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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: 10 Ta 523/07
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG, GKG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
BetrVG § 99
GKG § 42 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.07.2007 - 1 BV 90/06 - teilweise abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren im Allgemeinen auf 246.676,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Ausgangsverfahren hat der Arbeitgeber die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung von insgesamt 181 Mitarbeitern verlangt, die im Sommer des Jahres 2006 vom Arbeitgeber eingestellt worden sind. Von diesen neu eingestellten Mitarbeitern sind 30 Mitarbeiter lediglich für wenige Wochen bis zu maximal drei Monaten beschäftigt gewesen und inzwischen aus den Diensten des Arbeitgebers wieder ausgetreten. Weitere 112 Mitarbeiter waren befristet eingestellt, wobei die Befristung überwiegend ein Jahr betragen hat.

Nach Auffassung des Arbeitgebers sollten alle seit dem 01.06.2006 neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Vergütung erhalten, die unter Anwendung der tariflichen Lohn- und Gehaltsgrundsätze und der dort festgelegten Vergütungsbestandteile um 7 % abgesenkt wurde. Hiermit war der Betriebsrat nicht einverstanden und stützte seine Zustimmungsverweigerung darauf, dass die Änderung des betrieblichen Vergütungssystems ohne die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erforderliche Beteiligung des Betriebsrats einseitig festgelegt worden sei.

Nachdem in einem Parallelverfahren eine rechtskräftige Entscheidung ergangen war, nahm der Arbeitgeber seine Anträge im Ausgangsverfahren zurück.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 04.07.2007 den Gegenstandswert für das Verfahren im Allgemeinen auf 139.027,00 € festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, es gehe um Differenzbeträge von insgesamt 289.637,00 € abzüglich 40 % wegen Eingruppierung sowie abzüglich weiterer 25 % wegen einer einheitlichen Maßnahme. Hiergegen richtet sich die am 19.07.2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, auf deren Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird und der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war auf 246.676,00 € festzusetzen.

Die Wertfestsetzung richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Hiernach ist der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt auch im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstandes vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; GK/Wenzel, ArbGG, § 12 Rz. 194, 441 ff. m.w.N.).

Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es, in Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG, in denen es um die Einstellung, Umgruppierung oder Versetzung von Arbeitnehmern geht, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 GKG (früher: § 12 Abs. 7 ArbGG) zu orientieren. Folgerichtig wird bei der Wertfestsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 99 ff. BetrVG vielfach auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren, also auf § 42 Abs. 4 GKG zurückgegriffen (LAG Hamm, Beschluss vom 18.04.1995 - LAGE ZPO § 3 Nr. 3; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss vom 23.02.1989 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 12; GK/Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 482 m.w.N.). Auch die zuständigen Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts sind dieser Rechtsprechung gefolgt.

Danach ist der Gegenstandswert in Verfahren, in denen über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers gestritten wird, in Höhe des dreifachen Jahresbetrags der Entgeltdifferenz abzüglich 40 % (- 20 % und - 25 %) anzusetzen (LAG Hamm, Beschluss vom 18.04.1985 - LAGE ZPO § 3 Nr. 3; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss vom 02.02.2005 - 10 TaBV 154/04 - LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - 10 TaBV 11/05 - NZA-RR 2005, 435). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Neben einem 20%igen Abschlag, der für einen Feststellungsprozess gemacht wird, ist eine weitere Kürzung von 25 % wegen des Gesichtspunkts der verminderten Rechtskraftwirkung eines Beschlussverfahrens gerechtfertigt. Im rechnerischen Ergebnis handelt es sich insoweit um eine Kürzung von insgesamt 40 %.

Insoweit errechnet sich aufgrund einer monatlichen Vergütungsdifferenz für alle 181 betroffene Arbeitnehmer ein Betrag von 17.032,91 €. Die 36fache Vergütungsdifferenz für 151 Mitarbeiter beläuft sich nach der zutreffenden Berechnung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 509.993,64 €. Hinzuzurechnen war die tatsächliche Vergütungsdifferenz für 30 Mitarbeiter, die nur kurzzeitig beschäftigt waren. Bei diesen 30 Beschäftigten betrug die Vergütungsdifferenz nach der Berechnung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats 3.915,28 €. Insoweit errechnet sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 513.908,92 €. 40 % hiervon betragen 308.345,36 €.

Eine weitere Kürzung des Gegenstandswerts kam entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers nicht deshalb in Betracht, weil das Arbeitsverhältnis mit weiteren 112 Mitarbeitern befristet gewesen ist. Eine grundsätzliche Bewertung des Gegenstandswerts nach dem Vierteljahresverdienst des Arbeitnehmers ist nämlich regelmäßig bei unbefristeter Einstellung oder bei einer Einstellung für mindestens sechs Monate vorzunehmen. Lediglich bei einer Einstellung für kürzere Zeiträume kann eine Herabsetzung des Gegenstandswerts auf zwei Monatsverdienste - bei einer Dauer bis zu sechs Monaten - oder gar auf einen Monatsverdienst - bei einer Dauer bis zu drei Monaten - in Betracht kommen (LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss vom 13.05.1986 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 55; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - 10 TaBV 45/05 -; LAG Hamm, Beschluss vom 25.09.2006 - 10 Ta 495/06 -; LAG Hamm, Beschluss vom 19.10.2006 - NZA-RR 2007, 96; GK/Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 485).

Soweit 112 Mitarbeiter befristet eingestellt worden sind, wobei die Befristung überwiegend ein Jahr betragen hat, kam danach eine weitere Kürzung des Gegenstandswerts nicht in Betracht.

Der sich danach ergebende Wert von 308.345,36 € musste allerdings auch nach Auffassung der Beschwerdekammer um weitere 20 % gekürzt werden.

Eine Herabsetzung des Wertes ist auch dann geboten, wenn mehrere personelle Einzelmaßnahmen auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zurückzuführen sind und die Einzelfälle keine Besonderheiten aufweisen. Die Bedeutung einer jeden einzelnen Maßnahme nimmt umso mehr ab, je mehr Arbeitnehmer von der Gesamtmaßnahme betroffen sind (LAG Berlin, Beschluss vom 18.03.2003 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 13 = NZA-RR 2003, 437). Vor diesem Hintergrund ist es in Fällen der vorliegenden Art gerechtfertigt, in Anlehnung an die Staffel der Arbeitnehmerzahlen in § 9 BetrVG, den Wert jeder einzelnen personellen Maßnahme typisierend festzulegen, um auf diese Weise zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen. Nach der Rechtsprechung der zuständigen Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts ist dabei die erste personelle Maßnahme mit dem vollen Wert und die weitere Maßnahme mit prozentualen Anteilen des Ausgangswerts zu berücksichtigen (LAG Hamm, Beschluss vom 14.02.2005 - 13 TaBV 100/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 22.02.2005 - 13 TaBV 119/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - 10 TaBV 45/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 22.08.2005 - 10 TaBV 94/05 -; LAG Hamm, Beschluss vom 17.08.2006 - 13 Ta 179/06 - NZA-RR 2006, 595; LAG Hamm, Beschluss vom 09.10.2006 - 10 Ta 463/06 - m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat es die Beschwerdekammer für gerechtfertigt erachtet, den Gegenstandswert von 308.345,36 € pauschal um weitere 20 % zu kürzen. Die Arbeitgeberin hat im vorliegenden Verfahren pauschal die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung von insgesamt 181 Mitarbeitern verlangt. Auch wenn diese Mitarbeiter zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingestellt und eingruppiert worden sind, beruhte die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats darauf, dass der Arbeitgeber die Vergütung bei allen Mitarbeitern seit dem 01.06.2006 pauschal um 7 % abgesenkt hatte, ohne ein angebliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beachten. Dies rechtfertigt eine weitere pauschale Kürzung von 20 %.

Ende der Entscheidung

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