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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: 5 Ta 21/02
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 769 Abs. 1
ArbGG § 62 Abs. 1 Satz 2
1. Die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 769 Abs. 1 ZPO erfordert nicht, dass das Gericht in der angegriffenen Entscheidung die Maßstäbe und Grenzen der Ermessensausübung nicht beachtet hat oder die Entscheidung sonst greifbar gesetzeswidrig ist.

2. Die Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten nicht für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO.

3. Im Beschwerdeverfahren gegen eine Entscheidung nach § 769 Abs. 1 ZPO ist eine Kostenentscheidung veranlasst.


Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss

Geschäftszeichen: 5 Ta 21/02

In dem Rechtsstreit

beschließt das Landesarbeitsgericht Hamburg, Fünfte Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht xxxxxxxxxxxxx als Vorsitzenden am 29. Januar 2003:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. August 2002 in der Fassung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2002 teilweise abgeändert. Es wird angeordnet, dass der Beklagte bis zum Erlass eines Urteils über die Klage in dem Verfahren 16 Ca 334/02 Arbeitsgericht Hamburg die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 24. Juni 2002 (Az. 63 M 5626/02) nur gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von € 4000 fortsetzen darf.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt bei einem Beschwerdewert in Höhe von € 917,67 ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde, der Beklagte zwei Drittel. Die gerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde trägt der Beklagte nach einem Beschwerdewert in Höhe von € 611,11.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann Rechtsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss des Landesarbeitsgerichts auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

- die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird;

- die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Rechtsbeschwerdebegründung muss enthalten:

- die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge),

- die Angabe der Gründe der Rechtsbeschwerde, und zwar,

a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt,

b) soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

Eine Rechtsbeschwerde kann nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, der bzw. die bei einem deutschen Gericht zugelassen ist, einlegen und begründen.

Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde (Notfrist) beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde zwei Monate. Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde kann auf Antrag einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.

Die Rechtsbeschwerdefrist und die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beginnen mit dem Tage der von Amts wegen erfolgten Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses des Landesarbeitsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Hinweis:

1. Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:

Hugo-Preuß-Platz 1 - 99084 Erfurt

2. Aus technischen Gründen sind die Rechtsbeschwerdeschrift, die Schrift zur Begründung der Rechtsbeschwerde und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Rechtsbeschwerdeverfahren in siebenfacher Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr) bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten sich um eine Anordnung, die Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich bis zum Erlass eines Urteils einzustellen.

Die Klägerin begehrte mit einer Vollstreckungsgegenklage überschriebenen Klagschrift die Zwangsvollstreckung aus einem Vergleich für unzulässig zu erklären und vorab im Wege der vorläufigen Anordnung einen vom Beklagten erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wiesbaden (63 M 5626/02) vom 24. Juni 2002 sowie ein vorläufiges Zahlungsverbot vom 21. Juni 2002 aufzuheben. Wegen der Einzelheiten des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und des vorläufigen Zahlungsverbotes wird auf die Anlagen K 2 und K 3 zur Klagschrift (Bl. 8 ff d.A.) verwiesen. Insoweit verlangte die Klägerin ausdrücklich eine Entscheidung nach § 769 Abs. 1 ZPO. Wegen der Einzelheiten des Schriftsatzes wird auf Bl. 19 ff d.A. verwiesen. Die Parteien hatten in dem Verfahren 16 Ca 71/02 Arbeitsgericht Hamburg einen Rechtsstreit umgekehrten Rubrums geführt, in dem sie am 12. April 2002 einen Vergleich schlossen, in dessen Ziffer 4 die Klägerin sich verpflichtete, an den Beklagten eine Abfindung in Höhe von € 17895,22 zu zahlen. Wegen der Einzelheiten des Vergleichs wird auf die Anlage K 1 zur Klagschrift (Bl. 24 f d.A.) verwiesen. Neben einer erfolgten Zahlung und einem zwischen den Parteien unstreitigen Abzug behielt die Klägerin € 9176,67 ein und begründete dieses damit, dass der Beklagte für den Verlust von drei "Lifter-Geräten" in diesem Werte schadensersatzpflichtig sei.

Die Klägerin hat beantragt,

im Wege der vorläufigen Anordnung den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 12. April 2002 sowie das vorläufige Zahlungsverbot des Amtsgerichts Wiesbaden vom 21. Juni 2002 (beide Az.: 16 Ca 71/02) aufzuheben.

Der Beklagte hat vorgebracht, dass er die "Lifter-Geräte" bei einem Auftrag über € 90000,- statt weiterer Rabatte als Zugabe gewährt habe. Dieses sei mit dem Verkaufsleiter der Klägerin abgestimmt gewesen und mit dem Kunden bei Abgabe der Bestellung für den Auftrag vereinbart worden. Die Geräte seien bereits sechs bzw. acht Jahre alt gewesen und bei der Klägerin abgeschrieben. Dem Verlangen der Klägerin stehe § 767 Abs. 2 ZPO entgegen.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Beschluss vom 30. August 2002 den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und das Zahlungsverbot bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss, der dem Beklagten am 5. September 2002 zugestellt wurde, hat dieser mit Schriftsatz vom 10. September 2002, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 11. September 2002, sofortige Beschwerde eingelegt.

Dieser sofortigen Beschwerde hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 15. Oktober 2002 teilweise abgeholfen und entschieden, dass der Beschluss zur Einstellung der Zwangsvollstreckung mit der Maßgabe aufgehoben werde, das der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 12. April 2002 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 4000,- bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vollstreckungsgegenklage fortsetzen darf. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses einschließlich der Gründe wird auf diesen (Bl. 81 bis 86 d.A.) verwiesen.

Der Beklagte verfolgt die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe weiter, dass keine Sicherheitsleistung verlangt werden könne. Das Arbeitsgericht sei unzuständig, weil nach § 764 ZPO das Vollstreckungsgericht zuständig sei. Bei einer Vollstreckungsgegenklage könnten nach § 767 Abs. 2 ZPO nur Einwendungen geprüft werden, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden seien.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet, im Übrigen ist sie zurückzuweisen.

1) Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 567 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO oder § 793 ZPO statthaft. Aus welcher der beiden Vorschriften die Statthaftigkeit folgt, kann dahingestellt bleiben, weil nicht ersichtlich ist, dass sich daraus unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben.

Soweit vertreten wird, dass eine sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 769 Abs. 1 ZPO nur zulässig ist, wenn das Gericht in der angegriffenen Entscheidung die Maßstäbe und Grenzen der Ermessenausübung nicht beachtet hat oder die Entscheidung sonst greifbar gesetzeswidrig ist (OLG Dresden, JurBüro 1999, 270; Stein-Jonas/Münzberg, ZPO, § 769, Rdnr. 17, mit Verweis auf § 707, Rdnr. 29 f), kann dem nicht gefolgt werden. Diese Ansicht wird damit begründet, dass die Entscheidung des Ausgangsgerichts in der Hauptsache nicht dadurch beeinflusst werden soll, dass das Beschwerdegericht seine Ermessenserwägungen an die Stelle der vom Ausgangsgericht vorgenommenen Ermessenserwägungen setzen soll und außerdem in der jeweiligen Instanz die getroffenen Anordnungen jeweils frei abänderbar sein sollen (Stein-Jonas/Münzberg, § 769, Rdnr. 18). Diese Überlegungen können nicht dazu führen, dass eine sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 769 Abs. 1 ZPO unzulässig ist. Auch ein solcher Beschluss kann nämlich nur dann erlassen werden, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. So kann nur das zuständige Gericht tätig werden. Dieses hat die gesetzlichen Vorgaben an den Inhalt des Beschlusses zu beachten. Daraus, dass ein derartiger Beschluss nach § 769 Abs. 1 ZPO nur auf Antrag ergehen kann, folgt, dass das Gericht nicht ohne Antrag entscheiden kann und nicht über den Antrag hinausgehen darf. Soweit in § 769 Abs. 1 ZPO angeordnet ist, dass Vollstreckungsmaßregeln nur gegen Sicherheitsleistung aufgehoben werden dürfen, ist auch dieses zu beachten. Ferner ist für das arbeitsgerichtliche Verfahren zu klären, ob eine vorläufige Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG erlassen werden kann. Das hätte zur Folge, dass eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur dann erfolgen kann, wenn die Schuldnerin glaubhaft macht, dass ihr die Zwangsvollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, und eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur ohne Sicherheitsleistung erfolgen kann (Germelmann-Matthes-Prütting, ArbGG, § 62, Rdnr. 33). Diese sämtlichen Punkte betreffen nicht die vom Ausgangsgericht vorzunehmende Ermessensausübung, sondern bilden den rechtlichen Rahmen, in dem eine Ermessensausübung stattfinden kann. Sie können durch eine Beschwerdeentscheidung geprüft werden, ohne dass dadurch die Entscheidung des Ausgangsgerichts in der Hauptsache beeinflusst wird. Um eine solche Einflussnahme zu verhindern, ist es ausreichend, im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der sofortigen Beschwerde die eigentliche Ermessensentscheidung auf die Einhaltung der Grenzen und Maßstäbe des Ermessens zu beschränken. Die sofortige Beschwerde muss aber zulässig sein, um das rechtmäßige Zustandekommen des Beschlusses im Übrigen prüfen zu können.

Die Formalien der sofortigen Beschwerde sind gewahrt, weil der Beklagte diese innerhalb der Beschwerdefrist schriftsätzlich beim Landesarbeitsgericht eingereicht hat, an das die sofortige Beschwerde nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO gerichtet werden kann.

2) Die sofortige Beschwerde ist zum Teil begründet und im Übrigen zurückzuweisen. Der Antrag der Klägerin ist zulässig, die Entscheidung des Arbeitsgerichts aber zum Teil zugunsten des Beklagten abzuändern.

a) Der Antrag ist zulässig. Dieses folgt aus §§ 767, 769 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin macht ausweislich der Überschrift der Klagschrift und der Klagbegründung Einwendungen geltend, die den Anspruch selbst betreffen und nicht die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Bei einer solchen Klage kann nach § 769 Abs. 1 Satz 1 a.E. ZPO auch die Aufhebung einzelner Vollstreckungsmaßregeln verlangt werden. Dieses macht die Klägerin mit ihrem Antrag auf Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und des vorläufigen Zahlungsverbotes geltend.

Der Antrag der Klägerin ist an das zuständige Gericht gerichtet, weil nach § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Prozessgericht, mithin das Gericht, an das die Vollstreckungsgegenklage zu richten ist, zuständig ist. Das ist vorliegend das Arbeitsgericht, bei dem der vollstreckbare Vergleich geschlossen wurde und das deshalb nach §§ 794 Abs. 1 Ziffer 1, 795, 767 Abs. 1 ZPO für die Vollstreckungsgegenklage zuständig ist.

Gegen die Zulässigkeit des Antrages spricht nicht, dass in ihm falsche Daten und falsche Aktenzeichen für den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und das vorläufige Zahlungsverbot angegeben sind. Es ist offensichtlich und deshalb im Wege der Auslegung zu berücksichtigen, dass sich der Antrag auf die der Klagschrift in Kopie beigefügten Schriftstücke beziehen soll, aus denen sich die zutreffenden Daten und Aktenzeichen ergeben.

b) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zugunsten des Beklagten abzuändern, seine weitergehende sofortige Beschwerde ist dagegen zurückzuweisen.

Zu überprüfen ist der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 30. August 2002 in der Fassung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2002. Gegenstand des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht ist nämlich der Beschluss in der Gestalt, die er im Abhilfeverfahren bekommen hat (Baumbach u.a., ZPO, § 572, Rdnr. 10).

Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO liegen vor. Die Klägerin hat eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 BGB erhoben, so dass auf ihren Antrag das Arbeitsgericht eine Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO erlassen konnte. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 ZPO brauchte das Arbeitsgericht nicht zu berücksichtigen. Sie gelten nicht für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO. Entgegen der Auffassung des LAG Köln in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2002 (4 Sa 480/02) und der dort zitierten Literatur und Rechtsprechung findet § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bei § 769 Abs. 1 ZPO keine Anwendung. Dieses folgt schon daraus, dass der Anwendungsbereich des § 62 Abs. 1 ArbGG in der Vorschrift enumerativ aufgezählt ist, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber eine Geltung auch für § 769 Abs. 1 ZPO und § 732 Abs. 2 ZPO wollte. Anders als in den Fällen des Ausschlusses der Zwangsvollstreckung im Urteil selbst (§ 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) und der Einstellung der Zwangsvollstreckung im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines Rechtsmittels gegen das Urteil (§§ 707 Abs. 1 und 719 Abs. 1 ZPO, § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG) ist bei einer Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO ein beim Zustandekommen des Titels noch nicht berücksichtigter Umstand zu prüfen. Es spricht deshalb für den Titel nicht eine solche jedenfalls formale Richtigkeitsgewähr wie in den Fällen der §§ 707 Abs. 1 und 719 Abs. 1 ZPO, bei denen es um solche Umstände geht, die das Gericht bereits für den Erlass des Vollstreckungstitels zu prüfen hatte. Das gilt auch für die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens, weil die Wiederaufnahmegründe dem Gericht entweder hätten bekannt sein müssen (§ 579 Abs. 1 ZPO) oder der Entscheidung ihre angenommene Grundlage entziehen (§ 580 ZPO). Wegen dieser anderen Ausgangslage ist eine Differenzierung zwischen den §§ 707, 719 ZPO einerseits und den §§ 732, 769 ZPO andererseits sachgerecht und steht einer Anwendung des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG entgegen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Ausgangsgericht dabei Forderungen berücksichtigt, die bereits vor Abschluss des Prozessvergleichs entstanden sind. Anderes ergibt sich nicht aus § 767 Abs. 2 ZPO, weil diese Regelung bei einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Vergleich nicht anwendbar ist (Baumbach u.a., ZPO, § 795, Rdnr. 11).

Soweit schließlich das Ausgangsgericht sein Ermessen dahingehend ausgeübt hat, die Zwangsvollstreckung vorläufig einzustellen, sind Fehler in der Ermessensausübung hinsichtlich der Grenzen und Maßstäbe des Ermessens nicht erkennbar. Das Beschwerdegericht kann nicht seine Ermessensausübung an die Stelle der Ermessensausübung des Ausgangsgerichts setzen, weil dieses nach den unter II 1 genannten Grundsätzen ein unzulässiger Eingriff in die Entscheidungsbefugnis des Ausgangsgerichts in der Hauptsache wäre.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist aber abzuändern, soweit er vorsieht, dass der Beklagte die Zwangsvollstreckung insgesamt nur gegen eine Sicherheitsleistung fortsetzen darf. Damit geht der Beschluss über den Antrag der Klägerin hinaus, die nur hinsichtlich des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sowie des vorläufigen Zahlungsverbotes eine Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO beantragt hat. Der Beklagte wird in seinen Möglichkeiten zu anderen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beschränkt, ohne dass dieses von der Klägerin verlangt worden wäre. Für ein derartiges Hinausgehen über den gestellten Antrag gibt es keine Grundlage. Das in § 769 Abs. 1 ZPO vorgesehene Antragserfordernis macht deutlich, dass das Gericht nicht ohne solchen Antrag und damit auch nicht über den Antrag hinaus Anordnungen treffen kann.

Ohne dass in das Ermessen des Ausgangsgerichts eingegriffen wird, kann vom Beschwerdegericht auch nicht die von der Klägerin beantragte Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und des vorläufigen Zahlungsverbotes angeordnet werden. Das Ausgangsgericht hat in seiner Entscheidung über die teilweise Abhilfe ausdrücklich sein Ermessen dahingehend ausgeübt, dass diese Anordnung aus dem ursprünglichen Beschluss aufgehoben wird. Eine Verkennung der Ermessensgrenzen und -maßstäbe ist insoweit nicht erkennbar. Ein Eingriff des Beschwerdegerichts würde nach den oben genannten Grundsätzen eine unzulässige Beeinflussung der Hauptsacheentscheidung sein können. Eine diesbezügliche Überprüfung durch das Beschwerdegericht ist deshalb nicht möglich.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts kann aber mit dem eingeschränkten Inhalt aufrechterhalten werden, dass der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur gegen Sicherheitsleistung des Beklagten in Höhe von € 4000 fortsetzen darf. Diese Entscheidung hält sich noch im Rahmen des von der Klägerin gestellten Antrages, weil es ein Weniger zu der von der Klägerin begehrten Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist. Sie ist ebenso ein Weniger zu der vom Arbeitsgericht beschlossenen Anordnung, weil diese die Zwangsvollstreckung insgesamt, also auch wegen etwaiger anderer Vollstreckungsmaßnahmen, von einer Sicherheitsleistung des Beklagten abhängig macht. Einer solchen teilweisen Aufrechterhaltung des Beschlusses des Arbeitsgerichts steht nicht entgegen, dass nach § 769 Abs. 1 ZPO die Aufhebung von bereits erfolgten Vollstreckungsmaßregelungen nur gegen Sicherheitsleistung der Schuldnerin, hier also der Klägerin, erfolgen kann. Anders als bei der Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme bleibt bei einer Befugnis zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung der durch die Vollstreckungsmaßnahme bereits erzielte Sicherungserfolg bestehen. Die Pfändung und Überweisung bleibt mit dem Bestand erhalten, den sie im Zeitpunkt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hatte. Die Forderung kann zur Befriedigung des Gläubigers verwendet werden. Die Aufhebung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hat demgegenüber für den Gläubiger wesentlich nachteiligere Folgen, weil für die Schuldnerin die Möglichkeit geschaffen wird, die gepfändete und überwiesene Forderung einzuziehen. Demgemäß spricht die vom Gesetz getroffene Anordnung, dass die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme nur gegen Sicherheitsleistung der Schuldnerin angeordnet werden darf, nicht dagegen, die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung aus dieser Sicherungsmaßnahme von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers abhängig zu machen.

Die vom Arbeitsgericht verlangte Sicherheitsleistung des Beklagten ist jedenfalls nicht zu hoch, weil sie das mögliche wirtschaftliche Risiko der Klägerin im Falle des Obsiegens mit der Vollstreckungsgegenklage nicht abdeckt. Wenn der Beklagte nämlich eine volle Befriedigung seiner Forderung erreichen sollte, aber bei einer Obsiegen der Klägerin mit der Vollstreckungsgegenklage zahlungsunfähig wäre, würde die Sicherheitsleistung den wirtschaftlichen Nachteil der Klägerin nicht ausgleichen können. Andererseits kann das Prozessgericht die Sicherheitsleistung nicht erhöhen, weil diese eine Verschlechterung des angegriffenen Beschlusses für den Beklagten bedeuten und damit gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen würde.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91, 92 Abs. 1 ZPO. Eine solche Kostentscheidung ist veranlasst, weil im Beschwerdeverfahren gegen eine Entscheidung nach § 769 Abs. 1 ZPO Kosten entstehen, deren Verteilung nach der Kostenentscheidung in der Hauptsache nicht der Billigkeit entsprechen könnte. Die anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten werden allein durch die Beschwerde verursacht. Ferner bildet das Beschwerdeverfahren vor dem Beschwerdegericht ein selbständiges Verfahren, da das Beschwerdegericht nicht mit der Hauptsache selbst befasst ist (LG Aachen, MDR 1996, 1196; Stein-Jonas/Münzberg, ZPO, § 769 Rdnr. 22 unter Verweis auf § 707, Rdnr. 31; jedenfalls für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde:

OLG Dresden, JurBüro 1999, 270). Der Gegenmeinung (LG Frankfurt/M., Rechtspfleger 1985, 208; MüKom-Schmidt, ZPO, § 769, Rdnr. 36), nach der eine Kostentscheidung im Beschwerdeverfahren nach § 769 ZPO nicht angezeigt ist, wird nicht gefolgt, weil die Hilfsfunktion einer Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO keine Begründung dafür ist, dass eine selbständige Kostenverursachung im Beschwerdeverfahren nicht die entsprechende Kostenfolge nach sich ziehen soll. Dem Beklagten sind zwei Drittel der Kosten der sofortigen Beschwerde aufzuerlegen, weil er jedenfalls hinsichtlich der für ihn derzeit wichtigsten Vollstreckungsmaßnahme keine Abänderung des angegriffenen Beschlusses erreicht hat. Da Gerichtskosten nach Nr. 9304 der Anlage 1 zum Arbeitsgerichtsgesetz nur anfallen, soweit die Beschwerde als unzulässig verworfen oder zurückgewiesen worden ist, ist die Pflicht zur Tragung von zwei Dritteln der Kosten dadurch zu realisieren, dass ein Gebührenstreitwert von zwei Dritteln des eigentlichen Beschwerdewerts angenommen wird.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 3 ZPO. Der Antrag der Klägerin zielt nur auf eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, so dass sein Wert nicht identisch ist mit dem Wert der Forderung, deren Vollstreckung verhindert werden soll. Es geht der Klägerin mit dem Antrag um die Vermeidung eventueller Zinsnachteile und mögliche Schwierigkeiten bei der Rückforderung eines im Wege der Zwangsvollstreckung oder zu deren Vermeidung gezahlten Betrages. Der wirtschaftliche Wert dieses Begehrens kann nur geschätzt werden, weil weder ersichtlich ist, welchen Inhalt eine rechtskräftige Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage haben wird, noch, welcher Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage vergehen wird und welche Schwierigkeiten bei einer eventuellen Rückforderung auftreten könnten und würden. Es ist deshalb angemessen, den Beschwerdewert auf 10 % der Wertes der vollstreckbaren Forderung festzusetzen.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die nach § 78 ArbGG maßgeblichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG gegeben sind. Die grundsätzliche Bedeutung betrifft die Fragen, unter welchen Voraussetzungen eine sofortige Beschwerde gegen eine Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO zulässig ist, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG für eine Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO gegeben sein müssen, ob für die Überprüfung eines Beschlusses nach § 769 Abs. 1 ZPO hinsichtlich des Ermessens ein eingeschränkter Maßstab besteht und ob vorliegend eine Kostenentscheidung zutreffend ist.



Ende der Entscheidung

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