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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.06.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 249/07
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, BetrVG, GG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 15 Abs. 1
BGB § 611
BGB § 615
BGB § 626
BetrVG § 102
BetrVG § 103
GG Art. 1
GG Art. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 09.11.2006 - 2 (6) (1) Ca 507/06 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der Kläger macht ferner seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen sowie Lohnansprüche aus Annahmeverzug geltend.

Der am 04.09.1974 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit dem 12.03.1997 ist der Kläger bei der Beklagten, die in ihren Baustoffwerken Steine aus Beton produziert, tätig. Nach § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages o.D. (Bl. 61 ff.d.A.) wurde der Kläger als Betonarbeiter für das Werk B3, in dem ca. 30 Mitarbeiter tätig sind, eingestellt. Der Kläger war verpflichtet, "im Bedarfsfall auch andere ihm zumutbare Arbeiten zu übernehmen".

Ca. acht Monate nach seiner Einstellung wurde der Kläger als Maschinist/Schichtführer - mitarbeitender Vorarbeiter - an der Steinfertigungsanlage zu einem Stundenlohn von zuletzt 13,44 € mit einer täglichen Arbeitszeit von 8,5 Stunden eingesetzt.

Seit mehr als sechs Jahren ist der Kläger Mitglied des im Werk B3 gewählten Betriebsrats.

Im September 2003 erlitt der Kläger eine Motorradunfall und war wegen einer Schienbeinkopffraktur ca. sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Die aufgrund des Motorradunfalls erlittenen Verletzungen sind inzwischen ausgeheilt.

Am 20.10.2004 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er von einer Hydraulikmaschine von oben nach unten zusammengedrückt wurde und dabei mehrere Wirbelbrüche erlitt. Wegen dieses Arbeitsunfalls war er ca. acht Monate arbeitsunfähig. Nach einer Wiedereingliederungsmaßnahme nahm er im Juli 2005 seine alte Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage wieder auf und erzielte wiederum ein Stundenlohn von 13,44 € (Bl. 142 ff.d.A.).

Am 04.07.2005 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen angeblicher Verletzung seiner Pflichten als Maschinist/Schichtführer. Auf den Inhalt der Abmahnung vom 04.07.2005 (Bl. 144 d.A.) wird Bezug genommen.

Am 17. und 18.01.2006 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Nach einem Personalgespräch vom 30.01.2006 teilte das Werk B3 dem Personalbüro der Beklagten mit Schreiben vom 30.01.2006 (Bl. 136 d.A.) folgendes mit:

"Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aspekte und werksspezifischen Wertschätzung unserer M4 - Steinfertigung sind wir gezwungen, die Planstellen dem Personal entsprechend so zu besetzen, dass die Produktivität des Unternehmen als ein wichtiger Baustein für den Erhalt der Arbeitsplätze gewährleistet ist.

In diesem Personalgespräch mit Herrn G2 wurde dem Mitarbeiter nochmals die Bedeutung und Wertschätzung der M4-Anlage im Werk B3 mitgeteilt.

Darüber hinaus sind Herrn G2 die Funktion und Verantwortung des Schichtführers, wie auch das häufige krankheitsbedingte Fehlen und die daraus resultierenden Ablaufschwierigkeiten, erläutert worden.

Herr G2 wird ab sofort in der Stützwinkelproduktion eingesetzt."

Mit Wirkung zum 01.02.2006 entband die Beklagte den Kläger daraufhin von seiner bisherigen Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage und setzte ihn als Betonarbeiter in der Stützwinkelposition ein. Der Kläger erzielte in der Folgezeit lediglich einen Stundenlohn von 8,44 € und hatte einen Minderverdienst von monatlich ca. 300,00 € brutto.

Zu dieser Maßnahme wurde der Betriebsrat, dessen Mitglied der Kläger weiterhin war, nicht angehört. Auch bei der im Frühjahr 2006 stattgefundenen Neuwahl wurde der Kläger wiederum in den Betriebsrat im Werk B3 gewählt.

Am 16.02.2006 legte der Kläger der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung vom 14.02.2006 (Bl. 59 f.d.A.) vor. In dieser Bescheinigung heißt es u.a.:

""Herr G. erlitt im Rahmen eines Arbeitsunfalles eine LWK-5 und BWK 6 Fraktur, weiterhin besteht ein Zustand nach einer operativ versorgten Schienbeinkopffraktur links.

Infolge dieser Verletzungsfolge sind Arbeiten in Zwangshaltung (gebückte Haltung, Arbeiten in knienden Positionen und das Heben schwerer Lasten (über 20 kg) für den Versicherten auf Dauer nicht gesundheitlich vertretbar.

Wie auch im fachärztlichen Gutachten ausführlich ausgeführt, finden sich erhebliche posttraumatische Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, welche Herrn G. körperlich einschränken.

Aufgrund dieser Unfallfolgen erhält er auch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit

Wir bitten dies bei der Arbeitsplatzvergabe des Versicherten zu berücksichtigen."

Die Beklagte stellte den Kläger hierauf mit Wirkung ab 16.02.2006 von der Arbeitsleistung frei und stellte die Lohnzahlungen - bis auf eine Gewährung von Urlaubsabgeltung im Mai 2006 - ein. Seit dem 12.05.2006 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld (Bl. 87 ff.d.A.).

Aufgrund der ärztlichen Bescheinigung vom 14.02.2006 beabsichtigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos unter Einhaltung einer Auslauffrist zu beenden. Hierzu hörte sie mit Schreiben vom 17.02.2006 (Bl. 57 ff.d.A.) den Betriebsrat an und bat um Zustimmung gemäß § 103 BetrVG. Auf das an den Betriebsrat gerichtete Schreiben vom 17.02.2006 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 20.02.2006 (Bl. 56 d.A.) teilte der Betriebsrat mit, dass er der Kündigung des Klägers zustimme.

Die Beklagte kündigte daraufhin das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.02.2006 (Bl. 4 d.A.) fristlos unter Einhaltung einer Auslauffrist bis zum 30.04.2006. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger die Tätigkeit als Betonarbeiter nicht mehr ausüben könne.

Der Kläger erhob hierauf am 08.03.2006 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht, mit der er die Unwirksamkeit der Kündigung vom 22.02.2006, seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinist/Schichtführer sowie seine Lohnansprüche ab 16.02.2006 bis zum 30.09.2006 auf der Grundlage der Tätigkeit als Schichtführer abzüglich des ab Mai 2006 erhaltenen Arbeitslosengeldes geltend machte.

Im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens legte der Kläger eine weitere Bescheinigung der S3. B4-Klinik vom 19.06.2006 (Bl. 86 d.A.) vor, in der es heißt:

"Hiermit bestätigen wir Ihnen, das Sie aufgrund einer LWK 5 und LWK 6 Fraktur sowie einer operativ versorgten Schienbeinkopffraktur, Arbeiten in Zwangshaltung sowie gebückter Haltung und das Heben schwerer Lasten (über 10kg) auf Dauer wettbewerbsfähig nicht durchführen können.

Es wird Ihnen hiermit bestätigt, dass Sie im Rahmen der Bg-lichen Heilbehandlung sich regelmäßig bei uns vorgestellt haben.

Im Zeitraum des zweiten Halbjahres 2005 bis Februar 2006 sind von uns lediglich Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 17.01.06 bis 18.01.06 attestiert worden.

Eine vollschichtige Tätigkeit war somit in diesem Beruf zu diesem Zeitpunkt möglich. Nach Umsetzung als Betongießer sind wiederholte Beschwerden bei Ihnen aufgetreten."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 22.02.2006 sei unwirksam. Die Beklagte hätte ihn weiter als Schichtführer/Maschinist an der Steinfertigungsanlage weiterbeschäftigen können. Die Zuweisung einer Tätigkeit als Betonarbeiter in der Stützwinkelproduktion ab 01.02.2006 sei für ihn, den Kläger, nicht zumutbar gewesen. Erst aufgrund dieser Tätigkeit in der Stützwinkelproduktion seien bei ihm wiederum Beschwerden aufgetreten. Bei der Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage fielen weniger Tätigkeiten an, bei denen er schwer heben und tragen müsse.

Im Übrigen sei die Versetzung zum 01.02.2006 in die Stützwinkelproduktion auch wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats unwirksam gewesen.

Schließlich hätte er auch als Staplerfahrer/Materialfahrer eingesetzt werden können.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Dem Betriebsrat sei keine Wochenfrist zur Stellungnahme eingeräumt worden.

Die Beklagte sei auch verpflichtet, den Lohn des Klägers für die Zeit ab 16.02.2006 bis einschließlich September 2006 auf der Grundlage eines Stundenlohnes von 13,44 € fortzuzahlen. Auch in der Zeit vor dem 01.02.2006 habe die Beklagte dem Kläger als Schichtführer/Maschinist einen Stundenlohn von 13,44 € einschließlich einer Bonusprämie gezahlt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.02.2006 beendet worden ist,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) und/oder zu 2) wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschlusses des Kündigungsschutzesverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschinist/Schichtführer weiter zu beschäftigen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.541,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Zustellung des Schriftsatzes vom 26.04.2006 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.284,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Zustellung des Schriftsatzes vom 29.05.2006 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.627,52 € brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 809,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Zustellung des Schriftsatzes vom 07.06.2006 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.513,28 € brutto abzüglich gewährtem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.278,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Zustellung des Schriftsatzes vom 18.07.2006 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.399,04 € brutto abzüglich gewährtem Arbeitslosengeld von 1.321,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Zustellung des Schriftsatzes vom 13.09.2006 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.627,52 € brutto abzüglich gewährtem Arbeitslosengeld von 1.278,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Zustellung des Schriftsatzes vom 13.09.2006 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.399,04 € brutto abzüglich gewährtem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.278,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Zustellung des Schriftsatzes vom 11.10.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist sei gerechtfertigt gewesen. Aufgrund des ärztlichen Attestes vom 16.02.2006 habe der Kläger als Betonarbeiter nicht weiterbeschäftigt werden können. Insoweit bestehe eine dauernde Leistungsunfähigkeit. Die Beklagte habe schon aufgrund ihrer Schutzpflicht gegenüber dem Kläger dafür Sorge tragen müssen, dass dieser keine gesundheitsschädlichen Arbeiten verrichte.

Die Umsetzung des Klägers sei auch im Wege des Direktionsrechts arbeitsvertraglich gerechtfertigt gewesen. Ein Einsatz des Klägers in der Stützwinkelproduktion hindere den Betriebsablauf bei Fehlzeiten des Klägers in geringerem Umfang als seine Tätigkeit an der Steinfertigungsanlage. Im Übrigen sei die Zuweisung der Tätigkeit als Betonarbeiter auch keine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG. Ein anderer leidensgerechter Arbeitsplatz stehe im Werk B3 für den Kläger nicht zur Verfügung. Es habe auch keine Möglichkeit bestanden, den Kläger als Staplerfahrer einzusetzen.

Die Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, der Kläger könne keinen Stundenlohn von 13,44 € verlangen. Ihm stehe als Betonarbeiter lediglich ein Stundenlohn von 8,44 € brutto zu. Der Kläger habe insoweit auch nicht die Funktion eines Vorarbeiters inne gehabt, er sei allenfalls "Erster unter Gleichen" gewesen.

Durch Urteil vom 09.11.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger erweise sich als unwirksam, weil bereits die Versetzung des Klägers von der Position eines Maschinisten/Schichtführers an der Steinfertigungsanlage in die Position eines Betonarbeiters in der Stützwinkelproduktion unwirksam gewesen sei. Bei der Überprüfung einer weiteren Einsatzmöglichkeit für den Kläger hätte von dessen Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage ausgegangen werden müssen; dass der Kläger für diese Tätigkeit auf Dauer einsatzunfähig gewesen sei, habe die Beklagte aber nicht dargelegt. Aus diesem Grunde seien auch dem Weiterbeschäftigungsanspruch sowie den Lohnansprüchen des Klägers stattzugeben gewesen.

Gegen das der Beklagten am 23.11.2006 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 27.11.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 19.01.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Beklagte weiter der Ansicht, die außerordentliche Kündigung vom 22.02.2006 mit Auslauffrist zum 30.04.2006 sei wirksam. Das Arbeitsgericht habe in dem angefochtenen Urteil bereits verkannt, dass alle gewerblichen Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten als Betonarbeiter eingesetzt würden; dies gelte auch für den Kläger. Auch Mitarbeiter, die als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage eingesetzt würden, seien Betonarbeiter. Die Versetzung des Klägers in die Stützwinkelproduktion sei im Wege des Direktionsrechts nach § 1 des Arbeitsvertrages möglich gewesen. Die Ausübung des Direktionsrechts stelle keine Versetzung dar und sei deshalb auch nicht mitbestimmungspflichtig. Im Übrigen sei die Einkommensminderung in § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrages geregelt worden. Insoweit habe das Arbeitsgerichts das Vorbringen der Beklagten erster Instanz bei seiner Bewertung völlig außer Acht gelassen und sei von einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung ausgegangen. Das Arbeitsgericht habe auch die Bedeutung des Schreibens der Beklagten vom 30.01.2006 verkannt und die Beweisangebote der Beklagten übergegangen. Bereits in erster Instanz habe die Beklagte vorgetragen, dass ein plötzlicher Ausfall an der Steinfertigungsanlage zu einem Produktionsausfall führe mit der Folge, dass Lkw`s nur zeitverzögert beladen und Kunden nur verspätet beliefert werden könnten. Ein plötzlicher Krankheitsausfall in der Stützwinkelproduktion könne leichter bewältigt werden.

Die Beklagte behauptet ferner auch in der Berufungsinstanz, der Kläger könne weder die Tätigkeiten in der Stützwinkelproduktion verrichten, noch könne er aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen an der Steinfertigungsanlage eingesetzt werden. Er sei weder in der Lage in der Stützwinkelproduktion noch an der Steinfertigungsanlage zu arbeiten, ohne auf Dauer an seiner Gesundheit Schaden zu nehmen. Insoweit sei es unerheblich, dass in der Stützwinkelproduktion schwerere körperliche Arbeiten verrichtet werden müssten als an der Steinfertigungsanlage. Dies ergebe sich aus der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung vom 17.02.2006. Diese Bescheinigung beziehe sich nicht nur auf die Arbeit des Klägers in der Stützwinkelproduktion. Sowohl für die Arbeiten in der Stützwinkelproduktion als auch bei den Tätigkeiten an der Steinfertigungsanlage fielen Arbeiten in Zwangshaltung sowie gebückter Haltung an, beide Tätigkeiten seien mit dem Heben schwerer Lasten über 10 kg verbunden. Dass in der Stützwinkelproduktion Beton gegossen werde, sei unerheblich. Die Beklagte stelle Produkte aus Beton her, hier wie dort werde mit Beton gearbeitet. Auch bei der Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage seien Kräfte aufzuwenden, die der Kläger aus medizinischen Gründen nicht einsetzen dürfe, da es sich um Arbeit in Zwangshaltung handele, die vergleichbar sei mit dem Heben schwerer Lasten über 10 kg. Soweit der Kläger behaupte, dass es in dieser Tätigkeit gerade nicht zu schwerer körperlicher Belastung komme, sei dies unzutreffend. Die Beklagte habe keinen sogenannten leidensgerechten Arbeitsplatz, bei dem nicht in Zwangshaltung gearbeitet werden müsste oder das Heben und Tragen schwerer Lasten von mehr als 10 kg nicht vorkomme.

Im Übrigen könne der Kläger die Tätigkeit an der Steinfertigungsanlage auch schon deshalb nicht ausüben, weil er ständig starke Schmerzmittel wie "Valeron", "Novalgin" und "Tramal" einnehme. Die Einnahme dieser Schmerzmittel führe zu einer Verlangsamung der Reaktionsfähigkeit. Deshalb sei der Kläger ungeeignet zum Führen einer Maschine etwa zum Beispiel der Steinfertigungsanlage. Aufgrund der Einnahme dieser Schmerzmittel dürfe der Kläger auch kein Auto fahren. Soweit der Kläger vortrage, dass er Schmerzmittel lediglich hin und wieder einnehme und dass es sich dabei nicht um starke Schmerzmittel handele, werde dies bestritten. Wer das Medikament "Tramal" einnehme, dürfe kein Auto fahren und auch nicht als Maschinenführer eingesetzt werden.

Dem Kläger stehe auch kein Lohn aus Gründen des Annahmeverzugs zu, weil er nicht mehr in der Lage sei, die Tätigkeiten im Betrieb der Beklagten zu verrichten, auch nicht diejenigen an der Steinfertigungsanlage. Der Kläger sei nicht mehr als Betonarbeiter einsetzbar. Dies ergebe sich aus den von ihm selbst vorgelegten Attesten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 09.11.2006 - 2 (6) (1) Ca 507/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der seit Erlass des erstinstanzlichen Urteil zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage weiterbeschäftigt wird und im Laufe des Berufungsverfahrens den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag zu 2) zurückgenommen hat, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, dass bereits die Versetzung des Klägers in die Stützwinkelproduktion zum 01.02.2006 wegen fehlender Mitbestimmung des Betriebsrats unwirksam gewesen sei. Im Hinblick auf die schwerere körperliche Tätigkeit in der Stützwinkelproduktion sei mit der Versetzung eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG einhergegangen. Ob insoweit arbeitsvertraglich die Versetzung wirksam gewesen sei, sei unerheblich.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass er für die Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage arbeitsfähig und auch dauerhaft einsetzbar sei. Diese Tätigkeit könne er - ebenso wie vor dem Arbeitsunfall vom 20.10.2004 - weiter verrichten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass er nach seiner Wiedereingliederung ab Juli 2005 lediglich einmal kurzfristig im Januar 2006 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Darüber hinaus werde er auch nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils unbeanstandet an der Steinfertigungsanlage eingesetzt, ohne dass es zu krankheitsbedingten Arbeitsausfällen gekommen sei.

Die Beklagte habe lediglich die Erkrankung des Klägers am 17./18.01.2006 zum Anlass genommen, ihn in die Stützwinkelproduktion umzusetzen. Dort fielen allerdings schwerere körperliche Arbeiten an, weil dort Beton gegossen werde. Lediglich diese Tätigkeit sei der Gesundheit des Klägers nicht zuträglich. Lediglich hierzu habe der Kläger das ärztliche Attest vom 14.02.2006 vorgelegt. Auch bei einem Kraneinsatz an der Steinfertigungsanlage fiele nicht eine derartig große Körperbelastung an wie bei den Arbeiten in der Stützwinkelproduktion.

Die Beklagte könne sich zur Begründung der fehlenden Einsatzmöglichkeit des Klägers an der Steinfertigungsanlage auch nicht darauf berufen, dass der Kläger Schmerzmittel einnehme. Der Kläger nehme Schmerzmittel lediglich nur in geringen Dosen ein, etwa vor dem Schlafengehen und manchmal morgens. Selbst nach den Angaben auf den Beipackzetteln (Bl. 320 f., 323 f. d.A.) sei das Führen von Kraftfahrzeugen und anderen Maschinen durchaus möglich.

Das erstinstanzliche Urteil erweise sich auch insoweit als zutreffend, als es Ansprüche aus Annahmeverzug zugesprochen habe. Der Kläger könne eben seine Arbeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage verrichten. Hierfür sei er weder arbeitsunfähig noch auf Dauer nicht einsatzfähig.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage, dem Weiterbeschäftigungsantrag und den Lohnansprüchen des Klägers stattgegeben.

I.

Auch nach Auffassung der Berufungskammer erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 22.02.2006 mit Auslauffrist zum 30.04.2006 als unwirksam. Die Kündigung vom 22.02.2006 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht nach einer Auslauffrist zum 30.04.2006 beendet.

1. Die Wirksamkeit der Kündigung vom 22.02.2006 scheitert nicht bereits daran, dass die Beklagte diese Kündigung vor Beendigung des Anhörungsverfahrens beim Betriebsrat ausgesprochen hat.

Zwar ist bei einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB, die trotz des Ausschlusses der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit - hier § 15 Abs. 1 KSchG - zulässig ist, dem Arbeitnehmer ein Schutzstandard zu gewähren, der dem der ordentlichen Kündigung entspricht. Dies bedeutet unter anderem, dass dem Betriebsrat bei einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist gegenüber einem unkündbarem Arbeitnehmer nicht lediglich die Anhörungsfrist von drei Tagen nach § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zusteht, sondern ihm die volle Frist von einer Woche zur Stellungnahme gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG einzuräumen ist (BAG, Urteil vom 05.02.1998 - AP BGB § 626 Nr. 143; BAG, Urteil vom 18.10.2000 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 9; BAG, Urteil vom 12.01.2006 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 13). Hiergegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 17.02.2006 um Zustimmung nach § 103 BetrVG bzw. um Stellungnahme innerhalb von drei Tagen gebeten hat.

Dieser Verstoß wirkte sich jedoch nicht zu Lasten der Beklagten aus, weil der Betriebsrat bereits am 20.02.2006 eine abschließende Stellungnahme abgegeben und der beabsichtigten Kündigung zugestimmt hat. Spricht ein Arbeitgeber eine Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG aus, so ist dies unschädlich, sofern der Betriebsrat dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, er stimme der beabsichtigten Kündigung zu. Mit dieser Mitteilung ist grundsätzlich das Anhörungsverfahren abgeschlossen. Der Arbeitgeber kann die Kündigung aussprechen, ohne die Wochenfrist abwarten zu müssen. Es wäre ein überflüssiger Formalismus, vom Arbeitgeber in diesen Fällen zu verlangen, den Ablauf der Anhörungsfrist abzuwarten (BAG, Urteil vom 16.01.2003 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 129; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 142; KR/Etzel, 8. Aufl., § 102 Rz. 103, 126; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 102 Rz. 54, 65 m.w.N.).

Dass das Anhörungsverfahren beim Betriebsrat ordnungsgemäß abgeschlossen worden ist, ist im Übrigen in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien nicht mehr streitig gewesen.

2. Die außerordentliche Kündigung vom 22.02.2006 mit Auslauffrist zum 30.04.2006 ist aber unwirksam, weil ihr ein wichtiger Grund im Sinne der §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 KSchG nicht zugrunde gelegen hat. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Ein wichtiger Grund, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger, der als Betriebsratsmitglied Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG genießt und dessen Arbeitsverhältnis ordentlich zurzeit nicht kündbar ist, außerordentlich unter Einhaltung einer Auslauffrist zu beenden, hat nicht vorgelegen.

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass eine personenbedingte Kündigung aus wichtigem Grund bei unkündbaren Mitarbeitern nicht ausgeschlossen ist. Auch bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit aufgrund tarifvertraglicher oder gesetzlicher Vorschriften kann im Ausnahmefall auch eine krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung in Betracht kommen. Krankheit ist nicht grundsätzlich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB ungeeignet. An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ist zwar schon bei einer ordentlichen Kündigung ein strenger Maßstab anzulegen; dies schließt aber nicht aus, dass in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem kranken Arbeitnehmer für den Arbeitgeber unzumutbar im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein kann (BAG, Urteil vom 09.09.1992 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 3; BAG, Urteil vom 12.07.1995 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 7; BAG, Urteil vom 16.09.1999 - AP BGB § 626 Nr. 159; BAG, Urteil vom 27.11.2003 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 11; BAG, Urteil vom 12.01.2006 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 13; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 132; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 298; ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 179, 182; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 754; Bengelsdorf, NZA-RR 2002, 57, 69; Löw, MDR 2004, 1340, 1342 m.w.N.). Die Krankheit muss aber dann von einem solchen Gewicht sein, dass sie einer dauernden Arbeitsunfähigkeit gleichsteht oder ein anderer extremer Fall vorliegt, der eine sinnvolle Arbeitsleistung nicht mehr erwarten lässt.

b) Ein wichtiger Grund in diesem Sinne war vorliegend, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht vorhanden.

aa) Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen lang andauernder Erkrankung, die die Kündigung vom 22.02.2006 hätten rechtfertigen können, lagen nicht vor. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung am 22.02.2006 nicht lang andauernd erkrankt. Zwar hatte er am 20.01.2004 einen Arbeitsunfall erlitten und war aufgrund dieses Arbeitsunfalls ca. acht Monate arbeitsunfähig erkrankt. Seither ist er aber nach einer Wiedereingliederungsmaßnahme ab Juli 2005 wieder tätig und mit Ausnahme kurzfristiger Fehlzeiten, insbesondere am 17./18.01.2006, nicht wieder arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

bb) Die Beklagte kann sich zur Begründung der außerordentlichen Kündigung vom 22.02.2006 aber auch nicht darauf berufen, der Kläger sei auf Dauer unfähig, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Zwar gehört zu den personenbedingten Gründen, die eine Kündigung rechtfertigen können, neben den Fällen häufiger Kurzerkrankungen und lang andauernder Erkrankungen nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auch der Fall der dauernden Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Nicht nur die lang andauernde Erkrankung, sondern auch die dauernde krankheitsbedingte Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kann eine Kündigung rechtfertigen. Aufgrund der Erkrankung steht nämlich dann fest, dass der Mitarbeiter niemals mehr in der Lage sein wird, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Kündigung kann in Betracht kommen, wenn das arbeitsrechtliche Austauschverhältnis praktisch auf Dauer gestört ist (BAG, Urteil vom 05.08.1976 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 1; BAG, Urteil vom 21.05.1992 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30; BAG, Urteil vom 18.10.2000 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 9; BAG, Urteil vom 18.01.2001 - AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1; BAG, Urteil vom 12.01.2006 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 13 m.w.N.).

Auch nach Auffassung der Berufungskammer kann sich die Beklagte auf eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers zur Begründung der Kündigung vom 22.02.2006 nicht berufen. Eine auf Dauer bestehende Leistungsunfähigkeit des Klägers konnte auch aufgrund des Berufungsvorbringens der Beklagten nicht festgestellt werden. Der Kläger ist für die Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage im Betrieb der Beklagten weder dauerhaft arbeitsunfähig noch ist er auf Dauer nicht in der Lage, seine Leistung als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage ordnungsgemäß zu erbringen.

Auch die Berufungskammer geht davon aus, dass die Beklagte bei ihrer Anweisung, dem Kläger ab 01.02.2006 in der Stützwinkelproduktion einzusetzen, die ihr Direktionsrecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat.

Dabei konnte offen bleiben, ob diese Anweisung bereits betriebsverfassungsrechtlich wegen der dauerhaften Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs nach § 95 Abs. 3 BetrVG eine Versetzung darstellt, die nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig war. Die Berufungskammer unterstellt zu Gunsten der Beklagten auch, dass der Beklagten durch § 1 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags ein erweitertes Direktionsrecht zustand und die in § 1 des Arbeitsvertrages enthaltene Versetzungsklausel nach den §§ 305 ff. BGB wirksam gewesen ist (vgl. insoweit: BAG, Urteil vom 11.04.2006 - AP BGB § 307 Nr. 17; BAG, Urteil vom 09.05.2006 - AP BGB § 307 Nr. 21).

Das - unterstellte - Direktionsrecht der Beklagten ist bei dem Einsatz des Klägers ab 01.02.2006 in der Stützwinkelproduktion aber nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden, weil die Beklagte berechtigte Interessen des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Zwar steht bei der Ausübung des Direktionsrechts dem Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Raum zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu. Insbesondere hat der Arbeitgeber das Recht, die arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Einzelnen festzulegen und dabei Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen. Der Arbeitgeber darf auch einen Wechsel in der Art der Beschäftigung des Arbeitnehmers herbeiführen oder den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers verändern, soweit dies arbeitsvertraglich zulässig ist. Im Übrigen darf das Direktionsrecht aber nur nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB ausgeübt werden. Dabei hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, § 106 S. 3 GewO. Die Ausübung billigem Ermessens nach § 315 BGB setzt dabei voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom 27.03.1980 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 26; BAG, Urteil vom 23.06.1993 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 42; BAG, Urteil vom 29.10.1997 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51; ErfK/Preis, a.a.O., § 611 BGB Rn. 74 ff., 278 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Maßnahme der Beklagten, den Kläger ab 01.02.2006 in der Stützwinkelproduktion einzusetzen, unwirksam gewesen ist. Zwar hat sie sich darauf berufen, dass ein plötzlicher Ausfall eines Mitarbeiters an der Steinfertigungsanlage zu einem Produktionsausfall führe, Ausfälle in der Stützwinkelproduktion könnten leichter verkraftet werden. Hierbei sind die persönlichen Interessen des von der Maßnahme betroffenen Klägers jedoch nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Kläger war nämlich bislang nach Wiederherstellung seiner Arbeitsunfähigkeit nach dem am 20.10.2004 erlittenen Verkehrsunfall wiederum beanstandungslos an der Steinfertigungsanlage eingesetzt worden. Zu nennenswerten Fehlzeiten ist es seit seiner Wiedereingliederung im Juli 2005 nicht gekommen. Die Arbeitsunfähigkeit am 17./18.01.2006 konnte die Beklagte nicht allein zum Anlass nehmen, den Kläger aufgrund seiner Beeinträchtigungen, wie sie in den ärztlichen Bescheinigungen vom 14.02.2006 und 19.06.2006 enthalten sind, nunmehr in der Stützwinkelproduktion einzusetzen. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren selbst vorgetragen, dass die Tätigkeit als Betonarbeiter in der Stützwinkelproduktion körperlich schwerer sei als die Arbeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage. Insoweit sind bei der Ausübung des Direktionsrechts durch die Beklagte die Interessen des Klägers, aufgrund der schwereren körperlichen Tätigkeit in der Stützwinkelproduktion lieber an der Steinfertigungsanlage wie bisher eingesetzt zu werden, nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Aus dem gesamten Vorbringen der Beklagten geht auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hervor, dass der Kläger für eine Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage dauerhaft nicht mehr einsetzbar ist.

Zwar ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung vom 14.02.2006, dass der Kläger aufgrund der erlittenen Verletzungen aus gesundheitlichen Gründen Arbeiten in Zwangshaltung (gebückte Haltung, Arbeiten in knienden Positionen und Heben schwerer Lasten über 20 kg nicht mehr durchführen sollte. Diese Bescheinigung bezieht sich nach ihrem bloßen Wortlaut auch nicht allein auf Tätigkeiten des Klägers in der Stützwinkelproduktion. Demgegenüber weist aber bereits die Bescheinigung vom 19.06.2006 aus, dass erst "nach Umsetzung als Betongießer" wiederholt Beschwerden beim Kläger aufgetreten sind und dass in der vorangegangenen Zeit dem Kläger eine vollschichtige Tätigkeit möglich gewesen ist. Hiermit ist offenbar die Tätigkeit des Klägers an der Steinfertigungsanlage gemeint. Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung vom 19.06.2006 bezieht sich nämlich ausdrücklich darauf, dass im Zeitraum des zweiten Halbjahres 2005 bis Februar 2006 Arbeitsunfähigkeitszeiten lediglich vom 17. bis 18.01.2006 attestiert worden sind. Diese Bescheinigung vom 19.06.2006 stimmt insoweit mit dem unstreitigen Vorbringen der Parteien überein, wonach die Tätigkeit als Betonarbeiter in der Stützwinkelproduktion körperlich schwerer ist als die Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage.

Die Tatsache, dass der Kläger für eine Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage jedenfalls nach der Bescheinigung vom 19.06.2006 nicht dauerhaft leistungsunfähig ist, wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass der Kläger seit Erlass des erstinstanzlichen Urteils wiederum unbeanstandet an der Steinfertigungsanlage tätig geworden ist, ohne dass es zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten gekommen ist. Insoweit war die Erhebung der von der Beklagten angebotenen Beweise entbehrlich. Die ärztliche Bescheinigung vom 19.06.2006 bestätigt gerade, dass der Kläger für die Tätigkeiten, die er bis Ende Januar 2006 ausgeübt hat, einsatzfähig gewesen ist. Aus dem Vorbringen der Beklagten, der Kläger sei auch für eine Tätigkeit an der Steinfertigungsanlage dauerhaft nicht einsatzfähig, ergibt sich nichts Gegenteiliges.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, der Kläger sei wegen der Einnahme von Schmerzmitteln auf Dauer nicht mehr an der Steinfertigungsanlage einsetzbar.

Zwar ist zwischen den Parteien streitig, in welchem Umfang und welche Schmerzmittel der Kläger einnimmt und ob die Einnahme der Schmerzmittel das Führen eines Kraftfahrzeugs und die Bedienung von Maschinen bei der Beklagten hindert. Der Kläger hat insoweit aber vorgetragen, dass er nur manchmal in geringen Dosen Schmerzmittel einnehme und - unter Vorlage der entsprechenden Beipackzettel - das Führen von Kraftfahrzeugen und weiteren Maschinen dennoch durchaus möglich sei. Diesem Vorbringen des Klägers ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Soweit sie in der Berufungsinstanz bestritten hat, dass der Kläger Schmerzmittel nur manchmal und in geringen Dosen einnehme, ist dieses Bestreiten unsubstantiiert. Die Beklagte hätte sich nicht mit dem bloßen Bestreiten begnügen dürfen. Sie ist vielmehr darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Kläger aufgrund der Einnahme von Schmerzmitteln dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seiner Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage nachzugehen. Hierfür fehlt es an substantiierten Darlegungen seitens der Beklagten. Das Führen von Kraftfahrzeugen und das Bedienen von Maschinen ist nach den vom Kläger vorgelegten Beipackzetteln jedenfalls nicht ausgeschlossen.

II.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung auch dem Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers stattgegeben. Die auch insoweit eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Beschäftigungsanspruch des Klägers ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27.02.1985 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzlich die Gründe anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt.

Derartige Gründe hat die Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug vorgetragen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht trotz der Kündigung durch die Beklagte vom 22.02.2006 hinaus fort. Gründe, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers begründen könnten, liegen nicht vor, nachdem die Beklagte in zwei Instanzen im Kündigungsrechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 22.02.2006 gescheitert ist.

III.

Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht den eingeklagten Zahlungsansprüchen des Klägers in vollem Umfange stattgegeben.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Lohnanspruch für den Zeitraum vom 16.02.2006 bis zum 30.09.2006 in der eingeklagten Höhe. Dieser Lohnanspruch des Klägers ergibt sich, soweit er nicht durch die Beklagte erfüllt ist, aus den §§ 615, 611 BGB.

Zwischen den Parteien bestand in dem genannten Zeitraum aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22.02.2006 ein erfüllbares Arbeitsverhältnis. Zwar hat der Kläger ab 16.02.2006 keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte erbracht. Es fehlt aber an einer Mitwirkungshandlung der Beklagten nach § 293 BGB. Die Beklagte hat es nämlich unterlassen, dem Kläger für den Zeitraum ab 16.02.2006 eine zumutbare Arbeit zuzuweisen. Sie hat vielmehr ausdrücklich die Arbeitsleistung des Klägers abgelehnt, § 295 Satz 1 BGB.

Der Annahmeverzug der Beklagten ist auch nicht nach § 297 BGB wegen fehlenden Leistungsvermögens des Klägers ausgeschlossen. Dass der Kläger in der Zeit ab 16.02.2006 weder arbeitsunfähig noch dauerhaft unfähig ist, seine Tätigkeit als Maschinist/Schichtführer an der Steinfertigungsanlage zu erbringen, ergeben die obigen Ausführungen. Darauf kann Bezug genommen werden.

Das im Anspruchszeitraum bezogene Arbeitslosengeld hat sich der Kläger nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen.

Der zugesprochene Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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