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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.08.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 792/06
Rechtsgebiete: GG, BGB, KSchG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
BGB § 174
BGB § 615
BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1
KSchG § 4
KSchG § 7
KSchG § 13 Abs. 1
ZPO § 256
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 13.04.2006 - 1 Ca 1374/05 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.07.2005 nicht aufgelöst worden ist, und soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 4.827,60 € brutto als Lohn für die Zeit vom 19.08.2005 bis zum 18.10.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen

Tatbestand:

Im Berufungsverfahren streiten die Parteien um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Vergütungsansprüche des Klägers aus Annahmeverzug.

Der am 26.05.1957 geborene Kläger ist verheiratet und einem Kind unterhaltsverpflichtet. Seit dem 14.10.1985 ist er aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 11.10.1985 (Bl. 5 ff. d.A.) als Montageschlosser zu einem monatlichen Durchschnittsverdienst von zuletzt 2.413,80 € brutto bei der Beklagten, die ca. 80 Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Etwa 19 Jahre lang war der Kläger auf einer Dauerbaustelle der Beklagten in der Betriebsstätte S4xxxxxx in B4xxxxxxx eingesetzt.

Bedingt durch zu hohe Personalkosten und zu geringen Auftragseingängen schloss die Beklagte bereits im Jahre 2004 mit de IG-Metall und dem Unternehmensverband der Metall- und Elektroindustrie Ruhr-Niederrhein e.V. einen Sanierungstarifvertrag. Auch im Jahre 2005 war der Betrieb nach Auffassung der Beklagten insbesondere der Montagebereich nicht ausgelastet. Der Kläger wurde bereits seit Ende 2004 nicht mehr in der Betriebsstätte S4xxxxxx, sondern auf verschiedenen Baustellen im Raum Dortmund eingesetzt.

Im April 2005 beabsichtigte die Beklagte aus wirtschaftlichen Gründen das Arbeitsverhältnis von mehreren Montageschlossern, u.a. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Mit Schreiben vom 26.04.2005 (Bl. 43 d.A.) hörte sie hierzu den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat an. Der Betriebsrat erhob hiergegen keine Bedenken und teilte am 27.04.2005 mit, dass er nicht weiter Stellung nehme (Bl. 43 d.A.).

Daraufhin kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.04.2005 (Bl. 8 d.A.) fristgemäß zum 31.10.2005. Hiergegen erhob der Kläger am 18.05.2005 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht, die er mit einem allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO verband.

Zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Aufgrund der Erkrankung fehlte er im Betrieb der Beklagten in der Zeit vom 21.03.2005 bis einschließlich 01.06.2005.

Ob der Kläger in der Zeit vom 02.06. bis zum 06.06.2005 ebenfalls arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Am Montag, den 06.06.2005 erschien der Kläger statt zum Schichtbeginn um 6.30 Uhr erst um 9.00 Uhr bei der Beklagten und bat um Vorziehung des bereits für August 2005 genehmigten Erholungsurlaubs (Bl. 101 d.A.). Urlaub ab 06.06.2005 wurde dem Kläger jedoch nicht genehmigt.

Der Kläger legte der Beklagten daraufhin eine ärztliche Bescheinigung vom 07.06.2005, ausgestellt von dem ihm behandelnden Arzt Dr. R4xxx, vor. In dieser Bescheinigung vom 07.06.2005 (Bl. 53 d.A.) heißt es:

"Herr L2xxxx P2xxxx ist arbeitsfähig seit dem 02.06.2005."

Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 10.06.2005 (Bl. 52 d.A.) daraufhin eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit für die Zeit vom 02.06.2005 bis zum 06.06.2005.

Für den Zeitraum vom 07.06.2005 bis zum 08.07.2005 legte der Kläger weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, keine Folgebescheinigungen, ausgestellt durch einen neuen Arzt, vor. Daraufhin ordnete der Medizinische Dienst der AOK eine Untersuchung des Klägers für den 06.07.2005 an. Zu diesem Termin erschien der Kläger nicht. Die AOK stellte daraufhin die Krankengeldzahlungen an den Kläger mit sofortiger Wirkung ein und unterrichtete hierüber die Beklagte.

Ob die Beklagte den Kläger am Freitag, den 08.07.2005 telefonisch darüber unterrichtete, dass er am Montag, den 11.07.2005 um 6.00 Uhr die Arbeit im Werk B1xxxxx antreten und sich dort bei Herrn W8xxxxx melden solle, falls er arbeitsfähig sei, ist zwischen den Parteien streitig.

Am Montag, den 11.07.2005 meldete sich der Kläger telefonisch bei dem Zeugen H2xxxxxxxxx und bat um Urlaub. Ob ihm während dieses Telefonats unbezahlter Urlaub gewährt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger erschien weder am Montag, den 11.07.2005 noch am darauffolgenden Dienstag, den 12.07.2005 zur Arbeit.

Mit Schreiben vom 12.07.2005 (Bl. 50 d.A.) hörte die Beklagte daraufhin den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Zur Begründung wurde eine Aktennotiz des Zeugen H2xxxxxxxxx vom 12.07.2005 (Bl. 51 d.A.) sowie die dem Kläger erteilte Abmahnung vom 10.06.2005 beigefügt.

Der Betriebsrat teilte daraufhin mit Schreiben vom 12.07.2005 (Bl. 50 d.A.) mit, dass gegen die außerordentliche Kündigung keine Bedenken erhoben würden und er nicht weiter Stellung nehme.

Mit Schreiben vom 12.07.2005 (Bl. 49 d.A.), dem Kläger zugegangen am 14.07.2005 (Bl. 93 d.A.), kündigte die Beklagte daraufhin das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung.

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.08.2005 auf die fristlose Kündigung vom 12.07.2005 hingewiesen hatte, erweiterte der Kläger mit dem am 07.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die vorliegende Kündigungsschutzklage und machte auch die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 geltend.

In der Zeit vom 13. bis 22.07.2005 wurde der Kläger erneut von einem weiteren Arzt wegen einer neuen Erkrankung arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Schließlich machte der Kläger mit der am 01.02.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung seinen Arbeitsverdienst für die Zeit vom 19.08.2005 bis zum 18.01.2006 geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 sei unwirksam. Unentschuldigtes Fehlen könne die Beklagte dem Kläger nicht vorwerfen. Hierzu hat er behauptet, er sei auch nach dem 01.06.2005 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Am 01.06.2005 sei er wegen seiner Schleimbeutelproblematik im St. Christophorus-Krankenhaus in Werne behandelt worden. Von dort sei er an den behandelnden Hausarzt Dr. R4xxx verwiesen worden und habe diesen auch noch am gleichen Tag aufgesucht. Herr Dr. R4xxx habe ihm mitgeteilt, er werde ihn krankschreiben. Dementsprechend sei er davon ausgegangen, dass er mindestens bis zum 03.06.2005 krankgeschrieben worden sei, in schriftlichen Dingen kenne er sich nicht so aus. Die ihm von Herrn Dr. R4xxx ausgestellte Bescheinigung habe er nicht auf seine Richtigkeit hin überprüft.

Der Kläger hat ferner behauptet, er habe auch nicht ab Montag, den 11.07.2005 unentschuldigt gefehlt. Nach seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum 08.07.2005 habe er sich am darauffolgenden Montag, den 11.07.2005 nicht wohl gefühlt. Aus diesem Grunde habe er sich telefonisch mit dem Zeugen H2xxxxxxxxx in Verbindung gesetzt und um zwei Tage Urlaub gebeten. Dies habe der Zeuge H2xxxxxxxxx mit dem Hinweis abgelehnt, der Kläger könne keinen bezahlten Tarifurlaub kriegen, er könne allenfalls unbezahlten Urlaub haben. Daraus habe der Kläger geschlossen, dass ihm für zwei Tage unbezahlter Urlaub gewährt worden sei. Seine Ehefrau habe das Telefongespräch über die Mithöranlage des Telefons mitangehört.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, gegen die fristlose Kündigung vom 12.07.2005 habe er auch rechtzeitig Klage erhoben, nämlich mit Schriftsatz vom 18.07.2005 (Bl. 84 d.A.). Dieser Schriftsatz sei rechtzeitig zur Post gegeben worden. Hilfsweise beantrage er, die Klage nachträglich zuzulassen. Ein Büroverschulden der Kanzlei sei dem Kläger nicht zuzurechnen.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat sei zur außerordentlichen Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die außerordentliche Kündigung sei darüber hinaus wegen Verstoßes gegen § 174 BGB unwirksam, eine Vollmacht sei dem Kündigungsschreiben nicht beigefügt gewesen.

Auch die ordentliche Kündigung vom 27.04.2005 zum 31.10.2005 sei unwirksam. Betriebsbedingte Gründe lägen nicht vor. Die getroffene Sozialauswahl sei unwirksam.

Schließlich stehe dem Kläger aus Annahmeverzug das Arbeitsentgelt für fünf Monate à 2.413,85 € brutto für den Zeitraum vom 19.08.2005 bis zum 18.01.2006 zu. Ferner habe er, der Kläger, noch einen Anspruch auf Gewährung von 28 Urlaubstagen für das Jahr 2005, die mit einem Betrag von 48,34 € pro Tag vergütet werden müssten; dies mache einen Betrag von 1.353,52 € aus.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht durch deren Kündigung vom 27.04.2005 zum Ablauf des 31.10.2005 beendet werden wird, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen ungekündigt darüber hinaus fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern dass es über den 31.10.2005 fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen,

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 12.07.2005, zugestellt am 12.07.2005, außerordentlich oder ordentlich aufgelöst wird,

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 13.422,52 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bereits die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 beende das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Der Kläger habe nämlich in der Zeit vom 02.06. bis zum 06.06.2005 unentschuldigt gefehlt. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für diesen Zeitraum habe er nicht vorgelegt. Aus der vorgelegten Bescheinigung des Arztes Dr. R4xxx vom 07.06.2005 ergebe sich, dass der Kläger ab 02.06.2005 arbeitsfähig gewesen sei. Wegen dieses unentschuldigten Fehlens habe die Beklagte dem Kläger am 10.06.2005 eine Abmahnung erteilt.

Der Kläger, so hat die Beklagte behauptet, habe darüber hinaus auch am 11. und 12.07.2005 unentschuldigt gefehlt. Unbezahlter Urlaub sei ihm für diese Tage vom Zeugen H2xxxxxxxxx nicht erteilt worden, auch nicht in dem mit dem Zeugen geführten Telefonat vom 11.07.2005. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe der Kläger für den 11. und 12.07.2005 nicht vorgelegt.

Soweit der Kläger hinsichtlich des Telefonats vom 11.07.2005 sich auf das Zeugnis seiner mithörenden Ehefrau berufen habe, bestehe ein Beweisverwertungsverbot. Unstreitig habe der Kläger nicht darauf hingewiesen, dass er die Mithöranlage eingeschaltet habe.

Der Betriebsrat sei auch zu der außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.

Schließlich sei die vom Kläger erhobene Rüge nach § 174 BGB verspätet. Die Rüge sei nicht unverzüglich erhoben worden.

Darüber hinaus sei mindestens die ordentliche Kündigung vom 27.04.2005 sozial gerechtfertigt, sie beende das Arbeitsverhältnis spätestens zum 31.10.2005. Im Montagebereich im Dortmunder Raum seien vier Arbeitsplätze von Montageschlossern weggefallen. Die getroffene Sozialauswahl sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Das Arbeitsgericht hat aufgrund des Beschlusses vom 18.11.2005 eine Auskunft bei dem den Kläger behandelnden Arzt Dr. R4xxx darüber eingeholt, ob der Kläger in der Zeit vom 02.06.2005 bis zum 07.06.2005 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Auf die von Herrn Dr. R4xxx erteilte Auskunft vom 28.11.2005 (Bl. 118 d.A.) wird Bezug genommen.

Durch Teilurteil vom 13.04.2005 hat das Arbeitsgericht sodann festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.07.2005 nicht aufgelöst worden ist, und die Beklagte zur Zahlung des Lohnes des Klägers für die Zeit vom 19.08.2005 bis zum 18.10.2005 in Höhe von 4.827,60 € brutto verurteilt. Auf die Begründung des Teilurteils vom 13.04.2006 wird Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 28.04.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.05.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Beklagte weiter der Auffassung, bereits die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 sei wirksam und beende das Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsgericht habe völlig unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger trotz einschlägiger Abmahnung vom 10.06.2005 und der Weisung der Beklagten, am Montag, den 11.07.2005 in B1xxxxx zu erscheinen, am 11. und 12.07.2005 wiederum der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben sei. Dies rechtfertige die fristlose Kündigung. Der Kläger habe trotz Abmahnung mehrfach unentschuldigt gefehlt. Unbezahlter Urlaub sei ihm nicht gewährt worden. Zur Begründung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass dem Kläger ein Arbeitseinsatz in B1xxxxx nicht zumutbar gewesen sei. Es sei nämlich noch gar nicht entschieden gewesen, wo und auf welcher Baustelle der Kläger eingesetzt werden sollte. Die Beklagte habe zu dem damaligen Zeitpunkt auch noch nicht entschieden, an welchen Einsatzorten und zu welchen Bedingungen der Kläger weiter arbeiten sollte. Dies habe erst in einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger erörtert und vereinbart werden sollen.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 13.04.2006 - 1 Ca 1374/05 - abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 nach wie vor für unwirksam und verweist darauf, dass er bis zum 08.07.2005 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Ferner behauptet er erneut, dass der Zeuge H2xxxxxxxxx ihm im Telefonat vom 11.07.2005 für zwei Tage unbezahlten Urlaub gewährt habe. Dieses Telefonat habe seine Ehefrau mitgehört.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen H2xxxxxxxxx. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, sowie es in der Sitzungsniederschrift der Berufungskammer vom 18.08.2006 (Bl. 210 ff. d.A.) niedergelegt ist, wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

A.

Die Berufung der Beklagten ist insgesamt zulässig. Sie ist an sich statthaft, § 64 Abs. 2 ArbGG, und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO.

Der Zulässigkeit der Berufung steht auch nicht entgegen, dass die Berufungsbegründung der Beklagten sich nicht ausdrücklich mit der Verurteilung zur Zahlung des Annahmeverzugslohns für die Zeit vom 19.08.2005 bis zum 18.10.2005 befasst.

Zwar muss, wenn sich eine Berufung auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn bezieht, zu jedem Anspruch eine ausreichende Berufungsbegründung gegeben werden (BAG, Urteil vom 16.03.2004 - AP TzBfG § 8 Nr. 10; BAG, Urteil vom 16.04.1997 - AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 35). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (BAG, Urteil vom 09.04.1991 - AP BetrVG 1972 § 18 Nr. 8). Dies gilt insbesondere für den Fall der Erhebung einer Kündigungsfeststellungsklage und der Klage auf Zahlung des Verzugslohns (BAG, Urteil vom 24.03.1977 - AP BGB § 630 Nr. 12; BAG, Urteil vom 02.04.1987 - AP BGB § 626 Nr. 96). So liegt der vorliegende Fall. Für den Fall der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 steht automatisch fest, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 19.08.2005 bis zum 18.10.2005 mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses kein Arbeitslohn mehr zusteht.

B.

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 13.04.2005 ist auch begründet.

I.

Die gegen die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 erhobene Feststellungsklage des Klägers ist unbegründet.

Die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 12.07.2005 wirksam beendet.

1. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 folgt nicht bereits daraus, dass der Kläger gegen diese Kündigung nicht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhoben hat, §§ 4, 7, 13 Abs. 1 KSchG.

Gegen die dem Kläger unstreitig am 14.07.2005 zugegangene außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 hat der Kläger zwar ausdrücklich Klage erst mit dem am 07.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz erhoben. Der Schriftsatz des Klägers vom 18.07.2005, mit dem ausdrücklich auch die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 geltend gemacht worden ist, ist nicht rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist beim Arbeitsgericht eingegangen.

Dies ist aber unschädlich, weil der Kläger bereits mit Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 27.04.2005 einen sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag gestellt hat. Dieser allgemeine Feststellungsantrag nach § 256 ZPO erfasst auch die Kündigung vom 12.07.2005.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer neben einer gegen eine Kündigung nach § 4 KSchG gerichteten Klage eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungsendtermin hinaus erheben und damit zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend machen. Diese Anträge kann er gem. § 260 ZPO zulässig in einer Klage verbinden. Streitgegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO ist im allgemeinen die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis über den Beendigungstermin hinaus im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz fortbesteht. Bei einer zulässigen allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO wird der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch unter Einbeziehung eventueller weiterer Kündigungen geprüft; es sind deshalb alle nach dem Vortrag der Parteien in Betracht kommenden Beendigungsgründe zu erörtern. Die Rechtskraft eines positiven Feststellungsurteils erfasst alle diese Beendigungsgründe (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 10.10.2002 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 49; BAG, Urteil vom 12.05.2005 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 53; KR/Friedrich, 7. Aufl., § 4 Rdz. 238 ff. m.w.N.).

So liegt der vorliegende Fall. Durch Erhebung des allgemeinen Fortbestandsantrages nach § 256 ZPO bereits mit der am 18.05.2005 erhobenen Kündigungsschutzklage ist auch die Wirksamkeit der Kündigung vom 12.06.2005 mit angegriffen. Einer ausdrücklichen Klageerhebung gegen die Kündigung vom 12.07.2005 innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG bedurfte es wegen des bereits gestellten allgemeinen Fortbestandsantrages nach § 256 ZPO nicht mehr.

2. Die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 ist jedoch wirksam, da der Beklagten ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Seite stand.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann.

Bei der Überprüfung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 17.05.1984 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14; BAG, Urteil vom 13.12.1984 - AP BGB § 626 Nr. 81; BAG, Urteil vom 02.03.1989 - AP BGB § 626 Nr.101; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rdz. 84 ff.; ErfK/Müller-Glöge, 6. Aufl., § 626 BGB Rdz. 34, 62 m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 als wirksam.

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass grundsätzlich eine beharrliche Arbeitsverweigerung, eine beharrliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten, geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs.1 BGB darzustellen. Bei einer beharrlichen Arbeitsverweigerung kann in aller Regel auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (BAG, Urteil vom 09.05.1996 - AP BGB § 273 Nr. 5; BAG, Urteil vom 21.11.1996 - AP BGB § 626 Nr. 130; BAG, Urteil vom 05.02.2001 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 32; LAG Hamburg, Urteil vom 03.11.1999 - NZA-RR 2000, 304; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rdz. 412; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rdz. 630 ff., 638; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rdz. 209 m.w.N.). Eine beharrliche Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts insbesondere dann vor, wenn eine Pflichtverletzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird und sich daraus der nachhaltige Wille der vertragswidrig handelnden Partei ergibt, den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen zu wollen (BAG, Urteil vom 12.01.1956 - AP GewO § 123 Nr. 5; BAG, Urteil vom 17.03.1988 - AP BGB § 626 Nr. 96; BAG, Urteil vom 21.11.1996 - AP BGB § 626 Nr. 130; BAG, Urteil vom 05.04.2001 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 32).

Ebenso kann auch ein unentschuldigtes Fehlen je nach den Umständen des Einzelfalles eine ordentliche oder gar außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Längeres oder wiederholten unentschuldigtes Fehlen eines Arbeitnehmers ist je nach den Umständen an sich geeignet, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 17.01.1991 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25; BAG, Beschluss vom 22.01.1998 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 38; LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.1970 - DB 1970, 595; LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.07.1978 - DB 1978, 1698; LAG Hamm, Urteil vom 01.09.1995 - LAGE BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; LAG Hamm, Urteil vom 15.01.1999 - NZA 1999, 1221; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rdz. 409; Stahlhacke/Preis/Vossen, a.a.O., Rdz. 649; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rdz. 197 m.w.N.).

Auch eine beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, zur Rücksprache beim Arbeitgeber zu erscheinen, vermag eine außerordentliche Kündigung oder eine ordentliche Kündigung je nach den Umständen des Einzelfalles zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 16.03.1978 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 15; LAG Hessen, Urteil vom 07.07.1997 - NZA 1998, 822). Schließlich kann auch die Weigerung eines Arbeitnehmers, zur vertrauensärztlichen Untersuchung zu erscheinen, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abgeben (BAG, Urteil vom 06.11.1997 - AP BGB § 626 Nr. 142; BAG, Urteil vom 07.11.2002 - AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 18 m.w.N.).

b) Die Beklagte wirft dem Kläger zu Recht vor, dass dieser am 11. und 12.07.2005 unentschuldigt gefehlt und keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat, obgleich er hierzu verpflichtet gewesen ist. Ein Rechtfertigungsgrund hierfür stand dem Kläger nicht zur Seite.

aa) Die von der Berufungskammer durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger am 11./12.07.2005 nicht nur der Arbeit ferngeblieben ist, sondern darüber hinaus unentschuldigt gefehlt hat. Dem Kläger ist auch zur Überzeugung der Berufungskammer kein unbezahlter Urlaub für diese Tage gewährt worden.

Der hierzu vernommene Zeuge H2xxxxxxxxx hat bei seiner Vernehmung vor der Berufungskammer die insoweit geführten Gespräche mit dem Kläger und mit der Krankenkasse anschaulich geschildert. Insbesondere hat er bekundet, dass er auf den telefonischen Wunsch des Klägers vom 11.07.2005, wonach dieser zwei Tage Urlaub haben wollte, dem Kläger ausdrücklich gesagt hat, dass er ihm so keinen Urlaub erteilen könne, der Tag des Anrufs bleibe unbezahlt, der Kläger solle sich in jedem Fall am darauffolgenden Dienstag morgens um 6.00 Uhr zum Arbeitsantritt in B1xxxxx bei Herrn W8xxxxx melden. Auch auf Nachfrage hat der Zeuge ausdrücklich bekundet, dem Kläger keinen Urlaub, auch keinen unbezahlten Urlaub, gewährt zu haben. Dies hat der Zeuge glaubhaft damit begründet, dass er grundsätzlich für die Urlaubsgewährung nicht zuständig sei, auch in kurzfristigen Fällen gewähre er den Mitarbeitern keinen Urlaub, hierzu sei die Zustimmung des Richtmeisters bzw. des Werkstattmeisters notwendig. Da der Zeuge wusste, dass der Kläger auch schon zuvor unentschuldigt gefehlt hatte und auch nicht zum Medizinischen Dienst erschienen war, und eine Zustimmung der zuständigen Herren W7xxxxx oder W8xxxxx nicht vorgelegen hat, hat er dem Kläger keinen Urlaub gewährt.

Diese Angaben des Zeugen erscheinen nicht nur nachvollziehbar, sondern werden durch die Handhabung im Betrieb der Beklagten hinsichtlich der Urlaubsgewährung bestätigt. Abgesehen davon, dass der Kläger selbst am 31.01.2005 selbst schriftlich Urlaub vom 01.08.2005 bis zum 19.08.2005 beantragt hat (Bl. 101 d.A.) und dieser Urlaub von seinen Vorgesetzten, Herrn W7xxxxx und Herrn W8xxxxx, genehmigt worden ist, hat der Zeuge H2xxxxxxxxx anlässlich seiner Vernehmung weitere Urlaubsformulare, die vom Kläger ausgefüllt und unterzeichnet sowie von seinen Vorgesetzten genehmigt worden sind, zur Einsicht vorgelegt. Eine Urlaubsgewährung, noch dazu eine unbezahlte, durch den Zeugen H2xxxxxxxxx war danach ausgeschlossen.

Die Berufungskammer folgt der danach glaubhaften Aussage des Zeugen H2xxxxxxxxx. Dieser hat im Termin vor der Berufungskammer vom 18.08.2006 eine in sich stimmige und widerspruchsfreie Aussage gemacht, die im Übrigen mit dem unstreitigen Vorbringen der Parteien übereinstimmt.

Auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen kann nicht in Frage gestellt werden. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass es ein Gespräch zwischen dem Zeugen H2xxxxxxxxx und der Zeugin Z2xxxxx von der AOK Werne am Montag, den 11.07.2005 nicht gegeben habe. Ob das vom Zeugen geschilderte Gespräch zwischen Frau Z2xxxxx von der AOK Werne und dem Kläger am Montag, den 11.07.2005 stattgefunden hat oder zu einem anderen Zeitpunkt, ist unerheblich. Der Zeuge H2xxxxxxxxx hat insoweit lediglich das bekundet, was er im Nachhinein von der Zeugin Z2xxxxx erfahren hat.

Nach alledem ist zur Überzeugung der Berufungskammer erwiesen, dass der Kläger am 11. und 12.07.2005 unentschuldigt gefehlt hat, weil ihm für diese Tage kein unbezahlter Urlaub gewährt worden ist. Die Gewährung von Urlaub für diese Tage wäre im Übrigen auch schon deshalb völlig unwahrscheinlich, weil die Beklagte - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - auch schon zuvor die Gewährung von Urlaub für die Zeit ab 06.06.2005 für den Kläger abschlägig beschieden hat.

bb) Die Berufungskammer brauchte auch nicht dem Beweisantrag des Klägers auf Vernehmung seiner Ehefrau zum Inhalt des Telefonats vom 11.07.2005 nachzugehen. Für die Vernehmung der Ehefrau des Klägers bestand nämlich ein Beweisverwertungsverbot. Da die Ehefrau des Klägers ihr Wissen über den Inhalt des Telefonats zwischen dem Kläger und dem Zeugen H2xxxxxxxxx vom 11.07.2005 unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Zeugen nach Artikel 1 und 2 GG erlangt hatte, steht der Vernehmung der Ehefrau des Klägers über den gesamten Inhalt des Telefonats ein prozessuales Verwertungsverbot entgegen.

In der gerichtlichen Verwertung von Kenntnissen und Beweismitteln, die unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht erlangt sind, liegt regelmäßig ein Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG. Das Recht am eigenen Wort ist als Ausprägung des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes anerkannt (BVerfGE 34, 238, 245; BVerfGE 54, 148, 154; BVerfG, Beschluss vom 19.12.1991 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 24). Auch dienstliche Telefongespräche des Arbeitnehmers unterliegen dem verfassungsrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - Recht am eigenen Wort - nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser grundrechtliche Schutz kann nicht durch die bloße Kenntnis von der Mithörmöglichkeit beseitigt werden. Das Recht am eigenen Wort schützt die Befugnis des Sprechenden, den Kreis der Adressaten seiner Worte selbst zu bestimmen. Der dienstliche oder rein geschäftliche Charakter eines Telefongesprächs beseitigt diese Bestimmungsbefugnis nicht ohne Weiteres. Ob hiernach ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt ist, richtet sich insoweit nach einer durchzuführenden Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden Persönlichkeitsrecht und einem dafür sprechenden Interesse des Beweisführers. Auch bei Telefonaten im geschäftlichen Bereich besteht eine Offenbarungspflicht desjenigen, der Dritte mithören lassen will. Auch bei Dienstgesprächen ist die Vertraulichkeit des Wortes nicht ausgeschlossen. Im Regelfall hat danach der Geschäftspartner, der einen Dritten mithören lassen will, auch im dienstlichen Bereich keinen anerkennenswerten Grund, dies heimlich zu tun, weil es ihm regelmäßig auch ohne Gefährdung seiner Interessen möglich ist, dem Gesprächspartner mitzuteilen, dass eine dritte Person mithört. Nur in Ausnahmefällen kann die erforderliche Abwägung ergeben, dass die Verwertung eines unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners erworbenen Beweismittels zulässig ist (BAG, Urteil vom 29.10.1997 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 27; BAG, Urteil vom 10.12.1998 - 8 AZR 366/97 -; BGH, Urteil vom 03.06.1997 - NJW 1998, 155; LAG Hamm, Urteil vom 01.09.1995 - LAGE BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.04.2005 - 2 Sa 40/05 - m.w.N.).

Die hiernach erforderliche Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger das rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht verwerten darf. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Kläger den Zeugen H2xxxxxxxxx von der Mithörmöglichkeit seiner Ehefrau nicht unterrichtet hat. Eine ausdrückliche Einwilligung, das Telefonat mit dem Kläger mithören zu lassen, hat der Zeuge H2xxxxxxxxx nicht erteilt. Der Kläger hat auch keinen triftigen Grund dafür vorgetragen, der es hätte rechtfertigen können, den Zeugen H2xxxxxxxxx nicht darüber zu informieren, dass er die Mithöranlage oder Sprechanlage seines Handys eingeschaltet hat mit der Folge, dass seine Ehefrau mithören konnte. Allein aus der Tatsache, dass die technische Entwicklung der Kommunikationsmittel heute ein Mithören sehr erleichtert, kann nicht geschlossen werden, dass das Interesse des Gesprächspartners am Telefon stets hinter dem Interesse des Beweisführers, der mithören lässt, zurücktreten muss. Auch der Umstand, dass der Kläger sein Handy deshalb auf laut gestellt hat, weil er schlecht höre, rechtfertigt es nicht, den Gesprächspartner am Telefon hierüber nicht zu unterrichten. Dass der Zeuge H2xxxxxxxxx etwa gewusst hat, dass der Kläger schlecht hört, trägt der Kläger selbst nicht vor. Einer Anhörung des Ohrenarztes des Klägers als sachverständigen Zeugen bedurfte es nicht. Es wäre ein Leichtes für den Kläger gewesen, den Zeugen H2xxxxxxxxx im Hinblick auf den Umstand, dass er schlecht hört, darüber aufzuklären, dass er die Mithöranlage oder Freisprechanlage eingeschaltet habe. Darüber hinaus war der Kläger auf das Beweismittel seiner Ehefrau zur Führung des Gegenbeweises, das ihm unbezahlter Urlaub bewilligt worden sei, nicht angewiesen. Aus welchem Grunde der Kläger keinen schriftlichen Urlaubsantrag gestellt hat, wie dies im Betrieb üblich ist und wie der Kläger dies in der Vergangenheit selbst gehandhabt hat, ist nicht nachvollziehbar.

c) Bei dem unentschuldigten Fehlen des Klägers am 11./12.07.2005 handelt es sich auch nicht um einen einmaligen Vorfall. Der Kläger hat - wie bereits durch die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme erwiesen ist - zuvor in der Zeit vom 02. bis 06.06.2005 unentschuldigt gefehlt und wegen dieses unentschuldigten Fehlens unstreitig am 10.06.2005 eine einschlägige Abmahnung erhalten.

Dass der Kläger vom 02.06.2005 bis zum 06.06.2005 unentschuldigt gefehlt hat, steht auch zur Überzeugung der Berufungskammer fest. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass er auch für diese Zeit arbeitsunfähig krank gewesen ist. Dies ergibt sich aus der Bescheinigung seines Hausarztes Dr. R4xxx vom 07.06.2005. Hiernach ist der Kläger nämlich ab 02.06.2005 wieder arbeitsfähig gewesen. Dass der Kläger aufgrund der Bescheinigung vom 07.06.2005 davon ausgegangen ist, ihm sei eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erteilt worden, ist in keiner Weise nachvollziehbar, sondern völlig unglaubwürdig. Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sehen anders aus, als die dem Kläger am 07.06.2005 erteilte ärztliche Bescheinigung von Herrn Dr. R4xxx. Zudem sind die entsprechenden Behauptungen durch die vom Arbeitsgericht eingeholte Auskunft des Hausarztes des Klägers, Herrn Dr. R4xxx vom 28.11.2005 widerlegt. Herr Dr. R4xxx hat in dieser Auskunft ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers mit dem 02.06.2005 als beendet galt. Die Arbeitsunfähigkeit sei mit dem 01.06.2005 abgeschlossen.

Dem Kläger ist danach zu Recht am 10.06.2005 eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens vom 02.06. bis zum 06.06.2005 erteilt worden. In dieser Abmahnung ist er ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass bei einer Wiederholung das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt würde. Der Kläger war danach in ausreichender Weise gewarnt. Dennoch hat er sich wenig später einer gleichen Pflichtverletzung, nämlich unentschuldigten Fehlens, schuldig gemacht. Aufgrund der erneuten schuldhaften Vertragspflichtverletzung vom 11./12.07.2005 konnte die Beklagte nicht mehr davon ausgehen, dass der Kläger sich in Zukunft keines ähnlichen Pflichtenverstoßes schuldig machen, sondern vertragstreu verhalten würde.

Streitentscheidend ist in diesem Zusammenhang auch nicht, ob der Kläger am Freitag, den 08.07.2005 vom Zeugen H2xxxxxxxxx ausdrücklich aufgefordert worden ist, am Montag, den 11.07.2005 in B1xxxxx zu erscheinen.

Abgesehen davon, dass der Zeuge H2xxxxxxxxx ein derartiges Gespräch bei seiner Vernehmung vor der Berufungskammer bestätigt hat, kam es auf die erst im Termin vor der Berufungskammer vom Kläger aufgestellte Behauptung, er habe ein derartiges Gespräch nicht auf seiner Mailbox gehabt, nicht an. Der Kläger wäre nämlich auch ohne ein derartiges Gespräch verpflichtet gewesen, nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeit am 08.07.2005 am Montag, den 11.07.2005 seine Arbeit wieder aufzunehmen und nicht erst am Montag, den 11.07.2005 um zwei Tage Urlaub zu bitten. Arbeitsunfähig ist der Kläger am 11./12.07.2005 nicht gewesen.

Nach alledem ist der Kläger nach Erteilung der Abmahnung vom 10.06.2005 am 11./12.07.2005 wiederum unentschuldigt der Arbeit fern geblieben.

d) Auch die abschließende Interessenabwägung führt nicht zu dem Ergebnis, dass das Bestandsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt.

Zu Gunsten des Klägers war zwar die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers zum Betrieb der Beklagten zu berücksichtigen. Der Kläger war bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 immerhin nahezu 20 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger sich in der früheren Zeit vertragstreu verhalten hatte, war der Kläger durch die Erteilung der Abmahnung vom 10.06.2005 ausdrücklich gewarnt. Er durfte sich keiner weiteren Pflichtverletzung, insbesondere keines weiteren Vorfalles unentschuldigten Fehlens, schuldig machen, ohne sein Arbeitsverhältnis aufs Spiel zu setzen. Das Verhalten des Klägers stellt gerade im Hinblick auf die zuvor erteilte Abmahnung eine beharrliche Arbeitsverweigerung dar. Auch sein Verhalten, wonach er einer Untersuchungsanordnung durch den Medizinischen Dienst für den 06.07.2005 keine Folge geleistet hat, zeigt, dass der Kläger es mit der Erfüllung seiner gegenüber der Beklagten obliegenden vertraglichen Verpflichtungen nicht genau nimmt. Sein Einwand, er habe der Vorladung zum Medizinischen Dienst nicht mehr Folge leisten müssen, weil er ja wieder bereits arbeitsfähig gewesen sei, ist unbeachtlich. Nicht der Kläger entscheidet, ob die Vorladung zum Medizinischen Dienst hinfällig geworden ist oder nicht.

Auch der Hinweis, darauf, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers in B1xxxxx für den Kläger nicht zumutbar gewesen sei, kann das unentschuldigte Fehlen des Klägers am 11./12.07.2005 und die darin zum Ausdruck gekommene beharrliche Arbeitsverweigerung nicht rechtfertigen. Nach Ziffer I. 2. des Arbeitsvertrages vom 11.10.1985 ist die Beklagte nämlich berechtigt gewesen, dem Kläger im Bedarfsfalle eine zumutbare andere Tätigkeit zuzuweisen. Insoweit war sie auch berechtigt, den Kläger zu einer Rücksprache nach B1xxxxx einzubestellen, um darüber zu verhandeln und zu entscheiden, ob und inwieweit eine weiterer Arbeitseinsatz des Klägers erfolgen kann. Ob ein dauerhafter Arbeitseinsatz des Klägers in B1xxxxx zumutbar gewesen wäre, ist insoweit nicht streitentscheidend.

3. Die Beklagte hat auch die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Die Kündigung vom 12.07.2005 ist innerhalb von zwei Wochen nach dem unentschuldigten Fehlen vom 11. und 12.07.2005 ausgesprochen worden .

4. Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 12.07.2005 ergibt sich auch nicht aus § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat ist zu der außerordentlichen Kündigung des Klägers ordnungsgemäß angehört worden.

Die Beklagte hat das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 S. 1 durch Schreiben an den Betriebsrat vom 12.07.2005 eingeleitet. Im Anhörungsschreiben hat die Beklagte die Personalien des Klägers, sein Geburtsdatum und seinen Familienstand sowie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit angegeben.

Auch im Hinblick auf die Kündigungsgründe ist der Betriebsrat zutreffend und in ausreichender Weise unterrichtet worden. Dem Anhörungsschreiben vom 12.07.2005 waren sowohl die Aktennotiz des Zeugen H2xxxxxxxxx sowie die zuvor erteilte Abmahnung vom 10.06.2005 beigefügt. Aus diesen Anlagen ergibt sich im Einzelnen, welche Pflichtenverstöße dem Kläger vorgeworfen werden sollen.

5. Schließlich erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 12.07.2005 auch nicht wegen Verstoßes gegen § 174 BGB als unwirksam. Die Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmacht ist nämlich nicht unverzüglich erfolgt. Die Rüge nach § 174 BGB hat der Kläger erst mit Schriftsatz vom 02.09.2005, beim Arbeitsgericht eingegangen am 07.09.2005 erhoben. Das Kündigungsschreiben war dem Kläger aber bereits am 14.07.2005 zugegangen.

II.

Dem Kläger steht auch nicht der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Verzugslohn für die Zeit vom 09.08.2005 bis zum 18.10.2005 in Höhe von 4.827,60 € brutto zu.

Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus § 615 BGB. Zwischen den Parteien bestand nämlich in der Zeit vom 19.08.2005 bis zum 18.10.2005 bereits kein erfüllbares Arbeitsverhältnis mehr. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nämlich - wie die vorangegangenen Ausführungen ergeben - bereits mit Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 12.07.2005 beendet worden.

C.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da er unterlegen ist. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz wird das Arbeitsgericht erneut bei seiner abschließenden Entscheidung zu entscheiden haben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren hat sich gegenüber der Festsetzung durch das Arbeitsgericht im Teilurteil vom 13.04.2006 nicht geändert, § 25 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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