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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: 5 SaGa 1/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 103 Abs. 1
1. Der besondere Schutz sowohl vor der Beendigung als auch der Veränderung des Arbeitsverhältnisses von Betriebsratsmitgliedern macht deutlich, dass die Suspendierung von Betriebsratsmitgliedern nur unter erheblich erschwerten Voraussetzungen in Betracht kommt. Deshalb gilt dann, wenn der 1. Arbeitgeber mit der Einleitung eines Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds geltend macht (§ 103 Abs. 1 BetrVG), er nur dann berechtigt ist, den Arbeitnehmer einseitig von der Arbeitspflicht zu suspendieren, wenn bei Weiterbeschäftigung erhebliche Gefahren für den Betrieb oder die dort tätigen Personen objektiv bestehen. Hierbei muss es sich um einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehende überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers handeln, die eine Verhinderung der Beschäftigung geradezu gebieten. Für eine Suspendierung reicht es somit nicht aus, dass den vom Arbeitgeber ins Feld geführten Kündigungsgründen "einiges Gewicht" zukommt, vielmehr müssen Umstände hinzukommen, die über den "wichtigen Grund" für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung hinausgehen. Bei besonders schwerem Gewicht des "wichtigen Grundes" wird auch allein der Anlass für die außerordentliche Kündigung ausreichen.

2. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn sich der Mandatsträger aktiv an der Gründung eines Konkurrenzvereins beteiligt, weil der dringende Verdacht besteht, dass Geschäftsgeheimnisse weitergegeben wurden bzw. dies jedenfalls zu befürchten ist. Der spätere Vereinsaustritt ändert hieran nichts.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 08. Januar 2008 - 9 Ga 11/07 - abgeändert:

Der Weiterbeschäftigungsantrag wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Tatbestand:

Der 1947 geborene Verfügungskläger verfolgt im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens seinen Anspruch auf Beschäftigung.

Die Verfügungsbeklagte ist eine gemeinnützige GmbH, die Deutschkurse und andere Dienstleistungen für Migranten anbietet. U.a. betreibt die Verfügungsbeklagte dezentrale regionale Integrationszentren in H., in denen Sprach- und Integrationskurse sowie Beratungsleistungen für Neuzuwanderer und für die dauerhaft in Deutschland lebenden Zuwanderer angeboten werden. Der Verfügungskläger ist seit Dezember 1974 bei der Verfügungsbeklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Sozialberater beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen beträgt ca. EUR 3.400,-. Er ist bei einer am 22. Februar 2006 durchgeführten Betriebsratswahl in den dreiköpfigen Betriebsrat der Verfügungsbeklagten gewählt worden. Die Betriebsratswahl ist angefochten worden. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Ebenso wie die beiden übrigen Betriebsratsmitglieder ist der Verfügungskläger Gründungsmitglied eines Vereins "A. (A. e.V.)", dessen Gründungsversammlung am 10. Mai 2006 stattfand. Leiter der Gründungsversammlung war ausweislich des Protokolls Herr O. - Betriebsratsvorsitzender bei der Verfügungsbeklagten -, Protokollführer der Verfügungskläger. Unter den sieben Gründungsmitgliedern des Vereins war auch das dritte Betriebsratsmitglied Herr B., sowie ein weiterer Arbeitnehmer der Verfügungsbeklagten, Herr H.. Ausweislich des § 2 Ziffer 1. der auf der Gründungsversammlung verabschiedeten Vereinssatzung lautete der ursprüngliche Vereinszweck wie folgt:

"Zweck des Vereins ist die Förderung der Völkerverständigung und der Integration von in H. lebenden Mitbürger/innen ausländischer Herkunft. Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch Bildung, Ausbildung, Vermittlung der Deutschen Sprachkenntnisse sowie durch systematische und gezielte Integrationsberatung"

In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 28. Januar 2007, bei der wiederum Herr O. als Versammlungsleiter und der Verfügungskläger als Protokollführer fungierten, wurde ausweislich des Protokolls unter TOP 5 eine Satzungsänderung beschlossen. Das Protokoll (Anlage AG 11, Bl. 62 f. d.A.) führt hierzu aus:

"Versammlungsleiter erklärt die Notwendigkeit der Satzungsänderungen und führt aus, welche Paragraphen der Satzung und wie geändert werden sollen. Sodann werden folgende Satzungsänderungen einstimmig beschlossen:

§ 2 Ziffer 1

wird wie folgt geändert:

- Zweck des Vereins ist die Förderung der Bildung der Völkerverständigung und der Integration von in H. lebenden MitbürgerInnen ausländischer Herkunft.

- Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch Bildungs- und Fortbildungsangeboten in Form von Sprach- und Integrationskursen für die dauerhaft hier lebenden Zuwanderer, welche in Zusammenarbeit mit Bund oder dem Land der FHH organisiert und aus öffentlichen Mitteln oder durch privaten Spenden gefördert werden.

Die Bemühungen des Bundes und des Landes der FHH für eine bessere Integration von Zuwanderern in die deutsche Gesellschaft soll dadurch unterstützt werden, dass der Verein Beratungsstelle/n errichtet und gezielte Orientierungs- und Integrationsberatung, wie sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwartet und gefördert wird, anbietet.

- Die Völkerverständigung zwischen unterschiedlichen Menschengruppen, die in H. leben und aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, und der hiesigen Gesellschaft, in der sie dauerhaft leben, wird dadurch gefördert, dass kulturelle Aktivitäten, wie Theatergruppen, Kunstmalerei, Kochkurse, Musik und Gesangsabende, sportliche Veranstaltungen organisiert und angeboten werden."

Die regionalen Integrationszentren, von denen derzeit fünf von der Verfügungsbeklagten betrieben werden, werden von der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg jährlich ausgeschrieben. Auf ein Auskunftsersuchen der Verfügungsbeklagten, mit dem die Verfügungsbeklagte in Erfahrung bringen wollte, wer sich außer ihr um die Integrationszentren beworben habe, teilte die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 12. November 2007 (Anlage AG 7, Bl. 58 d. A.) u. a. mit:

"Im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung der Förderrichtlinie zum Bewerbungsverfahren bezüglich der Vergabe der regionalen Integrationszentren in H. ab 01.01.2008 haben sich zwei bisher nicht mit der Aufgabe - Betrieb eines/mehrerer Integrationszentren - beworben.

Dies waren die Träger

- internationaler Bund für Sozialarbeit

- A. (A.) e.V. ..."

Nach Erhalt dieses Schreibens begab sich der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten am 22. November 2007 zum Registergericht Hamburg, um Einsicht in das Vereinsregister zu nehmen. Er wollte auf diesem Wege Einzelheiten über den ihm unbekannten Verein A. e.V. erfahren, der am Markt als sein Konkurrent auftrat. Bei Einsicht in das Vereinsregister erhielt der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten Kenntnis über die Satzung und die Satzungsänderung des Vereins A. e.V. sowie über den Umstand, dass die drei Betriebsratsmitglieder Gründungsmitglieder des Vereins waren. Weiterhin erfuhr der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten von der Rolle des Verfügungsklägers als Protokollführer der Gründungsversammlung und der satzungsändernden Versammlung. Dies nahm die Verfügungsbeklagte zum Anlass für verschiedene arbeitgeberseitige Maßnahmen:

Mit Schreiben vom 28. November 2007 beantragte die Verfügungsbeklagte die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Verfügungsklägers. Zeitgleich erfolgten entsprechende Anträge auf Zustimmung zu außerordentlichen Kündigungen der weiteren Betriebsratsmitglieder. Mit Schreiben vom 30. November 2007 teilte der Betriebsrat mit, dass er der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Verfügungsklägers widerspreche. Auch den beabsichtigten außerordentlichen Kündigungen der weiteren Betriebsratsmitglieder stimmte der Betriebsrat nicht zu. Die Verfügungsbeklagte leitete daraufhin Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ein.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2007 kündigte die Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis fristlos unter Hinweis auf die mögliche Nichtigkeit der Betriebsratswahl.

Mit Schreiben vom 28. November 2007 (Anlage AG 6, Bl. 59 d. A.) stellte die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"... wir stellen Sie hiermit mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche frei.

Ihre Tätigkeit als Betriebsrat ist hiervon nicht betroffen. Sie können Ihre BR-Tätigkeit im Büro von Herrn O. im H. Weg selbstverständlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung fortsetzen. Der BR hat im Büro von Herrn O. weiterhin einen verschließbaren Aktenschrank sowie einen PC zur Betriebsratsarbeit zur Verfügung. Ihre Tätigkeit im Büro von Herrn O. hat sich ausschließlich auf die Arbeit im Rahmen des BR zu beschränken."

Zeitgleich sind auch die weiteren Betriebsratsmitglieder Herren O. und B. freigestellt worden. Auch diese haben einstweilige Verfügungsverfahren eingeleitet, mit denen sie Ansprüche auf Weiterbeschäftigung geltend machen.

Mit dem vorliegenden, am 5. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Antrag begehrt der Verfügungskläger, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gemäß § 103 BetrVG zum Az. 9 BV 30/07 zu den bisherigen Bedingungen als Sozialberater weiterbeschäftigt zu werden.

Der Verfügungskläger hat behauptet, er sei mit Schreiben vom 1. April 2007 (Anl. K 6, Bl. 77 d.A.) aus dem Verein A. ausgetreten. Zwar möge es auf dem Gebiet sozialen Handelns Wettbewerbsverbote geben, soweit es um die Bewerbung um konkrete Fördermittel gehe. Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der A. e.V. um die Integrationszentren beworben habe, sei er aber schon lange nicht mehr Mitglied des Vereins gewesen. Seine ehemalige Mitgliedschaft könne kein pflichtwidriger Wettbewerb sein, denn die Förderung der Integration von in Deutschland lebenden Migranten sei ein allseits anerkanntes Ziel staatlichen und privaten Handelns. Er habe lediglich an zulässigen vorbereitenden Handlungen teilgenommen.

Der Verfügungskläger hat beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht Hamburg 9 BV 30/07 zu den bisherigen Bedingungen als Sozialberater weiter zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es überwiege ihr Interesse an der Freistellung das Beschäftigungsinteresse des Verfügungsklägers. Es sei ihr unzumutbar, einen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, der als Gründungsmitglied eines mit ihr in Wettbewerb stehenden Vereins jederzeit Betriebsgeheimnisse weitergeben könne.

Durch das der Verfügungsbeklagten am 14. Januar 2008 zugestellte Urteil vom 8. Januar 2008, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die am 8. Februar 2008 eingelegte und zugleich begründete Berufung der Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsbeklagte trägt vor, dass der Verfügungskläger Gründungsmitglied des Vereins A. sei und dass er in seiner Funktion als Protokollführer auf der Gründungsversammlung dieses Vereins und der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 28. Januar 2007 teilgenommen habe, zeige, dass er aus seinem Arbeitsverhältnis mit ihr heraus sich einem Konkurrenzunternehmen zur Verfügung gestellt habe. Daran ändere sich auch nichts durch den angeblichen Austritt des Verfügungsklägers aus dem Konkurrenzunternehmen. Zumindest habe er sich bis zum 1. April 2007 für diesen Verein eingebracht. Allein schon die Mitwirkung bei der Gründung des Vereins und die unstreitige Zustimmung zur Satzungsänderung am 28. Januar 2007 hätten Auswirkungen zur Folge, die sich in erheblicher Weise für sie als nachteilig darstellten. Der Verein A. habe an dem Bewerbungsverfahren bezüglich der Vergabe der regionalen Integrationszentren zum 1. Januar 2008 teilgenommen. An diesem Bewerbungsverfahren habe ebenfalls sie teilgenommen. Damit stünden sie in direktem Wettbewerb. Der behauptete Austritt sei jedenfalls eine reine Schutzbehauptung. Sie habe das Vertrauen verloren, dass sich der Verfügungskläger zukünftig nicht wettbewerbswidrig verhalten werde. Selbstverständlich könne der Verfügungskläger auch Mitglied in anderen Vereinen werden, sofern diese Vereine nicht in Konkurrenz zu ihr treten. Weiterhin verweist die Verfügungsbeklagte auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Dezember 2007 - 23 Ga 14/07.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. Januar 2008 - 9 Ga 11/07 -

den Antrag zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger betont, dass bei der Entscheidung über die Beschäftigung nicht nur das bestehende Arbeitsverhältnis, sondern dessen Verschränkung mit seiner Betriebsratsmitgliedschaft zu berücksichtigen sei. Zur Zeit seiner Mitgliedschaft habe der Verein A. keinerlei Außenaktivitäten entwickelt, so dass Konkurrenz gar nicht vorliege. Als sich dies abgezeichnet habe, sei er ausgetreten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Für den geltend gemachten Anspruch auf Weiterbeschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis besteht kein Verfügungsanspruch im Sinne der §§ 935, 940 ZPO.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, seinen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen (§§ 611, 613 BGB i. V. m. § 242 BGB, Artikel 1 und 2 GG; ständige Rechtsprechung des BAG seit dem Urteil vom 10.11.1955 - 2 AZR 591/54 - in AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Dies folgt aus dem im Arbeitsverhältnis zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 Grundgesetz, wonach die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung nicht nur als ein Wirtschaftsgut, sondern auch als Ausdruck der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu verstehen ist. Dieser muss deshalb nicht nur entlohnt, sofort tatsächlich vertragsgemäß beschäftigt werden. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben wird aber auch hergeleitet, dass den genannten Interessen des Arbeitnehmers diejenigen des Arbeitgebers gegenüberzustellen sind; im Rahmen dieser Interessenabwägung muss das ideelle Interesse des Arbeitnehmers an tatsächlicher Beschäftigung dort zurücktreten, wo überwiegende schützenswerte Interessen des Arbeitgebers (Vertrauensverlust, Wahrung von Betriebsgeheimnissen) entgegenstehen (BAGE 27. Februar 1989 - GS 1/84 - DB 85,2197). Nach der Entscheidung des Großen Senats ist also bereits der materielle Verfügungsanspruch von einer Interessenabwägung abhängig, die sonst erst im Rahmen des Verfügungsgrundes bei Befriedigungsverfügungen von Bedeutung ist. Diese Interessenabwägung geht im ungekündigten Arbeitsverhältnis in aller Regel zu Gunsten des Arbeitnehmers und nur bei besonderen, der Beschäftigung entgegenstehenden Gründen zu Gunsten des Arbeitgebers aus (Schwab, ArbGG 2. Aufl. 2008, Nr. 122 zu § 62 m.w.N.).

Die Kammer geht im summarischen Verfahren davon aus, dass das Arbeitsverhältnis nach wie vor besteht, da für eine Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 22. Februar 2006 eher wenig spricht, wenn das Landesarbeitsgericht die Rechtsbeschwerde zulässt, weil zu klären ist, inwieweit vermeintlich freie Mitarbeiter an der Wahl teilnehmen durften. Nicht abschließend geklärt ist auch die Frage, ob der Verfügungskläger Tendenzträger in einem Tendenzbetrieb ist. Jedenfalls geht die Kammer zurzeit nicht davon aus, dass seine Kündigung aus tendenzbezogenen Gründen erfolgte und somit der Betriebsrat nur gemäß § 102 BetrVG zu beteiligen gewesen wäre (vgl. APS 3. Auflage 2007, Nr. 6a zu § 103 BetrVG m.w.N.).

Diese o.a. Grundsätze der Suspendierung im bestehenden Arbeitsverhältnis gelten auch, wenn der Beschäftigungsanspruch von einem Betriebsratsmitglied während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 2 BetrVG geltend gemacht wird, wobei deren arbeitsrechtlicher Status durch einen besonderen Entlassungsschutz in erhöhtem Maße gesichert ist und bei denen die Beschäftigung auch den für ihre Betriebstätigkeit notwendigen Kontakt zur Belegschaft sichert. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht nunmehr in Absatz 3 des § 103 BetrVG das gerichtliche Vorschaltverfahren auch für Versetzungen vor, die zu einem Verlust des Betriebsratsamtes führen würden. Der besondere Schutz sowohl vor der Beendigung als auch der Veränderung des Arbeitsverhältnisses von Betriebsratsmitgliedern macht deutlich, dass die Suspendierung von Betriebsratsmitgliedern nur unter erheblich erschwerten Voraussetzungen in Betracht kommt (LAG Köln 02. August 2005 - 1 Sa 952/05 - NZA-RR 2006, 28-30). Deshalb gilt dann, wenn der Arbeitgeber mit der Einleitung eines Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds geltend macht (§ 103 Abs. 1 BetrVG), er nur dann berechtigt ist, den Arbeitnehmer einseitig von der Arbeitspflicht zu suspendieren, wenn bei Weiterbeschäftigung erhebliche Gefahren für den Betrieb oder die dort tätigen Personen objektiv bestehen (Sächsisches Landesarbeitsgericht 14. April 2000 - 3 Sa 298/00 - LAGE § 103 BetrVG 1972 Nr 16). Hierbei muss es sich um einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehende überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers handeln, die eine Verhinderung der Beschäftigung geradezu gebieten (LAG Hamm 12. Dezember 2001 - 10 Sa 1741/01 - NZA-RR 2003, 311-314). Für eine Suspendierung reicht es somit nicht aus, dass den vom Arbeitgeber ins Feld geführten Kündigungsgründen "einiges Gewicht" zukommt, vielmehr müssen Umstände hinzukommen, die über den "wichtigen Grund" für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung hinausgehen. Bei besonders schwerem Gewicht des "wichtigen Grundes" wird auch allein der Anlass für die außerordentliche Kündigung ausreichen (LAG Köln 02. August 2005 aaO.).

Bei Übertragung der Rechtsgrundsätze dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes und der Landesarbeitsgerichte ist somit eine Interessenabwägung erforderlich, die nur in Ausnahmefällen überhaupt zu Lasten des Betriebsratsmitgliedes ausgehen kann. Ein solcher Ausnahmefall ist gegeben.

Der Kläger hat als eines von sieben Gründungsmitgliedern einen Verein - eine juristische Person - geschaffen, deren satzungsmäßiger Zweck teilidentisch mit dem der Verfügungsbeklagten ist. Jedenfalls mit der Änderung am 28. Januar 2007 bei Anwesenheit derselben sieben Mitglieder wurde der Satzungszweck gerichtet auf Sprach- und Integrationskurse für Zuwanderer in Zusammenarbeit mit dem Bund und dem Land Hamburg.

Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt, auch wenn der Einzelarbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelung enthält. Für Handlungsgehilfen ist dies in § 60 Abs. 1 HGB ausdrücklich geregelt. Diese Vorschrift konkretisiert jedoch einen allgemeinen Rechtsgedanken, der seine Grundlage bereits in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. 17. Oktober 1969 - 3 AZR 442/68 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, 26. September 2007 - 10 AZR 511/06 - AP Nr 4 zu § 61 HGB). Gemäß § 60 Abs. 1 HGB darf der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Eine unerlaubte Wettbewerbshandlung liegt also vor, wenn auf derselben Stufe wie der des Arbeitgebers und im Geschäftsbereich des Arbeitgebers ein Konkurrent betrieben wird (vgl. ErfK 7. Aufl 2007, Nr. 9 zu § 60 HGB). Die Gründung des Vereins A. zielte mit seiner Satzung auf den Geschäftsbereich der Verfügungsbeklagten und betrifft dieselbe Ebene an Kunden und öffentlichen Mittelgebern. Die Verfügungsbeklagte ist zwar gemeinnützig, A. ist ein eingetragener Verein, dennoch gelten für beide die normalen wirtschaftlichen und finanziellen Grundsätze eines am Markt tätigen Unternehmens. Die Gründung eines in diesem Geschäftsfeld tätigen Vereins trifft demnach den geschäftlichen Kernbereich der Verfügungsbeklagten. Im Grunde gefährdete der Verfügungskläger mit seinen Kollegen seinen eigenen Arbeitsplatz, den er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung aber nie aufgeben wollte, so dass sich die Frage der - in Grenzen rechtlich zulässigen - Vorbereitung eines eigenen Handelsgewerbes gar nicht stellt. Ebenso wenig wie sich ein Handlungsgehilfe auf den Schutz der Art. 12 und 14 GG berufen kann, wenn er seinem Prinzipal im bestehenden Arbeitsverhältnis Konkurrenz machen möchte, kann sich der Kläger auf Art. 9 GG berufen, wenn die Konkurrenz im Betreiben eines eingetragenen Vereins besteht.

Eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 06. August 1987 - 2 AZR 226/87, NJW 1988, 438; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - EzA § 626 n.F. BGB Nr. 162). Hieran ändert auch die spätere - zwischen den Parteien strittige - Beendigung der Mitgliedschaft im Verein A. nichts. Die vom Kläger durch die aktive Beteiligung an der Gründung des Vereins gesetzte abstrakte Gefährdung der Verfügungsbeklagten hat sich nach dem behaupteten Austritt konkretisiert durch die Bewerbung um dasselbe Projekt zum Jahresbeginn 2008.

Zu einem Suspendierungsgrund nach o.a. Rechtsgrundsätzen im Rahmen auch eines gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG schwebenden Verfahrens wird dieser hinsichtlich der zugrundeliegenden Tatsachen unstreitige Wettbewerbsverstoß durch den darauf aufbauenden dringenden Verdachts einer schweren Vertragsverletzung, die über die schlichte Gründung eines Konkurrenzvereins hinausgeht: Angesichts der Zusammensetzung der sieben Gründungsmitglieder mit vier Arbeitnehmern der Verfügungsbeklagten liegt es nahe, dass bei der beabsichtigten Tätigkeit des Vereins auf dem Gebiet der Verfügungsbeklagten Detailwissen aus dem Arbeitsverhältnis dieser vier Arbeitnehmer verwendet wird. Es erscheint eher lebensfremd anzunehmen, bei der Werbung von Kunden, der Ansprache von öffentlichen Finanzträgern und dem Formulieren von Ausschreibungsbewerbungen könnten sich die genannten Arbeitnehmer von ihrem Wissen freimachen, über das sie aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Verfügungsbeklagten verfügen. Es besteht damit der dringende Verdacht, dass über die Wettbewerbstätigkeit hinausgehend ein Verrat von Geschäftsgeheimnissen erfolgt ist.

Es ist darüber hinaus aus Sicht der Verfügungsbeklagten zu befürchten, dass es bei einer anhaltenden Wettbewerbssituation mit dem Verein A. auch zukünftig zu einem Verrat von Geschäftsgeheimnissen kommen könnte. Auch hier kann der nominelle Austritt aus dem Verein den durch die Umstände der Gründung gesetzten schweren Verdacht nicht beseitigen. So ist dem Verfügungskläger über die aktive Teilnahme am Gründungsakt und der Satzungsänderung sowie seiner Mitgliedschaft jedenfalls bis zum 1. April 2007 von der Verfügungsbeklagten keine weitere vertragswidrige Wettbewerbshandlung oder gar ein Verrat von Geschäftsgeheimnissen nachweisbar, aber diese Umstände der Vereinsgründung mit sieben Gründungsmitgliedern, vier Kollegen und einer Lebensgefährtin begründen einen so schweren Verdacht, dass für die Verfügungsbeklagte als einzig geeignete Maßnahme zum Schutz ihrer Interessen die Suspendierung blieb. Hinter diesen überwiegenden Interessen der Verfügungsbeklagten musste deshalb auch bei Berücksichtigung der Betriebsratstätigkeit des Klägers sein Interesse an einer Weiterbeschäftigung zurücktreten.

Die erstinstanzliche Entscheidung war daher abzuändern und der Antrag auf Weiterbeschäftigung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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