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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 8 Ta 11/04
Rechtsgebiete: BRAGO, ArbGG, KSchG, ZPO, ArbGG, GKG


Vorschriften:

BRAGO § 10
BRAGO § 10 II 4
BRAGO § 10 II 5
BRAGO § 10 III 1
ArbGG § 12 VII
KSchG § 4
ZPO § 256
ZPO § 574 I Nr. 2
ArbGG § 78 S. 2
GKG § 5
GKG § 25
- Der Gegenstandswert für einen Beschäftigungsanspruch ist grundsätzlich mit einem Brutto-Monatsgehalt zu bewerten. (Bestätigung der ständigen Rspr. des LAG Hamburg: Bes. v. 30. 3. 1989 - 6 Ta 32/88 - JurBüro 90, 49; v. 2. 9. 2002 - 7 Ta 21/02 - MDR 03, 178; zuletzt: Beschlüsse vom 4. 6. 2003 - 4 Ta 7/03; 5. 8. 2003 - 6 Ta 13/03; 10. 5. 2004 - 8 Ta 5/04, n. v.).

- Trinkgelder sind bei der Festlegung der Höhe des Monatsgehalts grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.


Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. 4. 2004 (19 Ga 6/04) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Parteien haben über die Verpflichtung der Beklagten gestritten, den Kläger zu den Bedingungen seines Arbeitsvertrages als Hotelpage zu beschäftigen. Der Kläger nahm seinen Antrag zurück, nachdem die Beklagte ihn wieder vertragsgemäß eingesetzt hatte. Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers beträgt EUR 1.403, 57.

Mit Beschluss vom 27. 4. 2004 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren entsprechend seiner Ankündigung auf EUR 1.403, 57 fest. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. 4. 2004 zugestellt. Mit der am 11. 5. 2004 bei Gericht eingegangen Beschwerde begehrt die Kläger die Festsetzung des Gegenstandswerts auf EUR 4.567, 14. Er meint, der Beschäftigungsanspruch sei grundsätzlich mit zwei Monatsgehältern zu bemessen. Zudem seien beim Monatsverdienst auch Trinkgelder zu berücksichtigen, welcher der Kläger in Höhe von EUR 880,- jedenfalls in den Wintermonaten zu erhalten behauptet. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist gem. § 10 III 1 BRAGO statthaft. Sie ist auch zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 10 III 3 BRAGO). In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Beschwerdewert zutreffend festgelegt.

1. Nicht zu beanstanden ist zunächst die Bemessung des Beschäftigungsanspruchs mit einem Monatsgehalt.

Mit welchem Gegenstandswert ein Beschäftigungsanspruch in Ansatz zu bringen ist, ist allerdings umstritten.

Vereinzelt wird von drei Monatsgehältern ausgegangen (LAG Bremen v. 20. 11. 1980 - 4 Ta (5 H) 42/80 - AuR 81, 285; LAG Rheinland-Pfalz 23. 7. 1982 - 1 Ta 121/82 - zit. nach juris).

Andere halten zwei Monatsgehälter für angemessen (LAG Köln v. 19. 4. 1982 - 1 Ta 41/82 - DB 82, 1226; LAG Düsseldorf v. 25. 6. 1987 - 7 Ta 187/87 - AnwBl 87, 554; LAG Düsseldorf v. 30. 10. 1980- 8 Sa 251/80 - EzA Nr. 1 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Hamm v. 24. 2. 2000 - 4 Sa 1731/99 - ZInsO 2000, 46; LAG Hamm v. 11. 9. 1986 - 8 Ta 218/86 - MDR 87, 85).

Die h. M. bewertet den Beschäftigungsanspruch mit einem Monatsgehalt (LAG Baden-Württemberg v. 27. 1. 1982 - 1 Ta 17/82 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr 16; LAG Berlin v. 13. 3. 2001 - 17 Ta 6026/01 (Kost) - NZA-RR 01, 436; LAG Hessen v. 23. 4. 1999 - 15/6 Ta 28/98 - NZA-RR 99, 434; LAG München v. 28. 2. 1990 - 10 (9) Ta 85/89 - JurBüro 90, 1609; LAG Nürnberg v. 3. 1. 1989 - 8 Ta 134/88 - NZA 89, 862; LAG Rheinland-Pfalz v. 16. 4. 1992 - 10 Ta 76/92 - LAGE GKG § 19 Nr 13; LAG Sachsen vom 14. 6. 1993 - 4 Ta 12/93 - LAGE 97 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Thüringen v. 27. 2. 1996 - 8 Ta 19/96 - AuA 1996, 250; LAG Hessen v. 23. 4. 1999 - 15/6 Ta 28/98 - NZA-RR 99, 434; ErfK-Ascheid 4. Aufl. 2004, § 4 KSchG Rz 103; ErfK-Koch 4. Aufl. 2004, § 12 ArbGG Rz 17; Germelmann ArbGG 4. Aufl. 2002, § 12 Rz 109). Dem folgt auch das LAG Hamburg in ständiger Rechtsprechung (Bes. v. 30. 3. 1989 - 6 Ta 32/88 - JurBüro 90, 49; v. 2. 9. 2002 - 7 Ta 21/02 - MDR 03, 178; zuletzt: Beschlüsse vom 4. 6. 2003 - 4 Ta 7/03; 5. 8. 2003 - 6 Ta 13/03; 10. 5. 2004 - 8 Ta 5/04, n. v.)

Mit dem relativ geringen Wertansatz versucht die Rechtsprechung dem in § 12 VII ArbGG zum Ausdruck kommenden sozialen Schutzzweck Rechnung zu tragen. Ist der Streit um das Bestehen des gesamten Arbeitsverhältnisses unabhängig von dessen Dauer und unabhängig von der besonderen Interessenlage des Arbeitnehmers mit höchstens 3 Monatsgehältern zu bewerten, dann sind Teilaspekte mit einem Bruchteil dieses Betrages in Ansatz zu bringen. Ein solcher Teilaspekt ist auch die Beschäftigungspflicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn über den Beschäftigungsanspruch entschieden werden kann, ohne den Bestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt überprüfen zu müssen, und der Kläger lediglich eine vorläufige Regelung anstrebt. In den Regelfällen, auf die sich die zitierte Rechtsprechung und Literatur bezieht, ergeben sich diese Einschränkungen daraus, dass der Beschäftigungsanspruch neben Feststellungsanträgen nach § 4 KSchG oder § 256 ZPO und zeitlich begrenzt für die Dauer des Rechtsstreits geltend gemacht wird. Fehlen diese einschränkenden Voraussetzungen, dann kommt auch eine höherer Gegenstandswert bis zur Obergrenze des § 12 VII ArbGG in Betracht (vgl. Beschluss der Kammer v. 10. 5. 2004 - 8 Ta 5/04 - n. v.).

Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass für eine höhere Wertfestsetzung, weil beide einschränkenden Bedingungen vorliegen. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses war zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt streitig. Auch die Reichweite des Direktionsrecht der Beklagten musste im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden, weil sie bereits Gegenstand des Rechtsstreits 19 Ca 80/04 war. Der Kläger strebte im vorliegenden Verfahren nur eine vorläufige Regelung an. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut seines Antrags jedoch aus der zum 31. 8. 2004 ausgesprochenen Änderungskündigung, bis zu deren Wirksamwerden die Beklagte den geltend gemachten Beschäftigungsanspruch schließlich auch anerkannt hat. In der Sache entspricht der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens somit der typischen Fallkonstellation, welcher der zitierten Rechtsprechung und Literatur zugrunde liegt.

Für den Ansatz von zwei statt eines Monatsgehalts hat die Beschwerde keinerlei Argumente vorgebracht, weshalb auf eine eingehendere Begründung zu diesem Punkt verzichtet werden kann.

2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die vom Kläger vereinnahmten Trinkgelder bei der Festsetzung des Gegenstandswerts nicht berücksichtigt. In diesem Punkt vertritt zwar das LAG Düsseldorf (Beschluss v. 18. 2. 1981 - 12 Sa 1534/80 - zitiert nach juris) eine gegenteilige Auffassung. Die Beschwerdekammer folgt aber dem Arbeitsgericht, weil Trinkgelder nicht zu dem vom Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsentgelt gehören. Das ist für Lohnersatzleistung allgemein anerkannt (vgl. BAG, Urt. v. 28. 6. 1995 - 7 AZR 1001/94 - BAGE 80, 230 = NZA 96, 252).

Zwar ist dem Kläger durchaus zuzugestehen, dass sich sein wirtschaftliches Interesse an dem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten auch auf die Trinkgelder erstreckt. Dies allein rechtfertigt aber keinen höheren Wertansatz. Maßgeblich für den Gegenstandswert ist das Interesse des Klägers am Streitgegenstand. Wirtschaftliche Interessen, die lediglich tatsächlich mit dem Streitgegenstand verbunden sind, haben demgegenüber grundsätzlich außer Betracht zu bleiben.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war allein die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Pagen zu beschäftigen. Der wirtschaftliche Wert dieses Streitgegenstandes kann sich deshalb nur an dem von der Beklagten geschuldeten Entgelt orientieren. Würde man anders entscheiden, müsste man konsequenterweise jede konkrete, mit dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses verknüpfte Gewinnerwartung in den Gegenstandswert einfließen lassen. Das würde z. B. bei Vortragstätigkeiten von Wissenschaftlern oder bei der Privatliquidation von Chefärzten nicht nur zu einer erheblichen Steigerung sondern auch zu einer weitgehenden Unkalkulierbarkeit der Prozesskosten führen. Die wäre der gegnerischen Partei kaum zumutbar, unter Beachtung der Wertung von § 12 VII ArbGG aber auch für die klagende Partei unangemessen.

III. Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht gemäß § 10 II 4 BRAGO gebührenfrei. Kostenerstattungsansprüche sind gemäß § 10 II 5 BRAGO ausgeschlossen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss v. 17. 3. 2003 - 2 AZB 21/02 - NZA 03, 682) sind die §§ 78 S. 2 ArbGG i. V. m. § 574 I Nr. 2 ZPO in Wertfestsetzungsverfahren durch die Spezialregelungen der §§ 10 BRAGO, 25, 5 GKG ausgeschlossen. Die fehlende Statthaftigkeit des Rechtsmittels könne auch nicht durch eine Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht überwunden werden. Eine gleichfalls erfolgte Zulassung binde das Bundesarbeitsgericht nicht (BAG, aaO). Trotz evidenten Klärungsbedarfs können daher die behandelten Rechtsfragen nicht einer Überprüfung durch die Rechtsbeschwerde zugänglich gemacht werden.

Ende der Entscheidung

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