszugleichen und den Einsatz von Fremdpersonal zu vermeiden, ist damit jedenfalls die Möglichkeit gegeben, die Arbeitskraft der weiterzubeschäftigenden Arbeitnehmer zumindest teilweise zu nutzen. Dass und warum derartige Einsatzmöglichkeiten prognostisch auszuschließen sind, ergibt sich bei allem nicht. Ungeachtet des genauen Umfangs der tatsächlichen Inanspruchnahme wären bei der geforderten Gesamtbetrachtung jedenfalls Lohnkosten zu sparen, was in die Zumutbarkeitsbetrachtung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG einzufließen hat.

Zusammengefasst war festzustellen, dass eine Prognose mit dem Inhalt einer unzumutbaren, d. h. existenzgefährdenden bzw. liquiditätsbeeinträchtigenden wirtschaftlichen Belastung infolge der durch das Weiterbeschäftigungsverlangen des Verfügungsbeklagten und anderer Arbeitnehmer verursachten Kosten. bezogen auf den 01. Januar 2002, nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht ist.

Inwieweit die Verfügungsklägerin mit ihrem weiteren Vorbringen zur Liquiditätslage der Gesellschaft, bestehender Insolvenzgefahr und gleichzeitig positiver Fortführungsprognose den Anforderungen an eine substantielle Prognose der künftigen Entwicklung genügt hat, kann damit ungeklärt bleiben. Angemerkt sei allerdings, dass die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit nicht hinreichend zu begründen ist, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich an der tatsächlichen und rechtlichen Situation der Verfügungsklägerin und ihrer wirtschaftlichen Lage infolge des Weiterbeschäftigungsverlangens einzelner Arbeitnehmer etwas geändert hätte.

Die von der Verfügungsklägerin durch das Abfindungsvolumen des Sozialplans zusätzlich zu tragende Belastung begründet letztlich ebenfalls keine unzumutbare wirtschaftliche Belastung im Sinne des streitgegenständlichen Entbindungstatbestandes. Selbst wenn Abfindungen aus einem Sozialplan hier zu berücksichtigen wären, ist nicht dargetan, dass und inwiefern ein zusätzlich aufzubringendes Abfindungsvolumen in Höhe von ca. 1,3 Mio. DM bei der erforderlichen Zusammenschau der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsklägerin zum Erreichen der Zumutbarkeitsgrenze führt. Hierbei ist insbesondere § 2 Ziffer 7 des Sozialplans zu berücksichtigen, wonach Kosten infolge des Weiterbeschäftigungsbegehrens auf den Abfindungsbetrag bis zu einer bestimmten Höchstgrenze angerechnet werden.

Da sich der Antrag der Verfügungsklägerin auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht des Verfügungsbeklagten per 01. Januar 2002 nach allem als unbegründet erweist, war der Berufung des Verfügungsbeklagten stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil ist gemäß § 72 Abs. 4 Arbeitsgerichtsgesetz nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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