Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 10 SaGa 33/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, KSchG, MitbestG, AktG


Vorschriften:

BGB § 241 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 611
BGB § 626
ZPO § 935
ZPO § 940
KSchG § 15
MitbestG § 6 Abs. 2
MitbestG § 25
MitbestG § 26
AktG § 93 Abs. 1 S. 2
AktG § 103 Abs. 3
AktG § 116
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.06.2007 - 2 Ga 22/07 - wird auf Kosten der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger - im Folgenden : Kläger - macht im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren seine Weiterbeschäftigung bei der Verfügungsbeklagten - im Folgenden : Beklagte - geltend.

Der am 10.06.1962 geborene Kläger, ledig, ist seit dem 01.01.1990 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17.12.2002 (Bl. 5 ff.d.A.) als Anwendungsberater/Entwickler bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 4.474,55 € tätig.

Die Beklagte erbringt Dienstleistungen für die Einzelhandelsmärkte, die dem Konzern angeschlossen sind und beschäftigt mehrere hundert Mitarbeiter. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gewählt.

Bis zum November 2006 war der Kläger der Vorsitzende des bei der M1 IT GmbH gebildeten Betriebsrats, die im November 2006 mit der Beklagten verschmolzen wurde. Zudem ist der Kläger Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Aufsichtsrats und bekleidet dort die Funktion des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden.

Am 03.05.2007 nahm der Kläger an einer Aufsichtsratssitzung teil. In dieser Sitzung wurden die Aufsichtsratsmitglieder über den Stand der bisherigen Restrukturierungsmaßnahmen sowie die Planungen für eine zweite Restrukturierung informiert. Dabei geht es um ein Regionalisierungskonzept, das den Übergang der M1-Warenhäuser auf die E1-Regionalgesellschaften beinhaltet. Wirtschaftlicher Hintergrund für diese Planung ist die geplante Straffung der Logistikprozesse im E1-Konzern. An der Diskussion im Aufsichtsrat beteiligte sich der Kläger nicht aktiv. Der Aufsichtsrat unter Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn A1 F1, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Holding der E1-Gruppe, die hundertprozentige Anteilseignerin der Beklagten ist, billigte die Pläne der Geschäftsleitung.

Unter dem 02.06.2007 erschien in der "N1 W1" ein Artikel mit der Überschrift "S1 kritisiert E1". In diesem Artikel wird der Kläger unter anderem wörtlich mit folgender Äußerung zitiert:

"... Tatsache ist, dass die Verlängerung des Vertrages des E1-Vorstandsvorsitzenden A1 F1 in Kürze ansteht und die Regionalfürsten dabei ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben - da kommt die plötzlich Entscheidung aus Hamburg recht passend", so S1. F1s Vertrag laufe im Mai 2008 und müsse noch 2007 neu verhandelt werden. ..."

Wegen des weiteren Inhalts des Presseartikels wird auf die bei den Akten befindliche Kopie (Bl. 11 d.A.) Bezug genommen.

Am 06.06.2007 bestätigte der Kläger auf Nachfrage der Beklagten, dass die zitierten Äußerungen von ihm stammten und auch so getätigt worden seien.

Die Beklagte stellte den Kläger daraufhin noch mit Schreiben vom 06.06.2007 (Bl. 12 d.A.) mit sofortiger Wirkung unter Fortzahlung der Bezüge widerruflich frei.

Mit weiterem Schreiben vom 06.06.2007 (Bl. 13 f.d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung.

Im Betrieb der Beklagten waren für den 19.07.2007 Betriebsratswahlen vorgesehen. Auf das Wahlausschreiben vom 06.06.2007 (Bl. 16 ff.d.A.) wird Bezug genommen. Durch eidesstattliche Erklärung (Bl. 19 d.A.) erklärte der Kläger seine Absicht, auf der Betriebsratswahl vom 19.07.2007 wiederum zu kandidieren.

Mit Schreiben vom 12.06.2007 (Bl. 39 d.A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger erhob hiergegen am 13.06.2007 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht - 2 Ca 1572/07 Arbeitsgericht Bielefeld -. Kammertermin in diesem Kündigungsschutzverfahren steht am 30.10.2007 an. Gleichzeitig mit Erhebung der Kündigungsschutzklage machte der Kläger mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei offensichtlich unwirksam. Einen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten könne die Beklagte ihm auch nicht im Hinblick auf die Presseäußerungen vorwerfen. Diese Äußerungen habe er als Mitglied des Aufsichtsrates gemacht, nicht als Arbeitnehmer der Beklagten.

Im Übrigen sieht der Kläger in der Einschränkung seiner Tätigkeit eine Wahlbehinderung, der im Wege der einstweiligen Verfügung begegnet werden müsse. Eine mehrmonatige Verdrängung aus dem Betrieb sei auch für ihn in seiner IT-Tätigkeit nicht hinnehmbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Verfügungsbeklagte auf dem Weg der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, den Verfügungskläger als Anwendungsberater und Entwickler zu im Übrigen unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen und

2. der Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, eine Weiterbeschäftigung des Klägers komme im gekündigten Arbeitsverhältnis nicht in Betracht. Die ausgesprochene Kündigung sei nicht offensichtlich unwirksam. Mit seinen Presseäußerungen habe der Kläger seine arbeitsvertragliche Treuepflicht gravierend verletzt. Auch als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sei der Kläger verpflichtet, bei der Weitergabe von Informationen an Dritte genau und vollständig zu berichten und keine sachlich unbegründeten Bedenken zu äußern, die den Betriebsfrieden gefährdeten und das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit schädigen könnten. Eine Verletzung dieser Pflicht sei dem Kläger vorzuwerfen. Der Kläger habe den Eindruck erweckt, der Vorstandsvorsitzende von E1 und gleichzeitige Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten habe allein zur Erreichung eines persönlichen Vorteils, nämlich der Verlängerung seines Vorstandsvertrags, eine Entscheidung über die Regionalisierung der Warenhäuser der Beklagten getroffen. Hierdurch habe er den Eindruck erweckt, dass Entscheidungen der Beklagten über die Zukunft des Unternehmens nicht nach objektiven und sachlichen Kriterien getroffen würden, sondern nur den Zweck hätten, persönliche Vorteile zu erzielen. Der Betriebsfrieden sei in empfindlicher Weise gestört worden, das Ansehen der Beklagten in erheblicher Weise geschädigt.

Im Übrigen fehle es an einem Verfügungsgrund. Dem Kläger sei ein Zutrittsrecht zur Vorbereitung der Betriebsratswahlen mit Schreiben vom 13.06.2007 (Bl. 42 d.A.) eingeräumt worden. Eine weitere Regelung zu Gunsten des Klägers sei nicht dringend erforderlich.

Durch Urteil vom 19.06.2007 hat das Arbeitsgericht den Anträgen des Klägers stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu, weil die Kündigung vom 12.06.2007 offensichtlich unwirksam sei. Allein die objektive Verletzung der Schweigepflicht als Aufsichtsratsmitglied rechtfertige keine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger habe auch keinen objektiven Vorgang falsch dargestellt, sondern sich allenfalls als Aufsichtsratsmitglied spekulativ zur Motivlage des Vorstandsvorsitzenden von E1 geäußert. Hierbei handele es sich um eine nach Art. 5 Abs. 1 GG zulässige Meinungsäußerung. Die Presseverlautbarung sei auch weder verletzend noch beleidigend. Das Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiege das Freistellungsinteresse der Beklagten.

Gegen das der Beklagten am 22.06.2007 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 03.07.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ist die Beklagte nach wie vor der Auffassung, dass eine offensichtlich unwirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht vorliege. Auch Meinungsäußerungen, die den Arbeitgeber in seinem geschäftlichen, gesellschaftlichen oder politischen Ansehen beeinträchtigen könnten, seien als Kündigungsgrund geeignet. Auch das Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG schließe eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur wechselseitigen Rücksichtnahme nicht aus. Der Kläger habe seine Presseverlautbarungen bewusst in Tatsachenbehauptungen gekleidet, dabei aber die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung überschritten. Durch die Äußerungen des Klägers in der Presse werde nämlich dem Vorstandsvorsitzenden von E1 unterstellt, Entscheidungen zur Regionalisierung der M1-Warenhäuser allein zur Erreichung von persönlichen Vorteilen, nämlich der Verlängerung seines Vorstandsvertrages bei E1, herbeigeführt zu haben. Dabei handele es sich um schwere ehrverletzende Äußerungen und um einen unterstellten Verstoß gegen den Corporate Governance Kodex. Der Kläger habe sich bei seinen Presseverlautbarungen auch nicht in einer Konfliktsituation befunden. Sein Recht als Aufsichtsratsmitglied, Entscheidungen zu hinterfragen und auch zu kritisieren, dürfe er nicht mit dem Vorwurf unredlichen Verhaltens verbinden.

Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht einen Verfügungsgrund zu Gunsten des Klägers angenommen. Allein der Umstand, dass eine unterlassene Beschäftigung trotz unwirksamer Kündigung später nicht mehr nachgeholt werden könne, könne einen Verfügungsgrund nicht begründen. Eine einstweilige Verfügung sei nur bei einem besonderen Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers zur Verhinderung eines schweren irreparablen Schadens erforderlich. Hieran fehle es. Auch die bevorstehenden Betriebsratswahlen rechtfertigten keine Annahme eines Verfügungsgrundes.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.06.2007 - 2 Ga 22/07 - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Kläger, der im Berufungsverfahren den Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes zurückgenommen hat, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, die außerordentliche Kündigung vom 12.06.2007 sei offensichtlich unwirksam. Der Kläger habe in dem Presseartikel vom 02.06.2007 keine Tatsachen falsch dargestellt. Dass die Verlängerung des Vertrages des E1-Vorstandsvorsitzenden in Kürze anstehe und die Regionalfürsten dabei ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hätten, sei eine zutreffende Tatsachenbehauptung. Soweit er in der Presse hinzugefügt habe " - da kommt die plötzliche Entscheidung aus Hamburg recht passend ", handele es sich um eine zulässige Meinungsäußerung, die weder beleidigend noch ehrverletzend sei. Er, der Kläger, habe lediglich die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats, die auch der Vorstandsvorsitzende Herr F1 nachdrücklich vertreten habe, dessen Chancen auf seine Wiederwahl erhöhen könnten. Dies sei lediglich eine politische Bewertung eines rechtlich nicht beanstandeten Vorgangs.

Dem Kläger könne auch nicht vorgehalten werden, er habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn F1 einen Verstoß gegen den Corporate Governance Kodex zur Last gelegt. Insbesondere habe er ihm nicht vorgehalten, seine Stellung im Aufsichtsrat auszunutzen, um sich persönlich zu bereichern. Im Übrigen sei er, der Kläger, als Mitglied im Aufsichtsrat der Beklagten ausschließlich den Interessen dieses Unternehmens verpflichtet. Insoweit bestehe zwischen ihm und dem Aufsichtsratsvorsitzenden F1 ein entscheidender Unterschied. Er, der Kläger, habe durch die Presseverlautbarung lediglich darauf hinweisen wollen, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats der Beklagten, die für die E1-Holding und deren Anteilseigner von Vorteil sei, für das Unternehmen der Beklagten, insbesondere für die hier beschäftigten Arbeitnehmer/-innen, die von ihm im Aufsichtsrat vertreten würden, nachteilig sein könnte. Auch ein Verstoß gegen seine Schweigepflicht als Aufsichtsratsmitglied könne ihm, dem Kläger, nicht vorgeworfen werden. Der Kläger habe keine Informationen weitergegeben, die er im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit erhalten habe, er habe auch keine Geheimnisse verbreitet und schon gar nicht den Betriebsfrieden bei der Beklagten gefährdet.

Bei den Betriebsratswahlen im Betrieb der Beklagten vom 19.07.2007 erzielte die vom Kläger angeführte Liste mit großem Vorsprung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Kläger wurde daraufhin zum neuen Vorsitzenden des Betriebsrats gewählt.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Kläger hat auch nach Auffassung der Berufungskammer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Anwendungsberater/Entwickler zu unveränderten Arbeitsbedingungen. Dieser Anspruch besteht bis zur Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens 2 Ca 1572/07 Arbeitsgericht Bielefeld. Soweit der Kläger ursprünglich seine uneingeschränkte und unbefristete Beschäftigung verlangt hat, hat er dies durch Erklärung zu Protokoll der Berufungskammer klargestellt.

I.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt gemäß § 940 ZPO voraus, dass die beantragte Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Die Verurteilung eines Arbeitgebers zur sofortigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann grundsätzlich auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Dass bei Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung gewissermaßen eine vorläufige Entscheidung über den Gegenstand des zwischen den Parteien noch anhängigen Hauptsacheverfahrens getroffen wird, steht der Zulässigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entgegen. Es ist allgemein anerkannt, dass das einstweilige Verfügungsverfahren als summarisches Erkenntnisverfahren heute längst nicht mehr auf die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen beschränkt ist, sondern bei entsprechender Dringlichkeit auch endgültige Tatsachen schaffen und den Antragsgegner zur Erfüllung strittiger Ansprüche anhalten kann (LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.1976 - DB 1976, 587; LAG Berlin, Urteil vom 24.09.1979 - EzA BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4; KR/Etzel, 7. Aufl., § 102 BetrVG Rz. 289; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 2144 ff.; Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, Rz. 675 m.w.N.).

Dass durch die begehrte einstweilige Verfügung keine endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren getroffen worden ist, ergibt sich auch daraus, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch entsprechend den Erklärungen zu Protokoll der Sitzung der Berufungskammer vom 07.09.2007 zeitlich bis zur Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens 2 Ca 1572/07 eingeschränkt hat.

II.

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendige Verfügungsanspruch gegeben.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch im gekündigten Arbeitsverhältnis.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat auch der gekündigte Arbeitnehmer nach rechtzeitiger Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch. Dieser Anspruch kann jedoch nach Ausspruch einer Kündigung und nach Ablauf der Kündigungsfrist - außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung - auf Grund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen regelmäßig erst dann durchgesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess ist nach Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich erst dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet.

Ist die Kündigung jedoch offensichtlich unwirksam, sodass das Kündigungsschutzverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Arbeitnehmers ausgeht, kann die erforderliche Interessenabwägung auch im gekündigten Arbeitsverhältnis zu Gunsten des Arbeitnehmers ausgehen. Es gelten dann für den Verfügungsanspruch dieselben Voraussetzungen wie im ungekündigten Arbeitsverhältnis (BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - a. a. O.; Walker a. a. O., Rz. 680; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, Anh. zu §§ 935, 940, Rz. 61 ff., 63).

b) Unter Berücksichtigung der erforderlichen Interessenabwägung war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Kündigung der Beklagten vom 12.06.2007 offensichtlich unwirksam ist. Mit dem Arbeitsgericht ist auch die Berufungskammer der Auffassung, dass sich bereits aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten ohne weitere Beweiserhebungen die Unwirksamkeit der Kündigung aufdrängt. Sie liegt sowohl in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage und ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

aa) Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt zwar nicht aus § 15 KSchG. Die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer haben nach dem Mitbestimmungsgesetz keine den Funktionsträgern der Betriebsverfassung entsprechende Sonderstellung im Bereich des Kündigungsschutzrechts. § 15 KSchG kann auch nicht auf Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat entsprechend angewendet werden (BAG, Urteil vom 04.04.1974 - AP BGB § 626 Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Nr. 1; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, 2. Aufl., 1978, § 26 Rz. 16; Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG, 2. Aufl., 2006, § 26 Rz. 13, GK/Oetker, MitbestG, 4. Aufl., § 26 Rz. 12; ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rz. 7 m.j.w.N.).

Auch als Wahlbewerber für die Betriebsratswahl bei der Beklagten hatte der Kläger gemäß § 15 Abs. 3 KSchG keinen besonderen Kündigungsschutz. Zwar stand der Kläger als Wahlbewerber auf einer Liste für die am 19.07.2007 vorgesehene Betriebsratswahl. Wahlbewerber haben den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 KSchG aber erst vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an. Dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Zuganges der außerordentlichen Kündigung vom 12.06.2007 als Wahlbewerber aufgestellt gewesen ist, haben die Parteien nicht vorgetragen. Nach dem Wahlausschreiben vom 06.06.2007 lief die Frist zur Einreichung von Vorschlagslisten bis zum 20.06.2007. Mit der eidesstattlichen Versicherung vom "12.07.2007" hat der Kläger auch lediglich vorgetragen, er beabsichtige, an der Betriebsratswahl vom 19.07.2007 zu kandidieren.

bb) Die außerordentliche Kündigung vom 12.06.2007 verstößt aber gegen das Benachteiligungsverbot des § 26 MitbestG.

Hiernach dürfen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat eines Unternehmens, dessen Arbeitnehmer sie sind, nicht benachteiligt werden.

Zwar ergibt sich auch aus § 26 MitbestG kein absoluter Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Soweit aber eine Kündigung allein auf Grund der Stellung als Aufsichtsratsmitglied erfolgt, begründet § 26 MitbestG einen relativen Kündigungsschutz. Ein die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich gegen seine Pflichten aus dem Aufsichtsratsverhältnis verstoßen hat. Das Aufsichtsratsmandat erweitert nicht den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis, sondern begründet einen hiervon zu trennenden Rechtskreis. Verstößt der Arbeitnehmer gegen seine Amtspflichten aus dem Aufsichtsratsverhältnis, kommt allein eine gerichtliche Abberufung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG i.V.m. § 103 Abs. 3 AktG in Betracht. Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 BGB ist nur dann möglich, wenn durch die Handlung des Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat zugleich eine schwere Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt (BAG, Urteil vom 04.04.1974 - AP BGB § 626 Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Nr. 1; GK/Oetker, a.a.O., § 26 Rz. 14; ErfK/Oetker, a.a.O., § 26 MitbestG Rz. 7; Fitting/Wlotzke/Wißmann, a.a.O., § 26 Rz. 18; Ulmer/Henssler, a.a.O., § 26 Rz. 15; KR/Rost, 8. Aufl., § 14 KSchG Rz. 57 m.w.N.). In Anlehnung an die Rechtsprechung zur außerordentlichen Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist dabei an die Berechtigung der fristlosen Entlassung ein strenger Maßstab anzulegen (BAG, Beschluss vom 22.08.1974 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 1; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BGB § 626 Nr. 95; GK/Oetker, a.a.O., § 26 Rz. 14; Ulmer/Henssler, a.a.O., § 26 Rz. 15; Fitting/Wlotzke/Wißmann, a.a.O., § 26 Rz. 18 f. m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam nach Auffassung der Berufungskammer die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger bereits deshalb nicht in Betracht, weil das dem Kläger vorgeworfene Verhalten allein seine Stellung als Arbeitnehmer im Aufsichtsrat betraf. Der Kläger hat die Presseverlautbarung vom 02.06.2007 allein als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Beklagten getätigt. Dies ergibt sich bereits aus dem Eingang des Presseartikels vom 02.06.2007, dort wird der Kläger nämlich als "Aufsichtsrat-Vize" der Beklagten bezeichnet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien findet in dem gesamten Presseartikel keine Erwähnung. Inwieweit die Presseverlautbarung unmittelbar und konkrete Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gehabt hat, ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Hiernach wäre allein eine Abberufung des Klägers als Aufsichtsratmitglied nach den §§ 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG i.V.m. § 103 Abs. 3 AktG in Betracht gekommen. Einen derartigen Antrag hat der Aufsichtsrat aber offensichtlich nicht gestellt.

cc) Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen wird, dass durch die Presseverlautbarung des Klägers vom 02.06.2007 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unmittelbar und konkret betroffen worden wäre, liegt ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB nicht vor. Der Kläger hat durch die Presseverlautbarung nicht in besonders schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen mit der Folge, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen würde.

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann nicht mit einer groben Beleidigung oder einer schwerwiegenden Ehrverletzung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten begründet werden.

Grundsätzlich ist zwar zutreffend, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, dessen Vertreter oder auch von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betreffenden bedeuten, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können. Grobe Beleidigungen können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und auch eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen. Bei einer auf Beleidigung gestützten Kündigung kommt es allerdings nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf an, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist. Bei der Konkretisierung der Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht sind dabei auch die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, zu beachten (BAG, Urteil vom 06.11.2003 - AP KSchG 1969, § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 46; BAG, Urteil vom 24.06.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49; BAG, Urteil vom 24.11.2005 - AP BGB § 626 Nr. 198; BAG, Urteil vom 12.01.2006 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 115 ff., 415; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rz. 152 m.w.N.).

Dabei besteht der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Beschluss vom 16.10.1998 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24). Der Grundrechtsschutz bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - BVerfGE 92, 266, 289; BVerfG, Beschluss vom 16.10.1998 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24). Kritische Äußerungen an allgemeinen oder besonderen wirtschaftlichen und/oder sozialen Verhältnissen können, auch wenn sie überspitzt und polemisch ausfallen, noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sein und deshalb nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen. Dies gilt insbesondere, wenn die Meinungsäußerung im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung erfolgt (BAG, Urteil vom 12.01.2006 - a.a.O.). Auch polemische und überzogene Äußerungen rechtfertigen nicht ohne Weiteres eine außerordentliche Kündigung (BAG, Beschluss vom 16.05.1991 - RzK II 3 Nr. 19; LAG Hamburg, Beschluss vom 04.06.1996 - AuR 1997, 301; ErfK/Kania, a.a.O., § 103 BetrVG Rz. 12; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 705, 726; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 117 m.j.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kam auch nach Auffassung der Berufungskammer der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger aufgrund der Presseverlautbarung vom 02.06.2007 offensichtlich nicht in Betracht. Aufgrund des Presseartikels vom 02.06.2006 sind durch den Kläger keine unwahren Tatsachen verbreitet worden. Weder der Umstand, dass der Übergang der M1-Warenhäuser auf die E1-Regionalgesellschaften vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten befürwortet wurde, noch die Tatsache, dass die Verlängerung des Vertrags des E1-Vorstandsvorsitzenden in Kürze anstand, sind unwahr. Soweit in der Presseverlautbarung ein Zusammenhang zwischen der Entscheidung über die Regionalisierung der M1-Warenhäuser und der Vertragsverlängerung des Vorstandsvorsitzenden von E1 hergestellt wird, ist dies vom Grundsatz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Die Presseäußerungen des Klägers stellen sich weder als Angriff auf die Menschenwürde des Vorstandsvorsitzenden von E1 noch als Formalbeleidigung oder gar als eine Schmähung dar. Dass der Vorstandsvorsitzende von E1 und Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten durch die Befürwortung des Übergangs der M1-Warenhäuser auf die E1-Regionalgesellschaften gegen seine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen verstoßen würde, kommt auch in der Presseverlautbarung nicht zum Ausdruck, auch der Kläger behauptet Derartiges nicht. Der Kläger hat durch die Presseverlautbarung lediglich darauf hingewiesen, welche Nachteile unter Umständen auf die Belegschaft der M1-Warenhäuser zukommen würden. Auch wenn in diesem Zusammenhang die in Kürze anstehende Wiederwahl des Vorstandsvorsitzenden von E1 erwähnt worden ist, ist dies als politische Meinungsäußerung vertraglich und damit auch kündigungsrechtlich irrelevant.

Hinzu kommt, dass durch die vom Kläger veranlasste Presseverlautbarung weder eine konkrete Gefährdung des Betriebsablaufs noch eine konkrete Störung des Betriebsfriedens entstanden ist. Anhaltspunkte für eine konkrete Störung des Betriebsfriedens, die vom Kläger verursacht worden wäre, sind auch von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Der Einsatz des Klägers für die Belegschaft der Beklagten, nichts anderes hatte die Presseverlautbarung zum Ziel, hat vielmehr dazu geführt, dass der Kläger im Rahmen der am 19.07.2007 stattfindenden Betriebsratswahl mit großer Mehrheit gewählt und im Betriebsrat als Vorsitzender wiedergewählt worden ist.

Der Kläger hat durch den Presseartikel auch keinen Verrat von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen begangen.

Zwar kann auch die schuldhafte Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch einen Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 04.04.1974 - AP BGB § 626 Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Nr. 1; BAG, Urteil vom 18.09.1997 - AP BGB § 626 Nr. 138; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 Rz. 99, 102; Stahlhacke/Preis/Vossen, a.a.O., Rz. 745; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 457 m.w.N.). Auch Aufsichtsratsmitglieder unterliegen besonderen Geheimhaltungspflichten nach den §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Der Kläger hat jedoch gegen diese Geheimhaltungspflicht nicht verstoßen. In dem inkriminierten Presseartikel sind keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind. Auch bei dem Umstand, dass der Vorstandsvorsitzende von E1 demnächst wiedergewählt werden muss, handelt es sich um eine offenkundige Tatsache, die keiner ausdrücklichen Geheimhaltung unterlag.

c) Die Beklagte hat vorliegend auch keine besonderen Umstände vorgetragen, aus denen sich ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Beklagten herleiten ließe, den Kläger bis zur Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens nicht mehr weiterzubeschäftigen.

Zwar kann grundsätzlich ein Arbeitnehmer auch einseitig vom Arbeitgeber von der Arbeitspflicht suspendiert werden, wenn der Weiterbeschäftigung überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, die eine Verhinderung der Beschäftigung geradezu gebieten (BAG, Urteil vom 10.11.1955 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; BAG, Urteil vom 19.08.1976 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4; BAG, Urteil vom 15.03.2001 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46; LAG Sachsen, Urteil vom 14.04.2000 - NZA-RR 2000, 588; LAG Hamm, Urteil vom 12.12.2001 - NZA-RR 2003, 311 m.w.N.). Auch bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur unter besonderen Voraussetzungen bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens von der Arbeit suspendieren. Hierzu ist er nur dann berechtigt, wenn bei Weiterbeschäftigung erhebliche Gefahren für den Betrieb oder die dort tätigen Personen objektiv bestehen. Das Recht zur Suspendierung kann auch dann gegeben sein, wenn bei einer weiteren Tätigkeit des Arbeitnehmers im Betrieb die durch konkrete Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass es zu Störungen des Betriebsfriedens oder des betrieblichen Ablaufs kommt und andere Arbeitnehmer gefährdet werden (LAG Sachsen, Urteil vom 14.04.2000 - NZA-RR 2000, 588; KR/Etzel, a.a.O., § 103 BetrVG Rz. 143; GK/Raab, BetrVG, 8. Aufl., § 103 Rz. 96 m.w.N.). Überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers können eine sofortige Freistellung auch dann gebieten, wenn der Arbeitnehmer in den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schweren Arbeitsvertragsverletzung geraten ist.

Derartige überwiegende und schutzwürdige Interessen der Beklagten an einer sofortigen Suspendierung des Klägers hat auch die Berufungskammer nicht feststellen können. Objektive Umstände, die eine schwere Arbeitsvertragsverletzung durch den Kläger ernsthaft begründen könnten, waren nicht feststellbar. Die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist offensichtlich unwirksam. Die Beklagte hat auch keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen, dass es bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers zur Störung des Betriebsfriedens oder des betrieblichen Ablaufs kommen könnte und andere Arbeitnehmer gefährdet würden. Die erforderliche Interessenabwägung führt vielmehr dazu, dass dem Interesse des Klägers an der sofortigen Weiterbeschäftigung im Betrieb der Beklagten aufgrund der offensichtlich unwirksamen Kündigung der Vorzug zu geben ist.

2. Auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben.

Voraussetzung für den Verfügungsgrund im Rahmen einer Beschäftigungsverfügung ist es, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Der Arbeitnehmer muss auf die faktische Weiterbeschäftigung zur Abwendung erheblicher Nachteile dringend angewiesen sein (LAG Hamm, Urteil vom 18.02.1998 - NZA-RR 1998, 422).

Auch diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die im Rahmen des Verfügungsgrundes zu prüfende Notwendigkeit und Dringlichkeit der Verfügung ergibt sich schon daraus, dass andernfalls wegen Zeitablaufs ein endgültiger Rechtsverlust droht. Die im Rahmen des Verfügungsgrundes an sich zusätzliche erforderliche Interessenabwägung spielt beim Weiterbeschäftigungsanspruch praktisch keine Rolle, weil eine solche schon der Prüfung des Verfügungsanspruchs zu Grunde liegt (LAG Hamm, Urteil vom 09.03.1995 - NZA-RR 1996, 144; LAG Hamm, Urteil vom 12.12.2001 - NZA-RR 2003, 311; Reidel, NZA 2000, 454, 461; Walker, a.a.O., Rz. 685 ff., 690). Die Dringlichkeit für eine Weiterbeschäftigungsverfügung folgt aus dem andernfalls eintretenden Rechtsverlust und wird wegen der Gefährdung des Arbeitsplatzes regelmäßig zu bejahen sein. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, dessen Kündigung offensichtlich unwirksam ist, wird durch die Nichtbeschäftigung irreparabel verletzt (KR/Etzel, a.a.O., § 102 BetrVG Rz. 190). Mindestens muss angenommen werden, dass die Anforderungen an den Verfügungsgrund umso geringer sind, desto schwerer und offensichtlicher die drohende oder bestehende Rechtsverletzung ist (LAG Köln, Urteil vom 24.11.1998 - NZA 1999, 1008, LAG Hamm, Urteil vom 12.12.2001 - NZA-RR 2003, 311). Würde die begehrte einstweilige Verfügung nicht ergehen, droht dem Kläger für einen nicht unerheblichen Zeitraum, seines Beschäftigungsanspruchs endgültig verlustig zu gehen. Der Kläger hat ein Interesse daran, seine Fertigkeiten und Kenntnisse im Betrieb der Beklagten zu praktizieren. Eine sofortige Freistellung des Klägers war auch nicht wegen einer etwaigen befürchteten Störung des Betriebsfriedens unabweisbar notwendig. Die Berufungskammer musste vielmehr davon ausgehen, dass es im Betrieb der Beklagten zu keinen Störungen kommt, wenn der Kläger weiterbeschäftigt wird.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück