Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.02.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 1956/05
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 611
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 15.06.2005 - 2 Ca 1551/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung sowie über einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Der am 07.10.1952 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 19.06.1990 bei der Beklagten, die mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigte, zunächst als Einrichter beschäftigt. Seit dem 01.10.1999 wurde er - nach einer entsprechenden Leistungsbeurteilung (Bl. 99 d.A.) - zunächst probeweise mit der Leitung der sogenannten "Bandseite" betraut. Die endgültige Übertragung dieser Aufgabe erfolgte - nach Verlängerung der Probezeit bis zum 31.10.2000 - rückwirkend mit Wirkung zum 01.10.2000. Unter dem 14.11.2000 schlossen die Parteien einen neuen Anstellungsvertrag (Bl. 14 ff.d.A.) über eine Tätigkeit als "Gruppenbetreuer Bandseite" bei gleichzeitiger Eingruppierung in die Tarifgruppe M 2 des Gehaltsrahmenabkommens für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalen. In der Aufgabenbeschreibung wird die Tätigkeit des Klägers als "Segmentbetreuer" bezeichnet.

Mit Wirkung zum 01.04.2003 wurde dem Kläger zusätzlich zu seiner Verantwortung als Segmentbetreuer für die Bandseite I und II auch die Verantwortung für den Bereich Kupplungsbauteile übertragen (Bl. 20 d.A.).

Der Kläger erzielte zuletzt einen Verdienst von monatlich 3.150,00 € brutto. Wegen der zutreffenden Eingruppierung des Klägers ist ein Klageverfahren zwischen den Parteien beim Arbeitsgericht Siegen - 2 Ca 1673/04 - anhängig.

Die endgültige Übertragung der Tätigkeit eines Segmentbetreuers zunächst für die Bandseite sowie die spätere Erweiterung auf den Bereich Kupplungsbauteile erfolgte, obwohl seitens der Beklagten stets eine Führungsschwäche des Klägers bemängelt wurde. Aufgrund einer entsprechenden Beurteilung des damaligen Werkleiters Sxxxxx wurde die Probezeit bis zum 31.10.2000 verlängert. In einer Gesprächsnotiz über das Wochengespräch zwischen Betriebrat einerseits, Werksleitung und Personalleitung der Beklagten andererseits vom 11.09.2001 (Bl. 125 d.A.) heißt es u.a.:

"Bandseite

Seitens des Betriebsrats wird auf das Verhalten von Herrn N1xxx hingewiesen. Probleme kommen immer wieder auf, weil vom Meister und der Werkstattschreiberin keine klare Richtung in der Entlohnung erfolgt. Herr G2xx wird ein Gespräch mit Herrn N1xxx zu den Führungsproblemen führen."

In einem zwischen dem inzwischen neu eingestellten Werksleiter G2xx und dem Kläger geführten Personalgespräch vom 08.11.2002 räumte der Kläger Schwächen beim Umgang mit schwierigen Mitarbeitern sowie der Durchsetzung von Anweisungen ein (Bl. 47 d.A.).

In einem Gespräch vom 17.04.2003 bot der Werksleiter dem Kläger eine Rückkehr zu seiner früheren Tätigkeit als Einrichter an (Bl. 9 d.A.).

Im Protokoll über das Wochengespräch zwischen Betriebsrat und Werks- und Personalleitung vom 16./18.03.2004 (Bl. 55 d.A.) heißt es u.a.:

"Bewertung Bandseite

Die Mitarbeiter der Bandseite wurden über die "Auswirkungen der neuen Entlohnung" nicht informiert. Auch die Regelung der Rückzahlungsmodalitäten wurden den Mitarbeitern nicht erklärt.

Die getroffenen Regelungen im Hinblick auf die 1. Bewertung sind aus Sicht des BR für die Mitarbeiter sehr demotivierend. Deshalb sollten diese Regelungen überarbeitet werden."

Am 01.04.2004 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, seinem direkten Vorgesetzten S7xxxxx, dem Werksleiter G2xx sowie dem Personalleiter S8xxxxx statt, das in einem Schreiben der Beklagten vom 04.05.2004 zusammen mit einem weiteren Gespräch zwischen dem Kläger, dem Werksleiter und dem Personalleiter vom 22.04.2004 von der Beklagten zusammengefasst wurde. In diesem Schreiben (Bl. 68 f.d.A.) heißt es u.a.:

"In der Vergangenheit haben wir Ihnen in einer Vielzahl von Gesprächen Hinweise zu unseren Erwartungen gegeben und Sie gebeten, sich mit den erkannten Defiziten auseinander zu setzen. Die Ihnen gebotene Gelegenheit, sich im gemeinsamen Segmentbetreuer-Coaching bzw. in einem Einzelgespräch mit dem Coach Ihre Weiterentwicklung voranzutreiben, haben Sie verstreichen lassen.

Unter diesen Voraussetzungen sehen wir - zusammengefasst - keine Basis für eine dauerhaft zufriedenstellende Zusammenarbeit. In Kürze werden wir Sie deshalb von Ihrer Aufgabe entbinden.

Wir haben Sie anlässlich unseres Gespräches darauf hingewiesen, dass wir nach Ihrer Ablösung von der jetzigen Aufgabe keine Möglichkeit sehen Sie weiterzubeschäftigen und Sie deshalb gebeten, sich um eine andere Aufgabe außerhalb des Unternehmens zu bemühen. Spätestens Ende Juli 2004 werden wir, wenn wir von Ihnen keine anderweitige Information erhalten haben, das Kündigungsverfahren einleiten. Sollten Sie bereits jetzt die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses wünschen, bitten wir Sie um eine entsprechende Information.

Wir bedauern außerordentlich, dass diese Situation eingetreten ist und hoffen, dass Sie so bald wie möglich eine Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Aufgabe finden."

Am 19.07.2004 verließ der Kläger von ca. 10.35 Uhr bis ca. 11.05 Uhr - einschließlich Wegezeiten zum Werkseingang - seinen Arbeitsplatz wegen eines Gespräches, das er mit seiner Ehefrau und dem Mitarbeiter K2xxx führte. Einzelheiten des Gesprächs sowie der Ort des Gespräches sind zwischen den Parteien streitig. Der Kläger dokumentierte seine Abwesenheit vom Arbeitsplatz nicht in der Zeiterfassung.

Mit einer E-Mail vom 29.07.2004 (Bl. 226 d.A.) teilte der Kläger der Beklagten folgendes mit:

"Hallo Frau W5xxxxx

von der richtig ermittelten Arbeitszeit bitte noch 30 Min. abziehen. Habe beim verlassen des Drehkreuzes die Gehen-Buchung vergessen. Vielen Dank."

Ob die Buchhaltung der Beklagten diese E-Mail erhalten hat, war erstinstanzlich zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 30.04.2004 (Bl. 42 f.d.A.) hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung an.

Der Betriebsrat beschloss auf seiner Sitzung vom 04.08.2004, der beabsichtigten Kündigung zu widersprechen, und teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 06.08.2004 (Bl. 6 ff.d.A.) mit.

Mit Schreiben vom 09.08.2004 kündigte die Beklagte daraufhin das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2004.

Der Kläger erhob hiergegen am 12.08.2004 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Die Beklagte begehrt ihrerseits hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Unter Anrechnung auf seinen Urlaubsanspruch wurde der Kläger bis zum Ablauf der - im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits auf den 31.01.2005 korrigierten - Kündigungsfrist freigestellt. Eine hiergegen vom Kläger gerichtete einstweilige Verfügung auf sofortige Weiterbeschäftigung hatte keinen Erfolg ( 2 (4) Ga 4/05 Arbeitsgericht Siegen = 3 Ta 283/05 Landesarbeitsgericht Hamm).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 09.08.2004 sei sozial ungerechtfertigt. Leistungsmängel oder Führungsschwäche könne die Beklagte ihm nicht vorwerfen. Bereits vor seiner Versetzung habe es erhebliche Probleme mit den Arbeitnehmern der Bandseite gegeben. Im Übrigen sei keinerlei Einarbeitung oder Schulung beim Wechsel der Tätigkeit erfolgt, von Weiterbildungsmaßnahmen, insbesondere im Bereich Mitarbeiterführung, sei er ausgeschlossen worden.

Die Beklagte könne ihm auch keinen versuchten Lohnbetrug vorwerfen, weil er am 19.07.2004 seinen Arbeitsplatz verlassen habe, ohne dies in der Zeiterfassung zu dokumentieren. Hintergrund des Gespräches zwischen ihm, seiner Ehefrau und dem Mitarbeiter K2xxx, das nach Behauptung des Klägers auf dem Werksgelände stattgefunden habe, seien ehrverletzende Äußerungen dieses Mitarbeiters über ihn in der Firma gewesen. Herr K2xxx habe behauptet, er habe die Frau des Klägers betrunken und randalierend im Flur des gemeinsam bewohnten Mietshauses gesehen. Als seine Ehefrau dies gehört habe, habe sie ihn informiert, dass sie Herrn K2xxx zum Pförtner bestellt habe, um diesen zur Rede zu stellen. Um dort die Wogen zu glätten, habe er, der Kläger, sich sofort zu dem Gespräch begeben, um eine Eskalation zu verhindern. Das Werksgelände habe er dabei nicht verlassen. Mit Schreiben vom 29.07.2004 habe er im Übrigen die Buchhaltung gebeten, man möge ihm die 30 Min. für dieses Gespräch von der Arbeitszeit abziehen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei durch die schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 09.08.2004 zum 31.12.2004 nicht aufgelöst worden ist,

2. die beklagte Partei zu verurteilen, die Klagepartei zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Abteilungsleiter im Werk der Beklagten in der I3xxxxxxxxxxxxx 11 - 31, 51xxx W2xxxxxxx, weiter zu beschäftigen,

3. die beklagte Partei zu verurteilen, der klägerischen Partei ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt,

hilfsweise,

4. die beklagte Partei zu verurteilen, der klägerischen Partei ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 20.000,00 € nicht überschreiten sollte, aufzulösen.

Die Beklagte hat behauptet, die Übernahme des Klägers als "Gruppenbetreuer Bandseite" und "Segmentbetreuer" sei trotz der erkannten Leistungsmängel nur aufgrund der Fürsprache des ehemaligen Werksleiters erfolgte, der kurze Zeit später das Unternehmen verlassen habe. Vor seiner Beschäftigung als Segmentbetreuer seien vergleichbaren Mitarbeiter geschult worden, was aber nach ihm entfallen sei. Nach ihm habe es für Segmentbetreuer keine besondere Schulung mehr gegeben. Im Übrigen habe der Kläger an einem von September bis November 2003 laufenden Segmentbetreuer-Coaching teilgenommen, andere Gelegenheiten zur Weiterbildung habe der Kläger nicht wahrgenommen. Seine Führungsschwäche habe er nie abgelegt. So habe er eine Mitarbeiterin nicht beschäftigen wollen, weil diese eine andere Stelle nicht habe wahrnehmen wollen. Durch unzureichende Nachtschichtabsprachen habe er für Ärger in der Abteilung gesorgt. Bei einer weiteren Mitarbeiterin habe er viel zu lange ihr Fehlverhalten hingenommen, um dann Aktivitäten zu entfalten, die weder mit der Werksleitung noch mit der Personalleitung abgestimmt gewesen seien. Die Beurteilung für die persönlichen Zulagen der Mitarbeiter seien vom Kläger nicht in der mit den Segmentbetreuern vereinbarten Form durchgeführt und zudem ganz überwiegend verspätet erstellt worden. Die Rückzahlungsmodalitäten für die zuviel gewährten Zulagen seien den Mitarbeitern nicht eindeutig erläutert worden.

Die im Gespräch vom 01.04.2004 erteilte Abmahnung, wie sie sich aus dem Schreiben vom 04.05.2004 ergebe, habe nichts bewirkt, da der Kläger die Beurteilungen befristet beschäftigter Mitarbeiter nicht sachgerecht und rechtzeitig erstellt habe.

Kündigungsauslösender Vorfall sei der versuchte Lohnbetrug am 19.07.2004 gewesen. Der Kläger habe durch sein Verhalten nicht nur mehrfach gegen Bestimmungen der Arbeitsordnung vom 01.07.1992 (Bl. 73 d.A.) verstoßen. Vielmehr habe er eine durchgehend geleistete Arbeitszeit dokumentiert und vorgetäuscht, von dem Verlassen seines Arbeitsplatzes bis zur Arbeitswiederaufnahme gearbeitet zu haben. Darüber hinaus habe der Kläger, wie behauptet wird, das Werksgelände allein zu privaten Zwecken verlassen. Angesichts der irreparablen Störung des Vertrauensverhältnisses sei eine Abmahnung entbehrlich.

In jedem Fall sei der gestellte Auflösungsantrag begründet. Der Beklagten sei eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten. Bereits am 01.04.2004 sei der Kläger wegen der aufgezeigten Defizite aufgefordert worden, sich um eine andere Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen, dies sei mit Schreiben vom 04.05.2004 wiederholt worden. Bereits damals sei das Arbeitsverhältnis aus den zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen, die auch den Auflösungsantrag stützten, aus der Sicht der Beklagten zerrüttet gewesen. Dies zeige sich auch aus der mit der Kündigung erfolgten Freistellung. Die Beklagte könne einen Arbeitnehmer, dem eine Vielzahl von Mitarbeitern unterstellt sei, nicht mehr beschäftigen, der ihr gegenüber auch noch einen versuchten Lohnbetrug begangen habe. Diesem Fehlverhalten setze er dann noch die Krone auf, wenn er für das Gespräch wider besseren Wissens einen dienstlichen Anlass behaupte. Es habe sich vielmehr lediglich um einen privaten Streit, dem eine Mietstreitigkeit zugrunde gelegen habe, gehandelt.

Zudem habe der Kläger mit Schreiben vom 24.08.2004 (Bl. 75 d.A.) den unberechtigten Pauschalvorwurf von ehrverletzenden Äußerungen durch Vorgesetzte über seine Person erhoben.

Darüber hinaus habe er bereits im Juni 2003 betriebsinterne Vorgänge mit seinem "Berater" bei der IG Metall erörtert, statt sie betriebsintern zu klären.

Im Übrigen erübrige sich eine weitere Zusammenarbeit, wenn der Kläger ohne nähere Prüfung der Beklagten mit Schriftsatz vom 04.02.2005 (Bl. 83 ff., 90 d.A.) völlig unberechtigt vorwerfe, sie sei in seinen persönlichen Mail-Count eingedrungen und habe sich seine an die IG Metall gerichtete Nachricht vom 17.06.2003 ausdrucken lassen. Diese sei ihr vielmehr entweder mit der Klageschrift oder zumindest als Anlage 2 zum Widerspruch des Betriebsrats vom 06.08.2004 vorgelegt worden. Der leichtfertige und grundlose Vorhalt eines groben Vertrauensbruchs beinhalte einen weiteren Mosaikstein für einen berechtigten Auflösungsantrag. Auch aus der Sicht des Klägers sei offenbar sein Verhältnis zum Werksleiter G2xx zerrüttet. Zudem trage die gleichzeitige Höhergruppierungsklage mit Sicherheit nicht zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit der Parteien bei.

Schließlich habe der Kläger psychische Probleme. Für die Beklagte bestehe daher der Verdacht, dass er aufgrund dieser Probleme nicht mehr in der Lage sei, weiterhin als Vorgesetzter einer Vielzahl von Mitarbeitern zu fungieren. Einer Aufklärung durch eine Untersuchung beim arbeitsmedizinischen Zentrum Siegerland habe er sich trotz eines anstehenden Termins durch eine urplötzlich auftretende Arbeitsunfähigkeit entzogen.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Durch Urteil vom 15.06.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben, weil ein versuchter Lohnbetrug zu Lasten der Beklagten nicht festgestellt werden könne, und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Gegen das der Beklagten am 19.09.2005 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe im Einzelnen Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 13.10.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 11.11.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte, die sich mit der vorliegenden Berufung nicht gegen die Verurteilung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses an den Kläger wendet, ist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags nach wie vor der Auffassung, dem Kläger sei ein versuchter Lohnbetrug vorzuwerfen. Dies habe das Arbeitsgericht falsch bewertet. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, die Bedienung der Zeiterfassung vergessen zu haben. Bei dem mit seiner Ehefrau und dem Mitarbeiter K2xxx geführten Gespräch habe es sich auch nicht um ein dienstliches Gespräch gehandelt. Der Kläger habe in Bereicherungsabsicht gehandelt und sich, um seine Absicht durchzusetzen, sogar des Pförtners bedient, der den Mitarbeiter K2xxx zum Werkstor gerufen habe. Der Mitarbeiter K2xxx habe sich in der Annahme, seine Ehefrau werde ihm das Frühstück bringen, zum Werkstor begeben. Darüber hinaus habe der Kläger seine dienstliche Stellung gegenüber dem Mitarbeiter K2xxx ausgenutzt.

Auch der gestellte Auflösungsantrag sei begründet. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei der Beklagten nicht mehr zuzumuten. Dies ergebe sich bereits aus dem Schreiben des Klägers vom 24.08.2004, das eine Rufschädigung von Mitarbeitern der Beklagten zur Folge habe. Darüber hinaus habe der Kläger mit Schriftsatz vom 04.02.2005 (Bl. 90 d.A.) der Beklagten vorgeworfen, sie sei in seinen persönlichen Mail-Count eingedrungen; dieser Vorwurf sei völlig unberechtigt gewesen. Schließlich erhebe der Kläger auch weitere unzutreffende Vorwürfe. Für den Werksleiter sei eine Zusammenarbeit mit dem Kläger undenkbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 15.06.2005 - 2 Ca 1551/04 - teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, dass ihm ein versuchter Lohnbetrug nicht zur Last falle. Dies ergebe sich bereits daraus, dass nicht er, der Kläger, sondern seine Ehefrau den Pförtner angerufen und gebeten habe, Herrn K2xxx zum Pförtnertor zu bitten. Erst danach habe sie ihren Ehemann, ihn, den Kläger, verständigt, dass sie mit Herrn K2xxx ein Gespräch führen wolle. Daraufhin habe er, der Kläger, sich sofort zum Werkstor begeben und sei dort fast gleichzeitig mit Herrn K2xxx erschienen. Dass der Pförtner geglaubt haben will, die Ehefrau des Herrn K2xxx wolle diesem die Frühstücksbrote gegen 10.40 Uhr bringen, entbehre jeder Grundlage. Die Frühstückspause ende im Unternehmen der Beklagten um 9.15 Uhr. Entgegen der Darstellung der Beklagten habe der Kläger auch nicht das Werksgelände verlassen. Das Mitarbeitergespräch habe unmittelbar vor dem Fenster des Werksleiters G2xx stattgefunden. Er, der Kläger, habe auch vorgehabt, nach dem Gespräch seine Vorgesetzten zu informieren. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, da er schon kurze Zeit später zum Personalchef gerufen und ihm Lohnbetrug vorgeworfen worden sei.

Auch der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet. Weder das Schreiben seiner ursprünglichen Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2004 noch der Schriftsatz seines derzeitigen Prozessbevollmächtigten vom 04.02.2005 könne die Beklagte zum Anlass eines Auflösungsantrags nehmen. Der Kläger habe sich inzwischen von dem eigenmächtigen Vorgehen seines Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 26.11.2005 (Bl. 216 d.A.) distanziert. Dieser Sachverhalt sei auch bereits im Kammertermin beim Arbeitsgericht entsprechend aufgeklärt worden. Auch insoweit sei das erstinstanzliche Urteil zutreffend.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht der gegen die ordentliche Kündigung vom 09.08.2004 gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen.

I.

Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 09.08.2004 ergibt sich aus § 1 Abs. 1 KSchG.

Sowohl die Beschäftigungszeit des Klägers im Betrieb der Beklagten als auch die Größe des Betriebes der Beklagten rechtfertigen die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.

Die Kündigungsschutzklage ist auch rechtzeitig erhoben worden, § 4 KSchG.

Die Kündigung vom 09.08.2004 ist sozial ungerechtfertigt, weil sie nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

Ein die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigender Grund liegt nur dann vor, wenn das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 22.07.1982 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5; BAG, Urteil vom 24.06.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50 m.w.N.). Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen (BAG, Urteil vom 21.05.1992 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 29; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nicht vor. Dies hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht erkannt.

1. a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist zwar anerkannt, dass strafbare Handlungen zu Lasten des Arbeitgebers ebenso wie grobe Vertrauensverstöße grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 26.11.1964 - AP BGB § 626 Nr. 53; BAG, Beschluss vom 10.02.1999 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; LAG Hamm, Urteil vom 20.02.1986 - DB 1986, 1338; KR/Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 445 m.w.N.). Insbesondere können Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Zeiterfassung ebenso wie ein Spesenbetrug einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Verlangt ein Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder Spesen, die ihm nicht zustehen, kann dies ein Grund zur fristlosen Entlassung sein, selbst wenn es sich dabei um einen einmaligen Fall oder um einen geringfügigen Betrag handelt (BAG, Urteil vom 22.11.1962 - AP BGB § 626 Nr. 49; BAG, Beschluss vom 22.08.1974 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 1; LAG Frankfurt, Urteil vom 05.07.1988 - LAGE KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 20; LAG Köln, Urteil vom 14.12.1995 - NZA-RR 1996, 376; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 445; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 278; ErfK/Müller-Glöge, 6. Aufl., § 626 BGB Rz. 157 f. m.w.N.).

Auch der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber sonst kaum sinnvoll kontrollierbare Arbeitszeit korrekt zu stempeln, ist an sich geeignet, einen Grund für eine Kündigung darzustellen (BAG, Urteil vom 12.08.1999 - AP BGB § 123 Nr. 51; BAG, Urteil vom 21.04.2005 - AP SGB IX § 91 Nr. 4 m.w.N.). Dies gilt auch bei einem bloßen Versuch. Auch der bloße Versuch einer strafbaren Handlung zu Lasten des Arbeitgebers kann grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Hamm, Urteil vom 20.02.1986 - DB 1986, 1338; LAG Köln, Urteil vom 22.01.1996 - AP BGB § 626 Nr. 127; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 445). Entscheidend kommt es dabei nicht auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen Vertrauensbruch an (BAG, Urteil vom 12.08.1999 - AP BGB § 123 Nr. 51; BAG, Urteil vom 21.04.2005 - AP SGB IX § 91 Nr. 4; ErfK/Müller-Glöge, § 626 Rz. 158; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 444 m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die ordentliche Kündigung des Klägers vom 09.08.2004 als sozial ungerechtfertigt. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt.

Die Berufungskammer unterstellt, dass dem Kläger bei der Wahrnehmung des Gesprächs zwischen seiner Ehefrau und dem Mitarbeiter K2xxx vom 19.07.2004 ein Verstoß gegen die Arbeitsordnung der Beklagten zur Last fällt. In § 19 der Arbeitsordnung ist ausdrücklich geregelt, dass die Arbeitszeit nur für betriebliche Zwecke genutzt werden darf. In § 28 der Arbeitsordnung heißt es ausdrücklich, dass das Verlassen des Werksgeländes aus dienstlichen oder persönlichen Gründen während der Arbeitszeit nur mit Zustimmung des Vorgesetzten und unter Betätigung der vorhandenen Zeiterfassungsgeräte gestattet ist. Hiergegen hat der Kläger am 19.07.2004 verstoßen, als er - wie die Beklagte behauptet - das Betriebsgelände zur Wahrnehmung des Gespräches zwischen seiner Ehefrau und dem Mitarbeiter K2xxx verlassen hat. Dennoch kann dem Kläger weder ein versuchter vorsätzlicher Lohnbetrug noch ein schwerer Vertrauensmissbrauch zu Lasten der Beklagten vorgeworfen werden. Es kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei dem Gespräch zwischen seiner Ehefrau und dem Mitarbeiter K2xxx, an dem der Kläger teilnehmen wollte, um einen Sonderfall gehandelt hat, bei dem eine Wiederholungsgefahr nicht zu gewärtigen ist. Der Kläger hat sich nämlich nach Erhalt des Anrufes von seiner Ehefrau zum Werkstor begeben, um eine Eskalation hinsichtlich der dort zu erwartenden Auseinandersetzung zu vermeiden. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hat sich der Vorfall vom 19.07.2004 auch nicht so abgespielt, dass der Kläger, wie die Beklagte noch in der Berufungsbegründung vorträgt, den Pförtner der Beklagten beim Zeugen K2xxx hat anrufen lassen. Auf ausdrückliche Nachfrage durch die Berufungskammer hat nämlich die Beklagte im Termin vom 24.02.2006 ausdrücklich einräumen müssen, dass es sich insoweit lediglich um eine bloße Vermutung seitens der Beklagten handelt. Hinzu kommt, dass auch das weitere Vorbringen der Beklagten, wonach der Mitarbeiter K2xxx vermutet haben will, dass seine Ehefrau vor dem Werkstor auf ihn warten würde, um ihm das Frühstücksbrot zu bringen, unzutreffend ist. Unstreitig hat das Zusammentreffen zwischen der Ehefrau des Klägers und Herrn K2xxx in Anwesenheit des Klägers am 19.07.2004 zwischen ca. 10.35 Uhr und 11.05 Uhr stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt war die Frühstückspause nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers bereits seit langer Zeit beendet, sie endete nämlich bereits um 9.15 Uhr. Auch insoweit erwies sich das Berufungsvorbringen der Beklagten als reine Spekulation. Es konnte eben gerade nicht angenommen werden, dass das Gespräch zwischen der Ehefrau des Klägers und dem Mitarbeiter K2xxx gerade vom Kläger veranlasst worden ist. Auch eine Bereicherungsabsicht des Klägers konnte deshalb durch die Beklagte, die nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG darlegungs- und beweispflichtig ist, nicht nachgewiesen werden. Richtig ist allein, dass der Kläger sich zur Wahrnehmung des Gespräches vom 19.07.2004 hätte abmelden und die Zeiterfassung betätigen müssen. Dies hat er wegen der besonderen Situation und der befürchteten Eskalation schlicht vergessen. Dieses Fehlverhalten rechtfertigt, wie das Arbeitsgericht zu Recht in dem sorgfältig begründeten Urteil erkannt hat, ohne vorangegangene Abmahnung auch keine ordentliche Kündigung.

Im Übrigen kann auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils, die sich auch die Berufungskammer zu eigen machte, Bezug genommen werden.

2. Zur Begründung der ordentlichen Kündigung vom 09.08.2004 kann sich die Beklagte auch nicht auf Leistungsmängel und Führungsschwächen des Klägers berufen.

a) Zwar ist auch insoweit in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte anerkannt, dass die Erbringung unzureichender Arbeitsleistungen durch den Arbeitnehmer als Kündigungsgrund in Betracht kommt. Die Erbringung unzureichender Arbeitsleistung kann nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich rechtfertigen. Da für den Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag ist (§ 611 Abs. 1 BGB), kann insbesondere eine Verletzung dieser Pflicht durch Schlecht- oder Minderleistungen eine Kündigung sozial rechtfertigen. Beruhen die Leistungsmängel auf fehlende Eignung des Arbeitnehmers, kommt unter Umständen eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Besitzt der Arbeitnehmer dagegen die notwendige persönliche und fachliche Qualifikation, so können wiederholte Leistungsmängel die verhaltensbedingte Kündigung nach erfolgter Abmahnung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 22.07.1982 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5; BAG, Urteil vom 21.05.1992 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 28; BAG, Urteil vom 11.12.2003 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 48; BAG, Urteil vom 03.06.2004 - AP KSchG 1969 § 23 Nr. 33; LAG Hamm, Urteil vom 15.03.1983 - DB 1983, 1930; LAG Hessen, Urteil vom 26.04.1999 - NZA-RR 1999, 637; LAG Nürnberg, Urteil vom 29.09.2003 - NZA-RR 2004, 298; LAG Köln, Urteil vom 17.06.2003 - NZA-RR 2004, 531; KR/Etzel, § 1 KSchG Rz. 448; APS/Dörner, § 1 KSchG Rz. 278; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rz. 362 m.j.w.N.).

b) Die Beklagte kann dem Kläger zur Begründung der Kündigung vom 09.08.2004 nicht entgegen halten, unzureichende Arbeitsleistungen erbracht zu haben. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt. Hiergegen sind im Berufungsrechtszug von der Beklagten keine weitergehenden Einwendungen erhoben worden. Zu Recht weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass eine verhaltensbedingte Kündigung insbesondere wegen unzureichender Arbeitsleistungen eine vorangegangene Abmahnung voraussetzt. Eine derartige Abmahnung hat der Kläger nicht erhalten. Auch das Schreiben vom 04.05.2004 ist nicht als Abmahnung anzusehen, da in ihm lediglich die Einleitung eines Kündigungsverfahrens angekündigt wird.

II.

Das Arbeitsgericht hat auch mit zutreffender Begründung dem Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers teilweise stattgegeben. Die insoweit eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Beschäftigungsanspruch des Klägers ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27.02.1985 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzliche Gründe anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt.

Derartige Gründe hat die Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug vorgetragen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht trotz der Kündigung durch die Beklagte vom 09.08.2004 über den 31.01.2005 hinaus fort. Gründe, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers begründen könnten, liegen nicht vor, nachdem die Beklagte in zwei Instanzen im Kündigungsrechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 09.08.2004 gescheitert ist.

III.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Beklagte auch den Auflösungsantrag der Beklagten als unbegründet abgewiesen. Auch insoweit folgt die Berufungskammer den zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.

Nach § 9 Abs. 1 KSchG hat das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist und wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

1. Sowohl das Arbeitsgericht wie auch die Berufungskammer haben zwar festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.08.2004 nicht aufgelöst worden ist. Die Kündigung vom 09.08.2004 erweist sich als sozialwidrig.

2. Das Arbeitsgericht hat aber zutreffend ausgeführt, dass keine Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erwarten lassen. Für die Beklagte ist ein Auflösungsgrund nicht vorhanden.

a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung kann der Arbeitgeber lediglich dann verlangen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Insoweit ist bei der Würdigung eines Auflösungsgrundes, an den strenge Anforderungen zu stellen sind (BAG, Urteil vom 05.04.1964 - AP KSchG § 7 Nr. 20; BAG, Urteil vom 16.05.1984 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 12; BAG, Urteil vom 21.09.2000 - AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung § 1 Nr. 112; BAG, urteil vom 10.10.2002 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123), insbesondere zu beachten: Das Verhältnis zum Arbeitgeber, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seine Leistungen, Eignung, Stellung im Betrieb und das Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern (BAG, Urteil vom 07.03.2002 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42; BAG, Urteil vom 10.10.2002 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 m.w.N.).

b) Hiernach liegen Auflösungsgründe im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht vor.

aa) Allein der Vorwurf des versuchten Lohnbetruges, der auch die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 09.08.2004 nicht zu begründen vermag, kann keinen Auflösungsgrund im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG abgeben. Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber noch nicht seiner Darlegungslast in Bezug auf Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Der Arbeitgeber muss vielmehr im Einzelnen vortragen, weshalb die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (KR/Spilger, § 9 KSchG Rz. 58; Kessler, NZA-RR 2002, 1 ff. ,7 ff.).

bb) Auch das Vorbringen der Beklagten, eine Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Werksleiter G2xx sei für die Beklagte unzumutbar, das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Werksleiter G2xx sei zerrüttet, vermag einen Auflösungsgrund nicht zu rechtfertigen. Weigern sich Arbeitskollegen, mit dem gekündigten Arbeitnehmer weiter zu arbeiten, ist ein Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst dann gegeben, wenn der Arbeitgeber ernsthaft mit Konsequenzen dieser Kollegen rechnen muss und Vermittlungsbemühungen erfolglos waren (LAG Nürnberg, Urteil vom 09.12.2003 - NZA-RR 2004, 298; ErfK/Ascheid, § 9 KSchG Rz. 21 m.w.N.). Das Vorbringen dieser Voraussetzungen hat die Beklagte aber nicht dargetan. Es ist nicht vorgetragen, dass bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers etwa der Werksleiter G2xx sein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten beenden würde. Auch zu etwaigen Vermittlungsbemühungen zwischen dem Kläger und dem Werksleiter G2xx fehlt ausreichender Sachvortrag der Beklagten.

Die Beklagte kann sich zur Begründung des Auflösungsantrags auch nicht darauf berufen, der Kläger führe gegen sie einen Eingruppierungsprozess. Auch hierzu hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil das Nötige ausgeführt.

cc) Schließlich kann auch das prozessuale Verhalten des Klägers bzw. seiner Prozessbevollmächtigten den Auflösungsantrag nicht rechtfertigen.

Richtig ist zwar, dass als Auflösungsgrund geeignet sind auch etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt auch für von ihm nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert (BAG, Urteil vom 14.05.1987 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18; BAG, Urteil vom 21.09.2000 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 112; BAG, Urteil vom 07.03.2002 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42; KR/Spilger, § 9 KSchG Rz. 56; ErfK/Ascheid, § 9 KSchG Rz. 23 m.w.N.).

Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt ein Auflösungsgrund zu Gunsten der Beklagten nicht vor.

Die Beklagte kann sich zur Begründung des Auflösungsantrags nicht auf ein Schreiben des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 24.08.2004 berufen. Zwar wurde in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass der Kläger mitgeteilt habe, dass im Betrieb der Beklagten durch vorgesetzte Mitarbeiter ehrverletzende Äußerungen über die Person des Klägers getätigt würden. Die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers haben aber in diesem Schriftsatz weiter lediglich um die Wahrung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gebeten. Ansonsten enthält das Schreiben lediglich die Verteidigung der dem Kläger wegen seiner Leistungsmängel und seines Führungsverhaltens gemachten Vorwürfe. Dies ist durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt. Das Schreiben vom 24.08.2004 nimmt in sachlicher Form im Wesentlichen nur auf das bisherige Vorbringen der Beklagten Bezug. Auch wenn - in unsubstantiierter Form - der Vorwurf der Verbreitung ehrverletzender Äußerungen im Betrieb erhoben worden ist, stellt dies keine Rufschädigung der Beklagten oder ihrer Mitarbeiter dar.

Zur Begründung des Auflösungsantrages können auch nicht die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 04.02.2005 (Bl. 90 d.A.) herhalten. Nach dem ausdrücklichen Berufungsvorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 30.08.2005 (Bl. 209 d.A.) und dem persönlichen Schreiben des Klägers an die Geschäftsleitung der Beklagten vom 26.11.2005 (Bl. 216 d.A.) muss davon ausgegangen werden, dass das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 04.02.2005 ausschließlich vom Prozessbevollmächtigten des Klägers herrührt. Das beanstandete Vorbringen ist nicht vom Kläger veranlasst worden, er hat sich ausdrücklich davon distanziert. Auch insoweit hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil bereits die entsprechenden Ausführungen gemacht. Die Berufungskammer hat dem nichts hinzuzufügen.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert, da die Beklagte die Verurteilung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses nicht angegriffen hat. Er war für das Berufungsverfahren auf das fünffache Bruttomonatseinkommen des Klägers, ausgehend von einem monatlichen Einkommen von 3.800,00 € unter Einschluss aller zu berücksichtigenden Nebenleistungen festzusetzen. Dabei ist für den Kündigungsschutzantrag der dreifache Bruttomonatsverdienst, für den Weiterbeschäftigungsantrag das zweifache Monatseinkommen in Ansatz gebracht worden. Der Auflösungsantrag der Beklagten war nicht gesondert zu berücksichtigen.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

Zurück