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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.11.2002
Aktenzeichen: 10 (13) TaBV 59/02
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 97 Abs. 2
BetrVG § 81
Das Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. verlangt einen konkreten drohenden Qualifizierungsverlust der betroffenen Arbeitnehmer. Ein Bedarf nach betrieblicher Berufsbildung setzt voraus, dass die mit einer Maßnahme des Arbeitgebers verbundenen Änderungen der Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer so nachhaltig sind, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr ausreichen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Die Einweisung von Arbeitnehmern in die Tätigkeit an einer neu angeschafften Maschine, die bloße Bedienungsanleitung stellt keine betriebliche Berufsbildung im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. dar.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 (13) TaBV 59/02

Verkündet am: 08.11.2002

In dem Beschlussverfahren

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgrund der mündlichen Anhörung vom 08.11.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 08.03.2002 - 2 BV 41/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen der Elektrobranche mit Hauptsitz in D4xxxxxx. Insgesamt beschäftigt er ca. 400 Arbeitnehmer, davon rund 160 Arbeitnehmer in der Zweigniederlassung O1xxx.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der für den Betrieb O1xxx gewählte Betriebsrat, der aus sieben Mitgliedern besteht.

Im Betrieb O1xxx waren zum Zwecke der Blechbearbeitung bislang zwei CNC-Stanzen der Firma Trumpf vorhanden, an denen etwa vier bis fünf Mitarbeiter eingesetzt waren. Bei den Stanzen handelte es sich um je eine Stanze der Typen TC 180 und TC 240. Im Laufe des Jahres 2001 wurde die Stanze des älteren Typs TC 180 gegen eine neu angeschaffte CNC-Stanze der Firma Trumpf - TC 5000 - ausgetauscht. Das Neugerät wurde im August 2001 in O1xxx montiert und im September 2001 in Betrieb genommen.

Im Mai 2001 ließ der Arbeitgeber drei Arbeitnehmer, die Herren K1xxxxxxxx, J1xxxxx und D5xxxx, im Hause der Firma Trumpf im Rahmen eines rund zweiwöchigen Lehrganges in die Bedienung und Handhabung der neuen CNC-Stanze TC 5000 einweisen, wobei die Mitarbeiter K1xxxxxxxx und J1xxxxx auch zuvor schon mit der Blechbearbeitung an den vorhandenen Stanzen befasst waren, der Mitarbeiter D5xxxx hingegen nicht. Durch diese Auswahlentscheidung sah sich der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende S5xxxx H6xxxxxx, der überwiegend an der CNC-Stanze TC 240, jedoch zeitweise auch an der abgeschafften CNC-Stanze TC 180 eingesetzt war, aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit gezielt in seiner beruflichen Entwicklung benachteiligt und richtete aus diesem Grund unter dem 09.07.2001 eine entsprechende Beschwerde an den Betriebsrat. Verhandlungen über die Berechtigung dieser Beschwerde und etwaige Abhilfemöglichkeiten, gegebenenfalls auch im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens, lehnte der Arbeitgeber ab. Ein auf Antrag des Betriebsrats beim Arbeitsgericht eingeleitetes Verfahren nach § 98 ArbGG auf Einrichtung einer Einigungsstelle zur Behandlung der Beschwerde des Mitarbeiters H6xxxxxx - 2 BV 22/01 ArbG Bocholt - war erfolglos. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats - 10 TaBV 113/01 LAG Hamm - nahm der Betriebsrat zurück.

Mit Schreiben vom 13.11.2001 (Bl. 4 d.A.) forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber unter Hinweis auf die vorgenommene Neuanschaffung und die durchgeführten Einweisungsmaßnahmen - insbesondere im Hinblick auf die einseitig getroffene Auswahl der eingewiesenen Mitarbeiter - auf, mit ihm hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte aus § 97 BetrVG in Verhandlungen über Fragen der beruflichen Weiterbildung im CNC-Bereich zu treten. Dies lehnte der Arbeitgeber mit Schrieben vom 21.11.2001 (Bl. 5 d.A.) ab, da nach seiner Auffassung die bloße Einweisung in die Bedienung einer im Rahmen einer Ersatzbeschaffung erworbenen Maschine ein Mitbestimmungsrecht bezogen auf Fragen der betrieblichen Weiterbildung nicht auslöse.

Auf seiner Betriebsratssitzung vom 14.12.2001 fasste der Betriebsrat daraufhin den Beschluss, die Verhandlungen insoweit für gescheitert zu erklären und die Einigungsstelle anzurufen. Dies teilte er dem Arbeitgeber mit Schreiben vom 14.12.2001 (Bl. 6 d.A.) mit.

Mit dem am 18.12.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag macht der Betriebsrat schließlich die Einrichtung einer Einigungsstelle geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei der Neuanschaffung der CNC-Stanze TC 5000 handele es sich um eine Maßnahme, die mit einer so gravierenden Änderung der Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer einhergegangen sei, dass die bereits vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung dieser neuen Aufgabe nicht mehr ausgereicht hätten. Dies löse das in § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. beschriebene Mitbestimmungsrecht aus. Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung seien insbesondere deshalb erforderlich, weil der Arbeitgeber den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden H6xxxxxx bewusst und willkürlich nicht in die Bedienung der neuen CNC-Stanze TC 5000 habe einweisen lassen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Richter am Arbeitsgericht Münster D3. H7xxxxxxx zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Berufliche Weiterbildung im Bereich CNC" zu bestellen und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf drei festzusetzen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die verlangte Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Die Neuanschaffung einer CNC-Stanze und Einweisung von Mitarbeitern in diese Stanze sei keine berufliche Weiterbildung. Der Austausch eines bereits vorhandenen CNC-Blechbearbeitungszentrums gegen eine CNC-Maschine neueren Typs stehe nicht in kausalem Zusammenhang mit einer deutlichen Änderung des Anforderungsprofils. Es sei lediglich eine Einweisung in die Bedienung eines neuen Gerätes durchgeführt worden, um den Arbeitnehmern die zur Erfüllung der konkret zugewiesenen Arbeitsaufgabe notwendigen punktuellen Kenntnisse zu vermitteln. Die Einweisung der Mitarbeiter des Arbeitgebers sei darüber hinaus durch die Firma Trumpf vorgenommen worden. Auch insoweit liege keine betriebliche Bildungsmaßnahme vor. Die Trägerschaft der Einweisungsmaßnahme liege nicht beim Betrieb des Arbeitgebers.

Außerdem gelte das durch § 97 Abs. 2 BetrVG neu geschaffene Mitbestimmungsrecht erst seit dem 28.07.2001, zu diesem Zeitpunkt sei die Einweisungsmaßnahme aber bereits längst abgeschlossen gewesen. Letztlich gehe es dem Betriebsrat angesichts des erfolglos gebliebenen Verfahrens 2 BV 22/01 ArbG Bocholt nur darum, einen vermeintlichen Rechtsanspruch des Mitarbeiters H6xxxxxx über die Einigungsstelle durchzusetzen.

Durch Beschluss vom 08.03.2002 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die einzusetzende Einigungsstelle offenbar unzuständig, weil die durchgeführte Maßnahme nicht zu einem drohenden Qualifikationsverlust der betroffenen Arbeitnehmer führe. Ein Bedarf nach betrieblicher Berufsbildung nach § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. setze voraus, dass die mit der Maßnahme verbundenen Änderungen so nachhaltig seien, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr ausreichten, um ihre Aufgaben noch erfüllen zu können. Die im August/September 2001 in Betrieb genommene neue CNC-Stanze habe einen bloßen Einweisungsbedarf, nicht aber den Bedarf nach weitergehender betrieblicher Berufsbildung ausgelöst.

Gegen den dem Betriebsrat am 26.04.2002 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 10.05.2002 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei der Auswechslung der CNC-Maschine lediglich um eine Ersatzbeschaffung für eine bereits mit CNC-Technik betriebene Stanze handele. Dies ergebe sich aus der Gegenüberstellung der Fertigkeiten/Fähigkeiten der neuen CNC-Stanze TC 5000 gegenüber der alten CNC-Stanze TC 180. Bereits aus dieser Gegenüberstellung ergebe sich, dass es sich bei der Beschaffung der neuen CNC-Stanze TC 5000 um einen "Generationswechsel" der Maschinen handele. Die Stanze TC 5000 sei sechsmal so schnell wie das Vorgängermodell. Ferner könne die gesamte Anlage so programmiert werden, dass sie allein und unbeaufsichtigt Aufträge abarbeiten könne. Allein die entstehenden Fortbildungskosten in Höhe von 25.000,00 DM belegten, dass es sich nicht um eine schlichte Einweisung, sondern um eine Fortbildung handele. Der Mitarbeiter H6xxxxxx verfüge nicht über die für die Bedienung und Betätigung der CNC-Stanze TC 5000 notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bocholt vom 08.03.2002 - 2 BV 41/01 - den Richter am Arbeitsgericht Münster D3. H7xxxxxxx zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Berufliche Weiterbildung im Bereich CNC" zu bestellen und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf drei festzusetzen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass es vorliegend lediglich um eine Maßnahme der Einweisung in die Bedienung der neu angeschafften Stanze TC 5000 gehe. Diese Maßnahme stelle keine betriebliche Berufsbildung dar. Weder führe die Maßnahme dazu, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändere, noch dass die Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer maßnahmebedingt zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichten. Sowohl die neu angeschaffte Stanze TC 5000 sei eine Stanze wie die TC 180. Allerdings seien die Anwendungsmöglichkeiten der neu angeschafften Stanze vielfältiger, so dass es einer Einweisungsmaßnahme der betroffenen Mitarbeiter bedürfe. Dies verlange bereits der Hersteller, weil es ansonsten keine Garantiezeiten gegeben hätte. Derartige Einweisungen seien jedoch nach § 81 BetrVG mitbestimmungsfrei.

Der Mitarbeiter H6xxxxxx sei in der Vergangenheit regelmäßig an der CNC-Stanze TC 240 eingesetzt worden, die es im Betrieb des Arbeitgebers weiterhin gebe. Programmierkenntnisse würden von den an den CNC-Stanzen eingesetzten Mitarbeitern ohnehin nicht verlangt. Durch die Anschaffung und Inbetriebnahme der neuen CNC-Stanze TC 5000 erlitten die Mitarbeiter keinen Qualifikationsverlust.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergebe sich auch nicht aus der Rahmenbe-triebsvereinbarung vom 04.02.1987. Diese Rahmenbetriebsvereinbarung regele lediglich die Einführung, Anwendung und Änderung bestehender und zukünftiger EDV-gestützter Systeme. An der neuen CNC-Stanze TC 5000 könnten keine personenbezogenen und/oder -beziehbare Daten der Arbeitnehmer mit verarbeitet werden. Aus dieser Maschine könnten auch keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie viele Stunden der einzelne Mitarbeiter konkret an ihr gearbeitet habe. Die TC 5000 ermögliche weder eine Einzel- noch eine Gesamtstundenauswertung.

Schließlich sei die verlangte Einigungsstelle auch deshalb unzuständig, weil im vorliegenden Fall die Berufsbildungsmaßnahme nicht vom Arbeitgeber veranstaltet worden und der Arbeitgeber auch nicht Träger dieser Maßnahme gewesen sei.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats auf Einrichtung einer Einigungsstelle nicht stattgegeben und ihn als unbegründet zurückgewiesen.

1. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (LAG Berlin, Beschluss v. 18.02.1980 - AP Nr. 1 zu § 98 ArbGG 1979; LAG Hamburg, Beschluss v. 07.03.1985 - NZA 1985, 604 = DB 1985, 1798; LAG Hamm, Beschluss v. 16.04.1986 - BB 1986, 1359; LAG Niedersachsen, Beschluss v. 30.09.1988 - NZA 1989, 149; LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 07.08.1995 - NZA-RR 1996, 53; LAG Düsseldorf, Beschluss v. 10.02.1997 - NZA-RR 1998, 319; LAG Köln, Beschluss v. 13.01.1998 - AP Nr. 9 zu § 98 ArbGG 1979 = NZA 1998, 1018; LAG Berlin, Beschluss v. 22.06.1998 - NZA-RR 1999, 34; LAG Köln, Beschluss v. 19.08.1998 - AP Nr. 10 zu § 98 ArbGG 1979; LAG Köln, Beschluss v. 01.03.2001 - AP Nr. 11 zu § 98 ArbGG 1979; LAG Köln, Beschluss v. 05.12.2001 - NZA-RR 2002, 586; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 98 Rz. 11 m.w.N.).

2. Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass die einzurichtende Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. kommt jedenfalls im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG n.F. hat der Betriebsrat bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen geplant oder durchgeführt hat, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor.

a) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Einweisungsmaßnahme der betroffenen Mitarbeiter in der Firma Trumpf bereits im Mai 2001 und damit vor Inkrafttreten des Betriebsverfassungs-Reformgesetzes am 28.07.2001 stattgefunden hat. Das durch § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. neu geschaffene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung entsteht nicht erst dann, wenn der Arbeitgeber nach Inkrafttreten des Betriebsverfassungs-Reformgesetzes Maßnahmen im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG plant oder durchführt. Vielmehr greift das Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. bereits dann ein, wenn der Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen geplant oder durchgeführt hat. Ziel des geänderten § 97 Abs. 2 BetrVG ist es, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats generell bei vom Arbeitgeber geplanten oder durchgeführten Maßnahmen greift (BT-Drucks. 14/6352 S. 55).

b) Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch davon ausgegangen, dass bereits nach dem Wortlaut des § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG n.F. das Mitbestimmungsrecht allein durch "Maßnahmen" des Arbeitgebers ausgelöst wird, wobei der Begriff der Maßnahme weit zu verstehen ist. Das neu geschaffene Mitbestimmungsrecht ist nicht eng auf enumerativ genannte Sachverhalte beschränkt, sondern soll umfassend dann gewährleistet werden, wenn durch ein gestaltendes Tätigwerden des Arbeitgebers eine Diskrepanz zwischen seinen Anforderungen und dem Ausbildungsstand der Arbeitnehmer entsteht oder zu entstehen droht. Anknüpfungspunkt kann jede Maßnahme des Arbeitgebers sein, die die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert (Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 97 Rz. 11; Raab, GK-BetrVG, 7. Aufl., § 97 Rz. 15; Franzen, NZA 2001, 865, 867).

c) Auch wenn allein die Anschaffung einer neuen CNC-Stanze TC 5000 eine Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG n.F. darstellt, löst sie allein noch nicht das Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG aus. Voraussetzung für das Entstehen eines Mitbestimmungsrechts ist weiter, dass die durchgeführte Maßnahme dazu führt, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen.

Auch wenn weiter davon ausgegangen wird, dass die Anschaffung und Inbetriebnahme der neuen CNC-Stanze TC 5000 dazu führt, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert, was im Hinblick auf den Mitarbeiter H6xxxxxx schon zweifelhaft erscheint, weil dieser nach wie vor an der CNC-Stanze TC 240 eingesetzt werden soll, liegen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für das Entstehen des Mitbestimmungsrechts des § 97 Abs. 2 BetrVG nicht vor. § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG n.F. verlangt, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen. Dies setzt ein auf Maßnahmen des Arbeitgebers zurückzuführendes Qualifikationsdefizit der Arbeitnehmer voraus. Das Mitbestimmungsrecht setzt erst bei drohendem Qualifikationsverlust der betroffenen Arbeitnehmer ein. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss insoweit auf die Begründung zum Entwurf des Betriebsverfassungs-Reformgesetzes Bezug genommen. Sinn und Zweck der Norm des § 97 Abs. 2 BetrVG ist es, in arbeitgeberseitig veranlassten Fällen eines drohenden Qualifikationsverlustes der Arbeitnehmer den Betriebsrat nicht lediglich auf sein Widerspruchsrecht nach § 103 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BetrVG zu verweisen, soweit aus diesem Grund Kündigungen drohen. Der Betriebsrat soll vielmehr früh-zeitig und dadurch präventiv betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer durchsetzen können, um deren Beschäftigung zu sichern. Ein Bedarf nach betrieblicher Berufsbildung durch eine Maßnahme des Arbeitgebers setzt voraus, dass die mit der Maßnahme verbundenen Änderungen der Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer so nachhaltig sind, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr ausreichen, um ihre Aufgaben noch erfüllen zu können (BT-Drucks. 14/5741 S. 49, 50; vgl. auch Fitting, aaO, § 97 Rz. 15; Richardi/Thüsing, BetrVG, 8. Aufl., § 97 Rz. 9; Raab, aaO, § 97 Rz. 20; Löwisch, BB 2001, 1790, 1795; Franzen, NZA 2001, 865, 967 m.w.N.).

Auch die Beschwerdekammer hat einen Bedarf an beschäftigungssichernden Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung nicht feststellen können. Aus dem Vorbringen des Betriebsrats geht nicht hervor, dass die mit der Anschaffung der CNC-Stanze TC 5000 verbundenen Änderungen der Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer so nachhaltig sind, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr ausreichen, um ihre Aufgaben noch erfüllen zu können. Auch wenn der Mitarbeiter H6xxxxxx, um den es offenbar allein geht, ohne nähere Einweisung nicht in der Lage ist, die CNC-Stanze TC 5000 zu bedienen und zu betätigen, legt ein drohendes Qualifikationsdefizit nicht vor. Der Mitarbeiter H6xxxxxx soll nach wie vor an der CNC-Stanze TC 240 eingesetzt werden. Für einen derartigen Einsatz besitzt er die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen. Sollte er auch an der CNC-Stanze TC 5000 eingesetzt werden, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, ihn über seine konkrete Tätigkeit und Verantwortung zu unterrichten, ihn in die Tätigkeit an dieser neuen Stanze einzuweisen und zur Bedienung dieser neuen Stanze anzuleiten. Eine derartige Anleitung oder Einweisung fällt aber nicht unter die mitbestimmungspflichtige Berufsbildungsmaßnahmen im Sinne der §§ 96 ff. BetrVG. Auch hierauf hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht hingewiesen. Nicht vom Begriff der betrieblichen Berufsbildung umfasst sind Maßnahmen der Unterrichtung bzw. Einweisung bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz, wenn der Arbeitnehmer die dazu erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen grundsätzlich schon besitzt, ihm also auf der Grundlage bestehender Erfahrungen oder vorhandener Kenntnisse lediglich besondere Tätigkeiten im Betrieb zugewiesen werden. Derartige Anleitungen und Einweisungen stellen Maßnahmen nach § 81 BetrVG dar und sind mitbestimmungsfrei (BAG, Beschluss v. 23.04.1991 - AP Nr. 7 zu § 98 BetrVG 1972 - unter B. II. 2. der Gründe; BAG, Beschluss v. 28.01.1992 - AP Nr. 1 zu § 96 BetrVG 1972 - unter B . II. 1. der Gründe; ArbG Hamburg, Beschluss v. 29.05.1981 - BB 1981, 1213; Fitting, aaO, § 97 Rz. 14; Franzen, NZA 2001, 865, 967 m.w.N.).

Nur einen solchen Einweisungsbedarf, nicht aber einen beschäftigungssichernden Bedarf nach weitergehender betrieblicher Berufsbildung, hat der im Sommer 2001 vorgenommene Austausch einer CNC-Stanze älteren Typs gegen ein neueres Modell ausgelöst. Neben dem Mitarbeiter H6xxxxxx können auch etwa vorhandene weitere an den CNC-Stanzen bislang eingesetzten Arbeitnehmer bei Bedarf betriebsintern oder betriebsextern in kurzer Zeit eingewiesen werden, wenn sie an der neuen CNC-Stanze TC 5000 eingesetzt werden sollen, da sie über die dazu notwendigen grundlegenden Kenntnisse und Erfahrungen in der CNC-Technik bereits verfügen. Durch die Anschaffung und Inbetriebnahme der neuen CNC-Stanze TC 5000 wird das vorhandene Qualifikationsprofil der betroffenen Arbeitnehmer nicht erheblich umgestaltet. Die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer sind durch die Anschaffung der neuen Stanze nicht unzureichend geworden, da die Bedienung dieser Stanze lediglich einen vom Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG nicht umfassten Einweisungsbedarf erfordert.

d) Im Übrigen besteht das Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG nur bei Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung. Dieser Begriff "betrieblich" ist nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Entscheidend ist nicht der Ort der Bildungsmaßnahme, sondern ob der Arbeitgeber Träger oder Veranstalter der Maßnahme ist und die Maßnahme für seine Arbeitnehmer durchführt oder - bei Zusammenarbeit mit Dritten - auf Inhalt und Durchführung der Maßnahme rechtlich oder tatsächlich einen beherrschenden Einfluss hat. Führt dagegen ein Dritter in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber eine Berufsbildungsmaßnahme durch, auf die der Arbeitgeber keinen beherrschenden Einfluss hat, liegt keine betriebliche Maßnahme vor (BAG, Beschluss v. 04.12.1990 - AP Nr. 1 zu § 97 BetrVG 1972 - unter II. 2. c) der Gründe; BAG, Beschluss v. 18.04.2000 - AP Nr. 9 zu § 98 BetrVG 1972 - unter B. I. 2. a) bb) der Gründe; Fitting, aaO, § 98 Rz. 6; Richardi/Thüsing, aaO, § 97 Rz. 6 m.w.N.). Nicht im Anwendungsbereich des § 97 Abs. 2 BetrVG liegt die Begründung von Ansprüchen der Arbeitnehmer auf Qualifizierung und Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen (Löwisch, BB 2001, 1790, 1795).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Qualifizierungsmaßnahme vom Hersteller der CNC-Stanze TC 5000 durchgeführt wurde. Sie wurde vom Hersteller gefordert, weil es andernfalls keine Garantie gegeben hätte. Auch insoweit liegt keine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. vor. Ein etwaiges, in diesem Zusammenhang bestehendes Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der an der Qualifizierungsmaßnahme teilnehmenden Mitarbeiter nach § 98 Abs. 3 BetrVG (vgl. hierzu: BAG, Beschluss v. 08.12.1997 - AP Nr. 4 zu § 98 BetrVG 1972; Fitting, aaO, § 98 Rz. 28 ff.; Raab, aaO, § 97 Rz. 22 m.w.N.) konnte vorliegend dahinstehen, weil die vom Arbeitgeber durchgeführte Maßnahme im Mai 2001 abgeschlossen war und insoweit derzeit kein Regelungsbedarf besteht.

Schließlich ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch nicht aus der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 04.02.1997. Diese Rahmenbetriebsvereinbarung regelt lediglich die Einführung, Anwendung und Änderung EDV-gestützter Systeme. Der Arbeitgeber hat auch unwidersprochen vorgetragen, dass an der neuen CNC-Stanze TC 5000 keine personenbezogenen und/oder -beziehbare Daten der Arbeitnehmer mitverarbeitet werden können. Aus der CNC-Stanze TC 5000 können auch keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie viele Stunden der einzelne Mitarbeiter konkret an ihr gearbeitet hat.

Ende der Entscheidung

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