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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.08.2003
Aktenzeichen: 10 Sa 141/03
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 37 Abs. 6 | |
BetrVG § 40 |
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 11.08.2003
In Sachen
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 04.07.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum sowie die ehrenamtliche Richterin Schreckenberg und den ehrenamtlichen Richter Himmelmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 12.12.2002 - 3 Ca 1484/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit der Teilnahme an einer Betriebsratsschulung.
Der am 16.11.1957 geborene Kläger ist seit dem 02.10.1989 im Betrieb der Beklagten, einem Unternehmen der Metallindustrie, als Arbeiter zu einem Stundenlohn von zuletzt 18,35 € beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten, in dem ca. 440 Mitarbeiter beschäftigt sind, werden Rolltreppen und Rollsteige hergestellt und vertrieben.
Seit dem 01.01.2002 ist der Kläger Mitglied des aus 11 Personen bestehenden Betriebsrates.
Im Frühjahr 2002 fanden Tarifauseinandersetzungen in der Metall- und Elektroindustrie statt.
Aufgrund einer an alle Betriebsratsgremien der Metallbetriebe der IG Metall Gevels-berg-Hattingen gerichteten "Einladung zum Tagesseminar: Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf" vom 26.03.2002 (Bl. 6,7 d.A.) fasste der Betriebsrat am 03.04.2002 den Beschluss (Bl. 27 d.A.), den Kläger zu dem am 15.04.2002 im IG Metall Bildungszentrum, Sprockhövel, stattfindenden eintägigen Seminar zu entsenden. Auf die Einladung der IG Metall vom 26.03.2002 (Bl. 6 f.d.A.) sowie den Betriebsrats-beschluss vom 03.04.2002 (Bl. 27 d.A.) wird Bezug genommen.
Nachdem der Betriebsrat der Beklagten über den Beschluss vom 03.04.2002 Mitteilung gemacht hatte (Bl. 10 d.A.), widersprach diese mit Schreiben vom 08.04.2002 (Bl. 9 d.A.) einer Teilnahme des Klägers an dem streitigen Seminar und teilte dem Betriebsrat mit, dass für die Teilnahme an diesem Seminar keine Kosten, insbesondere keine Entgeltfortzahlung und Seminargebühren, übernommen würden. Mit Schreiben vom 10.04.2002 (Bl. 8 d.A.) hielt der Betriebsrat an seinem Beschluss vom 03.04.2002 fest.
Am 15.04.2002 nahm der Kläger an dem ganztätigen Seminar in Sprockhövel teil.
Zum Zeitpunkt dieser Teilnahme an dem streitigen Seminar vom 15.04.2002 hatte die IG Metall im Rahmen der Tarifrunde 2002 die Gebiete Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg zu "Kampfgebieten" erklärt.
Für den 15.04.2002 zahlte die Beklagte an den Kläger kein Arbeitsentgelt.
Mit Schreiben vom 21.05.2002 (Bl. 5 d.A.) machte der Kläger für den 15.04.2002 seinen Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 137,63 € brutto geltend.
Nachdem die Beklagte eine Zahlung abgelehnt hatte, erhob der Kläger am 17.06.2002 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Teilnahme an dem Seminar vom 15.04.2002 sei erforderlich gewesen, da die Schulungsmaßnahme Kenntnisse vermittelt habe, die für die Arbeit eines Betriebsratsmitgliedes erforderlich seien. Unstreitig habe es im April 2002 Tarifauseinandersetzungen in der Metall- und Elektroindustrie gegeben. Hieraus habe sich ein aktueller Schulungsbedarf ergeben. Arbeitskämpfe seien nicht an der Tagesordnung, entsprechende Maßnahmen fänden plötzlich und unangekündigt statt, so dass ein Betriebsrat in einem potentiellen Arbeitskampfgebiet auch ständig damit rechnen müsse. Auch in Nordrhein-Westfalen habe es Warnstreiks gegeben, es habe auch mit Fernwirkungen von Arbeitskampfmaßnahmen gerechnet werden müssen.
Eine konkrete Aufgabenaufteilung im Betriebsrat, wonach er, der Kläger, für Themen, wie sie in der streitigen Schulungsveranstaltung behandelt worden seien, zuständig sei, habe es im Betriebsrat nicht gegeben. Der Betriebsrat habe seinerzeit erwogen, dass ein Mitglied an der Schulungsmaßnahme teilnehmen solle, weil dies für erforderlich gehalten worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 137,63 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.05.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe die eingeklagte Vergütung auch nicht nach § 37 Abs. 6 BetrVG zu, da die Schulungsveranstaltung in keiner Weise für die Betriebsratsarbeit erforderlich gewesen sei. In Nordrhein-Westfalen habe im Rahmen der Tarifauseinandersetzungen 2002 kein Arbeitskampf stattgefunden, von der IG Metall seien unstreitig die Gebiete Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg zu "Kampfgebieten" erklärt worden. Insbesondere seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb gerade der Betrieb der Beklagten Opfer von Arbeitskampfmaß-nahmen hätte werden sollen. Ein Schulungserfordernis wegen der rein theoretischen Möglichkeit eines Arbeitskampfes im Betrieb der Beklagten sei nicht gegeben. Die vom Kläger am 15.04.2002 besuchte Schulungsveranstaltung sei allenfalls für die Betriebsratsarbeit nützlich und geeignet gewesen, nicht jedoch erforderlich.
Im Übrigen habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, welche konkreten Lehrinhalte sich hinter den in der Einladung angegebenen Themen verbergen würden.
Darüber hinaus bestehe der Betriebsrat zur Hälfte aus Mitgliedern, die schon 10 bis 15 Jahre im Betriebsrat seien und sich im Zweifel auch mit der Thematik, die Gegenstand der Schulung gewesen sei, auskennten, da es in der Vergangenheit hin und wieder schon mal Warnstreiks auch im Betrieb der Beklagten gegeben habe.
Durch Urteil vom 12.12.2002 hat das Arbeitsgericht unter Zulassung der Berufung zum Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe der eingeklagte Lohn nicht zu, weil die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung vom 15.04.2002 nach den konkreten Umständen zum Zeitpunkt der Schulung im Betrieb der Beklagten nicht erforderlich gewesen sei. Aus dem Vortrag des Klägers sei nicht erkennbar, weshalb der Betrieb der Beklagten von Arbeitskampfmaßnahmen hätte betroffen sein sollen. In Nordrhein-Westfalen hätten im Frühjahr 2002 in der Metall- und Elektroindustrie keine Arbeitskampfmaßnahmen stattgefunden. Zum Zeitpunkt der Schulungsmaßnahme sei auch nicht absehbar gewesen, dass Arbeitskampfmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen stattfinden würden. Aus dem Vortrag des Klägers werde auch nicht deutlich, weshalb konkret der Betrieb der Beklagten von Fernwirkungen des Arbeitskampfes in Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg hätte betroffen sein sollen. Für die Erforderlichkeit einer Schulung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG sei ein konkreter Bezug zu möglichen Arbeitskampfmaßnahmen im eigenen Betrieb notwendig. Eine Schulung allein "auf Vorrat" für rein theoretisch mögliche Arbeitskampfmaßnahmen könne zwar als geeignet und nützlich im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG angesehen werden, nicht jedoch als erforderlich nach § 37 Abs. 6 BetrVG.
Gegen das dem Kläger am 09.01.2003 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Kläger am 28.01.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 06.03.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, seine Teilnahme an der streitigen Schulungsveranstaltung vom 15.04.2002 sei erforderlich gewesen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, bei den auf dem Seminar vom 15.04.2002 vermittelten Kenntnissen handele es sich um Grundkenntnisse, über die ein Betriebsratsmitglied verfügen müsse. Jedes neue Betriebsratsmitglied müsse über Grundkenntnisse, wie sie hier vermittelt worden seien, verfügen, damit es die Stellung des Betriebsrates innerhalb des Systems der verschiedenen handelnden Personen (Gewerkschaften, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Arbeitgeberverbände, Staat) einordnen und sein Handeln danach ausrichten könne. Auf dem streitigen Seminar seien Kenntnisse über die Neutralitätspflicht des Betriebsrates nach § 74 Abs. 2 BetrVG, über Mitbestimmungsrechte und Pflichten des Betriebsrates in Streikbetrieben, aber auch über die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in nichtbestreikten Betrieben behandelt worden. Ferner seien Informationsansprüche des Betriebsrates im Hinblick auf Fernwirkungen des Arbeitskampfes, die Betriebsrisikolehre des Bundesarbeitsgerichts, Kurzarbeitsregeln des Manteltarifvertrages und die Rechte des Betriebsrates bei arbeitskampfbedingter Kurzarbeit, die Pflichten des Arbeitgebers gegenüber Arbeitsämtern und die Beteiligung des Betriebsrates bei personellen Einzelmaßnahmen nach den §§ 99, 102 BetrVG behandelt worden. All diese Themen gehörten zu den Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts.
Darüber hinaus, so meint der Kläger, liege aber auch ein konkreter Bezug zu möglichen Arbeitskampmaßnahmen im Betrieb der Beklagten vor. Dabei sei es zu eng, Schulungsmaßnahmen nur dann für erforderlich zu halten, wenn das Betriebsratsmitglied konkret drohende Streiks oder Folgewirkungen hieraus darlegen und beweisen könne. Vorliegend seien gleichartige Tarifforderungen wie in den Tarifgebieten Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg bundesweit, auch in Nordrhein-Westfalen, erhoben worden. Zwar seien zunächst nur einzelne Tarifbezirke zum Kampfgebiet erklärt worden. Eine bundesweite Auswirkung sei aber gleichwohl nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch gegeben gewesen. Zum Zeitpunkt der Teilnahme des Klägers an dem fraglichen Seminar vom 15.04.2002 sei innerhalb der IG Metall noch in der Diskussion gewesen, ob das Kampfgebiet auch auf Nordrhein-Westfalen ausgeweitet werden sollte.
Darüber hinaus sei nicht abschätzbar gewesen, ob und zu welchen Fernwirkungen es kommen würde. Das Arbeitsgericht habe bereits insoweit zutreffend erkannt, dass Arbeitskampfmaßnahmen aus Sicht eines betroffenen Betriebes sehr plötzlich ergriffen werden könnten, ebenso könnten auch Fernwirkungen in einem Betrieb plötzlich eintreten. Demzufolge seien bestimmte Kenntnisse, wie sie auf dem Seminar vermittelt worden seien, nicht nur nützlich, sondern auch erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 12.12.2002 - 3 Ca 1484/02 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 137,63 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.05.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und ist zunächst der Auffassung, dass auf dem streitigen Seminar keine Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht vermittelt worden seien, vielmehr hätten die in der Einladung der IG Metall angeführten Themen Spezialkenntnisse vermittelt. Beim Arbeitskampfrecht handele es sich um ein Spezialthema des Arbeitsrechts. Dies gelte auch für die Rollenverteilung zwischen betrieblicher Interessenvertretung (Betriebsrat) und überbetrieblicher Interessen-vertretung (Gewerkschaften). Auch Kenntnisse über die Neutralitätspflicht nach § 74 Abs. 2 BetrVG seien nicht als Grundkenntnisse im Hinblick auf die Betriebsratstätigkeit anzusehen, diese Neutralitätspflicht beziehe sich ausdrücklich auf den Arbeitskampf.
Auch aus dem Berufungsvorbringen des Klägers ergebe sich nicht, dass die Teilnahme des Klägers an dem streitigen Seminar erforderlich gewesen sei. Das Arbeitsgericht habe zutreffend auf die konkreten Umstände im Betrieb der Beklagten zum Zeitpunkt der Schulungsmaßnahme abgestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Betrieb der Beklagten in keinster Weise von Arbeitskampfmaßnahmen betroffen gewesen. Unstreitig seien lediglich die Tarifgebiete Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg zu Kampfge-bieten erklärt worden. Nach dem Vorbringen des Klägers seien auch vermeintliche Fernwirkungen, über deren Auswirkungen das Seminar informieren sollte, lediglich in den Bereich des Möglichen gestellt worden. Der Betrieb der Beklagten habe im Frühjahr 2002 keine Zulieferer aus Berlin-Brandenburg oder aus Baden-Württemberg gehabt. Die Darstellung des Klägers beschränke sich auf die rein theoretische Möglichkeit, dass auch die Beklagte von Arbeitskampfmaßnahmen hätte betroffen werden können. Dies sei aber für die Erforderlichkeit im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG unzureichend.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG kraft ausdrücklicher Zulassung der Berufung im Tenor des angefochtenen Urteils an sich statthafte und auch sonst form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage des Klägers auf Zahlung seines Arbeitsentgelts für die Teilnahme am Seminar am 15.04.2002 abgewiesen.
Der Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus den §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 2 und 6 BetrVG. Hiernach hat der Arbeitgeber u.a. die Vergütung für das Betriebsratsmitglied fortzuzahlen für den Zeitraum der Teilnahme an einer erforderlichen Schulungsmaßnahme nach § 37 Abs. 6, bei der Kenntnisse vermittelt werden, die sich auf die Arbeit des Betriebes beziehen.
I
Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG zur Tätigkeit des Betriebsrates im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG gehört und daher Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind (BAG, Beschluss vom 31.10.1972 - AP Nr. 2 zu § 40 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 15.01.1992 - AP Nr. 41 zu § 40 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - AP Nr. 48 zu § 40 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 40 Rz. 66; Eisemann, ErfK, 3. Aufl., § 40 BetrVG Rz. 9; Wiese/Weber, GK-BetrVG, 7. Aufl., § 37 Rz. 197 m.w.N.).
Nach § 37 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied auch Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit der Teilnahme an einer erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltung. Der Vergütungsanspruch des Betriebsratsmitglieds bei Teilnahme an einer erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG richtet sich nach Abs. 2 des § 37 BetrVG (BAG, Urteil vom 31.07.1986 - AP Nr. 55 zu § 37 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 182 f.; Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 21 m.w.N.).
II
Voraussetzung für eine Kostenerstattungspflicht des Arbeitgebers ist allerdings, dass in der Schulungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt worden sind, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigte, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG, Beschluss vom 09.10.1973 - AP Nr. 4 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 27.09.1974 - AP Nr. 6 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 27.09.1974 - AP Nr. 18 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP Nr. 67 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP Nr. 106 zu § 37 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 140, 141; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 156 f.; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 8. Aufl., § 37 Rz. 92 ff.; Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16 m.w.N.).
Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sind unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (BAG, Beschluss vom 21.11.1978 - AP Nr. 35 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP Nr. 67 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP Nr. 113 zu § 37 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 143 f.; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 164 ff.; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 37 Rz. 95 ff.; Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17 m.w.N.). Auch die Vermittlung von Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets, ohne einen aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP Nr. 154 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 144; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 166; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 96; Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt. Dies gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP Nr. 54 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP Nr. 67 zu § 37 BetrVG 1972 unter I. 1. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP Nr. 118 zu § 37 BetrVG 1972 unter B. 2. der Gründe; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 174; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 195; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127; Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilnahme des Klägers an dem Betriebsräteseminar vom 15.04.2002 nicht erforderlich gewesen ist. Nach Auffassung der Berufungskammer sind auf dem streitigen Seminar keine Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht vermittelt worden. Auch konnte kein konkreter, aktueller, betriebsbezogener Anlass, den Kläger zu der Schulungsveranstaltung "Rechte und Pflichten des Betriebsrates im Arbeitskampf" vom 15.04.2202 zu entsenden, festgestellt werden.
a) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die Berufungskammer der Ansicht, dass die konkrete Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs des Klägers nicht deshalb nicht erforderlich ist, weil auf dem Tagesseminar vom 15.04.2002 Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht vermittelt worden sind.
Bei den auf dem Tagesseminar vom 15.04.2002 behandelten Themen handelt es sich vielmehr um Spezialkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts und des Arbeitsrechts, für die es eines konkreten, betriebsbezogenen Anlasses bedarf, um die Erforderlichkeit der Kenntnisvermittlung festzustellen. Die Kenntnis des Arbeitskampfrechts ist nicht die gesetzliche Grundlage der Tätigkeit eines Betriebsrates und damit nicht unabdingbare Notwendigkeit für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit. Auch wenn die auf dem Tagesseminar behandelten Themen die Neutralitätspflicht des Betriebsrates nach § 74 Abs. 2 BetrVG, Informationsansprüche des Betriebsrates, Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz betrafen, sind diese Themen jedoch immer im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf behandelt worden. Betriebsverfassungsrechtliche Informationsrechte, Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit Arbeitskampfmaßnahmen erscheinen der Berufungskammer jedoch nicht unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit zu sein. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang auch nicht dargelegt, inwieweit er seine gesetzlichen Aufgaben nur dann sachgemäß wahrnehmen kann, wenn er über die auf dem Tagesseminar vom 15.04.2002 vermittelten Kenntnisse verfügt. Dass er erst seit dem 01.01.2002 Betriebsratsmitglied ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger hat nämlich nicht dargelegt, dass er über überhaupt keine Kenntnisse und Erfahrungen im Betriebsverfassungsrecht verfügt und an keinem Seminar teilgenommen hat, in dem Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht und dem allgemeinen Arbeitsrecht vermittelt worden sind.
b) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat auch die Berufungskammer ebenso wie das Arbeitsgericht einen konkreten, aktuellen, betriebsbezogenen Anlass, den Kläger zu dem Tagesseminar vom 15.04.2002 zu entsenden, nicht feststellen können.
aa) Zwar kann grundsätzlich eine Schulungsveranstaltung mit dem Thema "Rechte und Pflichten des Betriebsrates im Arbeitskampf" für die Arbeit des Betriebsrates erforderliche Kenntnisse vermitteln. Unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Betriebes und des Betriebsrates kann es erforderlich sein, dass der Betriebsrat Kenntnisse benötigt, um seine Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte auch im Zusammenhang mit Arbeitskampfmaßnahmen sach- und fachgerecht auszuüben (vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 108). Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein Betrieb eines Arbeitgebers direkt von Arbeitskampfmaßnahmen betroffen ist, wie auch für den Fall von arbeitskampfbedingter Kurzarbeit und sonstigen Fernwirkungen des Arbeitskampfes.
bb) Der Kläger hat es jedoch auch im Berufungsverfahren nicht vermocht, in ausreichender Weise darzulegen, warum es für eine sachgemäße Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben im Betrieb der Beklagten konkret und aktuell erforderlich gewesen ist, ihn zu der Tagesveranstaltung vom 15.04.2002 zu entsenden. Aus welchen Gründen die Teilnahme des Klägers an dem Tagesseminar "Rechte und Pflichten des Betriebsrates im Arbeitskampf" gerade für die aktuelle Betriebsratsarbeit erforderlich gewesen ist, ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsvorbringen.
Der Umstand, dass im Frühjahr 2002 im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Tarifauseinandersetzungen stattfanden, kann die Erforderlichkeit der Schulungsmaßnahme allein nicht begründen. Die Tarifauseinandersetzungen im Rahmen der Lohnrunde 2002 waren auf die Gebiete Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg beschränkt. Nur in diesen Gebieten waren Arbeitskampfmaßnahmen zu erwarten. Dass auch in anderen Tarifgebieten - etwa in Nordrhein-Westfalen - gleiche Tarifforderungen erhoben worden waren, ist insoweit unbeachtlich. Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor der Berufungskammer selbst mitgeteilt, dass es zum Zeitpunkt seiner Teilnahme an dem fraglichen Seminar vom 15.04.2002 lediglich "in der Diskussion" gewesen sei, ob das Kampfgebiet auch auf Nordrhein-Westfalen ausgeweitet werden sollte. Tatsächlich hat jedoch in Nordrhein-Westfalen kein Arbeitskampf stattgefunden. Auch unter Berücksichtigung des dem Betriebsrat zustehenden Beurteilungsspielraumes war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrates über die Entsendung des Klägers zu dem Tagesseminar vom 15.04.2002 nicht vorhersehbar, dass Nordrhein-Westfalen zum Streikgebiet erklärt werden würde. Auch dies hat der Kläger bei seiner Anhörung vor der Berufungskammer selbst erklärt. Arbeitskampfmaßnahmen im Betrieb der Beklagten waren damit zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrates am 03.04.2002 nicht vorhersehbar. Dieser Zeitpunkt ist für die Frage der Beurteilung der Erforderlichkeit jedoch der entscheidende (BAG, Urteil vom 16.03.1988 - AP Nr. 63 zu § 37 BetrVG 1972 unter II. 2. der Gründe).
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Entsendung des Klägers zu dem Tagesseminar vom 15.04.2002 war auch nicht vorhersehbar, ob und in welcher Weise gegebenenfalls der Betrieb der Beklagten von Fernwirkungen im Zusammenhang mit Arbeitskampmaßnahmen aus Anlass der tariflichen Auseinandersetzung 2002 betroffen sein würde. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Beklagte keine Produkte aus Zulieferbetrieben aus Berlin-Brandenburg oder aus Baden-Württemberg bezieht; allein diese Gebiete waren von der IG Metall zu Arbeitskampfgebieten erklärt worden. Der Betriebsrat konnte zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung nicht davon ausgehen, dass der Betrieb der Beklagten in absehbarer Zeit von Fernwirkungen eines zu erwartenden Arbeitskampfes betroffen sein würde. Entscheidend sind die aktuellen Verhältnisse des einzelnen Betriebes. Insoweit genügt nicht, dass die theoretische Möglichkeit besteht, dass Kenntnisse der auf dem Tagesseminar vermittelten Art unter Umständen erforderlich sein könnten. Eine bloße akstrakte Möglichkeit einer Verwertung der durch die Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse begründet nicht deren Erforderlichkeit (BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP Nr. 106 zu § 37 BetrVG 1972; vgl. auch BAG, Beschluss vom 04.06.2003 - 7 ABR 42/02 - Pressemitteilung Nr. 42/03; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 159; Däubler/Kittner/Klebe/ Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 100; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 146). Dass der Betrieb der Beklagten in absehbarer Zeit von Fernwirkungen des bevorstehenden Arbeitskampfes betroffen sein würde, ist vom Kläger jedoch nicht dargelegt worden.
Der Kläger hat auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen der Betriebsrat gerade ihn, den Kläger, zu der streitigen Schulungsveranstaltung entsendet hat. Allein der Umstand, dass der Kläger sich in der Betriebsratssitzung vom 03.04.2002 dazu bereit erklärt hat, an der Schulungsveranstaltung teilzunehmen, reicht für die Erforderlichkeit im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG nicht aus. Die Erforderlichkeit der Vermittlung von Kenntnissen zu bestimmten Themen ist nicht identisch mit der Erforderlichkeit der Entsendung eines bestimmten ausgewählten Betriebsratsmitglieds. Hat etwa ein vom Betriebsrat ausgewähltes Betriebsratsmitglied bestimmte persönliche Vorkenntnisse, etwa durch den Besuch anderer Veranstaltungen nach § 37 Abs. 6 oder 7 BetrVG, kann es an der Erforderlichkeit fehlen (BAG, Beschluss vom 16.10. 1986 - AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972). In diesem Zusammenhang hat die Beklagte bereits erstinstanzlich unstreitig vorgetragen, dass der Betriebsrat zur Hälfte aus Mitgliedern bestehe, die schon 10 bis 15 Jahre im Betriebsrat seien und sich im Zweifel auch mit der Thematik, die Gegenstand der Schulung vom 15.04.2002 gewesen sei, auskennten, da es in der Vergangenheit hin und wieder auch schon Warnstreiks im Betrieb der Beklagten gegeben habe. Angesichts dieses Vorbringens der Beklagten hätte der Kläger näher darlegen müssen, dass gerade seine Teilnahme an der Schulungsveranstaltung vom 15.04.2002 erforderlich gewesen ist. Sind im Betriebsrat Mitglieder vorhanden, die über einen ausreichenden Wissensstand über die Rechte und Pflichten des Betriebsrates während eines Arbeitskampfes verfügen, auch wenn dieses Wissen auf Erfahrungswissen beruht, das durch langjährige Tätigkeit im Betriebsrat erworben wurde, war die Entsendung des Klägers zu der Schulungsveranstaltung vom 15.04.2002 nicht - mehr - erforderlich. Auch insoweit fehlt es an einem ausreichenden Sachvortrag seitens des Klägers. Sein Hinweis darauf , dass Arbeitskampfmaßnahmen aus der Sicht eines betroffenen Betriebes sehr plötzlich ergriffen werden könnten und demzufolge auch Fernwirkungen entsprechend plötzlich aufträten, ist auch aus diesem Grunde unbeachtlich.
III
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Berufungskammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Ende der Entscheidung
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