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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 47/07
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 2 Abs. 2 S. 5
1. Die Geltendmachung des Rückkaufwertes durch den Arbeitnehmer nach Kündigung einer Direktversicherung wird von § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG nur bei beendetem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen.

2. Jedenfalls innerhalb der Kündigungsfrist können die Parteien eines Versicherungsvertrages vereinbaren, dass die Kündigung keine Rechtswirkung entfaltet. Dann fällt im Insolvenzverfahren des Arbeitnehmers der Rückkaufwert nicht in die Masse.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Mai 2007 - 2 Ca 388/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechte aus einem von der Beklagten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages.

Am 16. Dezember 2003 hat das Amtsgericht Hamburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitnehmers der Beklagten W.O. (im Folgenden: Schuldner) eröffnet und den Kläger zum Treuhänder bestellt.

Die Beklagte hatte mit der G. AG einen Lebensversicherungsvertrag geschlossen. Versicherungsnehmerin ist die Beklagte, versicherte Person des Vertrages ist der Schuldner. Die Versicherungsprämien werden seit Beginn des Vertragsverhältnisses aus dem Gehalt des Schuldners aufgebracht und von der Beklagten gezahlt. Der Lebensversicherung liegt der Antrag vom 12. Februar 2001 zu Grunde (Anlage B 9, Blatt 44 der Akte). Nach der Vereinbarung ist die versicherte Person (also der Schuldner) "...sofort ohne Einschränkung unwiderruflich bezugsberechtigt..."

Am 10. Juli 2006 (Anl. B 2, Bl. 14 d.A.) kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag gegenüber der Lebensversicherung auf Veranlassung des Klägers (Schreiben vom 3. Juli 2006, Anlage B 1, Bl. 13 der Akte). Nachdem die Versicherung die Beklagte mit Schreiben vom 1. August 2006 (Anl. B 3, Bl. 15 d.A.) darauf hinwies, dass die Kündigung der Lebensversicherung eventuelle Schadensersatzforderungen seitens des Schuldners gegenüber der Beklagten nach sich ziehen könne und sie auch steuerschädlich sei, wurde die Kündigung von der Beklagten gegenüber der Lebensversicherung mit Schreiben vom 3. August 2006 (Anlage B 5, Bl. 34 d.A.) widerrufen und am 19. Februar 2007 die Anfechtung erklärt (Anl. B 8, Bl. 43 d.A.)

Der Kläger hat vorgetragen, die Rückkaufswerte und die Überschussanteile aus dem Lebensversicherungsvertrag seien infolge der Kündigung fällig geworden, das Kapital aus der Lebensversicherung gehöre damit zum Vermögen des Arbeitnehmers, die Beklagte habe kein Recht, die Versicherung weiterzuführen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Beklagten keine Rechte mehr aus dem zwischen ihr und der G. AG geschlossenen Lebensversicherungsvertrag Nr. ... zustehen;

2. die Beklagte dazu zu verurteilen, gegenüber der G. AG, J., H., zu erklären, dass

a. sie Rechte aus dem zwischen ihr und der G. AG geschlossenen Lebensversicherungsvertrag Nr. ... nicht an Dritte abgegeben hat;

b. sich der Versicherungsschein zum Lebensversicherungsvertrag Nr. ... nicht in ihrem Besitz befindet,

c. sie nicht weiß, wo sich der Versicherungsschein zum Lebensversicherungsvertrag Nr. ... befindet und

d. sie keine Rechte mehr aus dem Versicherungsschein zum Lebensversicherungsvertrag Nr. ... herleitet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe die Kündigungen in dem irrigen Glauben abgegeben, hierzu verpflichtet gewesen zu sein.

Durch das dem Kläger am 23. Mai 2007 zugestellte Urteil vom 10. Mai 2007, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 22. Juni 2007eingelegte und mit am 23. Juli 2007 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger wiederholt, dass der von der Beklagten erklärte Widerruf der Kündigung keine Rechtswirkungen entfalten könne, jedenfalls dann nicht, wenn er nicht innerhalb der Kündigungsfrist zugehe. Die Versicherungsnehmerin zahle die Beiträge monatlich, also sei die Kündigung zum Ende des Monats möglich.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Mai 2007 - 2 Ca 388/06 -

1. festzustellen, dass der Beklagten keine Rechte mehr aus dem zwischen ihr und der G. AG geschlossenen Lebensversicherungsvertrag Nr. ... zustehen;

2. die Beklagte dazu zu verurteilen, gegenüber der G. AG, J., H., zu erklären, dass

a. sie Rechte aus dem zwischen ihr und der G. AG geschlossenen Lebensversicherungsvertrag Nr. ... nicht an Dritte abgegeben hat;

b. sich der Versicherungsschein zum Lebensversicherungsvertrag Nr. ... nicht in ihrem Besitz befindet,

c. sie nicht weiß, wo sich der Versicherungsschein zum Lebensversicherungsvertrag Nr. ... befindet und

d. sie keine Rechte mehr aus dem Versicherungsschein zum Lebensversicherungsvertrag Nr. ... herleitet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger sei als Treuhänder gar nicht befugt, die Rechte des Schuldners - ohne Abtretung - geltend zu machen. Im Übrigen verteidigt sie die erstinstanzliche Entscheidung.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die Berufung ist aber unbegründet.

II.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht zurückgewiesen.

1. Allerdings war die Klage nicht unzulässig.

a. Die Parteien streiten um das Bestehen von Rechten aus einem Vertrag zugunsten Dritter, so dass ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 ZPO gegeben ist (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007 Nr. 4 zu § 256). Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - NZA 2007, 1011-1013). Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Auch Rechtsverhältnisse zu Dritten können den Gegenstand eines Antrags nach § 256 Abs. 1 ZPO bilden, sofern der Antragsteller ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung besitzt. Ein solches Rechtsschutzinteresse ist vorliegend gegeben, denn beide Parteien nehmen für sich einander ausschließende Rechte aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch. Es steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zugleich einen Prozess gegen die Versicherung vor dem Landgericht führt, denn die Rechtskraft einer Entscheidung erstreckt sich nicht auf das andere Verfahren.

b. Es ergeben sich auch keine Besonderheiten daraus, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Treuhänder gemäß § 313 Abs. 1 InsO vermeintlich dem Schuldner zustehende Rechte geltend macht. Der Treuhänder hat gemäß § 313 Abs. 1 InsO die Aufgaben zu erfüllen, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter obliegen mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fälle des § 313 Abs. 2 und 3 InsO (Eickmann, InsO, 4. Aufl. 2006, Nr. 3 zu § 313). So kann der Treuhänder etwa nach § 240 ZPO unterbrochene Prozesse aufnehmen (Eickmann Nr. 3 zu § 313) und deshalb auch von ihm behauptete Ansprüche des Schuldners aus einer betrieblichen Altersversorgung zur Masse ziehen, um so das Vermögen des Schuldners etwa im Rahmen eines vor Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens erstellten Schuldbereinigungsplanes einzusetzen, § 305 InsO.

2. Die geltend gemachten Ansprüche sind aber nicht begründet. Der Rückkaufwert und die Überschussanteile, sowie die damit zusammenhängenden Auskunfts- und Erklärungsansprüche sind jedenfalls nicht fällig und in die Masse gefallen. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht - wie hier - der Rückkaufwert zum Vermögen des Bezugsberechtigten gehört (Römer VVG, 2. Aufl. Nr. 14 zu § 165).

a. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Geltendmachung des Rückkaufwertes des Bezugsberechtigten im Falle wirksamer Kündigung nicht durch betriebsrentenrechtliche Grundsätze ausgeschlossen. Vorliegend handelt es sich zwar um einen Fall der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung wie ihn § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG ausdrücklich nennt. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Entgeltumwandlung, die Durchführung erfolgt nach § 1 a Abs. 1 S. 2 BetrAVG durch eine Vereinbarung, z.B. eine Direktversicherung. Vertragsrechtlich handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB. Das Versicherungsverhältnis besteht zwischen dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und der Versicherung (vgl. ErfK-Steinmeyer, 7. Aufl. 2007, Nr. 43 zu § 1b BetrAVG).

Folge ist, dass gemäß § 1 b Abs. 2 BetrAVG der Widerruf des Bezugsrechtes bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - in Form einer schuldrechtlichen Verpflichtung (ErfK aaO. Nr. 45) des Arbeitgebers - ausgeschlossen ist. Dies ist darüber hinaus vorliegend auch versicherungsrechtlich vereinbart. Gemäß § 1 b Abs. 5 BetrAVG tritt sofortige Unverfallbarkeit der Anwartschaft ein.

Rechtlich nicht ausgeschlossen ist hingegen die grundsätzliche Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsvertrages - sogar gegen den Willen des Arbeitnehmers (ErfK Nr. 3a zu § 2). Ebenso ist es rechtlich möglich, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer in die Direktversicherung eintreten kann, § 2 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG. Auch kann er dann als nunmehriger Versicherungsnehmer nach wie vor den Versicherungsvertrag kündigen. Allerdings sperrt in diesem Falle § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG: der Rückkaufwert kann entgegen § 176 Abs. 1 VVG nicht in Anspruch genommen werden.

§ 2 Abs. 2 S. 4 - 6 BetrAVG gelten aber nur für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer (LG Frankfurt, 29. Juni 1993 - 2/14 O 161/93 - NJW-RR 162; OLG Frankfurt, 12. August 1998 - 7 U 191/97 - VersR 1999, 41; Höfer, BetrAVG, Losebl., Nr. 3259, 3269; Blomeyer, BetrAVG, 4. Auf. 2006, Nr. 277 zu § 2).

Der Anspruch des Klägers betrifft aber den Rückkaufswert pp. in einem nach wie vor bestehenden Arbeitsverhältnis. Mit dem Verweis auf § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG lässt sich deshalb die Klagabweisung nicht begründen.

b. Die Klage ist aber deshalb nicht begründet, weil eine wirksame Kündigung des zwischen der Beklagten und der Versicherung bestehenden Versicherungsvertrages als Voraussetzung für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht erfolgt ist.

Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 10. Juli 2006 fristgemäß - zum nächst möglichen Termin - gekündigt. Die Ausübung dieses Rechtes ist nach den vorherigen Ausführungen auch betriebsrentenrechtlich möglich. Richtig ist auch der Hinweis des Klägers, dass der Widerruf einer einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärung nicht möglich ist. Es ist aber rechtlich möglich, dass die Parteien wirksam vereinbaren, dass aus einer Kündigung keine Rechte hergeleitet werden und das Vertragsverhältnis unverändert fortbesteht (BGH, 22. Juni 1988 - IVa ZR 25/87 - VersR 1988, 1013). Vorliegend ist dies durch das Schreiben der Versicherung vom 1. August 2006 und der Antwort der Beklagten vom 3. August 2006 erfolgt. Die Parteien des Versicherungsvertrages haben durch übereinstimmende Willenserklärungen die Folgen der Kündigung vom 10. Juli 2006 beseitigt. Da dies innerhalb der Kündigungsfrist - Schluss der laufenden Versicherungsperiode, § 165 VVG i.d.F. vom 24.12.2003 - erfolgte, traten die Rechtsfolgen der Kündigung nicht ein. Die Versicherungsperiode beträgt i.d.R. ein Jahr, bei Zahlungen in kürzeren Zeiträumen handelt es sich um Ratenzahlungen (Römer Nr. 13 zu § 165). Dem Kläger war nach Schluss der mündlichen Verhandlung nachgelassen worden, zu einer etwaigen kürzeren Kündigungsfrist vorzutragen.

Das Versicherungsvertragsverhältnis war demnach nicht einmal für eine juristische Sekunde unterbrochen, so dass der Anspruch auf den Rückkaufwert - 176 VVG - in der Person des unwiderruflichen Bezugsberechtigten nicht entstehen konnte. Ob dies auch - wie im Fall des BGH (22. Juni 1988 aaO.) - nach Ablauf der Kündigungsfrist gelten würde, mag offenbleiben, da jedenfalls im vorliegenden Fall die Vereinbarung der Parteien des Versicherungsvertrages wirksam zustande gekommen ist und Rechte Dritter nicht schmälerte.

Dem Kläger steht der Rückkaufswert demnach - jedenfalls z.Zt. - nicht zu, die Beklagte ist nach wie vor Versicherungsnehmerin, deshalb waren der Feststellungsantrag zu Ziffer 1 und die darauf aufbauenden Anträge zurückzuweisen. Deshalb war die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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