Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 6 Ta 11/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BRAGO § 10 Abs. 3 S. 1
BRAGO § 10 Abs. 3 S. 3
ZPO § 5
ArbGG § 12
ArbGG § 61 Abs. 2
ArbGG § 78 Abs. 2
Wird neben dem Kündigungsschutzantrag durch einen gesonderten Klagantrag die Zahlung des Entgelts für die Zeit nach Wirksamwerden der Kündigung verlangt, ist der Wert der Klaganträge zu addieren. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts geht der Wert des Zahlungsantrages nicht im Wert des Kündigungsschutzantrages auf.
Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss

Geschäftszeichen: 6 Ta 11/01

In dem Rechtsstreit

beschließt das Landesarbeitsgericht Hamburg, Sechste Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht xxxxxxxxxxxxx als Vorsitzende

am 27. Juni 2001:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 6. März 2001 ­ 11 Ca 551/99 ­ abgeändert.

Der Gegenstandswert für die Klage wird auf 15.315,10 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit der Klage hat der Kläger sich gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewehrt, die Weiterbeschäftigung geltend gemacht und mit einer Erweiterung zusätzlich Vergütung in Höhe von 5253,37 DM brutto beansprucht.

Das Arbeitsgericht hat zunächst mit Beschluss vom 2. Juni 2000 den Gegenstandswert der Klage auf 16.653,29 DM festgesetzt. Auf die Beschwerde der Kostenprüfungsbeamtin ist mit Beschluss vom 6. März 2001 der Wert abweichend auf 10. 061,73 DM festgesetzt worden. Gegen diesen am 13. März 2001 zugestellten Beschluss wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit der am 27. März 2001 eingegangenen Beschwerde.

II.

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wendet sich erkennbar gegen den zuletzt ergangenen Beschluss vom 6. März 2001, obwohl die Beschwerde vom 26. März 2001 fälschlicherweise das Datum des ursprünglichen Beschlusses - 2. Juni 2000 ­ angibt. Diese Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beschwerde ist zum einen statthaft. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 BRAGO kann dann Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes eingelegt werden, wenn der Beschwerdegegenstand 100,-- DM übersteigt. Dies ist vorliegend der Fall, weil sich durch den nach den Vorstellungen des Beschwerdeführers geänderten Gegenstandswert eine Vergütung ergibt, die um mehr als 100,-- DM höher liegt, als die Vergütung bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Wert.

Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Frist gem. § 10 Abs. 3 S. 3 BRAGO ist gewahrt.

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Wert der Klage war abweichend vom Beschluss des Arbeitsgerichts , auf 15. 315,10 DM festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat den Wert der Kündigungsschutzklage und des Weiterbeschäftigungsantrages zutreffend auf insgesamt vier Monatsverdienste festgesetzt und hierbei unter Einbeziehung der anteiligen Jahressondervergütung, auf die ein tarifvertraglicher Anspruch besteht, die Monatsvergütung mit 2515,43 DM angesetzt. Hieraus errechnet sich der festgesetzte Wert von 10. 061,73 DM.

Den Wert der Zahlungsklage hat das Arbeitsgericht unberücksichtigt gelassen. Mit dem Beschwerdeführer ist jedoch davon auszugehen, dass der Wert der Zahlungsklage mit 5253,37 DM dem übrigen Wert gem. § 5 ZPO hinzuzuaddieren ist. Gemäß § 5 ZPO ergibt sich im Fall der objektiven Klaghäufung der Wert einer Klage durch Zusammenrechnung der Werte der in der Klage zusammengefassten Streitgegenstände. In der Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob bei einer objektiven Klaghäufung bezüglich einer Kündigungsschutzklage und einer Klage auf Arbeitsvergütung für die Zeit nach der streitbefangenen Kündigung gem. § 5 ZPO eine Addition der Wert der einzelnen Klaganträge zu erfolgen hat oder ob wegen jedenfalls teilweiser wirtschaftlicher Identität eine - uneingeschränkte - Addition ausgeschlossen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, beide Ansprüche seien wirtschaftlich identisch, sodass trotz ihrer prozessualen Eigenständigkeit eine Zusammenrechnung nicht erfolgen könne, der Feststellungsanspruch bilde die Rechtsgrundlage für die Vergütungsforderung (BAG Abs. 17 zu § 12 ArbGG 1953). Dem hat sich die Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Hamburg in einer Entscheidung vom 17. Juli 1991 - 2 Ta 15/91 ­ angeschlossen; vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 12 Rdn 105 ff m. w. N., der ebenfalls dieser Argumentation folgt. Die Beschwerdekammer geht mit der überwiegenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamburg (vgl. Beschluss vom 2. März 1977 ­ 1 Ta 2/77 ­ in NJW 1977,2327; Beschluss vom 15. Mai 1990 - 2 Ta 21/89 ­ in LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 85) und der auch überwiegenden Meinung anderer Landesarbeitsgerichte (LAG Hamm Anw Bl. 1978,143; LAG Baden-Württemberg Anw Bl 1982, 75; LAG Schleswig-Holstein Anw Bl 1982, 206,LAG Hamm Anw Bl 1982, 394; LAG Berlin JurBüro 1985, 1707; LAG Saarland JurBüro 1985, 592, LAG Frankfurt in LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 101) davon aus, dass eine Addition der Werte geboten ist. § 5 ZPO schreibt eine Addition bei objektiver Klaghäufung vor, ohne für wirtschaftliche Identität" eine erkennbare Ausnahme von Gesetzes wegen zu machen. Im übrigen kann von wirtschaftlicher Identität bei Zusammentreffen von Kündigungsschutzklage und Vergütungsklage für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung bzw. Ablauf der Kündigungsfrist auch eigentlich nicht die Rede sein. Das Leistungsbegehren teilt nicht zwangsläufig das Schiksal des Feststellungsbegehrens. So können durchaus bei festgestelltem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch Probleme hinsichtlich bestehenden Annahmeverzuges, anderweitigen anrechenbaren Verdienstes bei bestehendem Annahmeverzug bzw. nicht genutzter Möglichkeiten für Zwischenerwerb bestehen.

Hinzu kommt, dass der Feststellungsantrag und der Leistungsantrag nicht in einem Rechtsstreit verfolgt werden müssen. Wollte man dem Rechtsanwalt ansinnen, den Prozessstoff der Zahlungsklage quasi unentgeltlich, weil bereits durch den Feststellungsstreitwert abgegolten, zu bewältigen, so hätte dies zur Folge, dass er in Wahrnehmung seiner berechtigten Belange Vergütungsansprüche in einem gesonderten Prozess anhängig macht. Dann wären die Gebühren unzweifelhaft nach dem Wert des jeweiligen Rechtsstreits zu berechnen.

Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts führt im übrigen zu Problemen in den Fällen, in denen über den Feststellungsanspruch ein Teilurteil erlassen wurde. Das arbeitsgerichtliche Verfahren fordert für jedes erstinstanzliche Urteil zwingend eine Streitwertfestsetzung im Urteil, § 61 Abs. 2 ArbGG. Wird anschließend über den Vergütungsanspruch durch Schlussurteil entschieden, stellt sich die Frage, welcher Streitwert diesem Schlussurteil zuerkannt werden soll, ein verbleibender Wert wäre nicht mehr vorhanden (vgl. LAG Hamburg NJW 1977, 2327). Auf die Beschwerde war daher der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 6. März 2001 abzuändern. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da der Beschwerde stattgegeben worden ist. Die übrigen Beteiligten trifft keine Kostenlast, weil keine von ihnen eingelegte Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen worden ist, Anlage 1 zu § 12 ArbGG Nr. 9302.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben, § 78 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück