Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.04.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 115/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
ZPO § 322
ZPO § 329
Einem erneuten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein früher gestellter Aussetzungsantrag in demselben Rechtsstreit bereits abschlägig beschieden wurde und sich die Sachlage nicht geändert hat. Ob dem ersten Beschluss materielle Rechtskraft zukommt, konnte offen bleiben.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 11.02.2009 - 4 Ca 2227/07 - aufgehoben. Der Aussetzungsantrag der Beklagten vom 22.01.2009 wird als unzulässig zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 7.225,-- Euro.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Aussetzung des von ihm gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen angestrengten Rechtsstreits, in dem die Parteien vornehmlich um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 15.10.2007 streiten. Es handelt sich um die 12. Kündigung, die die Beklagte gegenüber dem inzwischen seit 01.01.2009 im Ruhestand befindlichen Kläger ausgesprochen hat. Hinsichtlich der ersten 8 Kündigungen hat der Kläger in Rechtskraft erwachsene obsiegende Urteile erstritten. Hinsichtlich der Kündigungen Nr. 9 - 11 hat sich das Landesarbeitsgericht mit Urteilen vom 18.12.2008 der Ansicht des Arbeitsgerichts angeschlossen, auch diese Kündigungen hätten das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beendet (LAG Hamm 16 Sa 1112/07 und 16 Sa 1283/07). Die Revision hat es nicht zugelassen. Die Urteile sind jedoch noch nicht rechtskräftig.

Das Arbeitsgericht hatte einen Aussetzungsantrag der Beklagten zunächst mit Beschluss vom 27.02.2008 zurückgewiesen. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos (LAG Hamm Beschl. v. 23.04.2008 - 7 Ta 307/08). Einem erneuten Aussetzungsantrag der Beklagten ist das Arbeitsgericht sodann mit Beschluss vom 21.08.2008 gefolgt. Diesen Beschluss hat das Landesarbeitsgericht Hamm am 31.10.2008 (7 Ta 627/08) jedoch aufgehoben, woraufhin das Arbeitsgericht dem Verfahren Fortgang gegeben hat.

Die Beklagte hat sodann erneut mit Schriftsatz vom 22.01.2009 die Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Verfahren 16 Sa 1112/07 und 16 Sa 1283/07 beantragt. Dem Antrag hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 11.02.2009 stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten verwiesen.

II.

Die zulässige (§§ 78 ArbGG, 252, 567, 569 ZPO) sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.

Der angegriffene Beschluss kann keinen Bestand haben. Dem Aussetzungsantrag der Beklagten vom 22.01.2009 steht die materielle Rechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 31.10.2008 (7 Ta 627/08) entgegen. Jedenfalls fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis. Damit ist er unzulässig.

1. Mit dem Beschluss vom 31.10.2008 hat die 7. Kammer des Beschwerdegerichts den Aussetzungsbeschluss vom 21.08.2008 aufgehoben. Es hat zu dem diesem Aussetzungsbeschluss zugrundeliegenden Aussetzungsantrag der Beklagten vom 06.08.2008 weder ausdrücklich eine eigene Entscheidung oder eine Anordnung im Sinne des § 572 Abs. 3 ZPO getroffen noch eine Zurückverweisung der Sache verfügt. Das Arbeitsgericht hat aus dem Beschluss nicht etwa die Notwendigkeit einer neuerlichen, nunmehr - unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts - ermessensfehlerfreien Entscheidung zu dem seinerzeitigen Aussetzungsantrag der Beklagten geschlossen. Es hat vielmehr aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts die Feststellung der Unbegründetheit des Aussetzungsbegehrens der Beklagten gefolgert und dem Verfahren Fortgang gegeben. Dies war auch zutreffend, denn aus der Beschlussbegründung ergibt sich zweifelsfrei, dass das Beschwerdegericht keinerlei für eine Verfahrensaussetzung im Sinne des § 148 ZPO ausreichende Gründe sah. Dabei hat es dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgebot in Bestandsschutzstreitigkeiten ausschlaggebende Bedeutung beigemessen und eine an den Einzelfallumständen ausgerichtete Ausnahme für den Rechtsstreit der Parteien nicht zu erkennen vermocht.

2. a) Misst man dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 31.10.2008 materielle Rechtskraft zu - dazu gehören formell rechtskräftige Beschlüsse, die einen kontradiktorischen Parteienstreit endgültig befrieden sollen (BGH, 03.03.2004 - IV ZB 43/03 - NJW 2004, 1805; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rdnr. 9) - hat es bei der in dem Beschluss konkludent enthaltenen Weisung zu bleiben, dem Verfahren Fortgang zu geben. Der Inhalt der Entscheidung ist für die Parteien und das Gericht ohne erneute sachliche Prüfung maßgeblich. Über eine rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge in der gleichen Streitsache soll nicht erneut verhandelt und entschieden werden (vgl. MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 1, 3). Das im Beschluss vom 31.10.2008 enthaltene Aussetzungsverbot kann danach nur überwunden werden, wenn das Aussetzungsbegehren der Beklagten auf eine neue Sachlage gestützt würde, die dem Gericht zur Entscheidung gestellte Streitsache also nicht identisch wäre mit dem Aussetzungsbegehren, über das bereits befunden wurde. Dies ist, wie noch auszuführen ist, jedoch nicht der Fall.

b) Ob die formell rechtskräftige Entscheidung über einen Aussetzungsantrag allerdings in materielle Rechtskraft erwächst, ist nicht unumstritten. Ein solcher Beschluss müsste dazu nach der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Ansicht einen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt aufweisen, d.h. der Beschluss müsste über den Prozess hinaus wirken (MünchKommZPO/Musielak, § 329 Rdnr. 12; Franga Novelle, Die Wirkungen der Beschlüsse im Zivilprozessrecht, S. 77 und S. 80). Es müsste die Möglichkeit bestehen, dass der beurteilte Sachverhalt einem weiteren Gericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Teilweise wird es für die Zuerkennung der materiellen Rechtskraft für ausreichend gehalten, wenn die Partei die Möglichkeit hat, den gleichen Sachverhalt in demselben Prozess durch erneuten Antrag dem Gericht zur Entscheidung zu unterbreiten (Werner, Rechtskraft und Innenbindung zivilprozessualer Beschlüsse im Erkenntnis- und summarischen Verfahren, S. 96). Dazu rechnen nach dieser Ansicht auch die Beschlüsse zur Aussetzung (vgl. Franga Novelle, a.a.O., S. 86 m.w.N.).

c) Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, da dem neuerlichen Aussetzungsbegehren der Beklagten vom 22.01.2009 jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. BGH, 03.03.2004 a.a.O.; BFH, 21.11.2007 - X S 32/07 (PKH) - Juris). Die Beklagte stellt ein Begehren zur Entscheidung, das bereits Gegenstand des unmittelbar vorangegangenen Nebenverfahrens zur Aussetzung war. Die Ablehnung einer materiellen Rechtskraftwirkung für zu Aussetzungsanträgen ergangenen Entscheidungen kann nicht zu einer unbeschränkten Vervielfachung der Antragsbefugnis führen. Ein erneuter Aussetzungsantrag setzt vielmehr eine geänderte Sachlage voraus. Dies sieht auch die Beklagte selbst nicht anders, die - wie im Übrigen auch das Arbeitsgericht - selbst Ausführungen dazu macht, worin sie diesen neuen Lebenssachverhalt und damit die Grundlage für eine erneute Befassung mit einem Antrag nach § 148 ZPO sieht.

3. Seit dem Erlass des Beschlusses vom 31.10.2008 sind lediglich solche Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten, die die dem Aussetzungsantrag der Beklagten vom 06.08.2008 zugrunde liegende Sachlage und die dazu ergangene negative Entscheidung nicht maßgeblich berühren.

Zwar hat das Landesarbeitsgericht in den Verfahren 16 Sa 1112/07 und 16 Sa 1283/07 inzwischen mit Urteilen vom 18.12.2008 im Wesentlichen zugunsten des Klägers entschieden. Dieser Umstand spricht aber im Vergleich zu der Sachlage Ende Oktober 2008 gerade gegen eine Aussetzung des Rechtsstreits um die 12. Kündigung. Jedenfalls kann diese Tatsache das neuerliche Aussetzungsbegehren noch weniger stützen als die noch viel ungewissere Lage zum Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens vor den Urteilen der 16. Kammer.

Der von der Beklagten betonte Umstand, dass der Kläger inzwischen spätestens seit 01.01.2009 unstreitig nicht mehr zu ihr in einem Arbeitsverhältnis steht, damit auch sein Weiterbeschäftigungsinteresse nicht mehr gefährdet ist und damit insbesondere das arbeitsgerichtliche Beschleunigungsgebot eine andere Gewichtung erfahren müsse, führt ebenfalls nicht zur Feststellung geänderter Verhältnisse. Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat nämlich zu diesen Umständen bereits in seinem Beschluss vom 31.10.2008 eindeutig Stellung bezogen. Sie waren bereits allesamt von der Beklagten vorgetragen worden und Gegenstand der Auseinandersetzung der Parteien zum vormaligen Aussetzungsbegehren der Beklagten. Die 7. Kammer des Beschwerdegerichts hat sie einer ausführlichen Betrachtung und Bewertung unterzogen. Aus dem Beschluss geht eindeutig hervor, dass es dem - damals kurz bevorstehenden - Ruhestand des Klägers keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, sondern im Ergebnis das Beschleunigungsgebot des § 61 a Abs. 1 ArbGG für wesentlich gewichtiger gehalten hat, wobei es - mit dem Kläger - auch die durch das Kündigungsschutzverfahren stattfindende Vorbereitung einer Klärung von Vergütungsansprüchen herausgestellt hat.

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers war der angefochtene Beschluss damit ohne erneute Prüfung in der Sache aufzuheben. Der Aussetzungsantrag der Beklagten vom 22.01.2009 war als unzulässig zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da die durch die Beschwerde entstandenen Kosten einen Teil der Gesamtkosten des Rechtsstreits bilden, über die in der Entscheidung zur Hauptsache zu befinden ist (BGH, 12.12.2005 - II ZB 30/04 - NJW-RR 2006, 1289).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst sich nach § 3 ff. ZPO. Das Beschwerdegericht hat 1/5 des Streitwertes der Hauptsache zugrunde gelegt.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 72, 78 ArbGG besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

Zurück