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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.01.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 775/06
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, BetrVG, GG


Vorschriften:

KSchG § 15
BGB § 626
BetrVG § 102
BetrVG § 103
GG Art. 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 11.04.2006 - 5 Ca 3931/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 12.13.14xx geborene Kläger ist ledig. Seit dem 29.11.1994 ist er bei der Beklagten, die ca. 110 Mitarbeiter beschäftigt, als Drahtzieher zu einem monatlichen durchschnittlichen Bruttoverdienst von 2.700,00 € tätig.

Der Kläger ist seit 2002 Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats, der aus sieben Personen besteht.

Am 22.11.2005 wurde der Betriebsrat durch die Beklagte über die rückläufige Auftragslage in Höhe von ca. 30 % informiert. Am 01.12.2005 fand daraufhin eine Betriebsratssitzung statt, auf der der Geschäftsführer der Beklagten ein flexibles Arbeitszeitmodell zur Verhinderung von ansonsten notwendigen fünf Entlassungen vorschlug. Unter anderem wurde dabei die Absenkung der Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche diskutiert.

Im Anschluss an die Betriebsratssitzung vom 01.12.2005, die nicht ohne Auseinandersetzung vonstatten ging, forderte der Kläger, dass zunächst die Zeitkonten voll ausgeschöpft und darüber hinaus gegebenenfalls Kurzarbeit angemeldet werden müsse. Ferner kam es auch unter den Betriebsratsmitgliedern zu verbalen "Entgleisungen". Beim Verlassen der Betriebsratssitzung sagte der Kläger sinngemäß zu seinem Betriebsratskollegen S3xxxxx, dieser sei zu blöd für Betriebsratsarbeit. Gegenüber dem Betriebsratsmitglied K4xxxx sagte er sinngemäß, dieser sei ein "großer Feigling" und habe keine Ahnung.

Am 02.12.2005 verweigerten Teile der Belegschaft des Werkes II der Beklagten die Ableistung von Mehrarbeit, die am 02.12.2005 für den 03.12.2005 angeordnet wurde.

Auf einer Betriebsratssitzung vom 06.12.2005 kam es zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeit zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten mit einem Arbeitszeitrahmen zwischen 30 und 38 Stunden. Ferner sah die Betriebsvereinbarung den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis einschließlich März 2006 vor.

Der Kläger, der mit dem Abschluss der genannten Betriebsvereinbarung nicht einverstanden war, suchte am 12.12.2005 die Gewerkschaft in W1xxxxx auf, um sich dort zu unterrichten und gegebenenfalls gegen die neue Arbeitszeitregelung vorzugehen. Im Anschluss an das Gespräch mit der Gewerkschaft sprach der Kläger mit den Arbeitnehmern A3xxxxxxx und C1xxxxxxx über die Auswirkungen der abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen und erklärte diesen gegenüber sinngemäß, für eine 2%ige Lohnerhöhung habe man auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten sollen.

Mit Schreiben vom 13.12.2005 (Bl. 31 d.A.) leitete die Beklagte das Anhörungsverfahren zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers beim Betriebsrat ein. Der Betriebsratsvorsitzenden wurde gegen 13.00 Uhr das Anhörungsschreiben vom 13.12.2005 übergeben. Mit Schreiben vom 13.12.2005 (Bl. 30 d.A.) teilte der Betriebsrat der Geschäftsleitung mit, dass der fristlosen Kündigung des Klägers zugestimmt werde. Das Schreiben des Betriebsrates wurde der Geschäftsleitung am 13.12.2005 gegen 13.20 Uhr übergeben.

Ob am 13.12.2005 ein entsprechender Betriebsratsbeschluss ordnungsgemäß gefasst worden ist, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger nahm ab 13.00 Uhr an der Sitzung des Betriebsrates teil.

Mit Schreiben vom 13.12.2005 (Bl. 5 d.A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Hiergegen erhob der Kläger am 20.12.2005 die vorliegende Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte könne die außerordentliche Kündigung weder auf Beleidigungen seitens des Klägers noch auf eine etwaige Störung des Betriebsfriedens stützen.

Hierzu hat der Kläger behauptet, er sei am 01.12.2005 nach der Betriebsratssitzung nicht zum Werk II der Beklagten gefahren, um dort Stimmung gegen die Beklagte zu machen. Vielmehr habe er die Funktionärskonferenz der IG Metall besucht.

Er habe auch keine beleidigenden Äußerungen gegenüber den Betriebsratsmitgliedern S3xxxxx und K4xxxx gemacht.

Für die Verweigerung von Mehrarbeit durch Teile der Belegschaft des Werkes II sei er nicht verantwortlich.

Schließlich sei die außerordentliche Kündigung schon wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates unwirksam. Er, der Kläger, habe am 13.12.2005 von Beginn an ab 13.00 Uhr an der Betriebsratssitzung teilgenommen. Auf dieser Sitzung sei kein Beschluss über die Zustimmung zu seiner außerordentlichen Kündigung gefasst worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.12.2005 aufgelöst worden ist,

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen .

Sie hat gemeint, die außerordentliche Kündigung sei wegen Beleidigung von Betriebsratskollegen und wegen Störung des Betriebsfriedens durch den Kläger wirksam.

Hierzu hat sie behauptet, der Kläger habe am 01.12.2005 nach der Betriebsratssitzung Stimmung im Werk II der Beklagten gemacht. Dort habe er sinngemäß erklärt, der "Alte" könne nicht machen, was er wolle, er werde sich jetzt "nicht mehr alles gefallen lassen". Der Kläger habe erheblich Stimmung gegen den Betriebsrat und auch gegen die Politik der Geschäftsführung der Beklagten gemacht. Die Mitarbeiter seien derart aufgewiegelt gewesen, dass sie danach kaum noch ihre Arbeit nachgekommen seien.

Im Anschluss an die Betriebsratssitzung vom 01.12.2005 habe der Kläger die Betriebsratsmitglieder S3xxxxx und K4xxxx mit den Ausdrücken "dummer Hund" bzw. "Feigling und Nichtskönner" beschimpft.

Der Kläger störe in unzumutbarer Weise den Betriebsfrieden durch Anpöbeln der Betriebsratsmitglieder und durch Aufwiegelung der Belegschaft. Der Kläger sei nicht willens, gemeinsam getragene Beschlüsse des Betriebsrates zu unterstützen. Er lasse auch gegenüber der Betriebsratsvorsitzenden H5xxxx jedes Anstandsgefühl vermissen.

Auch die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Dem Betriebsrat seien sämtliche Vorkommnisse ohnehin bekannt gewesen. Am 13.12.2005 habe der Betriebsrat gegen 13.20 Uhr gegenüber der Beklagten abschließend Stellung genommen und ausdrücklich erklärt, er stimme der fristlosen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses zu.

Durch Urteil vom 11.04.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, ein wichtiger Grund für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger liege nicht vor. Nicht jede Beleidigung auch von Betriebsratsmitgliedern könne als grobe Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gewertet werden.

Gegen das der Beklagten am 26.04.2006 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 03.05.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.07.2006 mit dem am 25.07.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Beklagte der Auffassung, dem Kläger könne nicht lediglich eine Verletzung seiner Amtspflichten als Betriebsrat vorgeworfen werden. Vielmehr würden die vorgetragenen Vorwürfe auch das Arbeitsverhältnis zur Beklagten betreffen. Daraus, dass Mitarbeiter der Spätschicht am 02.12.2005 die Ableistung von Mehrarbeit abgesagt hätten, ergebe sich, dass die Agitation des Klägers bereits Früchte getragen habe. Auch die fortwährenden Beleidigungen des Klägers gegenüber anderen Betriebsratsmitgliedern trage nicht zum Betriebsfrieden bei. Aufgrund der Vorfälle aus Dezember 2005 sei jede Vertrauensgrundlage zwischen der Geschäftsführung und dem Kläger zerstört. Der Kläger habe bewusst die Autorität der Geschäftsleitung untergraben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 11.04.2006 - 5 Ca 3931/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, dass Gründe für eine außerordentliche Kündigung des Klägers nicht vorlägen. Darüber hinaus sei die außerordentliche Kündigung bereits wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats unwirksam. Ein ordnungsgemäßer Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates sei nicht herbeigeführt worden .

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

I.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die Berufung der Beklagten nicht schon wegen unzureichender Begründung des Rechtsmittels unzulässig.

Zwar muss eine Berufungsbegründung nach den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Der Berufungskläger muss im Einzelnen angeben, in welchen Beziehungen und aus welchen Gründen er die rechtliche oder tatsächliche Würdigung des angefochtenen Urteils für unrichtig hält. Dabei muss die Begründung auf den einzelnen Streitfall zugeschnitten sein. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung (zuletzt: BAG, Urteil vom 06.03.2003 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 32; BAG, Urteil vom 16.06.2004 - AP ZPO 2002 § 551 Nr. 2; BAG, Urteil vom 14.07.2005 - AP BGB § 611 Ruhen des Arbeitsverhältnis Nr. 4 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten. Zwar setzt sie sich nicht im Einzelnen mit der vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung auseinander. Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung aber vorgetragen, dass es sich bei den Pflichtverletzungen des Klägers nicht um bloße Amtspflichtverletzungen gehandelt hat, sondern dass hierdurch auch das Arbeitsverhältnis in unerträglicher Weise belastet sei; durch die fortwährenden Beleidigungen habe der Kläger in erheblicher Weise den Betriebsfrieden gestört. Dies erscheint für die Zulässigkeit der Berufung ausreichend. Da eine zulässige Berufungsbegründung weder die Schlüssigkeiten noch die Vertretbarkeit der erhobenen Rügen fordert, reichen die Angriffe der Beklagten für eine zulässige Berufungsbegründung aus (BAG, Urteil vom 25.03.2004 - AP BMT-G II § 54 Nr. 5 m.w.N.).

II.

Die Berufung der Beklagten ist aber unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben.

1. Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 13.12.2005 ergibt sich bereits aus § 15 Abs. 1 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Kläger ist Betriebsratsmitglied. Nach dem Vorbringen der Beklagten kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die nach § 103 BetrVG erforderliche ordnungsgemäße Zustimmung des Betriebsrates zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers vorliegt.

a) Die Berufungskammer hat schon Zweifel, ob das nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmungsverfahren durch die Beklagte ordnungsgemäß beim Betriebsrat eingeleitet worden ist.

Da die Zustimmung des Betriebsrats als Wirksamkeitsvoraussetzung vor dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vorliegen muss, ist der Arbeitgeber verpflichtet, wie bei der Anhörung des Betriebsrats zu jeder anderen beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers nach § 102 Abs. 1 BetrVG, dem Betriebsrat die Kündigungsabsicht und die maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen, welche den wichtigen Grund für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung darstellen sollen. Die für das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG geltenden Grundsätze sind insoweit auch für § 103 Abs. 1 BetrVG entsprechend anzuwenden (BAG, Urteil vom 18.08.1977 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 10; KR/Etzel, 7. Aufl., § 103 Rz. 66; Raab, GK-BetrVG, 8. Aufl., § 103 Rz. 48 m.w.N.). Hierzu gehört im Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG insbesondere der Hinweis, dass der zu kündigende Arbeitnehmer dem Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG unterfällt und das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG eingeleitet werden soll. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.12.2005 dem Betriebsrat mitgeteilt, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgerecht zu beenden. Nach dem Schreiben vom 13.12.2005 hat die Beklagte jedoch nicht das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG beim Betriebsrat eingeleitet, sondern ein Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG. Dies ergibt sich bereits aus der Betreffzeile des Schreiben vom 13.12.2005. Ausweislich des Schreibens vom 13.12.2005 ist der Betriebsrat lediglich um Stellungnahme, nicht aber um Zustimmung nach § 103 BetrVG gebeten worden.

Ob bereits dieser Umstand das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG unwirksam macht, konnte letztlich offen bleiben.

b) In jedem Fall kann nach dem Vorbringen der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass der Betriebsrat in einem ordnungsgemäßen Verfahren die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers beschlossen hat.

Zwar liegt insoweit ein schriftlicher Zustimmungsbeschluss vom 13.12.2005 vor. Unstreitig ist aber zwischen den Parteien, dass der Kläger an der Betriebsratssitzung vom 13.12.2005 von Anbeginn an teilgenommen hat. Selbst wenn auf der Betriebsratssitzung vom 13.12.2005 ein Beschluss über die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers gefasst sein sollte, wäre dieser Beschluss wegen Teilnahme des Klägers an der entsprechenden Betriebsratssitzung vom 13.12.2005 unwirksam. Ein Betriebsratsmitglied, das vom Arbeitgeber fristlos gekündigt werden soll, ist wegen Interessenkollision verhindert, an einer die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung betreffenden Beschlussfassung des Betriebsrates und auch an der ihr vorangehenden Beratung teilzunehmen. Für das verhinderte Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu laden. Die Nichtbeachtung dieser Pflicht führt zur Unwirksamkeit des Beschlusses, mit dem der Betriebsrat die Zustimmung nach § 103 BetrVG erteilt (BAG, Urteil vom 23.08.1984 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 17; BAG, Beschluss vom 03.08.1999 - AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 7; BAG, Urteil vom 12.02.2004 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 1 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass der vorgelegte Betriebsratsbeschluss vom 13.12.2005 ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Unstreitig hat der Kläger an der Betriebsratssitzung vom 13.12.2005 von Anbeginn an teilgenommen. Nach dem Vorbringen des Klägers ist während seiner Teilnahme ein Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates nicht gefasst worden. Demgegenüber soll der Betriebsrat bereits gegen 13.20 Uhr am 13.12.2005 der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zugestimmt haben. Dies kann nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers allerdings nicht zutreffend sein. Die Beklagte hat nicht einmal vorgetragen, dass für den Kläger ein Ersatzmitglied geladen worden wäre. Zu den Darlegungen des Klägers über seine Teilnahme an der Betriebsratssitzung vom 13.12.2005 hat sie keine Erklärungen abgegeben. Von einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Zustimmungsbeschluss des Betriebsrats kann danach nicht ausgegangen werden.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt aber auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht vor.

In § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind ohne eigenständige Definitionen die in § 626 Abs. 1 BGB verwandten Formulierungen übernommen worden. Da der Gesetzgeber in § 626 BGB geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen eine "Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist" gerechtfertigt ist, sind die in § 626 BGB enthaltenen und daraus abgeleiteten Regeln zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung auch im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuwenden (BAG, Urteil vom 18.02.1993 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 21.06.1995 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 36; BAG, Beschluss vom 17.03.2005 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58; ErfK/Ascheid, 6. Aufl., § 15 KSchG Rz. 26; KR/Etzel, § 15 KSchG Rz. 21).

Die Beklagte kann sich zur Begründung der außerordentlichen Kündigung vom 13.12.2005 nicht darauf berufen, der Kläger habe Arbeits- bzw. Betriebsratskollegen beleidigt und den Betriebsfrieden gestört.

a) Grundsätzlich ist zwar zutreffend, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, dessen Vertreter oder auch von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betreffenden bedeuten, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können. Grobe Beleidigungen können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und auch eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen. Bei einer auf Beleidigung gestützten Kündigung kommt es allerdings nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf an, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist. Bei der Konkretisierung der Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB sind auch die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu beachten (BAG, Urteil vom 06.11.2003 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 46; BAG, Urteil vom 24.06.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49; BAG, Urteil vom 24.11.2005 - AP BGB § 626 Nr. 198; KR/Fischermeier; § 626 BGB Rz. 415; ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rz. 152 m.w.N.).

Auch die konkrete Störung des Betriebsfriedens durch einen Arbeitnehmer kann grundsätzlich als außerordentlicher Kündigungsgrund in Betracht kommen, allerdings sind auch insoweit bei der Konkretisierung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht die grundrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Allein eine Beeinträchtigung des Betriebsfriedens ohne konkrete Feststellungen einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung reichen für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung nicht aus. Auch öffentliche Kritik an der Geschäftsführung ist für sich genommen kein Grund für eine außerordentliche Kündigung, selbst wenn sie in zugespitzter und provozierender Weise ausgeübt wird (BAG, Urteil vom 10.10.2002 - NZA 2003, 1295 = EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 1; BAG, Urteil vom 24.06.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49; LAG Köln, Urteil vom 28.11.1996 - LAGE KSchG § 15 Nr. 14 = NZA 1967, 1166; LAG Hamburg, Urteil vom 04.11.1996 - AuR 1997, 301; LAG Berlin, Urteil vom 14.07.1997 - LAGE BGB § 626 Nr. 108; ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rz. 93; ErfK/Ascheid, § 15 Rz. 30; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 416; KR/Etzel, § 15 KSchG Rz. 27 m.w.N.).

b) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB kann in dem von der Beklagten geschilderten Verhalten des Klägers jedoch nicht erblickt werden. Weder hat der Kläger Arbeits- bzw. Betriebsratskollegen in besonders ehrverletzender und grober Form beleidigt noch kann ihm eine erhebliche konkrete Störung des Betriebsfriedens vorgeworfen werden. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht erkannt.

Mit dem Arbeitsgericht geht auch die Berufungskammer davon aus, dass die dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen gegenüber den Betriebsratsmitgliedern S3xxxxx und K4xxxx zwar Formalbeleidigungen darstellen. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles stellen aber diese Äußerungen keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Der Vorwurf einer bewussten und gewollten Ehrenkränkung aus gehässigen Motiven kann dem Kläger bei den von ihm abgegebenen Äußerungen nicht gemacht werden. Insoweit war nämlich zu berücksichtigen, dass die Äußerungen im Anschluss an eine Betriebsratssitzung gefallen sind, die nicht ohne Auseinandersetzung unter den einzelnen Betriebsratsmitgliedern vonstatten gegangen ist. Vom Arbeitgeber ist nicht einmal dargestellt worden, dass die betroffenen Betriebsratsmitglieder S3xxxxx und K4xxxx sich durch den Kläger beleidigt gefühlt und in ihrer Ehre gekränkt gesehen haben.

Auch die weiteren Behauptungen der Beklagten, der Kläger habe gegenüber der Belegschaft erklärt, der "Alte" könne nicht mehr machen, was er wolle, er werde sich "nicht mehr alles gefallen lassen", kann als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht herhalten. Auch polemische und überzogene Äußerungen eines Betriebsratsmitglieds gegenüber dem Arbeitgeber rechtfertigen nicht ohne Weiteres eine außerordentliche Kündigung (BAG, Beschluss vom 16.05.1991 - RzK II 3 Nr. 19). Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass es anlässlich der Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitsleistungen zu Auseinandersetzungen gekommen ist, in denen auch verbale Entgleisungen vorkommen können (vgl. BAG, Urteil vom 02.04.1987 - AP BGB § 626 Nr. 96; LAG Niedersachsen, Urteil vom 25.10.2004 - NZA-RR 2005, 530 m.w.N.). Auch insoweit erscheint die von der Beklagten beabsichtigte außerordentliche Kündigung weit überzogen.

Soweit die Beklagte darüber hinaus behauptet, der Kläger habe Stimmung gegen den Betriebsrat und auch gegen die Politik der Beklagten gemacht, er habe die Belegschaft aufgewiegelt, dass sie danach kaum noch ihrer Arbeit nachgekommen sei, rechtfertigt auch dieses Vorbringen keine fristlose Kündigung. Es ist nämlich unsubstantiiert. Inwieweit welche Verhaltensweise des Klägers tatsächlich konkret zu einer Störung des Betriebsfriedens geführt hat, ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich auch nicht, dass der Kläger für die Verweigerung von erbetener Mehrarbeit durch die Beklagte verantwortlich gewesen wäre. Vorgetragen worden ist auch nicht, welches konkrete pflichtwidrige Verhalten des Klägers zu einer konkreten Störung des Betriebsfriedens geführt haben soll.

3. Auch als ordentliche Kündigung zum 30.04.2006 ist die Kündigung vom 13.12.2005 unwirksam. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger als Betriebsratsmitglied war nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG lediglich außerordentlich kündbar.

III.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung auch dem Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers stattgegeben. Die auch insoweit eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Beschäftigungsanspruch des Klägers ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27.02.1985 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzlich die Gründe anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt.

Derartige Gründe hat die Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug vorgetragen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht trotz der Kündigung durch die Beklagte vom 13.12.2005 hinaus fort. Gründe, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers begründen könnten, liegen nicht vor, nachdem die Beklagte in zwei Instanzen im Kündigungsrechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 13.12.2005 gescheitert ist.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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