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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.06.2001
Aktenzeichen: 6 Sa 9/01
Rechtsgebiete: BGB, BAT, StGB, BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BAT § 54 Abs. 1
BAT § 54 Abs. 2
StGB § 331
StGB § 332
BetrVG § 102 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
Eine fristlose Verdachtskündigung ist unwirksam, wenn die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer bei der Anhörung den Verdacht nur pauschal, nicht aber unter Nennung der einzelnen ihr bekannten Verdachtsmomente mitgeteilt hat.

Ein Arbeitnehmer erklärt nicht seine mangelnde Bereitschaft, an der Aufklärung eines Verdachts mitzuwirken, wenn er nach der nur pauschalen Mitteilung des Verdachts erklärt, dass er sich auf Anraten seiner Anwalts vorerst nicht zum Verdacht äußern wolle.

Das an sich zulässige Nachschieben von nach Ausspruch der Kündigung bekannt gewordener Verdachtsmomente führt bei einer Verletzung der Anhörungspflicht vor Ausspruch der Kündigung auch dann nicht zu deren Wirksamkeit, wenn der Arbeitnehmer zu den nachträglich bekannt gewordenen Verdachtsmomenten angehört und der Personalrat insofern erneut beteiligt worden ist. Der Schutzzweck der Anhörungspflicht gebietet es, dass vor der Ausspruch der Kündigung eine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden hat.


Landesarbeitsgericht Hamburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftszeichen: 6 Sa 9/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 29. Juni 2001

erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, Sechste Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2001 durch

als Vorsitzende/r d. ehrenamtlichen Richter d. ehrenamtlichen Richter

für Recht:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. November 2000 ­ 7 Ca 544/99 ­ wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten bezüglich des vom Kläger zurückgenommenen Antrags; diese trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Der am xxxxxxxxxxxxxxxxxx geborene, geschiedene und unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 1. August 1987 auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 7. August 1987 (Bl. 139, 140 d. A.) bei der Beklagten im Krankenhaus xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx beschäftigt, seit dem 24. Januar 1988 als Pförtner. Er wird aus der Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1 a zum BAT vergütet.

Im Betrieb der Beklagten werden regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt.

Mit Schreiben vom 19. November 1999 hörte die Beklagte den Personalrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers an. Wegen des Schreibens wird auf die Anlage B 6, Bl. 61 bis 63 d. A. verwiesen. Am 22. November 1999 erfolgte eine Anhörung des Klägers zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen. Über dieses Personalgespräch ist ein Protokoll erstellt worden, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage B 7, Bl. 64 d. A.). Dieses Gesprächsprotokoll wurde dem Personalrat am 22. November 1999 zugeleitet. Der Personalrat widersprach mit Schreiben vom 24. November 1999 (Anlage K 2, Bl. 7 bis 10 d. A.) der fristlosen Kündigung des Klägers.

Mit Schreiben vom 24. November 1999, dem Kläger zugegangen am 25. November 1999, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos (Bl. 6 d. A.).

Die Kündigung der Beklagten basierte auf folgendem Sachverhalt: Bei der Beklagten existiert eine Pfortendienstanweisung aus März 1988, auf Grund derer die Pförtner u. a. die Aufgabe haben, Taxenanforderungen aus den Kliniken über die Lichtrufanlage zum Taxenstand an die dort wartenden Taxen in der Curschmannstraße zu vermitteln. Wegen der Einzelheiten der Pfortendienstanweisung wird auf die Anlage B 1 a (Bl. 54 d. A.) verwiesen.

Am 18. Dezember 1996 beschwerte sich der Taxifahrer xxxxxxxxxxxxx bei der Verwaltungsabteilung der Beklagten darüber, dass Taxifahrten in das Hamburger Umland nicht über den Pfortendienst, sondern direkt bei verschiedenen Mietwagenzentralen bzw. bei bestimmten Taxifahrern über Handy angemeldet und vermittelt werden. In diesem Zusammenhang wurde erstmalig der Verdacht der Vorteilsnahme geäußert.

Im Oktober 1997 wurde die Beklagte von einer Anzeige unterrichtet, derzufolge die bei der Beklagten beschäftigten Pförtner diverse Taxenunternehmen gezielt mit weiten Fahrten versorgen würden. Die Anzeige wurde aufgegeben vom Taxifahrer xxxxx xxxxxx.

Auf Grund von weiteren anonymen telefonischen Beschwerden wurden im November 1998 sämtliche bei der Beklagten eingesetzten Pförtner angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die Vermittlung von Taxifahrten an bestimmte Taxifahrer gegen eine so genannte Vermittlungsgebühr einen schwer wiegenden Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen darstelle und arbeitsrechtliche Schritte zur Folge haben könne (Anlage B 3, Bl. 58 d. A.). Mit Schreiben vom 17. November 1998 wies der Kläger den Vorwurf einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung ausdrücklich zurück. Von einer Vermittlungsgebühr für Taxifahrten sei ihm nichts bekannt.

Am 18. April 1999 bestätigte der ehemals an der Hauptpforte beschäftigte Pförtner Herr xxxxxxx, dass einzelne, ebenfalls an der Hauptpforte beschäftigte Pförtner bestimmte Taxifahrer mit Ferntouren gegen eine Gebühr" beauftragten. Daraufhin schaltete die Beklagte am 28. April 1999 das Dezernat Interne Ermittlungen der Polizei Hamburg (DIE) ein.

Im Juli 1999 übergab der Angestellte der Firma xxxxxxxx xxxxxx, Herr xxxxxx, eine Liste mit Handy-Nummern und dazugehörigen Namen, die er im Bereich der Hauptpforte an sich genommen hatte. Mitarbeiter der Firma xxxxxx xxxxx wurden zeitweise neben den Arbeitnehmern der Beklagten im Bereich der Hauptpforte als Pförtner eingesetzt.

Die seitens DIE durchgeführten Ermittlungen und Observationen führten zu einem Durchsuchungsbeschluss vom 25. August 1999 gegen den Kläger, auf Grund dessen die Durchsuchung seiner Privatwohnung sowie der Betriebsräume angeordnet wurde.

Am 18. November 1999 nahm die Beklagte Einsicht in die Ermittlungsakte des Dezernats Interne Ermittlungen mit dem Aktenzeichen DIE / 331 / 99.

Mit seiner am 14. Dezember 1999 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die ausgesprochene Kündigung gewandt.

Er hat vorgetragen, er habe die ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen nicht begangen und keine Taxifahrten gegen Erhalt einer Provision vermittelt. Es sei zwar zutreffend, dass im Regelfall der Taxenbedarf von der jeweiligen Station des Krankenhauses xxxxxxxxxxxxxxxx bei der Hauptpforte gemeldet wird und die Pförtner daraufhin die Lichtsignalanlage betätigen. Neben diesem Regelfall der normalen Taxibestellung" komme es jedoch häufig zu Sonderwünschen durch die einzelnen Krankenhausstationen. Dann würden bestimmte Taxenunternehmen oder ganz ausnahmsweise auch einzelne Taxifahrer von den Pförtnern direkt angesprochen. Dabei könne es sich zum Beispiel um rollstuhl- oder sonst behindertengerechte Taxen, Nichtrauchertaxen, Taxen mit Kindersitzen, Taxen mit Kreditkartenakzeptanz oder Großraumtaxen handeln. Der Kläger selbst wie auch die anderen Pförtner seien mehrfach von diensthabenden Ärzten oder von Krankenschwestern ausdrücklich aufgefordert worden, bestimmte Taxifahrer wegen der Durchführung von Sonderfahrten anzusprechen oder zumindest ohne Einschaltung der Taxizentrale direkt Taxifahrer zu beauftragen. In derartigen Ausnahmefällen habe das Fahrziel keine Rolle gespielt. Auch in diesen Fällen sei jedenfalls an den Kläger eine Vermittlungsgebühr für Sonderfahrten nicht gezahlt worden. Auf objektiven Tatsachen beruhende starke Verdachtsmomente bezüglich des erhobenen Vorwurfs seien im Fall des Klägers nicht gegeben. Der Kläger sei auch nicht wirksam vor Ausspruch der Verdachtskündigung angehört worden. In dem Personalgespräch am 22. November 1999 sei dem Kläger lediglich das unterbreitet worden, was in dem als Anlage B 7 eingereichten Protokoll vermerkt ist. Die Sachverhaltsdarstellung sei nicht derart konkretisiert gewesen, dass er sich zum damaligen Zeitpunkt in der Lage gesehen habe, sich hierauf substantiiert einzulassen. Dies habe er am Schluss des lediglich 5 Minuten dauernden Gesprächs geäußert. Der Kläger hat weiterhin geltend gemacht, die Beklagte habe bei ihrer Kündigung nicht die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. § 54 Abs. 2 BAT gewahrt und den Personalrat zur Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 24. November 1999, zugegangen am 25. November 1999, nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 25. November 1999 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziff. 1 zu verurteilen, den Kläger mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe IX a zu beschäftigen; hilfsweise für den Fall der Abweisung des Klagantrages zu Ziff. 1 die Beklagte zu verurteilen, DM 1.528,50 Urlaubsabgeltung für 10 Urlaubstage nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die außerordentliche Kündigung stütze sich auf den Verdacht, dass der Kläger die ihm im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses eingeräumte Vertrauensstellung zur Begehung von Bestechlichkeitsdelikten gem. § 332 StGB und Delikten der Vorteilsnahme gem. § 331 StGB genutzt hat. Die Informationen und Verdachtsmomente ergäben sich für sie aus der Ermittlungsakte des Dezernats für Interne Ermittlungen. Aus der Ermittlungsakte ergebe sich unter anderem, dass der Pförtner Herr xxxxxxxx bei seiner polizeilichen Vernehmung am 10. November 1999 erklärt hat, alle bei der Beklagten angestellten Pförtner einschließlich des Klägers hätten gegen die Zahlung einer Provision Taxifahrten an bestimmte Fahrer vermittelt. Auch Herr xxxxxx habe alle involvierten Pförtner, insbesondere auch den Kläger, namentlich benannt. In der Ermittlungsakte werde weiter ausgeführt, dass die Aussage des Herrn xxxxx glaubhaft unterstützt werde durch eine weitere Aussage des Pförtners xxxxxxx von der Firma xxxxxxxxx xxxxx, der unter anderem auch dieselben Personen als involviert benannt habe. Auch Herr xxxxxx habe laut Ermittlungsakte insbesondere auf den Kläger verwiesen. Weiter ergebe sich der dringende Verdacht aus den Ergebnissen der in der Ermittlungsakte befindlichen Auflistungen des Landesamtes für Informationstechnik über Verbindungsdaten der Telefonanschlüsse der Pförtnerloge am Haupteingang des Universitäts-Krankenhauses.

Bei der Anhörung des Klägers am 22. November 1999, die zirka 10 Minuten gedauert habe, seien ihm gegenüber die erhobenen Vorwürfe konkret vorgehalten worden. Es sei im Wesentlichen der in der Personalratsanhörung festgehaltene Sachverhalt referiert worden. Die Personalratsanhörung habe als Gesprächsvorlage gedient. Der Kläger habe auf die Ausführungen erklärt, ihm sei der Vorwurf bekannt, er wolle jedoch auf Anraten seines Anwalts keine Stellungnahme abgeben.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien in erster Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen ergänzend Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16. November 2000 - 7 Ca 544/99 - der Klage bezüglich der Hauptanträge im Wesentlichen stattgegeben, eine Abweisung ist lediglich hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrages erfolgt. Das Arbeitsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass die ausgesprochene Verdachtskündigung bereits mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Klägers zu den erhobenen Vorwürfen unwirksam sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 157 bis 162 d. A.) verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 11. Januar 2001 zugestellte Urteil wendet sich ihre am 31. Januar 2001 bei Gericht eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. März 2001 am 28. März 2001 begründete Berufung.

Sie trägt vor, die durchgeführte Anhörung des Klägers zu den Kündigungsvorwürfen sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Bei einer solchen Anhörung müsse ein abgestuftes Vorgehen des Arbeitgebers möglich sein. So werde der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zunächst - im Sinne einer Einführung - den Verdacht hinsichtlich der Begehung bestimmter Straftaten oder Vertragsverletzungen in eher pauschaler, schlagwortartiger Weise vorhalten dürfen. Je nach der Reaktion des Arbeitnehmers sei er sodann gehalten, die Anhörung fortzusetzen und weitere Sachverhaltsfacetten zu erwähnen, oder aber berechtigt, die Anhörung abzubrechen. Letzteres müsse immer dann gelten, wenn der Arbeitnehmer bereits nach grober Skizzierung des Verdachts deutlich mache, sich nicht weiter äußern und damit an einer weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht mitwirken zu wollen. Bei der Anhörung des Klägers habe lediglich eine Einführung in den dem Verdacht zu Grunde liegenden Sachverhalt stattgefunden. Es sei ihm im Wesentlichen vorgehalten worden, dass der Verdacht bestehe, er habe entgegen der bestehenden Weisungslage Taxen nicht über die eigens installierte Lichtzeichenanlage gerufen, sondern gezielt an bestimmte, ihm bekannte Taxifahrer vermittelt und hierfür eine Provision bzw. Gegenleistung erhalten, woraus sich für die Beklagte der Verdacht ergebe, dass der Kläger Delikte der Vorteilsnahme und der Bestechlichkeit begangen habe. Der Kläger habe daraufhin erklärt, dass er den ihm gegenüber erhobenen Vorwurf kenne, hierzu jedoch keine Stellungnahme abgeben wolle. Sein Anwalt habe ihm geraten, sich zu diesen Vorwürfen gegenüber seinem Arbeitgeber nicht zu äußern. Dem Kläger sei noch vor Durchführung der Anhörung der Durchsuchungsbeschluss eröffnet worden. Schließlich sei dem Kläger vor dem Personalgespräch am 22. November 1999 auch der Inhalt der Personalratsanhörung vom 19. November 1999 zugänglich gemacht worden.

Der Kläger sei damit sowohl durch die ihm bereits vorliegenden wie auch durch die ihm am 22. November 1999 vorgehaltenen Informationen über den den Verdacht begründenden Sachverhalt und den daraus abgeleiteten Straftatvorwurf informiert gewesen. Wenn er auf diesem Hintergrund definitiv zum Ausdruck gebracht habe, sich zu dem Vorwurf in seiner Gesamtheit auf Anraten seines Anwaltes nicht äußern zu wollen, so könne dem nur entnommen werden, dass er definitiv an der Sachverhaltsaufklärung, jedenfalls bezogen auf den Tag des 22. November 1999, nicht mitwirken wollte.

Der Beklagten seien zwischenzeitlich weitere Tatsachen zur Kenntnis gelangt, die den gegenüber dem Kläger bestehenden Verdacht zusätzlich erhärteten. Diese seien als nachgeschobene Tatsachen im Prozess zu berücksichtigen. Am 5. März 2001 sei der Personalabteilung des Krankenhauses xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxx die Anklageschrift (Anlage B 9, Bl. 211 bis 221 d. A.) zugeleitet worden. Diese enthalte zahlreiche, der Beklagten aufgrund der damaligen Einsichtnahme in die Ermittlungsakten vom 18. November 1999 noch nicht bekannte Informationen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die auf den Seiten 2 und 3 der Anklageschrift dargestellten Fahrten. So habe die Beklagten über die 1. Fahrt am 1. Juli 1999 nach xxxxxxx gegen eine Provisionszahlung von DM 10,00 keine Informationen gehabt. Bezüglich der 2. Fahrt sei die Provisionszahlung in Höhe von DM 10,00 nicht bekannt gewesen. Bezüglich der Fahrten Nr. 3 bis 7 hätten keine weiteren Informationen vorgelegen. Auch hinsichtlich der Fahrt Nr. 8 am 12. Oktober 1999 sei der Beklagten lediglich das Fahrtziel bekannt gewesen, nicht hingegen der bestehende konkrete Verdacht, dass der Kläger DM 20,00 Provision von dem Taxifahrer erhalten haben soll. Zu den Fahrten gem. Ziff. 9 und 10 hätten der Beklagten zuvor nähere Informationen nicht vorgelegen. Neu sei für die Beklagte auch die Information gewesen, dass nach Aussage des Herrn xxxxxx der Pförtner xxxxxx von monatlichen Zusatzeinnahmen" der Pförtner durch vermittelte Taxitouren in Höhe von DM 1.500,00 gesprochen hatte. Erstmals zur Kenntnis genommen habe die Beklagte darüber hinaus, dass der Kläger eine Liste mit den Mobiltelefonnummern in seinem nur für ihn zugänglichen Spind verwahrt habe. Auch die im Folgenden in der Anklageschrift angeführten Informationen zur Anzahl der aus dem Bereich der Hauptpforte zu den Handy-Nummern der Taxifahrer geführten Telefonate wie auch die umgekehrt - von den Taxifahrern auf das Handy des Klägers erfolgten Rückrufe - seien der Beklagten in diesem Umfang nach Erhalt der Anklageschrift bekannt geworden. Neu für die Beklagte sei überdies gewesen, dass keinerlei Barabhebungen im Zeitraum vom 1. September bis 2. November 1999 auf dem Konto des Klägers feststellbar waren, was auf regelmäßige monatliche Nebenverdienste" des Klägers hinweise. Schließlich sei der Beklagten auch noch nicht der Inhalt der Aussagen der Taxifahrer xxxxxx und xxxxx bekannt gewesen. Mit einem Personalgespräch am 8. März 2001, bei dem sämtliche in der Anklageschrift enthaltenen Tatsachen und Indizien angesprochen worden seien, habe die Beklagte ihrer Anhörungspflicht dem Kläger gegenüber genügt. Die Beklagte verweist auf das Protokoll gem. der Anlage B 12, Bl. 228 bis 232 d. A. Die Einlassung des Klägers, er habe entweder nicht in der entsprechenden Schicht oder aber an den entsprechenden Tagen überhaupt keinen Dienst gehabt, sei durch die Recherchen der Beklagten widerlegt. Der Personalrat sei sowohl zum Ausspruch einer vorsorglichen weiteren Kündigung wie auch zum Nachschieben der neuen Verdachtsmomente hinsichtlich der bereits ausgesprochenen und hier in Streit stehenden Kündigung ordnungsgemäß mit Schreiben vom 14. März 2001, dem Personalrat zugegangen am 15. März 2001, angehört worden (Anlage B 14, Bl. 235 bis 237 der Akte).

Wegen des weiteren Inhalts der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 28. März 2001 (Bl. 194 bis 210 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger hat den Antrag auf Weiterbeschäftigung zurückgenommen und beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Er geht mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass die von der Beklagten durchgeführte Anhörung am 22. November 1999 nicht den Anforderungen genüge, die an eine ordnungsgemäße Anhörung im Rahmen einer geplanten Verdachtskündigung zu stellen sind. Dem Arbeitnehmer seien in einem ersten Schritt sämtliche Verdachtsmomente mitzuteilen, die dem Arbeitgeber bis zum Zeitpunkt der Anhörung des Arbeitnehmers bekannt geworden sind. Nur auf diese Weise könne gewährleistet werden, dass sich der Arbeitnehmer umfassend erklärt und der Arbeitgeber die für die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Sachverhaltskenntnis erlangt. Der Kläger habe auf Grund der pauschal formulierten Vorwürfe der Beklagten nicht den Eindruck gehabt, dass die Beklagte an seiner Darstellung des Sachverhaltes interessiert war. Da er auf die von ihr formulierten Vorwürfe auch nur pauschal hätte antworten können, habe er es trotz seiner grundsätzlichen Bereitschaft zur Stellungnahme vorgezogen, zunächst keine Aussage zu machen. Seine grundsätzliche Bereitschaft zur Mitwirkung sei gegeben gewesen. Dies zeige sich auch an dem späteren Verhalten im Rahmen der zweiten Anhörung. Das an den Personalrat gerichtete Anhörungsschreiben habe er nicht vor seiner Anhörung am 22. November 1999 erhalten.

Auch die von der Beklagten nachgeschobenen Tatsachen seien nicht geeignet, die außerordentliche Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Es werde bestritten, dass der Kläger die auf den Seiten 2 und 3 der Anklageschrift dargestellten Fahrten vermittelt und dafür eine Provision erhalten hat. Es entspreche auch nicht den Tatsachen, dass er durch die Vermittlung von Taxifahrten gegen Provision monatliche Zusatzeinnahmen von DM 1.500,00 erzielt habe. Der Umstand, dass der Kläger in seinem Spind eine Liste mit Mobiltelefonnummer verwahrt hat, sei nicht geeignet, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Es seien dort befreundete Taxifahrer aufgeführt sowie Taxirufnummern für Sonderfahrten verzeichnet. Dass die auf den Seiten 8 und 9 der Anklageschrift aufgezählten Telefongespräche des Klägers zu einzelnen Taxifahrern stattgefunden haben, werde mit Nichtwissen bestritten. Die Tatsache, dass im genannten Zeitraum keinerlei Barabhebungen von seinem Konto getätigt worden sind, könne den Verdacht einer Straftat nicht begründen. Die Lebensgefährtin des Klägers zahle die Hälfte der vom Kläger getragene Miete an diesen bar aus, sodass er auf Barabhebungen nicht angewiesen sei. Die Aussagen der Taxifahrer xxxxx, xxxxx und xxxxx werden vom Kläger bestritten.

Der Kläger trägt weiter vor, die von ihm in der Anhörung vom 8. März 2001 abgegebene Sachverhaltsdarstellung sei geeignet, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften.

Die neuerliche Anhörung des Personalrats hält der Kläger wiederum für nicht ordnungsgemäß.

Auf die Berufungserwiderung vom 2. Mai 2001 wird ergänzend verwiesen (Bl. 287 bis 293 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO) auch im Übrigen zulässig. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht ist in seiner Entscheidung vom 16. November 2000 zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. November 1999, zugegangen am 25. November 1999, nicht aufgelöst worden ist. Den Antrag auf Weiterbeschäftigung hat der Kläger in der Berufungsinstanz nach Ausspruch einer erneuten Kündigung vom 23. März 2001 zurückgenommen.

Vom Vorliegen eines wichtigen Grundes für die außerordentliche Kündigung im Sinne von § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB ist nicht auszugehen.

Gem. § 54 Abs. 1 BAT ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grunde fristlos zu kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Um dieses zu beurteilen, ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne der Vorschrift zu bilden. Erst bei Annahme dieser generellen Eignung ist zu prüfen, ob er auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und nach einer interessengerechten Abwägung aller vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände noch einen wichtigen Grund bilden kann (vgl. BAG AP Nr. 80 zu § 626 BGB; AP Nr. 87 zu § 626 BGB).

Die Beklagte stützt ihre außerordentliche Kündigung im vorliegenden Fall auf den Verdacht, dass der Kläger die ihm im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses eingeräumte Vertrauensstellung zur Begehung von Bestechlichkeitsdelikten gem. § 332 StGB und Delikten der Vorteilsnahme gem. § 331 StGB genutzt hat, indem er lukrative Taxifahrten gegen eine Provision" vermittelte. Die Berufungskammer geht mit dem Arbeitsgericht auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls davon aus, dass nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der Verdacht eines Vertrauensbruchs oder einer strafbaren Handlung bzw. einer anderen schwer wiegenden Vertragsverletzung die außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen kann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einen dringenden Tatverdacht begründen und es gerade die Verdachtsmomente sind, die das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitgebers in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstören und die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Dabei muss der Verdacht objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet und darüber hinaus auch dringend sein (BAG EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; Nr. 6). Auch muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Wirksamkeitsvoraussetzung ist deshalb bei der Verdachtskündigung die Anhörung des zu kündigenden Arbeitnehmers zu den gegen ihn erhobenen Verdachtsmomenten (BAG AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung m. w. N.). Die Verletzung der Anhörungspflicht führt dabei unabhängig davon zur Unwirksamkeit der Kündigung, ob eine Anhörung des Arbeitnehmers im Ergebnis zu seiner Entlastung und dazu geführt hätte, dass der Arbeitgeber vom Ausspruch der Verdachtskündigung Abstand genommen hätte (BAG AP Nr. 19 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist formelle Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung, da - anders als bei einem auf Grund von Tatsachen bewiesenen Sachverhalt - bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr besteht, dass ein Unschuldiger" betroffen ist. Deshalb ist es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an die Verdachtskündigung zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Kündigung verstieße anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sie wäre nicht ultima ratio". Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe bzw. Verdachtsmomente zu beseitigen bzw. zu entkräften und ggf. Entlastungstatsachen geltend zu machen. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft die aus der Aufklärungspflicht resultierende ihm obliegende Anhörungspflicht, dann kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen, das heißt die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG NZA 1986, 674; NZA 1996, 81). Wendet man diese Grundsätze auf die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. November 1999 an, so ergibt sich, dass sie das Arbeitsverhältnis bereits deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung gem. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB aufgelöst hat, weil die Beklagte den Kläger nicht entsprechend der sie treffenden Obliegenheit ordnungsgemäß zu den bei Ausspruch der Kündigung ihr bekannten Verdachtsgründe angehört hat. Dies ergibt sich nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts. Zu dem Ergebnis ist auch bereits das Arbeitsgericht in seinem Urteil, betreffend die Anhörung des Klägers vom 22. November 1999, zutreffend gelangt.

Zum Umfang der Anhörungspflicht hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 13. September 1995 (NZA 1996, 81) auf der einen Seite festgestellt, die Anhörung des Arbeitnehmers müsse nicht den Anforderungen genügen, wie sie an die Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. Allerdings reiche es nicht, dass der Arbeitnehmer lediglich mit einer völlig unsubstantiierten Wertung konfrontiert wird. Die Anhörung müsse sich vielmehr auf einen Sachverhalt beziehen, der jedenfalls soweit konkretisiert ist, dass sich der Arbeitnehmer darauf substantiiert einlassen kann. Zum anderen führt das Bundesarbeitsgericht aus, der Arbeitgeber dürfe dem Arbeitnehmer grundsätzlich keine Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits gewonnen hat, weil andernfalls die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschnitten würden. Angesichts der zuletzt genannten Intention sieht das Arbeitsgericht einen Widerspruch zu dem Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 BetrVG müssten für die Anhörung des Arbeitnehmers nicht erfüllt sein. Auch aus Sicht der Berufungskammer besteht hier Klarstellungsbedarf seitens des Bundesarbeitsgerichts. Angesichts des vom Bundesarbeitsgericht widergegebenen Zwecks der Anhörung des Arbeitnehmers, dem Arbeitnehmer wegen der mit einer Verdachtskündigung verbundenen besonderen Risiken, einen Unschuldigen" zu treffen, die Möglichkeit zu geben, die Verdachtsmomente zu beseitigen bzw. zu entkräften und ggf. Entlastungstatsachen geltend zu machen, muss vom Arbeitgeber verlangt werden, alle ihm bislang bekannten Tatsachen vollständig an den Arbeitnehmer weiterzugeben und so einen Kenntnisstand zu erreichen, der auch im Detail dem eigenen des Arbeitgebers entspricht.

Unzweifelhaft hat die Beklagte im vorliegenden Fall bei bzw. vor ihrer Anhörung vom 22. November 1999 an den Kläger nicht ihren gesamten Wissensstand bezüglich der erhobenen Vorwürfe weitergegeben. Ausweislich des Protokolls über das Personalgespräch ist nur der wesentliche Vorwurf, der in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft enthalten war, referiert worden. Dem Kläger wurde danach zwar der Vorwurf der Bestechlichkeit gemacht, es wurde ausgeführt, er habe entgegen den Dienstanweisungen Taxen nicht mit der Lichtrufanlage informiert, sondern Fahrten über Telefon direkt an ihm bekannte Taxifahrer vermittelt. Für die so vorgenommenen Vermittlungen habe er eine Gebühr von den Taxifahrern erhalten. Auf welche Details dieser Vorwurf gestützt wird, ist dem Kläger jedoch nicht mitgeteilt worden. Insbesondere sind die aus der Einsicht in die Ermittlungsakte des Dezernats interne Ermittlungen mit dem Aktenzeichen DIE/331/99, die am 18. November 1999 erfolgt ist, gewonnenen Erkenntnisse nicht an den Kläger weitergegeben worden. Weder sind ihn belastende Zeugenaussagen im Detail geschildert, noch sind die in der Ermittlungsakte befindlichen Observationserkenntnisse weitergegeben, noch ist auf die Auflistungen des Landesamtes für Informationstechnik über Verbindungsdaten der Telefonanschlüsse der Pförtnerloge am Haupteingang des Krankenhauses xxxxxxxxxxxxx Bezug genommen worden. Ihren ursprünglichen Vortrag, wonach dem Kläger in dem Personalgespräch vom 22. November 1999 der Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 12. April 2000 (S. 1 bis 21) referiert worden sein soll, hatte die Beklagte bereits im Laufe der 1. Instanz korrigiert. Auch die spätere Darstellung, der Inhalt der Personalratsanhörung vom 19. November 1999 sei mit dem Kläger bei der Gelegenheit durchgegangen worden, wird so nicht mehr aufrechterhalten. Die Beklagte trägt jetzt vor, die Personalratsanhörung sei dem Kläger vor der Anhörung vom 22. November 1999 bekannt geworden. Dies hat der Kläger auf Nachfrage in der Berufungsverhandlung vom 1. Juni 2001 bestritten. Weitere Details zur Kenntnisnahme des Klägers konnte die Beklagte nicht angeben. Insofern trifft die Darstellung der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 28. März 2001, wonach am 22. November 1999 lediglich eine Einführung in den dem Verdacht zu Grunde liegenden Sachverhalt stattgefunden hat, schon den zentralen Punkt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass dem Kläger vor dem Personalgespräch der Durchsuchungsbeschluss vom 25. August 1999 bekannt war. Auch dieser Beschluss enthält keine weiteren Details, die den Kenntnisstand des Klägers dem der Beklagten zum Zeitpunkt 22. November 1999 angleichen konnten.

Die Beklagte stellt sich allerdings auf den Standpunkt, sie habe bei der Anhörung zunächst nicht mehr als eine Einführung in den Sachverhalt vornehmen müssen. Infolge der Weigerung des Klägers, sich überhaupt auf den Vorwurf einzulassen, sei die Darstellung weiterer der Beklagten bekannter Details entbehrlich gewesen. Dieser Auffassung ist die Berufungskammer, wie auch schon das Arbeitsgericht, nicht gefolgt.

Es ist zwar grundsätzlich zutreffend, dass nur eine schuldhafte Verletzung der Anhörungspflicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt und ein Verschulden dann nicht anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit ist, sich zu den Verdachtsgründen substantiiert zu äußern (BAG AP Nr. 19 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Von einem solchen Sachverhalt konnte die Beklagte vorliegend auf Grund des Verhaltens des Klägers bei der Anhörung vom 22. November 1999 aber nicht ausgehen. Dass der Kläger sich in diesem Gespräch im Wesentlichen nur im Sinne eines pauschalen Bestreitens der erhobenen Vorwürfe geäußert hat, rechtfertigt sich aus der fehlenden Konkretisierung der Anschuldigungen auf der Basis des Kenntnisstandes der Beklagten. Die Beklagte durfte aus seinem Verhalten nicht den Schluss ziehen, der Kläger werde sich zu weiteren konkreten Verdachtsumständen nicht substantiiert einlassen. Bei Anwendung der Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts zum Umfang der Anhörungspflicht, wonach der Arbeitgeber keine Erkenntnisse vorenthalten darf, die er im Anhörungszeitpunkt bereits gewonnen hat (NZA 1996, 81), kann nur und erst dann, wenn dem Arbeitnehmer in einlassungsfähiger Weise der konkrete bekannte Sachverhalt vorgehalten worden ist, aus dem der Verdacht der Straftat oder sonstigen Verfehlung abgeleitet wird, ein Nichteinlassen des Arbeitnehmers den Schluss zulassen, dass er an der Aufklärung des Verdachts nicht interessiert ist. Nicht aber kann umgekehrt angenommen werden, dass dann, wenn der Arbeitnehmer sich auf eine nur pauschal vorgehaltene Tatbegehung nicht einlässt, sich eine Anhörung zu konkreten Verdachtsmomenten, die dem Arbeitgeber bekannt sind, erübrigt. Erst bei Ausbreitung des gesamten Ermittlungsstandes hätte der Kläger - ggf. nach Beratung mit seinem Anwalt - entscheiden müssen, ob er sich zu den Vorwürfen äußert, zumal er ausweislich des Protokolls über das Personalgespräch vom 22. November 1999 bei der Gelegenheit ohnehin nur die Absicht kund getan hat, vorerst" keine Stellungnahme abgeben zu wollen. Die Frage, ob bei einem derart komplexen Sachverhalt wie vorliegend dem betroffenen Arbeitnehmer nicht vorab die bestehenden konkreten Verdachtsmomente schriftlich mitgeteilt werden müssten, um eine sachgemäße Vorbereitung auf die Anhörung zu ermöglichen, konnte dabei dahinstehen.

Mit dem Personalgespräch am 22. November 1999 hat die Beklagte mithin ihrer Anhörungspflicht im Ergebnis nicht genügt.

Die unzureichende Anhörung vor Ausspruch der Kündigung vom 24. November 1999 konnte auch durch eine nochmalige, diesmal ins Detail gehende Anhörung vom 8. März 2001 nicht geheilt werden. Dies ist unzweifelhaft der Fall, soweit die Umstände erörtert worden sind, die der Beklagten bereits beim Personalgespräch vom 22. November 1999 bekannt waren. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch das Landesarbeitsgericht folgt, verlangt bei einer Verdachtskündigung eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers, da der Arbeitgeber nur so die bei der Verdachtskündigung gegebene umfassende Aufklärungspflicht erfüllen kann (vgl. BAG AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung m. w. N.).

Die Beklagte kann die Verdachtskündigung vom 24. November 1999 auch nicht auf die nachgeschobenen Verdachtsgründe stützen, die ihr erst nach deren Ausspruch durch den Erhalt der Anklageschrift bekannt geworden sind, obwohl sie den Kläger zu diesen nachträglich angehört hat. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Details über 10 Taxifahrten und behauptete Provisionszahlungen, Zeugenaussagen über den Umfang von Zusatzeinnahmen durch vermittelte Taxentouren, Informationen über die Anzahl der mit Taxifahrern geführten Telefonate sowie um die Tatsache, dass der Kläger eine Liste mit Mobiltelefonnummern in seinem Spind verwahrt hatte. Ein Nachschieben dieser Verdachtsgründe ist vorliegend ausgeschlossen, weil die Beklagte die Kündigung vom 24. November 1999 unter Verletzung der ihr obliegenden Anhörungspflicht ausgesprochen hat und die Kündigung deshalb als Verdachtskündigung unwirksam ist. Dieser Mangel kann nach Auffassung der Kammer nicht durch das Nachschieben neuer Verdachtsgründe geheilt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Nachschieben von im Zeitpunkt der Kündigung bereits vorliegenden Kündigungsgründen individualrechtlich allerdings grundsätzlich zulässig. Beschränkungen für das Nachschieben solcher Kündigungsgründe ergeben sich regelmäßig nur unter kollektivrechtlichen Gesichtspunkten (BAG NZA 1986, 677).

Das Bundesarbeitsgericht nimmt in Anwendung dieser Grundsätze auf die Verdachtskündigung weiter an, dass auch erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt gewordene entlastende, aber auch belastende Tatsachen vom Gericht zu berücksichtigen sind (BAG NZA 1995, 269). Diese Auffassung wird von der wohl herrschenden Meinung in der Literatur mit dem Argument kritisiert, es werde so der zutreffende Ausgangspunkt bei der Verdachtskündigung aufgegeben, wonach materieller Kündigungsgrund in diesem Sonderfall der vom Arbeitgeber sorgfältig ermittelte (d.h. letztlich subjektiv) begründete und zwingende Verdacht ist. Das Bundesarbeitsgericht müsste folgerichtig darauf abstellen, ob durch das berechtigte Misstrauen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist. Es prüfe jedoch stattdessen, ob die im Prozess bekannt gewordenen Tatsachen vom Standpunkt eines objektiv vernünftigen Arbeitgebers die Vertrauensgrundlage zerstört haben. Damit werde die Verdachtskündigung im Ergebnis in eine Tatkündigung umgewandelt (KR-Hillebrecht, Kommentar zum Kündigungsschutzrecht, 4. Auflage, § 626 BGB Rdn. 180; Grunsky ZfA 1977, 170; RGRK-Corts, 12. Aufl., § 626 Rdn. 171; HK-KSchG-Dorndorf, 2. Aufl., § 1 Rdn. 849; Moritz NJW 1978, 403; anders KR- Fischermeier, 5. Aufl., § 626 BGB Rdn. 233). Nach Auffassung der Kammer kann aber auch dann, wenn man der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit des Nachschiebens von Indiztatsachen folgt, nicht angenommen werden, dass eine wegen schuldhafter Verletzung der Obliegenheit zur Anhörung des Arbeitnehmers unwirksame Verdachtskündigung durch das Nachschieben von erst später bekannt gewordenen neuen Verdachtsgründen wirksam werden kann (vgl. auch LAG Hamburg vom 10. Juni 1994 - 3 Sa 107/93 -).

Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Anhörungspflicht bei der Verdachtskündigung. Das Bundesarbeitsgericht begründet die den Arbeitgeber vor Ausspruch einer Verdachtskündigung treffende Aufklärungspflicht und die hieraus folgende Obliegenheit zur Anhörung des Arbeitnehmers zu den Verdachtsgründen mit den besonderen Risiken, die sich aus der Anerkennung der Verdachtskündigung für die betroffenen Arbeitnehmer ergeben. Anders als bei einem auf Grund von Tatsachen bewiesenen Sachverhalt bestehe bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr, dass ein Unschuldiger" betroffen ist. Deshalb sei es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an die Verdachtskündigung zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Der Arbeitnehmer müsse die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsmomente zu beseitigen bzw. zu entkräften und ggf. Entlastungstatsachen geltend zu machen. Deshalb entspreche es der Besonderheit des wichtigen Grundes bei der Verdachtskündigung, die Erfüllung der Aufklärungspflicht zur Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung zu erheben. Nach diesen Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts ist es aber auch sachgerecht und geboten, bei einer wegen Verletzung der Aufklärungspflicht unwirksamen Verdachtskündigung den Arbeitgeber mit der Möglichkeit auszuschließen, nach Ausspruch der Kündigung bekannt gewordene oder entstandene Verdachtsgründe nachzuschieben, um den Mangel der Verletzung der Aufklärungspflicht zu heilen. Dies muss auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber vor dem Nachschieben den Arbeitnehmer und ggf. den Betriebsrat oder Personalrat angehört hat. Die Aufklärungspflicht, die den Arbeitnehmer vor dem verfrühten Ausspruch von Verdachtskündigungen schützen soll, würde anderenfalls in einem erheblich Umfang entwertet. Die schuldhafte Verletzung der Anhörungspflicht zu bei ihrem Ausspruch bekannten Verdachtsgründen bedeutet eine Verletzung der schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers. Hieran knüpft das Bundesarbeitsgericht zu Recht die Rechtsfolge der Unwirksamkeit ohne Rücksicht darauf, ob eine Anhörung des Arbeitnehmers zu seiner Entlastung oder dazu geführt hätte, dass der Arbeitgeber vom Ausspruch einer Verdachtskündigung Abstand genommen hätte. Da die Verdachtskündigung die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers in besonderer Weise gefährdet, soll durch das grundsätzliche Gebot der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers dem übereilten Ausspruch von Verdachtskündigungen entgegengewirkt werden. Diesem Schutzzweck der Obliegenheit würde es widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei einer unter Verletzung der Anhörungspflicht ausgesprochenen Verdachtskündigung auf diese zurückgreifen und zu ihrer Rechtfertigung neue Verdachtsgründe nachschieben könnte. Mit Rücksicht auf die Schutzfunktion der Aufklärungsobliegenheit ist es nach Auffassung der Kammer vielmehr geboten, den Arbeitgeber in einem solchen Fall bei Bekanntwerden neuer Verdachtsgründe auf den Ausspruch einer neuen Kündigung unter Beachtung der ihn treffenden Aufklärungspflicht zu verweisen.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der Entscheidung vom 13. September 1995 (NZA 1996, 81) mit der entsprechenden Argumentation des LAG Hamburg im Urteil vom 10. Juni 1994 letztlich nicht auseinander gesetzt, da es davon ausging, es seien im damaligen Fall zusätzliche und eigenständige Kündigungsgründe nachgeschoben worden, deren Nachschieben nach gefestigter Rechtsprechung zulässig sei. Entsprechende zusätzliche und eigenständige Kündigungsgründe hat die Beklagte bei ihrem Nachschieben im vorliegenden Fall jedoch nicht geltend gemacht. Es handelt sich lediglich um weitere Verdachtsmomente für ein und dieselbe Pflichtverletzung, nämlich das unerlaubte Vermitteln von lukrativen Taxifahrten gegen Entgegennahme einer Provision. Dies kann nicht als eigenständiger Kündigungsgrund gewertet werden. Handelt es sich aber lediglich um das Nachschieben zusätzlicher Verdachtsmomente, so muss es bei der Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Verdachtskündigung mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Arbeitnehmers verbleiben, nicht anders als im Falle der nachträglichen Anhörung zu den ursprünglichen Verdachtsgründen nach Ausspruch der Kündigung.

Die Beklagte war auf den Ausspruch einer erneuten Kündigung zu verweisen, die sie vorsorglich auch mit Schreiben vom 23. März 2001 ausgesprochen hat.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Kammer hat die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um die grundlegenden Fragen zur Anhörung des Arbeitnehmers bei der Verdachtskündigung und zum Nachschieben von Verdachtsgründen bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Arbeitnehmers höchstrichterlich weiter klären zu lassen.

Ende der Entscheidung

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