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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.06.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 2121/07
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG


Vorschriften:

BetrVG § 102
KSchG § 15 Abs. 4
KSchG § 15 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 02.10.2007 - 4 Ca 795/07 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Die am 05.11.1961 geborene Klägerin ist verheiratet und für ein Kind unterhaltspflichtig. Seit dem 01.08.1979 ist sie bei der Beklagten in deren Filiale in R2 in der Dekorationsabteilung als Schauwerbegestalterin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 800,19 € beschäftigt.

Im Jahre 1980 wurde die Klägerin in die in der Filiale bestehende Jugendvertretung gewählt. Etwa seit 1982 wurde sie erstmals in den Betriebsrat gewählt. Seit 2005 ist sie Vorsitzende des in der Filiale R2 bestehenden Betriebsrats, der fünf Mitglieder hat.

Seit etwa Mitte 2005 befindet sich die Beklagte aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten in einer Sanierungsphase. In einem mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Interessenausgleich vom 14.12.2005 (Bl. 65 ff.d.A.) wurde unter anderem festgehalten, dass die Beklagte bundesweit den Bereich Merchandising aus dem Betrieb ausgliedert und auf einen Dritten überträgt.

Im September 2006 fasste die Beklagte den Beschluss, den gesamten Merchandising-Bereich, dem bundesweit ca. 125 Arbeitskräfte zuzuordnen waren, nicht an einen Dritten zu veräußern, sondern eine eigene Firma zu gründen, die unter dem Namen S5 R4 S6 GmbH zum 01.01.2007 in das Handelsregister eingetragen wurde (Bl. 64 d.A.).

Mit Schreiben vom 23.01.2007 (Bl. 11 ff.d.A.) wurde die Klägerin darüber unterrichtet, dass der Bereich "Visual Merchandising" auf die Firma S5 R4 S6 GmbH durch Teilbetriebsübergang übergegangen sei. Gleichzeitig wurde der Klägerin ein neuer Arbeitsvertrag bei der S5 R4 S6 GmbH unter Wahrung ihres sozialen Besitzstandes mit Wirkung vom 01.03.2007 angeboten, und zwar unter Aufstockung ihrer bisherigen Arbeitszeit von 65 Stunden monatlich auf 80 Stunden monatlich (Bl. 7 ff.d.A.).

Mit Schreiben vom 21.02.2007 widersprach die Klägerin einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Firma S5 R4 S6 GmbH.

Mit Schreiben vom 08.03.2007 (Bl. 113 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat daraufhin zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 31.10.2007 wegen Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin bei der Beklagten an.

Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 13.03.2007 der beabsichtigten Kündigung unter Hinweis auf die Betriebsratstätigkeit der Klägerin und die anfallenden Reisetätigkeiten.

Mit Schreiben vom 15.03.2007 (Bl. 5 d.A.) kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.10.2007.

Mit der am 26.03.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendete sich die Klägerin gegen diese Kündigung und verlangt ihre Weiterbeschäftigung.

Inzwischen schlossen die Beklagte und die Firma S5 R4 S6 GmbH am 04.09.2007 einen Dienstleistungsvertrag (Bl. 94 ff.d.A.), wonach diese mit Wirkung seit dem 01.03.2007 die im Vertrag näher beschriebenen Leistungen ausschließlich für die Beklagte erbringt.

Die Klägerin, die die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten hat, hat insbesondere die Auffassung vertreten, dass die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung nicht die Anforderungen des § 15 Abs. 5 KSchG erfülle. Der Bereich Visual Merchandising stelle keine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG dar. Der Bereich falle bei der Beklagten auch nicht vollständig weg, sie, die Klägerin, arbeite nach wie vor in der Dekoration. Im Übrigen entspreche das Angebot der S5 R4 S6 GmbH nicht den bisherigen Beschäftigungsbedingungen der Klägerin bei der Beklagten. Statt bisher 65 Stunden im Monat solle sie nunmehr bei der S5 R4 S6 GmbH 80 Stunden im Monat arbeiten. Die dort anfallenden Fahrtzeiten für Fahrten in andere Filialen seien ihr im Übrigen nicht zumutbar.

Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, sie als Betriebsratsmitglied in eine andere Abteilung zu übernehmen. Sie sei insbesondere auch im Verkauf einsetzbar. So habe sie schon seit längerem immer wieder gelegentlich im Verkauf gearbeitet und dort mitgeholfen. Sie verfüge über ausreichende Warenkenntnisse. Bei der Beklagten arbeiteten auch Verkäuferinnen, die diesen Beruf nicht erlernt hätten, sondern lediglich angelernte Kräfte seien. Sie, die Klägerin, sei immerhin seit 28 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und habe ausreichende Kenntnisse, auch im Verkauf zu arbeiten. Auch das Anforderungsprofil "Merchandiser" erfordere ausreichende Warenkenntnisse (Bl. 114 d.A.). Darüber hinaus könne sie, die Klägerin, auch in der Warenannahme arbeiten.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung seitens der Beklagten vom 15.03.2007 zum 31.10.2007 nicht aufgelöst wird, sondern darüber hinaus fortbesteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, sie im Betrieb in R2 über den 31.10.2007 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerecht-fertigt. Durch den Teilbetriebsübergang auf die S5 R4 S6 GmbH zum 01.03.2007 entfalle der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin in diesem Bereich. Die S5 R4 S6 GmbH führe die Tätigkeiten im Bereich des Visual Merchandising selbständig mit eigenen Mitarbeitern durch, die dem Weisungsrecht der S5 R4 S6 GmbH unterstehen würden.

Der Bereich Merchandising sei eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG. Das Visual Merchandising sei die markenkonforme Gestaltung von Verkaufsräumen. Ziel des Visual Merchandising sei es, die Kunden schrittweise vom Schaufenster bis zum Produkt zu führen und dabei die Wertewelten der Marke zu vermitteln. Der Bereich umfasse die Gestaltungsbereiche Schaufenster, Laden-Eingangsbereich, Displays, Warenträgersysteme, Wa-renauszeichnungssysteme, Dekoration, Warenordnung, PoS-Layout, Store-Design etc.. All dies erfolge als personelle Einheit unter Einsatz eigener Betriebsmittel.

Das der Klägerin von der Firma S5 R4 S6 GmbH unterbreitete Vertragsangebot sei auch nicht unzumutbar. Bei der S5 R4 S6 GmbH würde die Klägerin der Region 2 zugeordnet, der die Häuser G2-B3, G2-C2, R2 und M1 angehörten. Auch die erforderliche Reisetätigkeit nach G2 und nach M1 wäre der Klägerin zumutbar.

Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, die Klägerin in eine andere Abteilung zu übernehmen. Insbesondere könne die Klägerin nicht in die Abteilung Verkauf übernommen werden. Die Klägerin sei nämlich nie im Verkauf tätig gewesen. Hierzu sei sie auch nicht in der Lage. Eine Modeberaterin bzw. Verkäuferin müsse vor allem in der Lage sein, professionelle Verkaufs- und Beratungsgespräche durchzuführen, ihre Kunden in eigene Abteilungen und übergreifend auch in den anderen Warenbereichen des Hauses umfassend zu beraten sowie Kundenreklamationen und Umtäusche unkompliziert und schnell zu erledigen. Über Erfahrungen in diesem Bereich verfüge die Klägerin nicht.

Schließlich sei auch die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt. Dies ergebe sich aus dem Anhörungsschreiben vom 08.03.2007. Einer Zustimmung des Betriebsrats zu der ausgesprochenen Kündigung bedürfe es nicht.

Durch Urteil vom 02.10.2007 hat das Arbeitsgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei nicht nach § 15 Abs. 5 KSchG wirksam. Der Bereich Visual Merchandising stelle schon keine eigene Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG dar, da er nicht räumlich und organisatorisch vom Verkaufsbereich getrennt sei. Im Übrigen sei eine Übernahme der Klägerin in eine andere Betriebsabteilung möglich und notwendig. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin für Verkaufstätigkeiten nicht geeignet sei. Eine besondere Ausbildung sei auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht erforderlich. Die Beklagte beschäftige selbst angelernte Kräfte als Verkäuferinnen. Auch als Merchandiserin müsse die Klägerin nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ausreichende Warenkenntnisse und Kenntnisse in der Verkaufsphilosophie der Beklagten besitzen.

Gegen das der Beklagten am 12.11.2007 zugestellte Urteil, auf dessen Begründung ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 07.12.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.02.2008 mit dem am 13.02.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags ist die Beklagte nach wie vor der Auffassung, die Kündigung sei nach § 15 Abs. 5 KSchG wirksam. Bei dem Bereich Visual Merchandising handele es sich um eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG, die von der Beklagten stillgelegt worden sei. Die Beklagte habe sämtliche Tätigkeiten im Bereich Visual Merchandising aufgegeben, diese Tätigkeiten würden jetzt ausschließlich durch die S5 R4 S6 GmbH ausgeführt.

Auch eine Übernahme der Klägerin in eine andere Abteilung der Beklagten komme nicht in Betracht. Insbesondere sei die Klägerin nicht im Verkauf einsetzbar. Sie sei auch zu keinem Zeitpunkt im Verkauf tätig geworden, sondern lediglich Schaufenstergestalterin. Seit Jahren sei sie nicht im Verkauf tätig gewesen. Über eine Berufserfahrung als Modeberaterin verfüge sie nicht. Der pauschale Hinweis der Klägerin, sie könne auch im Verkauf tätig werden, sei unzureichend.

Der Klägerin sei im Übrigen bei der S5 R4 S6 GmbH ein gleichwertiger Arbeitsplatz angeboten worden. Dieses Angebot stehe nach wie vor. Die S5 R4 S6 GmbH sei auch zu einer Reduzierung der Arbeitszeit der Klägerin auf 65 Stunden im Monat bereit.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 02.10.2007 - 4 Ca 795/07 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ist weiter der Auffassung, dass der Bereich Visual Merchandising keine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG darstelle. Die Beklagte habe auch nicht ihre Tätigkeiten im Bereich Visual Merchandising vollständig aufgegeben. Sie, die Klägerin, arbeite weiter im Bereich der Dekorationsabteilung.

Darüber hinaus sei es der Beklagten auch möglich gewesen, sie, die Klägerin, in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Insbesondere könne die Klägerin auch im Verkauf eingesetzt werden. Hilfsweise sei sie auch zu einer Weiterbeschäftigung der Warenannahme bereit.

In der Vergangenheit sei sie immer wieder gelegentlich als Verkäuferin eingesetzt und beschäftigt worden. Sie besitze umfassende Warenkenntnisse. Für eine Tätigkeit als Verkäuferin sei bei der Beklagten auch keine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich. Die Beklagte beschäftige zahlreiche Verkäuferinnen, die über eine berufsfremde Ausbildung oder über gar keine Ausbildung verfügten.

Darüber hinaus habe die S5 R4 S6 GmbH kürzlich noch Schulungen für Verkäufer und Verkäuferinnen für eine Warenpräsentation durchgeführt. Allein dieser Umstand zeige, wie sehr die Bereiche Verkauf und Dekoration/Warenpräsentation miteinander verknüpft seien und ineinander übergingen.

Darüber hinaus bestreitet die Klägerin erneut die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung. Bereits aus dem Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 08.03.2007 ergebe sich, dass die Beklagte sich überhaupt nicht mit Alternativmöglichkeiten hinsichtlich des Einsatzes der Klägerin befasst habe. Kostenargumente, wie sie im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat genannt worden seien, spielten im Rahmen des § 15 Abs. 5 KSchG gerade keine Rolle.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit ihr stattgegeben worden ist, mit dem ausführlich begründeten Urteil vom 02.10.2007, auf dessen Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann, mit zutreffender Begründung stattgegeben. Das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

I.

Die Berufungskammer hat schon Zweifel, ob der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung der Klägerin ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG angehört worden ist.

1. Aufgrund des der Klägerin als Betriebsratsvorsitzenden zustehenden Sonderkündigungsschutzes war die hier ausgesprochene ordentliche Kündigung allein unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für eine ordentliche Kündigung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG auch lediglich eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, nicht dessen Zustimmung nach § 103 BetrVG, erforderlich (BAG, 29.03.1977 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 11; BAG, 20.01.1984 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 16; ErfK/Ascheid, 8. Aufl., § 15 KSchG Rn. 43; KR/Etzel, 8. Aufl., § 15 KSchG Rn. 95 m.w.N.).

Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung unter Mitteilung der Gründe zu hören. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Die Unwirksamkeit der Kündigung tritt dabei nicht nur dann ein, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der Kündigung überhaupt nicht angehört hat, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, insbesondere, wenn er seiner Unterrichtungspflicht nicht ausführlich genug nachgekommen ist (BAG, 22.09.1994 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 68).

Bei der Einleitung des Anhörungsverfahrens hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die Personalien des kündigenden Arbeitnehmers, die Kündigungsart und gegebenenfalls den Zeitpunkt, zu dem gekündigt werden soll, mitzuteilen. Darüber hinaus muss der Betriebsrat insbesondere über die Gründe für die Kündigung in ausreichender Weise unterrichtet werden. Das Anhörungsverfahren hat den Sinn, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht erst zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Die Kennzeichnung des Sachverhalts muss so umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgebenden Tatsachen mitzuteilen (BAG, 02.11.1983 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 29; BAG, 05.12.2002 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 60; BAG, 06.10.2005 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 50; KR/Etzel, a.a.O., § 102 BetrVG Rn. 62 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rn. 403 ff.; APS/Koch, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 104 m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen schon erhebliche Zweifel, ob das Anhörungsverfahren beim Betriebsrat durch Schreiben der Beklagten vom 08.03.2007 ordnungsgemäß eingeleitet worden ist.

Die Berufungskammer kann insoweit unterstellen, dass der Betriebsrat über den bei der Klägerin bestehenden Sonderkündigungsschutz unterrichtet war und davon Kenntnis hatte, dass eine ordentliche Kündigung der Klägerin nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG möglich war. Die Beklagte hat im Anhörungsschreiben vom 08.03.2007 den Betriebsrat auch darauf hingewiesen, dass der Arbeitsplatz der Klägerin aufgrund der Gründung S5 R4 S6 GmbH, die zukünftig das Visual Merchandising für die Beklagte durchführen werde, zum 01.03.2007 entfalle. Ob der Betriebsrat jedoch über die Unmöglichkeit der Übernahme der Klägerin in eine andere Betriebsabteilung in ausreichender Weise unterrichtet worden ist, bestehen schon erhebliche Zweifel. Die Beklagte hat zwar im Schreiben vom 08.03.2007 darauf hingewiesen, dass man der Klägerin keine Beschäftigung in einen anderen Bereich anbieten könne. Dies allein ist jedoch unzureichend. Auch die hierfür angegebene Begründung, nämlich "der angespannten Kostensituation", stellt eine ausreichende Begründung dafür, dass die Klägerin in keine andere Abteilung übernommen werden kann, nicht dar. Der Arbeitgeber ist nämlich im Falle der Schließung einer Betriebsabteilung, in der ein Mandatsträger beschäftigt ist, verpflichtet, die Übernahme in eine andere Betriebsabteilung durch Umverteilung der Arbeit, Ausübung des Direktionsrechts und nötigenfalls auch durch freikündigen eines geeigneten Arbeitsplatzes vorrangig sicherzustellen. Kostengesichtspunkte scheiden insoweit aus. Es fehlt an einer ausreichenden Darstellung, weshalb es der Beklagten unmöglich ist, die Klägerin in eine andere Abteilung zu übernehmen.

Ob aber die Wirksamkeit der Kündigung der Klägerin bereits an der nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG scheitert, hat die Berufungskammer letztlich offen gelassen.

II.

Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 15.03.2007 ergibt sich nämlich, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, in jedem Fall aus § 15 Abs. 5 KSchG.

1. Nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG kommt die Kündigung eines Mitarbeiters, der Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG genießt, bei Stilllegung des Betriebes oder einer Betriebsabteilung nur dann in Betracht, wenn die Übernahme in eine andere Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist.

a) Dass die Klägerin als Betriebsratsvorsitzende Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 KSchG genießt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Unstreitig ist zwischen den Parteien auch, dass eine Schließung des gesamten Betriebes der Beklagten nach § 15 Abs. 4 KSchG nicht vorliegt.

b) Eine Kündigung der Klägerin kommt aber auch nach § 15 Abs. 5 KSchG nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 KSchG sind nicht gegeben.

Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung der Klägerin ist zunächst die Stilllegung einer Betriebsabteilung.

Eine Betriebsabteilung ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil eines Betriebes, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der eigene Betriebszwecke verfolgt, die Teil eines arbeitstechnischen Zwecks des Gesamtbetriebs sind oder in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs bestehen können (BAG, 30.05.1958 - AP KSchG § 13 Nr. 13; BAG, 20.01.1984 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 16; BAG, 05.03.1987 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 30; BAG, 17.11.2005 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60, Rn. 28; BAG, 21.11.2007 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 297, Rn. 30; LAG Köln, 26.06.2006 - NZA-RR 2006, 575; ErfK/Ascheid, a.a.O., § 15 KSchG Rn. 45; APS/Linck, a.a.O., § 15 KSchG Rn. 182 m.w.N.).

Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich schon nicht, dass der Bereich Visual Merchandising räumlich und organisatorisch von den übrigen Bereichen im Betrieb der Beklagten abgegrenzt ist. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist das Visual Merchandising die markenkonforme Gestaltung sämtlicher Verkaufsräume. Ziel des Merchandisings ist es, die Kunden schrittweise vom Schaufenster bis zum Produkt zu führen, der Bereich umfasst die Gestaltungsbereiche Schaufenster ebenso wie den gesamten Laden- und Eingangsbereich. Eine räumliche Abgrenzung des Bereichs Visual Merchandising vom Verkaufsbereich ist nach diesem Vorbringen schon nicht gegeben.

Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, inwieweit der Bereich Visual Merchandising organisatorisch von den übrigen Fachbereichen abgegrenzt war. Die Mitarbeiter des Bereichs Visual Merchandising waren an Vorgaben der Verkaufsabteilung gebunden. Ob der Bereich Visual Merchandising eine eigene organisatorische Leitung hatte, ist nicht vorgetragen. Die in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter wurden vielmehr universell eingesetzt. Darüber hinaus hat die Klägerin im Berufungsverfahren auch unwidersprochen vorgetragen, dass selbst die Firma S5 R4 S6 GmbH Schulungen für Verkäufer und Verkäuferinnen durchführt. Auch hieraus muss gefolgert werden, dass eine organisatorische Abgrenzung zwischen den Bereichen Visual Merchandising und Verkauf nicht vorliegt.

2. Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten bei der Übergabe des Bereichs Visual Merchandising an die S5 R4 S6 GmbH von einer Stilllegung einer Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG auszugehen wäre, liegen die weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 KSchG nicht vor. Die Klägerin hätte nämlich grundsätzlich zunächst in eine andere Abteilung im Betrieb der Beklagten übernommen werden müssen. Nur wenn dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, wäre nach § 15 Abs. 4 KSchG eine Kündigung der Klägerin in Betracht gekommen.

a) Schon aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern nur bei Unmöglichkeit der Übernahme in eine andere Betriebsabteilung zulässt, ergibt sich, dass der Arbeitgeber alle Möglichkeiten ausschöpfen muss, die Kündigung zu vermeiden, ehe er zum äußersten Mittel durch Kündigung greift. Sind in dem Betrieb geeignete Arbeitsplätze vorhanden, so muss der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts versuchen, einen dieser Arbeitsplätze durch Umsetzung und notfalls auch durch Kündigung freizumachen, um unter anderem den mit § 15 KSchG verfolgten Schutzzweck der Kontinuität des Betriebsratsmandats dadurch zu gewährleisten, dass die personelle Zusammensetzung während der Dauer des Mandats möglichst unverändert bleibt. Erst recht muss der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied freie Arbeitsplätze in anderen Betriebsabteilungen anbieten. Eine Kündigung ist frühestens dann möglich, wenn die Verhandlungen über die bestehenden Umsetzungsmöglichkeiten endgültig gescheitert sind und damit feststeht, dass eine Vermeidung der Kündigung durch Umsetzung unmöglich ist (BAG, 18.10.2000 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 49; BAG, 14.02.2002 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 21; BAG, 13.06.2002 - AP BGB § 615 Nr. 97; BAG, 17.11.2005 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60; BAG, 02.03.2006 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 61; KR/Etzel, a.a.O., § 15 Rn. 126; APS/Linck, a.a.O., § 15 KSchG Rn. 185). Schon aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 5 KSchG ergibt sich, dass Mandatsträger gegenüber anderen Arbeitnehmern Vorrang genießen. Die Unmöglichkeit der Übernahme in eine andere Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen setzt voraus, dass der Mandatsträger im Betrieb nicht oder nicht mehr in wirtschaftlich vertretbarer Weise eingesetzt werden kann (BAG, 25.11.1981 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 11; BAG, 02.03.2006 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 61).

Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig (BAG, 25.11.1981 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 11; APS/Linck, a.a.O., § 15 KSchG Rn. 187; Leuchten, NZA 2005, 585, 587 m.w.N.).

b) Dass eine Übernahme der Klägerin in eine andere Betriebsabteilung des Betriebes der Beklagten aus betrieblichen Gründen unmöglich ist, kann dem Vorbringen der Beklagten nicht entnommen werden. Vielmehr muss angenommen werden, dass die Klägerin auch weiterhin auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz in der Filiale in R2 weiterbeschäftigt werden kann. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nicht, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen Fähigkeiten überhaupt nicht in der Lage ist, als Verkäuferin oder als Mitarbeiterin in der Warenannahme tätig zu werden. Dass die Klägerin für eine Tätigkeit als Verkäuferin oder in der Warenannahme nicht genügend qualifiziert wäre, kann nicht angenommen werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte in ihrem Betrieb nicht nur gelernte "Modeberaterin", sondern auch ungelernte Kräfte als Verkäuferinnen einsetzt. Dass für einen Einsatz der Klägerin im Verkaufsbereich eine besondere Ausbildung unumgänglich ist, hat die Beklagte nicht dargelegt. Die Beklagte beschäftigt nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien auch zahlreiche Mitarbeiterinnen als Verkäuferin, die diesen Beruf nicht erlernt haben und aus anderen Bereichen kommen. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Klägerin nicht über hinreichende Warenkenntnisse verfüge. Nach ihrem eigenen Anforderungsprofil für Marchendiser müssen auch diese über hinreichende Warenkenntnisse verfügen. Immerhin ist die Klägerin bereits seit 28 Jahren im Betrieb der Beklagten beschäftigt, sie hat auch gelegentlich Verkaufstätigkeiten übernommen und Kundengespräche geführt.

Zu dem Vorbringen der Klägerin, sie könne nötigenfalls auch in der Warenannahme eingesetzt werden, hat die Beklagte schließlich überhaupt nicht Stellung genommen. Damit liegt insgesamt die Unmöglichkeit der Übernahme der Klägerin in eine andere Betriebsabteilung nicht vor.

III.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung auch dem Weiterbeschäftigungsbegehren der Klägerin stattgegeben. Die auch insoweit eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Beschäftigungsanspruch der Klägerin ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27.02.1985 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzliche Gründe anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt.

Derartige Gründe hat die Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug vorgetragen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht trotz der Kündigung durch die Beklagte vom 15.03.2007 über den 31.10.2007 hinaus fort. Gründe, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin begründen könnten, liegen nicht vor, nachdem die Beklagte in zwei Instanzen im Kündigungsrechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 15.03.2007 gescheitert ist.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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