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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 25.09.2006
Aktenzeichen: 8 TaBV 1/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 23 Abs. 4
BetrVG § 81
BetrVG § 81 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 2 S. 2
BetrVG § 95 Abs. 3
BetrVG § 95 Abs. 3 S. 2
BetrVG § 99
BetrVG § 99 Abs. 1
BetrVG § 100
ArbGG § 87 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 256 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Es wird festgestellt, dass die Einführung der Vertretungsregelung zum 01.09.2003, wonach die Nachtwachen der Stationen 7 und 8 künftig auch in Vertretungsfällen auf anderen Stationen eingesetzt werden können, eine Versetzung im Sinne von §§ 99, 95 III BetrVG war.

2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren nur noch darüber, ob die Einführung einer bestimmten Vertretungsregelung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlag.

Die Beteiligte zu 2) (Arbeitgeberin) betreibt eine Klinik, die sich schwerpunktmäßig mit Knochen- und Gelenkchirurgie befasst und in 6 Stationen gegliedert ist. Bis zur Einführung der neuen Vertretungsregelung für Nachtwachen Ende 2003, die das vorliegende Verfahren ausgelöst hat, war grundsätzlich jede Pflegekraft einer bestimmten Station zugeordnet und hatte ihre Dienste ausschließlich auf dieser Station zu verrichten. Einzige Ausnahme waren die Pflegekräfte der Station 4. Dort wurden regelmäßig 2 Nachtwachen eingesetzt, von denen eine bei kurzfristigen Personalausfällen auf anderen Stationen dort als Vertretung eingesetzt werden konnte.

Infolge der Verkürzung der Verweildauer der Patienten wurden die Bettenzahlen auf allen Stationen reduziert und zwar auf der Station 4 von 34 auf 28, auf den Stationen 7 und 8 von jeweils 53 auf maximal 38 Betten pro Station. Mit der Reduzierung der Bettenzahl ging ein Personalabbau einher, welcher u. a. dazu führte, dass auf der Station 4 seither nur noch eine Nachtwache eingesetzt wird. Lediglich auf den Stationen 7 und 8 verrichten pro Nacht noch 2 Pflegekräfte ihren Dienst.

Mit Wirkung vom 01.09.2003 traf die Arbeitgeberin die Anweisung, dass bei kurzfristigen Ausfällen der Nachtwachen auf einer der Stationen, die nur mit einer Nachtwache besetzt sind, eine der beiden Nachtwachen der Stationen 7 bzw. 8 die Vertretung der ausgefallenen Kraft übernehmen soll. Für die eventuelle Vertretung sind die Stationen 7 bzw. 8 im monatlichen Wechsel zuständig. Tritt der Vertretungsfall ein, soll die auf der Station 7 bzw. 8 allein verbliebene Nachtwache von einer der beiden Nachtwachen der jeweils anderen Station unterstützt werden, soweit dies aufgrund des Arbeitsanfalls notwendig ist.

Der Beteiligten zu 1) ist der bei der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat. Er wurde von der Arbeitgeberin über die Änderung der Nachtwachenvertretung mit Schreiben vom 23.09.2003 (Anl. A1, Bl. 7 - 12) informiert. Seine Zustimmung wurde jedoch nicht eingeholt.

Am 24.05.2004 leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren ein mit dem Ziel, der Arbeitgeberin den Einsatz von Pflegekräften der Stationen 7 und 8 auf anderen Stationen während der Nachtwache untersagen zu lassen.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die Arbeitgeberin habe durch die Einführung der neuen Vertretungsregelung grob im Sinne von § 23 III BetrVG gegen ihre Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Bei der Übertragung der Springertätigkeit handele es sich um eine Zuweisung eines anderen Aufgabenbereichs, der mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden sei, unter denen die Arbeit zu leisten sei.

Als erheblicher Umstand sei zu werten, dass im Rahmen der Nachtwache gegebenenfalls Patienten zu versorgen seien, die und deren Krankengeschichte den eingesetzten Beschäftigten nicht bekannt seien. Dies würde einen erhöhten Zeitbedarf für die Übernahme der Nachtwache erfordern, der im Rahmen der Dienstpläne jedoch nicht berücksichtigt werde. Die Arbeitsabläufe auf den Stationen seien ebenso unterschiedlich wie die Räumlichkeiten.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1) der Beteiligten zu 2) zu untersagen, Beschäftigte während der Nachtwache als Springer für mehrere Stationen einzusetzen, es sei denn, der Betriebsrat hat hierzu gemäß § 99 BetrVG seine Zustimmung erteilt oder aber die Beteiligte zu 2) hat ein Verfahren entsprechend den Vorschriften des § 100 BetrVG durchgeführt und/oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ist durch eine rechtskräftige arbeitsgerichtliche Entscheidung erteilt worden.

2) Der Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld bis zu EUR 10.000,- für jeden Fall der Zuwiderhandlung bei Verstößen gegen ihre Verpflichtungen zu Ziffer 1 anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, jedenfalls nicht in grober Weise gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstoßen zu haben. Vertretungen von Nachtwachen der Stationen 7 oder 8 auf anderen Stationen kämen nur selten vor, da zunächst stets versucht werde, den Vertretungsbedarf durch Aushilfskräfte abzudecken. Im Januar 2004 seien nur 0, 83 Vertretungsstunden angefallen, im März und im Mai 2004 jeweils 10,2 Stunden. Im Februar und April 2004 sei es nicht zu stationsübergreifenden Vertretungen gekommen. Die Belastung der insgesamt 40 in Betracht kommenden Pflegekräfte durch Vertretungen auf fremden Stationen sei folglich minimal. Die Tätigkeiten der Nachtwachen auf den Stationen seien zudem standardisiert.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die von der Arbeitgeberin getroffene Maßnahme sei keine Versetzung i. S. v. § 95 III BetrVG, da sie nicht mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden sei, unter denen die Arbeit zu leisten sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Abschnitt II des angefochtenen Beschlusses (Bl. 57 f d. A.) Bezug genommen.

Gegen den am 16.12.2005 verkündeten und den Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats am 21.12.2005 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 16.01.2006 Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 21.03.2006 - an diesem Tag begründet.

Der Betriebsrat meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten sei, verneint. Er verweist insoweit auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und führt aus, allein die Konstruktion, dass eine Nachtwache der Stationen 7 oder 8 die Pausenablösungen für die anderen Stationen ganz oder teilweise übernehmen müsse, zeige, dass keine ausreichende Einweisung auf diesen Stationen erfolgen könne. Dies führe zu einer erheblichen Belastung der betroffenen Mitarbeiter. Eine Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten sei, ergebe sich bereits daraus, dass der Einsatz auf einer fremden Station zu leisten sei. Hier genüge auch ein Hinweis auf "Problemfälle" nicht, die jeweilige Pflegekraft von dem Druck zu befreien, mit einer Situation fertig zu werden, die ihr aus ihrem täglichen Arbeitsablauf auf der Station nicht geläufig sei. Die Arbeitsabläufe auf den Stationen seien unterschiedlich. Sie würden im Wesentlichen durch die Patienten bestimmt, die je nach Krankheitsbild unterschiedlich versorgt werden müssten. Es handele sich gerade im Bereich der Krankenpflege nicht um standardisierte Arbeitsabläufe. Vielmehr erfordere die Tätigkeit ein hohes Maß an Hintergrundwissen über die jeweiligen Patienten und deren Krankheitsverläufe.

Aufgrund des Hinweises der Berufungskammer, dass unabhängig von der Frage, ob eine Versetzung i. S. v. § 95 III BetrVG vorliege, jedenfalls eine grobe Pflichtverletzung i. S. v. § 23 IIII BetrVG auszuschließen sei, hat der Betriebsrat mit Zustimmung der Arbeitgeberin in zweiter Instanz nur noch beantragt

festzustellen, dass die Einführung der Vertretungsregelung zum 01.09.2003, wonach die Nachtwachen der Stationen 7 bzw. 8 künftig auch in Vertretungsfällen auf anderen Stationen eingesetzt werden können, eine Versetzung i. S. v. § 99 BetrVG i. V. m. § 95 III BetrVG war.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht habe eine wesentliche Änderung der Arbeitsumstände zu Recht verneint. Wegen des hohen Spezialisierungsgrades der von der Arbeitgeberin betriebenen Klinik seien sämtliche auf den Stationen zu verrichtenden Tätigkeiten durch dieselbe medizinische Fachrichtung geprägt.

Die als Vertretung eingesetzten Nachtwachen würden durch die Stationsmitarbeiter des Tagesdienstes bei der Übergabe auf Besonderheiten einzelner Patienten hingewiesen. Darüber hinaus seien diese Informationen auf sämtlichen Stationen auf den sog. Übergabetafeln einsehbar. Auch die Patientendokumentation sei standardisiert. Dadurch sei gewährleistet, dass die Vertretung auch während kurzzeitiger Pausenablösungen über die zur Verrichtung der Arbeit notwendigen Informationen verfüge. Während der Nachtwache seien ohnehin nur standardisierte Tätigkeiten wie Unterstützung der Patienten bei Toilettengang oder Lageveränderung oder Verabreichung von Schlaf- oder Schmerzmedikamenten nach ärztlicher Verordnung zu erledigen sowie auf Klingelrufe der Patienten zu reagieren. In Notsituationen sei immer der ärztliche Bereitschaftsdienst zu verständigen.

Die Inanspruchnahme der Mitarbeiterinnen für Vertretungen auf fremden Stationen sei sehr gering. Im Zeitraum von Juni 2005 bis Mai 2006 seien zwar für jeden Tag vorsorglich Notfallvertretungen eingeteilt worden. Die Einteilung selbst beinhalte jedoch keine eigenständige Belastung für die Mitarbeiter, weil es für sie nur darum gehe, ob sie ihren Nachtdienst auf ihrer eigenen Station (7 oder 8) oder auf einer anderen Station zu leisten hätten. Letzteres sei im erfassten Zeitraum nur 12 mal erforderlich gewesen. Im Juni 2005 und im Januar 2006 habe es jeweils 4 Vertretungseinsätze von Mitarbeitern der Station 7 auf anderen Stationen gegeben. Im Juli 2005 seien Nachtwachen der Station 8 insgesamt 4 mal auf anderen Stationen eingesetzt worden. In den übrigen 9 Monaten sei es nicht zu Vertretungen der Nachtwachen auf anderen Stationen gekommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 87 I ArbGG statthaft. Sie ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde hat mit dem geänderten Antrag auch in der Sache Erfolg.

1. Der geänderte Antrag ist zulässig.

a) Der Antragsteller konnte seinen Antrag gemäß §§ 87 II 2, 81 III BetrVG auch in der Beschwerdeinstanz noch ändern. Die Antragsgegnerin hat der Änderung zugestimmt. Die Änderung war im Übrigen sachdienlich, weil sich der neue Antrag auf den Kern der Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten beschränkt. Seinen ursprünglichen Antrag hat der Betriebsrat mit der Antragsänderung zurückgenommen.

b) Der Antrag genügt dem auch im Beschussverfahren zu beachtenden Bestimmtheitserfordernis des § 253 II Nr. 2 ZPO (vgl. zu dieser Anforderung BAG, v. 22.10.1985 - 1 ABR 38/83 - BAGE 50, 29 = NZA 86, 299), denn es ist zweifelsfrei zu erkennen, in welchem Sachverhalt der Antragsteller einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand sieht.

c) Das auch im Beschlussverfahren für einen Feststellungsantrag entsprechend § 256 I ZPO erforderliche (vgl. BAG v. 22.06.2005 - 10 ABR 34/04 - NZA-RR 06, 23) rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung liegt vor. Zwischen den Beteiligten ist das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts für eine bestimmte Anordnung der Arbeitgeberin streitig. Eine solche Frage kann nach ständiger Rechtsprechung des BAG mit Hilfe der allgemeinen Feststellungsklage geklärt werden (vgl. BAG v. 28.03.2000 - 1 ABR 17/99 - BAGE 94, 163 = NZA 00, 1355 m. w. N.)

2. Der Antrag ist auch begründet, denn bei der Einführung der neuen Vertretungsregelung zum 01.09.2003 handelt es sich um eine Versetzung der auf den Stationen 7 und 8 eingesetzten Pflegekräfte.

a) Eine Versetzung erfordert nach der Definition des § 95 III BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

aa) Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs in diesem Sinne liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, so dass der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe, ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. Maßgebend ist, dass sich die Tätigkeiten des Arbeitnehmers vor und nach der Maßnahme so voneinander unterscheiden, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden muss. Ob ein anderer Tätigkeitsbereich zugewiesen worden ist, beurteilt sich ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen im Betrieb (BAG v. 28.03.2000 - 1 ABR 17/99 - BAGE 94, 163 = NZA 00, 1355; Beschluss v. 23.11.1993 - 1 ABR 38/93 - BAGE 75, 97 = NZA 94, 718; Bes. v. 19.02.1991 - 1 ABR 36/90 - BAGE 87, 236 = NZA 91, 565).

Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Welche Arbeitsbereiche in einem Betrieb vorhanden sind, ergibt sich aus der jeweils geltenden Organisation des Betriebs. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht (BAG v. 29.02.2000 - 1 ABR 5/99 - NZA 00, 1357).

Seit der Entscheidung vom 28.05.1988 (1 ABR 18/87 - NZA 89, 438) geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass sich das Vorliegen eines anderen Arbeitsbereichs auch aus einer Veränderung der Umstände ergeben kann, unter denen die Arbeit zu leisten ist (ausführlich: BAG v. 19.02.1991 - 1 ABR 21/90 - BAGE 67, 225 = NZA 91, 601; zuletzt Beschluss v. 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 - NZA 06, 1289). Dadurch stellt sich die Frage, wie in solchen Fällen das Tatbestandsmerkmal "Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs" von dem weiteren Erfordernis der "erheblichen Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist" abzugrenzen ist.

Hierzu hat das BAG mehrfach ausgeführt, es handele sich um Merkmale, die kumulativ erfüllt sein müssten, um von einer Versetzung ausgehen zu können, wenn die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für weniger als einen Monat geplant sei (BAG v. 28.09.1988 - 1 ABR 37/87 - BAGE 59, 371 = NZA 89, 286). Allein die erhebliche Veränderung der Umstände, unter den die Arbeit zu leisten sei, sei keine mitbestimmungspflichtige Versetzung, wenn sie nicht mit der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs einhergehe (BAG v. 01.08.1989 - 1 ABR 51/88 - NZA 90, 196; Beschluss v. 10.04.1984 - 1 ABR 67/82 - NZA 84, 233). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BAG setzt jedoch bereits das Merkmal der "Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs" eine erhebliche Veränderung der Umstände voraus, unter denen die Arbeit zu leiste ist (Beschluss v. 23.11.1993 - 1 ABR 38/93 - BAGE 75, 97 = NZA 94, 718; BAG v. 29.02.2000 - 1 ABR 5/99 - NZA 00, 1357).

bb) Nach Auffassung der Kammer ist es problematisch, eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, bereits für die Annahme der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vorauszusetzen. Das Erfordernis des kumulativen Vorliegens beider Merkmale, welches sich eindeutig aus dem Wortlaut von § 95 III BetrVG ergibt, wird damit in den Fällen praktisch gegenstandslos, in denen die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs auf der Veränderung der Umstände beruht, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Nur soweit der Inhalt der Tätigkeit oder der Arbeitsort verändert wird, kommt dem zweiten Tatbestandsmerkmal eine eigenständige Bedeutung zu. Soweit nur deshalb von der Zuweisung eines anderen Bereichs auszugehen ist, weil sich die Umstände verändert haben, unter denen die Arbeit zu leisten ist, kann das Vorliegen einer Versetzung niemals an der Unterschreitung der Monatsgrenze scheitern, weil stets das insoweit alternative Tatbestandsmerkmal verwirklicht wäre.

Um Veränderungen aus dem Bereich der Mitbestimmung auszuklammern, welche die Dauer eines Monats überschreiten, jedoch die Interessen der Arbeitnehmer nicht ernsthaft berühren, weil sie in Arbeitsverhältnissen üblich sind, kommt eine erweiternde Auslegung von § 95 III Satz 2 BetrVG in Betracht. Nach Auffassung der Kammer kommt in dieser Bestimmung der allgemeine Rechtsgedanke zu Ausdruck, dass Veränderungen des Arbeitsbereichs keiner Mitwirkung des Betriebsrats unterliegen, wenn es sich um geringfügige Veränderungen handelt, mit denen der Arbeitnehmer bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses und bei Kenntnis der Organisation des Arbeitgebers rechnen musste. Im Beschluss vom 13.05.1997 (1 ABR 82/96 - juris) hat das BAG bereits entschieden, dass Bagatellfälle und Änderungen innerhalb der üblichen Schwankungsbreite keine Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs darstellen.

Fälle wie die Zuordnung der gesamten Arbeitseinheit, welcher der Arbeitnehmer angehört, zu einer anderen Führungskraft (BAG v. 10.04.1984 - 1 ABR 67/82 - NZA 84, 233), kurzfristige "Abordnungen" in andere Filialen (BAG v. 28.09.1988 - 1 ABR 37/87 - BAGE 59, 371 = NZA 89, 286; Bes. v. 16.12.1986 - 1 ABR 52/85 - NZA 87, 424), die bloße Änderungen des Arbeitsplatzes am gleichen Arbeitsort (BAG v. 10.04.1984, a. a. O) oder die Veränderung der Lage der Arbeitszeit (BAG v. 23.11.1993 - 1 ABR 38/93 - BAGE 75, 97 = NZA 94, 718), bei denen das BAG bisher regelmäßig die Erheblichkeit der Veränderung der Arbeitsumstände verneint hat, könnten auch deshalb aus dem Bereich der mitbestimmungspflichtigen Versetzungen ausgeklammert werden, weil Arbeitnehmer mit Veränderungen dieser Art rechnen müssen, sofern nicht im Einzelfall bestimmte Umstände auf eine Beibehaltung der bisherigen Organisation hindeuteten.

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall stellt sich die von der Arbeitgeberin zum 01.09.2003 eingeführte Vertretungsregelung als Versetzung i. S. v. § 95 III BetrVG dar:

aa) Durch die Einführung der Vertretungsregelung ist den Pflegekräften der Stationen 7 und 8 ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen worden.

Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches ergibt sich daraus, dass die Nachtwachenvertretung nicht auf der Station zu leisten ist, welcher die Pflegekraft zugeordnet ist, sondern auf einer anderen Station. Im Vertretungsfall wird die Pflegekraft deshalb in eine andere (Teil-) Organisation eingebunden. Sowohl die zu betreuenden Patienten als auch der Kollegenkreis ändert sich. Ob die damit verbundenen Änderungen erheblich sind, spielt nach Auffassung der Kammer für die Frage der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs keine Rolle. Wesentlich ist hingegen, dass nach dem übereinstimmen Sachvortrag beider Beteiligter ein Wechsel von Mitarbeitern von der einen auf eine andere Station bei der Arbeitgeberin in der Vergangenheit (außer auf der Station 4) auch in Vertretungsfällen nicht stattgefunden hat. Bei Kenntnis der Organisation der Arbeitgeberin mussten die Mitarbeiter der anderen Stationen - also der weit überwiegende Teil der Pflegekräfte - auch in Vertretungsfällen nicht damit rechnen, ihren Dienst außerhalb der "eigenen" Station verrichten zu müssen. Die Aufgabe dieses Organisationsgrundsatzes gehörte nicht zu den Veränderungen, mit denen bei realistischer Betrachtungsweise zu rechnen war. Ebenso wahrscheinlich war es, dass die Gründe, die für die Einführung eines derart starren Systems veranlasst haben, auch weiterhin als ausschlaggebend angesehen würden. Dass dies für die Mitarbeiter der Station 4 anders war, ist ohne Bedeutung, da es sich bei diesen Mitarbeitern und den im vorliegenden Fall Betroffenen um abgrenzbare Personenkreise handelt.

Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Nachtwachen auf den Stationen, auf denen sie vertretungsweise eingesetzt werden, während ihrer Schichten überwiegend allein arbeiten. Eine Einbindung in einen anderen Kreis von Mitarbeitern liegt gleichwohl in begrenztem Umfang durch die Übergaben von der Spätschicht auf die Nachtschicht, bzw. von der Nachtschicht auf den Frühdienst des kommenden Tages vor.

Ohne Bedeutung ist auch, dass die Anzahl der stationsfremden Einsätze in der Vergangenheit sehr gering war. Die Anzahl der Vertretungsfälle in der Vergangenheit ist als Anknüpfungspunkt für die Frage der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs schon deshalb nicht geeignet, weil das Mitbestimmungsrecht bei Versetzungen gemäß § 99 I BetrVG in die Zukunft gerichtet ist. Nach dieser Vorschrift ist das Mitbestimmungsverfahren vor einer Versetzung durchzuführen. Im Übrigen lässt sich aus der geringen Anzahl stationsfremder Vertretungsfälle in der Vergangenheit nicht darauf schließen, dass diese Zahl auch in Zukunft gering sein wird. Hinge das Vorliegen einer Versetzung von der Anzahl der Vertretungseinsätze ab, so könnte ein zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu verneinendes Mitbestimmungsrecht künftig eingreifen, wenn sich die Anzahl der Vertretungseinsätze infolge weiterer Personalveränderungen oder sonstiger Umstände erhöht. Dies wäre weder für den Betriebsrat noch für den Arbeitgeber eine sinnvolle Handlungsgrundlage.

bb) Die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs ist nicht mit einer wesentlichen Veränderung der Umstände verbunden, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

aaa) Eine wesentliche Veränderung ergibt sich für die Vertretungskraft nicht bereits aus der Notwendigkeit, die Arbeit an einem anderen Arbeitsplatz zu verrichten. Alle Stationen der Beteiligten zu 2) befinden sich in einem Gebäude, so dass sich aus dem Weg zur Arbeit kein relevanter Unterschied ergibt. Die Kammer geht auch davon aus, dass die Räume nicht in einer für die Ausübung der Tätigkeit relevanten Weise unterschiedlich gestaltet sind. Seine pauschale gegenteilige Behauptung hat der Betriebsrat nicht konkretisiert.

Der Betriebsrat hat auch nicht im Einzelnen dargelegt, woraus sich unterschiedliche Arbeitsinhalte ergeben. Anders als in einem "normalen" Krankenhaus, in dem der Wechsel von einer Station auf eine andere regelmäßig eine Versetzung i. S. v. § 95 III BetrVG darstellt (vgl. LAG München v. 31.03.1999 - 7 TaBV 66/98 - EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 44), weil sich aus den unterschiedlichen Krankheitsbildern der Patienten unterschiedliche Anforderungen an die Pflegekräfte ergeben, handelt es sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens um eine Spezialklinik für Knochen- und Gelenkchirurgie. Die Kammer vermag zwar nicht auszuschließen, dass auch bei Patienten dieser Fachrichtung ganz unterschiedliche Pflegebedarfe bestehen. Der insoweit materiell darlegungsbelastete Betriebsrat hat hierzu jedoch nur Schlagworte vorgetragen. Hinzu kommt, dass es im vorliegenden Fall lediglich um die Nachtwache geht. Der Vortrag der Arbeitgeberin, die Arbeitsvorgänge der Nachtwachen beschränkten sich auf allen Stationen im Wesentlichen auf die Unterstützung der Patienten bei Toilettengängen und Lageveränderungen, das Verabreichen von Medikamenten nach ärztlicher Verordnung, das Reagieren auf Klingelrufe der Patienten und das Alarmieren des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Notsituationen ist durchaus plausibel. Der Betriebsrat hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Unrichtigkeit dieser Darstellung ergibt. Auch die Relevanz unterschiedlicher Krankengeschichten speziell für die Nachtwachen ist dem Sachvortrag des Betriebsrats nicht zu entnehmen.

Die Einbindung in eine andere Teilorganisation begründet im vorliegenden Fall ebenfalls keine wesentliche Veränderung. Die Zusammenarbeit mit dem Personal der anderen Station beschränkt sich auf die Übergaben zu Beginn und am Ende der Nachtschicht. Form und Inhalte des Informationsaustausch folgen nach dem unbestrittenen Vortrag der Arbeitgeberin auf allen Stationen gleichen Standards. Allein die Person des Ansprechpartners bei der Übergabe stellt kein wesentliches Merkmal der Tätigkeit einer Nachtwache dar. Das gleiche gilt für die Identität der Patienten schon deshalb, weil in Krankenhäusern der Patientenwechsel typisch ist.

bbb) Auch für die bei kurzfristigen Vertretungseinsätzen einer Nachtwache auf der betroffenen Station verbliebene Kraft kann eine wesentliche Veränderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, nicht festgestellt werden. Die Art der zu verrichtenden Tätigkeit und die Teilorganisation bleiben für diese Kraft unverändert. Allein die Steigerung der Arbeitsmenge, von der wegen des Abzugs der zweiten Nachtwache auszugehen ist, stellt keine wesentliche Veränderung dar, zumal sie durch die Möglichkeit relativiert wird, bei Bedarf von der zweiten Nachtwache der jeweils anderen Station Unterstützung zu erhalten.

ccc) Eine wesentliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, kann schließlich auch für die Pflegekraft, die im Falle des kurzfristigen externen Einsatzes einer der Pflegekräfte der Stationen 7 oder 8 die dort verbliebene Nachtwache bei Bedarf unterstützen soll, nicht festgestellt werden. Dagegen spricht die auf allen Stationen gleichartige Tätigkeit der Nachtwachen. Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit der Nachtwache einer anderen Station beschränkt sich auf überschaubare Zeiträume und auf die gleiche Hierarchieebene. Die vom Betriebsrat angeführte Belastung durch die fehlende Übergabe wird dadurch relativiert, dass die betroffene Kraft nur unterstützend tätig zu werden hat, während die Hauptverantwortung bei der durchgängig tätigen Nachtwache liegt, an die auch die Übergabe zu Beginn der Nachtschicht erfolgt ist.

cc) Die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs überschreitet allerdings die Dauer eines Monats.

Die Arbeitgeberin hat ausweislich ihres Schreibens vom 27.08.2004 (Bl. 11 f d. A.) eine dauerhafte Vertretungsregelung getroffen. Ihrer Auffassung, es sei auf die Dauer der jeweiligen Vertretungseinsätze abzustellen, vermag die Kammer nicht gefolgt werden. Wäre dies richtig, so käme bei generellen Vertretungsregelungen ein Mitbestimmungsrecht praktisch nie in Betracht. Das erscheint wenig sachgerecht, weil ein Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern gerade bei der Einführung genereller Regelungen erforderlich und regelmäßig ohne Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb möglich ist. Ein Abstellen auf den einzelnen Vertretungsfall würde zum generellen Ausschuss des Betriebsrats von der Mitwirkung führen, weil der einzelne Vertretungsfall jeweils auf die Dauer einer Nachtschicht beschränkt und nicht mit einer wesentlichen Veränderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Selbst in Fällen, in denen letzteres der Fall wäre, wäre ein Mitbestimmungsrecht regelmäßig mangels kollektiven Bezugs (vgl. BAG v. 10.06.1986 - 1 ABR 61/84 - BAGE 52, 160 = NZA 86, 840) der einzelnen Vertretungsanordnung zu verneinen

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (vgl. Matthes, in Germelmann u. a. ArbGG, § 84 Rz 29ff).

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gemäß § 92 I i. V. m. § 72 II Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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