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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 10 TaBV 109/07
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 103
KSchG § 15 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 14.09.2007 - 2 BV 9/07 L - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außer- ordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3., des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden.

Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt in L1 ein Gesundheitszentrum mit ca. 120 Mitarbeitern. In ihrem Betrieb ist ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt.

Der am 19.10.1951 geborene Beteiligte zu 3. ist verheiratet. Seit dem 01.07.2004 ist er bei der Arbeitgeberin aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 30.06.2004 (Bl. 151 d.A.) als Masseur und medizinischer Bademeister beschäftigt. Zuvor war der Beteiligte zu 3. bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, die in die Insolvenz geraten war, seit 1987 als Masseur und medizinischer Bademeister tätig. Ob die früheren Beschäftigungszeiten des Beteiligten zu 3. seit 1987 aufgrund eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs auf das mit der Arbeitgeberin bestehende Arbeitsverhältnis anzurechnen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Der zuletzt gezahlte durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst des Beteiligten zu 3. belief sich auf 2.092,00 €.

Nach Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages vom 30.06.2004 wurde die Jahresarbeitszeit des Beteiligten zu 3. auf Basis einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden berechnet. Beginn und Ende sowie die Lage der täglichen Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Regelungen.

Seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses mit der Arbeitgeberin ist der Beteiligte zu 3. Mitglied des gewählten Betriebsrats. Seit dem 27.07.2005 war er Vorsitzender des Betriebsrats.

Als Masseur und medizinischer Bademeister erhielt der Beteiligte zu 3. von der Arbeitgeberin arbeitstäglich einen sogenannten Tagesplan, in denen die zu behandelnden Patienten, die Art der Behandlung und die Behandlungszeiten aufgeführt sind (Bl. 16 ff.d.A.). Im Laufe des Tages bzw. am Ende des jeweiligen Arbeitstages dokumentierte der Beteiligte zu 3. die geleisteten Tätigkeiten, in dem er die Behandlungspläne abzeichnete und unterschrieb.

Aufgrund der täglichen Behandlungspläne werden monatliche Dokumentationen über die Arbeitszeiten erstellt, die vom Beteiligten zu 3. jeweils am Ende eines Monats sowie daraufhin auch vom Vorgesetzten des Beteiligten zu 3. abgezeichnet werden (Bl. 193 ff.d.A.).

Die tägliche Mittagspause des Beteiligten zu 3. ist nach den Behandlungsplänen von 12.20 Uhr bis 13.20 Uhr vorgesehen, mit Ausnahme des Montags, wo in der Zeit vom 12.50 Uhr bis 13.20 Uhr eine Teambesprechung stattfindet und alle 14 Tage donnerstags, wo in der Zeit von 12.50 Uhr bis 13.20 Uhr - maximal bis 13.40 Uhr - eine interne Fortbildung zu absolvieren ist.

Die Tätigkeit des Beteiligten zu 3. besteht im Wesentlichen darin, Moorpackungen zu verabreichen, Heißluftbehandlungen und Massagebehandlungen durchzuführen, Motorschienen anzulegen, Interferenzstrombehandlungen und Diadynamische Strombehandlungen zu verabreichen. Dabei werden unstreitig regelmäßig auch Kombinationen bei einzelnen Behandlungen, etwa bestehend aus Moorpackungen und Massagen, verabreicht. Unstreitig stehen dem Beteiligten zu 3. - im Gegensatz zu anderen Behandlern - für die Massagebehandlungen zwei Behandlungszimmer zur Verfügung. Ob es bei der Arbeitgeberin üblich und unter den Therapeuten abgesprochen ist, dass eine Massageeinheit auf 20 Minuten festgelegt worden ist, um eine reine Massagezeit von mindestens 15 Minuten und eine Rüstzeit von 5 Minuten zu ermöglichen, ist zwischen den Beteiligten streitig.

In der Zeit von 07.03.2007 bis zum 18.04.2007 wurde der Beteiligte zu 3. an insgesamt 16 Tagen beobachtet, als er bereits vor 12.20 Uhr in die Pause gegangen ist und die Kantine aufgesucht hat, obgleich zu diesen Zeiten nach dem täglichen Behandlungsplan noch Patienten zu behandeln waren (Aufstellung Bl. 13 ff.d.A.). So wurde der Beteiligte zu 3. zu folgenden Zeiten in der Personalkantine gesehen:

"1. 07.03.2007, 12.05 Uhr, Personalkantine

2. 08.03.2007, 12.05 Uhr, Personalkantine

3. 09.03.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

4. 14.03.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

5. 26.03.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

6. 28.03.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

7. 02.04.2007, 12.05 Uhr, Personalkantine

8. 03.04.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

9. 04.04.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

10. 05.04.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

11. 10.04.2007, 12.05 Uhr, Personalkantine

12. 11.04.2007, 12.05 Uhr, Personalkantine

13. 12.04.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

14. 16.04.2007, 12.13 Uhr, Personalkantine

15. 17.04.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine

16. 18.04.2007, 12.00 Uhr, Personalkantine"

Wegen der festgestellten "Pausenaufälligkeiten" hörte die Arbeitgeberin den Beteiligten zu 3. am 19.04.2007 an. Dabei wurde vom Beteiligten zu 3. nicht in Abrede gestellt, dass er zu den genannten Zeiten jeweils vor 12.20 Uhr die Kantine aufgesucht hat.

Mit Schreiben vom 23.04.2007 (Bl. 8 ff.d.A.) bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3., hilfsweise zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Dem Anhörungsschreiben vom 23.04.2007 war die Aufstellung über die vorzeitigen Pausen des Beteiligten zu 3. aus der Zeit vom 07.03.2004 bis 18.04.2004 (Bl. 13 f.d.A) beigefügt.

Mit Schreiben vom 26.04.2007 (Bl. 11 f.d.A.) verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3.

Mit dem am 03.05.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte die Arbeitgeberin daraufhin die Ersetzung der Zustimmung der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3. geltend.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. sei gerechtfertigt, weil dem Beteiligten zu 3. schwerwiegende Vertragsverstöße zur Last fielen. Der Beteiligte zu 3. sei eigenmächtig von den vorgegebenen Behandlungsplänen abgewichen und habe Arbeitszeiten für die Behandlung einzelner Patienten dokumentiert, die nicht zutreffend gewesen seien. In diesem Zusammenhang hat die Arbeitgeberin behauptet, Abweichungen von den Behandlungsplänen seien nur mit ihrer vorherigen Zustimmung möglich. Die Pläne seien strikt einzuhalten, andernfalls ließen sich die Termine nicht steuern. Abweichungen und Terminsänderungen könnten nur im Ausnahmefall und nur in Absprache mit dem Vorgesetzten bzw. der institutionalisierten Abteilung "Terminplanung" vorgenommen werden.

Im Übrigen sei erwiesen, mindestens bestehe der dringende Tatverdacht, dass der Beteiligte zu 3. seine Hauptleistungspflicht, nämlich seine Arbeitspflicht, nachhaltig verletzt habe, indem er die ihm zustehende Pause ab 12.20 Uhr eigenmächtig verlängert habe. Im Zeitraum von 07.03.2007 bis zum 18.04.2007 habe der Beteiligte zu 3. insgesamt 16 Mal vorzeitig seine Pause angetreten und vorgespiegelt, gearbeitet zu haben. Insoweit liege ein Arbeitszeitbetrug vor; der Beteiligte zu 3. habe die Arbeitgeberin systematisch geschädigt und Arbeitsentgelt für Arbeiten erhalten, die er nicht geleistet habe. Unstreitig habe er zu im jeweiligen Behandlungsplan festgelegten Zeiten sich in der Kantine aufgehalten, um dort Pause zu machen, obgleich Patienten zu behandeln gewesen seien. Aufgrund des Arbeitsprogrammes und der Behandlungspläne sei es ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer derartige Arbeitszeiten herausholen könne, um seine Pause zu verlängern. Die Behandlungszeit von 12.00 Uhr bis 12.20 Uhr könne nur bei einem zufälligen Ausfall des Patienten oder bei sonstiger Verkürzung der jeweiligen Behandlungszeiten frei werden. Auch wenn es im Einzelfall zu Terminverschiebungen komme, sei dies nur mit Abstimmung über den Vorgesetzten bzw. über die Terminplanung möglich, um andere Terminüberschneidungen zu verhindern.

Der Beteiligte zu 3. sei im Übrigen nicht befugt, eigenmächtig von den Behandlungsplänen abzuweichen, weil er insoweit in medizinische Indikationen eingreife, wenn er eigenmächtig Patienten zu anderen als zu den vorgegebenen Zeiten der Behandlung bestelle und behandele. Die bei der Arbeitgeberin tätigen Ärzte entschieden allein, ob dem jeweiligen Patienten aufgrund des jeweiligen Gesundheitszustandes ein längerer Weg zum Therapiezentrum und gegebenenfalls auch Wartezeiten zuzumuten seien. Auch wenn es vorkomme, dass individuelle Patientenwünsche nach anderen Therapiezeiten geäußert würden, dürfe der Beteiligte zu 3. nicht eigenmächtig und ohne Rücksprache vom Behandlungsplan abweichen. Sogenannte Zeitressourcen könnten deshalb nicht, auch nicht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Rüstzeiten der einzelnen Patienten, entstehen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3., des Betriebsratsvorsitzenden L2 A2, zu ersetzen,

hilfsweise

die Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist von drei Monaten zum Monatsende gegenüber dem Beteiligten zu 3., dem Betriebsratsvorsitzenden L2 A2, zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. haben beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, die beabsichtigte Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Es fehle an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB. Auch wenn es zutreffend sei, dass der Beteiligte zu 3. an bestimmten Tagen bereits vor 12.20 Uhr seine Pause angetreten habe, habe er seine Arbeitspflicht nicht verletzt. Er habe alle Patienten, die in den jeweiligen Behandlungsplänen aufgeführt seien, nach dem vorgegebenen Umfang behandelt, wenn auch zeitweise zu anderen als im Behandlungsplan vorgesehenen Terminen. Die starre Taktung der EDV-mäßig im Behandlungsplan vorgesehenen Termine sei im Arbeitsalltag nicht einzuhalten, sie berücksichtige nicht in ausreichender Weise individuelle Gegebenheiten der Patienten. Im Laufe des Tages komme es wieder zu Terminveränderungen. Die Terminplanung könne schon nicht immer die notwendigen Zeiten für Wege zur nächsten Therapiebehandlung berücksichtigen. Es komme dann zu Nachfragen von Patienten bei dem jeweiligen Behandler, der nach Möglichkeit durch Verschiebung der jeweiligen Termine versuche, die zeitliche Bewältigung der Termine für die Patienten machbar zu machen.

Bei sogenannten "Kombinationsverordnungen", bestehend aus Massage und vorheriger Kälte- bzw. Wärmebehandlung, sei es möglich, auch Zeitressourcen im tatsächlichen Behandlungsablauf "herauszuholen". In solchen Fällen komme es häufig vor, dass Patienten zunächst die Kälte- bzw. Wärmebehandlung erhielten und anschließend - soweit zeitliche Kapazitäten vorhanden seien - direkt die Massage, und zwar in Abweichung vom jeweiligen Tagesplan. Dies sei sowohl medizinisch sinnvoll und werde auch von den Patienten gewünscht, weil sie sich dann nicht erneut anziehen müssten, um von der Moorabteilung zu den Behandlungsräumen zu gehen, um dort massiert zu werden; die Ersparnis an Wegezeiten sei erheblich.

Darüber hinaus sei immer wieder feststellbar, dass Patienten, deren Behandlungszeiten nach 12.00 Uhr terminiert seien, um Vorverlegung des Termins bäten, um an der Tischgemeinschaft zum Mittagessen teilnehmen zu können. Wenn solche Patienten vor dem festgesetzten Behandlungstermin bereits im Vorzimmer warten würden und er, der Beteiligte zu 3., freie Kapazitäten habe, würden auch diese Termine einvernehmlich nach Absprache und auf Wunsch des jeweiligen Patienten vorverlegt. Dies führe zu einer Verdichtung der Arbeitsabläufe, die wegen der Kombination einzelner Behandlungsschritte bzw. wegen ersparter Rüstzeiten für An- und Ausziehen machbar sei.

Schließlich verfüge der Beteiligte zu 3. nicht nur über ein Zimmer zur Massagebehandlung, sondern über zwei Zimmer mit der Folge, dass er das jeweilige An- und Ausziehen des einzelnen Patienten unter Umstände nicht abwarten müsse, sondern nach Ende einer Massage sofort in das zweite Behandlungszimmer wechseln könne. Die vorgegebenen Massagezeiten von 15 Minuten zuzüglich der Zeiten für An- und Ausziehen seien von ihm, dem Beteiligten zu 3. immer eingehalten worden. Er, der Beteiligte zu 3., habe sich immer patientenfreundlich verhalten. Ein sklavisches Abarbeiten des Behandlungsplans sei weder im Interesse der Patienten noch aus medizinischen Gründen indiziert, der vormalige Geschäftsführer habe, so hat der Beteiligte zu 3. behauptet, habe seinerzeit ausdrücklich immer wieder betont, dass ein sogenannter "Dienst nach Dienstplan" nicht gewünscht werde, sondern dass man den Dienstplan den tatsächlichen Möglichkeiten anpassen müsse. Eine "sture" Dienstplaneinhaltung führe regelmäßig zu untragbaren Situationen für die Patienten, die unter Umständen längere Wartezeiten auf dem Flur in Kauf nehmen müssten. Viele Patienten erschienen auch regelmäßig vor der jeweils vereinbarten Zeit um festzustellen, ob schon Behandlungsräume frei seien. Es mache auf die Patienten einen ausgesprochenen negativen Eindruck, wenn er, der Beteiligte zu 3., diese Patienten warten lassen würde, obwohl er in der Lage wäre, diese zu behandeln. Auch die übrigen Mitarbeiter hätten es sich zur Regel gemacht, nach dem Abarbeiten der Vormittagstermine die Mittagspause zu beginnen. Teilweise habe er auch vor dem festgesetzten Ende der Mittagpause um 13.20 Uhr seine Tätigkeit wieder aufgenommen, wenn Patienten bereits vorzeitig zur jeweiligen Behandlung erschienen seien.

Durch Beschluss vom 14.09.2007 hat das Arbeitsgericht die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3. nicht vorliege. Zwar sei davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 3. den jeweiligen Behandlungsplan eigenmächtig und ohne vorherige Zustimmung der Arbeitgeberin abgeändert und fehlerhafte Arbeitszeiten dokumentiert habe. Einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug könne die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 3. jedoch nicht vorwerfen, weil nicht nachgewiesen werden könne, dass der Beteiligte zu 3. Patienten überhaupt nicht oder nur verkürzt behandelt habe. Es fehle auch an einem dringenden Tatverdacht, dass der Beteiligte zu 3. die Behandlungszeiten verkürzt habe, weil der Beteiligte zu 3. substantiiert dargelegt habe, dass immer wieder Zeitreserven vorhanden seien, die er im Sinne einer patientenorientierten Arbeitsweise genutzt habe. Soweit der Beteiligte zu 3. seine Dokumentationspflicht verletzt habe, sei vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eine vorherige Abmahnung erforderlich.

Gegen den der Arbeitgeberin am 25.09.2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 09.10.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Arbeitgeberin nach wie vor der Auffassung, dass die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3., der inzwischen von seinem Betriebsratsvorsitz zurückgetreten ist, aber sein Betriebsratsamt nach wie vor ausübt, gerechtfertigt sei. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Beteiligte zu 3. einen Arbeitszeitbetrug begangen habe, in dem er Arbeitszeiten nicht erbracht habe, sich diese aber habe vergüten lassen. Dies gelte zumindest für den Zeitraum vom 07.03.2007 bis zum 18.04.2007. Darüber hinaus bestehe der dringende Verdacht, dass der Beteiligte zu 3. auch in den fast drei Jahren in der Vergangenheit ähnlich vorgegangen sei.

Allein der Umstand, dass der Beteiligte zu 3. unstreitig den Behandlungsplan eigenmächtig und ohne vorherige Zustimmung der Arbeitgeberin abgeändert und fehlerhafte Arbeitszeiten dokumentiert habe, reiche für eine fristlose Kündigung aus. Soweit sich der Beteiligte zu 3. darauf berufe, patientenorientiert gehandelt zu haben, könne dies nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Der Beteiligte zu 3. habe gerade nicht die optimal mögliche Behandlung der Patienten vorgenommen, weil ansonsten Terminverschiebungen nicht möglich gewesen wären. Eine Verdichtung der Behandlungszeiten sei nur mit einer Reduzierung der Behandlungszeiten durch den Beteiligten zu 3. möglich gewesen.

Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass der Beteiligte zu 3. nach Einleitung des Zustimmungsverfahrens sein Verhalten abgestellt habe.

Im Übrigen gehe es nicht nur um die Verkürzung des Behandlungszeitraums der jeweiligen Patienten, sondern auch um die Dokumentation von Arbeitsleistungen, die nicht erbracht worden seien. Der Beteiligte zu 3. habe der Arbeitgeberin vorgespiegelt, gearbeitet zu haben, obgleich er an den betreffenden Tagen bereits die Mittagspause angetreten habe.

Im Übrigen befasse sich die arbeitsgerichtliche Entscheidung mit dem gestellten Hilfsantrag überhaupt nicht.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 14.09.2007 - 2 BV 9/07 L - abzuändern und

die Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3., des Betriebsratsmitglieds L2 A2, zu ersetzen,

hilfsweise

die Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist von drei Monaten zum Monatsende gegenüber dem Beteiligten zu 3., dem Betriebsratsmitglied L2 A2, zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und sind der Auffassung, dass der Beteiligte zu 3. sich keine Arbeitszeiten habe vergüten lassen, die er nicht erbracht habe. Der Beteiligte zu 3. habe sämtliche gemäß dem jeweiligen Tagesplan vorgesehenen Behandlungen in der vorgesehenen Dauer erbracht, er habe lediglich einzelne Patienten zu anderen Zeiten behandelt, als im Tagesplan vorgesehen. Die Arbeitgeberin habe insbesondere nicht nachgewiesen, dass der Beteiligte zu 3. Arbeitszeiten abgerechnet habe, die er nicht geleistet habe. Unzutreffend sei es insbesondere, dass der Beteiligte zu 3. an Stelle einer Mittagspause von 12.20 Uhr bis 13.20 Uhr an einzelnen Tagen eine Mittagspause von 12.00 Uhr bis 13.20 Uhr absolviert habe. Auch ein dringender Tatverdacht sei insoweit nicht gerechtfertigt. Er, der Beteiligte zu 3., habe immer deutlich gemacht, dass er sich hinsichtlich seiner Pausenzeiten nach den Anforderungen durch die Patienten gerichtet habe, auch dann, wenn er seine Mittagspause in einem Zeitrahmen von etwa 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr genommen habe. Es gebe keinerlei Verdachtsmomente für die Arbeitgeberin dahin, dass der Beteiligte zu 3. die ihm zustehende Pause verlängert habe. Nach der jeweiligen Mittagspause sei er, der Beteiligte zu 3., wieder in seine Behandlungsräume zurückgekehrt und habe Patienten, die bereits dort warteten, behandelt, auch wenn es noch vor 13.20 Uhr gewesen sei. Wann und zu welchem genauen Zeitpunkt der Beteiligte zu 3. seine Pausen jeweils beendet habe, gehe auch aus der von der Arbeitgeberin vorgelegten Aufstellung (Bl. 13 ff.d.A.) nicht hervor.

Insoweit bleibe es lediglich bei dem Vorwurf, dass er, der Beteiligte zu 3., die Dokumentation in den jeweiligen Behandlungsplänen nicht berichtigt habe.

Einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug könne die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 3. nicht vorwerfen. Immerhin habe der Beteiligte zu 3. für jeden sichtbar an manchen Tagen bereits vor 12.20 Uhr die Kantine aufgesucht. Sämtliche Patienten seien von ihm zuvor ordnungsgemäß behandelt worden und hätten die ihnen zustehende Behandlungsdauer erfahren. Wenn Patienten nur verkürzt behandelt worden wären, hätten sie sich sicherlich beschwert. Beschwerden seitens der Patienten lägen jedoch nicht vor, vielmehr seien bei den Befragungen durchweg positive Beurteilungen des Beteiligten zu 3. zu verzeichnen.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der Betriebsrat hat die von der Arbeitgeberin beantragte Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. zu Recht verweigert. Diese verweigerte Zustimmung war auch nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht zu ersetzen. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht festgestellt.

I.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist nicht schon deshalb unbegründet, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG über die Kündigungsgründe unterrichtet gewesen ist.

Da die Zustimmung des Betriebsrats als Wirksamkeitsvoraussetzung vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds vorliegen muss, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, wie bei der Anhörung des Betriebsrats zu jeder anderen beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers nach § 102 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat die Kündigungsabsicht und die maßgebenden Tatsachen mitzuteilen, welche den wichtigen Grund für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung darstellen sollen. Die für das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG geltenden Grundsätze sind auch insoweit für § 103 Abs. 1 BetrVG entsprechend anzuwenden (BAG, Beschluss vom 18.08.1977 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 10; BAG, Urteil vom 17.03.2005 - AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6; KR/Etzel, 8. Aufl., § 103 BetrVG Rz. 66; GK/Raab, BetrVG, 8. Aufl., § 3 Rz. 51; APS/Linck, 3. Aufl., § 103 BetrVG Rz. 14 m.w.N.).

Der Betriebsrat ist jedoch zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. ordnungsgemäß angehört worden. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 31.08.2006 unter Mitteilung der Kündigungsgründe angehört. Das Schreiben vom 23.04.2007 ist zutreffend an die damalige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende gerichtet worden, weil die außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3., des damaligen Betriebsratsvorsitzenden, in Rede stand und dieser insoweit als verhindert im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG angesehen werden musste. Im Schreiben vom 23.04.2007 sind die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers und dessen Familiendaten ordnungsgemäß mitgeteilt worden. Insbesondere ist der Betriebsrat auch vollständig über die Kündigungsgründe informiert worden. Im Schreiben vom 23.04.2007 ist unter Beifügung von Anlagen im Einzelnen konkret angegeben worden, auf welche Gründe die Arbeitgeberin die Kündigung stützen will.

Soweit es im Schreiben vom 23.04.2007 einleitend ausdrücklich heißt "Anhörung des Betriebsrats ...", führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Einleitung des Zustimmungsverfahrens.

Zwar muss grundsätzlich erkennbar sein, ob ein Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG oder ein Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG eingeleitet werden soll. Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG kann die Einleitung eines Zustimmungsverfahrens nach § 103 BetrVG grundsätzlich nicht ersetzen (BAG, Urteil vom 17.03.2005 - AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6; vgl. auch: KR/Etzel, a.a.O., § 103 BetrVG Rz. 65 ff., 69; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 103 Rz. 33). Eine ausdrückliche Aufforderung des Arbeitgebers an den Betriebsrat, zu der beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen, ist aber grundsätzlich nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall war dem Betriebsrat durch das Schreiben der Arbeitgeberin vom 23.04.2008 erkennbar, welches Verfahren eingeleitet werden sollte. Die Arbeitgeberin hat bereits im Betreff ausdrücklich auf § 103 BetrVG hingewiesen. Zudem ist am Ende des Schreibens vom 23.04.2007 um die Zustimmung des Betriebsrats "im Rahmen des § 103 BetrVG" ersucht worden. Dass der Beteiligte zu 3. bei Einleitung des Verfahrens seinerzeit Betriebsratsvorsitzender gewesen ist, wusste der Betriebsrat. Der Betriebsrat hat auch innerhalb der Dreitagesfrist des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG seine Stellungnahme abgegeben.

II.

Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG hat der Arbeitgeber dann einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB voraus. Es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BAG, Beschluss vom 22.08.1974 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 1; BAG, Beschluss vom 10.02.1999 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, Beschluss vom 20.01.2000 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40; BAG, Urteil vom 07.10.2004 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 56; BAG, Beschluss vom 16.12.2004 - AP BGB § 626 Nr. 191).

Auch nach Überzeugung der Beschwerdekammer sind die Voraussetzungen für die gerichtliche Zustimmungsersetzung nicht gegeben.

1. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass Verfehlungen eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Arbeitszeit grundsätzlich als Kündigungsgrund geeignet sind und eine ordentliche Kündigung rechtfertigen können. Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Zeiterfassung können unter Umständen sogar einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Verlangt ein Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, das ihm nicht zusteht, kann dies im Einzelfall ein Grund zu einer fristlosen Entlassung sein, selbst wenn es sich dabei um einen einmaligen Fall oder um einen geringfügigen Betrag handelt. Ein Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber geleistete Arbeitszeit vorspiegelt oder sich Arbeitsbefreiung erschleicht, verletzt die Pflicht aus dem Arbeitsvertrag und kann entlassen werden. Sowohl der Missbrauch von Stempeluhren wie die Vortäuschung falscher Arbeitszeiten kann eine ordentliche, zumeist auch eine auerordentliche Kündigung rechtfertigen. Die Täuschung durch falsches Betätigen oder Nichtbetätigen einer Gleitzeiteinrichtung oder die Angabe einer höheren Arbeitszeit, als tatsächlich geleistet worden ist, stellt einen schweren Vertrauensmissbrauch dar, der eine Kündigung rechtfertigen kann (BAG, Urteil vom 12.08.1999 - AP BGB § 123 Nr. 51; BAG, Urteil vom 15.11.2001 - AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 4; BAG, Urteil vom 21.04.2005 - AP SGB IX § 91 Nr. 4; BAG, Urteil vom 24.11.2005 - AP BGB § 626 Nr. 197; BAG, Urteil vom 07.12.2006 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 56; LAG Köln, Urteil vom 22.05.2003 - LAGE § 626 BGB Nr. 150; KR/Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG Rz. 445; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rz. 278; ErfK/Müller-Glöge, 8. Aufl., § 626 BGB Rz. 152; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 641 m.w.N.).

Darüber hinaus können auch sonstige unrichtige Angaben über geleistete Arbeitszeiten einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (BAG, Urteil vom 13.08.1987 - RzK I 5 Nr. 31; LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.10.1994 - LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44; LAG Hamm, Urteil vom 26.10.2005 - AuA 2006, 229; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 433 m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte kann darüber hinaus nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Verdächtigen Arbeitnehmer darstellen.

Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, dass gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört habe. Der Verdacht der strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektiven Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, Urteil vom 14.09.1994 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 24; BAG, Urteil vom 20.08.1997 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 27; BAG, Urteil vom 18.11.1999 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 32; BAG, Urteil vom 06.12.2001 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 36; BAG, Urteil vom 06.11.2003 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rz. 345 f.; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rz. 208 ff.; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 210 ff. m. w. N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht auch zur Überzeugung der Beschwerdekammer nicht fest, dass der Beteiligte zu 3. einen Arbeitszeitbetrug oder eine sonstige schwere arbeitsvertragliche Verfehlung begangen hat, die die Arbeitgeberin zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte. Es sind auch keine Tatsachen vorhanden, die den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen schweren arbeitsvertraglichen Verfehlung rechtfertigen könnten. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt.

a) Die Arbeitgeberin kann dem Beteiligten zu 3. nicht vorwerfen, dass dieser sich durch Überziehung der Mittagspause einer erheblichen Pflichtverletzung schuldig gemacht hat.

Zwischen den Beteiligten ist zwar unstreitig, dass dem Beteiligten zu 3. regelmäßig eine Mittagspause von 12.20 Uhr bis 13.20 Uhr zustand. Unstreitig ist auch, dass der Beteiligte zu 3. in der Zeit vom 07.03.2007 bis zum 18.04.2007 insgesamt an 16 Tagen bereits vor 12.20 Uhr seine Mittagspause angetreten und die Kantine aufgesucht hat. Hiermit steht aber nicht fest, dass der Kläger die ihm zustehende Mittagspause von einer Stunde insgesamt 16 Mal überzogen hat. Unstreitig ist nämlich, dass die Arbeitgeberin keine Feststellungen darüber getroffen hat, zu welcher jeweiligen Uhrzeit der Kläger an den fraglichen Tagen die Mittagspause jeweils beendet hat. Das Ende der Mittagspause des Beteiligten zu 3. ist an denjenigen Tagen, an denen er vorzeitig die Pause angetreten hat, gerade nicht festgestellt worden. Damit ist jedenfalls ein Arbeitszeitbetrug durch Überziehung der jeweiligen Mittagspause nicht nachgewiesen.

b) Auch der Vorwurf, der Beteiligte zu 3. habe Patienten verkürzt oder teilweise gar nicht behandelt, nur dadurch habe es zu dem vorzeitigen Antritt der Mittagspause kommen können, ist nicht berechtigt. Welche konkreten Patienten vom Beteiligten zu 3. nicht oder nur verkürzt behandelt worden sein sollen, trägt die Arbeitgeberin selbst konkret nicht vor. Allein der Umstand, dass der Beteiligte zu 3. in der Zeit vom 07.03.2007 bis zum 18.04.2007 ins- gesamt 16 Mal seine Mittagspause vor 12.20 Uhr angetreten hat, lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu und belegt nicht automatisch, dass Patienten verkürzt oder gar nicht behandelt worden sind. Der Beteiligte zu 3. hat nämlich ebenso wie der Betriebsrat detailliert vorgetragen, wie sich im Laufe eines Tages trotz des vorgegebenen Behandlungsplans Zeitressourcen bei der Behandlung von Patienten ergeben konnten. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten insoweit, dass der Beteiligte zu 3. auch für sogenannte Kombinationsbehandlungen zuständig war, etwa Moorpackungen mit anschließender Massage. Im Schriftsatz vom 16.05.2007 hat der Beteiligte zu 3. im Einzelnen zu derartigen Kombinationsbehandlungen Stellung genommen und ausgeführt, dass er bei Patienten, die nach dem jeweiligen Behandlungsplan zu unterschiedlichen Zeitpunkten behandelt werden sollten, direkt etwa nach Verabreichung einer Wärme- bzw. Kältebehandlung noch in der Moorabteilung eine Massage durchgeführt hat. Diesem Vorbringen des Betriebsrats bzw. des Beteiligten zu 3. ist die Arbeitgeberin nicht mit substantiierten Einwendungen entgegengetreten. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass es zu Verzögerungen, zu zeitlichen Veränderungen in der jeweiligen Patientenbehandlung allein dadurch kommen kann, dass einzelne Patienten beim An- bzw. Auskleiden mehr Zeit benötigen als andere Patienten. Dass der Beteiligte zu 3. aber bestimmte Patienten lediglich verkürzt oder einzelne Patienten gar nicht behandelt hat, trägt die Arbeitgeberin selbst nicht vor.

Damit verbleibt der Vorwurf, dass der Beteiligte zu 3. den vorgegebenen täglichen Behandlungsplan nicht strikt eingehalten hat und ohne vorherige Einholung der Zustimmung seines Vorgesetzten bzw. ohne Rücksprache mit der Terminplanung vom jeweiligen Behandlungsplan abgewichen ist. Dieser Vorwurf rechtfertigt aber, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ohne vorherige ausdrückliche Abmahnung keine außerordentliche Kündigung.

Zwar behauptet die Arbeitgeberin, dass der Beteiligte zu 3. in seinem Bereich gehalten sei, bei Veränderungen in Einzelfällen Kontakt mit dem Teamleiter, seinem Vorgesetzten, bzw. mit der Terminplanung aufzunehmen. Eine ausdrückliche Anweisung, wie bei zeitlichen Veränderungen, Verzögerungen in der vorgegebenen Terminplanung zu verfahren ist, trägt die Arbeitgeberin aber selbst nicht vor.

Selbst wenn unterstellt wird, dass der Beteiligte zu 3. verpflichtet gewesen wäre, nicht ohne vorherige Zustimmung seines Vorgesetzten oder ohne Rücksprache mit der Terminplanung vom vorgegebenen täglichen Behandlungsplan abzuweichen, wäre eine insoweit begangene Pflichtverletzung ohne Abmahnung nicht geeignet, einen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben. Einer derartigen Pflichtverletzung hätte eine einschlägige Abmahnung zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr vorausgehen müssen, an der es vorliegend fehlt.

Eine Abmahnung ist erforderlich, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten handelt, dass bisherige vertragswidrige Fehlverhalten noch keine klare Negativprognose zulässt und deswegen von der Möglichkeit zukünftigen vertragsgerechten Verhaltensausgegangen werden kann (BAG, Urteil vom 04.06.1997 - AP BGB § 626 Nr. 137; BAG, Urteil vom 27.04.2006 - AP BGB § 626 Nr. 203).

Gerade weil im vorliegenden Verfahren eine konkrete Anweisung darüber, wie bei zeitlichen Veränderungen im täglichen Behandlungsplan vorgegangen werden muss, fehlen, konnte auch nicht von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgegangen werden. Entscheidend ist insoweit, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und ob sich die Pflichtverletzung, die Abweichung vom täglichen Behandlungsplan ohne vorherige Zustimmung der Arbeitgeberin, auch zukünftig belastend auswirkt (BAG, Urteil vom 16.08.1991 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 27; BAG, Urteil vom 26.01.1995 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 34; BAG, Urteil vom 21.11.1996 - AP BGB § 626 Nr. 130; BAG, Urteil vom 12.01.2006 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53; BAG, Urteil vom 19.04.2007 - NZA-RR 2007, 571 m.w.N.). Das kann aber im vorliegenden Fall gerade nicht angenommen werden. Dass der Beteiligte zu 3. in der Lage und auch Willens ist, sich ausnahmslos an den vorgegebenen täglichen Behandlungsplan zu halten, zeigt der Umstand, dass nach Einleitung des vorliegenden Zustimmungsverfahrens der Beteiligte zu 3. sich strikt an den täglichen Verhandlungsplan gehalten hat, unabhängig davon, ob Patienten vor seinem Behandlungszimmer warten oder nicht. Der Beteiligte zu 3. hatte lediglich eine ihm vorteilhafte Arbeitseinteilung praktiziert, die er nach seinen Vorstellungen im Interesse der jeweiligen Patienten vorgenommen hat. Ob eine derartige patientenorientierte Behandlungsweise, wie sie der Beteiligte zu 3. in der Vergangenheit praktiziert hat, sinnvoll ist oder einen Eingriff in medizinische Indikationen darstellt, war nicht entscheidungserheblich, da es insoweit jedenfalls an einer ausdrücklichen Anweisung der Arbeitgeberin, die Patienten nach einem im Regelfall starr vorgegebenen zeitlichen Behandlungsplan zu behandeln, fehlt.

Allein durch die Abweichung vom vorgegebenen täglichen Behandlungsplan, die zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kann jedenfalls ein Arbeitszeitbetrug zu Lasten der Arbeitgeberin nicht festgestellt werden. Der Beteiligte zu 3. hat auch nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin keine Arbeitsleistungen vorgetäuscht, die er nicht erbracht hat.

c) Auch der Umstand, dass der Beteiligte zu 3. durch das Abzeichnen des täglichen Behandlungsplans seiner Dokumentationspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, rechtfertigt nicht den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung.

Zwar hat der Kläger insoweit vorgegeben, die im einzelnen in den Tagesplänen aufgeführten Patienten zu den vorgegebenen Zeiten behandelt zu haben. Insoweit kann aber schon nicht unbeachtet bleiben, dass er die in den ihm vorgegebenen Behandlungsplan aufgeführten Patienten lediglich abgehakt hat. Die einzelnen Behandlungszeiten hat der Beteiligte zu 3. nicht selbst in den Behandlungsplan eingetragen. Der Beteiligte zu 3. hat zwar auch die ihm monatlich vorgelegten Aufstellungen über die täglich abgeleisteten Arbeitszeiten unterschrieben. Aber auch hieraus rechtfertigt sich der Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs nicht. Dem Beteiligten zu 3. kann allenfalls ein Verstoß gegen seine Dokumentationspflichten zur Last gelegt werden. Dieser pflichtwidrige Verstoß ist aber abmahnfähig und führt ohne vorherige ausdrückliche Anweisung und Abmahnung nicht zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt.

d) Schließlich ist die beabsichtigte außerordentliche Kündigung auch nicht als Verdachtskündigung zu rechtfertigen.

Der Umstand, dass der Beteiligte zu 3. an einzelnen Tagen vorzeitig seine Mittagspause angetreten hat, rechtfertigt, wie ausgeführt, nicht den Schluss, dass der Beteiligte zu 3. Patienten lediglich verkürzt oder gar nicht behandelt hat. Zu welchem Zeitpunkt der Beteiligte zu 3. an den fraglichen Tagen seine Mittagspause beendet hat, ist nicht festgestellt worden. Damit liegen objektive Tatsachen, die den dringenden Verdacht begründen könnten, der Beteiligte zu 3. habe Arbeitsleistungen vorgespiegelt, die er in Wirklichkeit nicht erbracht hat, nicht vor. Dass der Beteiligte zu 3. an den festgestellten Tagen seine Mittagspause jeweils vor 12.20 Uhr angetreten hat, hat der Beteiligte zu 3. auch zu keinem Zeitpunkt abgestritten, sondern von Anbeginn an zugegeben. Auch insoweit kann dem Beteiligten zu 3. ein vorwerfbares Fehlverhalten nicht angelastet werden.

3. Auch dem Hilfsantrag der Arbeitgeberin konnte nicht stattgegeben werden.

Die Zustimmung des Betriebsrats war auch nicht zu einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist von drei Monaten zum Monatsende zu ersetzen.

Auch bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, die mit einer Auslauffrist ausgesprochen werden soll, ist ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB erforderlich. Bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung orientiert sich der Prüfungsmaßstab an der fiktiven Kündigungsfrist. Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitgeber nicht fristlos kündigen will, sondern dem Arbeitnehmer freiwillig eine "soziale" Auslauffrist gewährt, die unterhalb der sonst einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist liegt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur firstlosen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers vorliegt, geht es allein um die Abwägung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der "fiktiven" Kündigungsfrist noch zugemutet werden kann (BAG, Urteil vom 27.04.2006 - AP BGB § 626 Nr. 202; BAG, Urteil vom 27.09.2001 - EzA KSchG § 15 n.F. Nr. 54).

Auch für eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB nicht vor. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dem Beteiligten zu 3. kann weder ein vollendeter Arbeitszeitbetrug nachgewiesen werden, noch liegen objektive Tatsachen dafür vor, die einen dringenden Verdacht des Arbeitszeitbetrugs begründen könnten. Dem Beteiligten zu 3. kann allenfalls vorgeworfen werden, von dem vorgegebenen Behandlungsplan abgewichen zu sein, indem er Patienten zu anderen als im Behandlungsplan vorgesehenen Zeiten behandelt hat. Dieses Fehlverhalten kann ohne vorangegangene ausdrückliche Abmahnung auch keine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Auslauffrist rechtfertigen.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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