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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.03.2009
Aktenzeichen: 10 TaBV 149/08
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, BGB, GG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 1
BetrVG § 74 Abs. 2
BetrVG § 103
KSchG § 15 Abs. 1
BGB § 616 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 21.08.2008 2 BV 22/08 wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) sowie um den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 900 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in drei Betrieben in B6, M1 und H2, in denen jeweils ein eigenständiger Betriebsrat gewählt ist.

Ferner ist im Unternehmen der Arbeitgeberin ein Gesamtbetriebsrat errichtet, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 3) ist.

Der Beteiligte zu 3), geboren am 06.03.1955, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 1987 ist er als Programmierer in der EDV-Abteilung des Betriebes der Arbeitgeberin in M1 zu einem monatlichen durchschnittlichen Bruttoverdienst von zuletzt 4.508,70 € tätig.

Der im Betrieb M1 gebildete Betriebsrat besteht aus neun Personen. Bis Oktober 2008 war der Beteiligte zu 3) freigestellter stellvertretender Betriebsratsvorsitzender; am 21.10.2008 wurde er einstimmig zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt.

Nachdem die Arbeitgeberin, die nicht tarifgebunden ist, Anfang 2005 die im Unternehmen übliche Praxis aufgegeben hatte, die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitarbeiter am Tarifwerk des öffentlichen Dienstes - seinerzeit BAT - zu orientieren, der Abschluss eines Haustarifvertrages mit der Gewerkschaft ver.di jedoch abgelehnt wurde, kam es in den Betrieben der Arbeitgeberin zu Warnstreiks und zu einem Tarifabschluss mit einer Gewerkschaft DHV (Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband im CGB). Weitere Verhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen führten sodann auch zum Abschluss eines Haustarifvertrages zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di im März 2007. Seither kam es zwischen den Beteiligten zu zahlreichen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren und Einigungsstellenverfahren, die auch die derzeitige Tarifsituation im Unternehmen der Arbeitgeberin zum Gegenstand hatten.

Gegenstand der Tarifsituation im Unternehmen der Arbeitgeberin war auch ein Schreiben des Konzernbetriebsrats vom 08.05.2008 (Bl. 22 f. d. A.), in dem u. a. das Zusammenwirken der Arbeitgeberin mit dem Verband DHV angesprochen wird. Auf den Inhalt des Schreibens vom 08.05.2008 (Bl. 22 f. d. A.) wird Bezug genommen.

In einem Schreiben vom 14.05.2008 (Bl. 19 f. d. A.), das an die Geschäftsführung der Arbeitgeberin gerichtet war, nahm der Gesamtbetriebsrat zu der aktuellen tariflichen Entwicklung im Unternehmen der Arbeitgeberin Stellung. In diesem Schreiben vom 14.05.2008 heißt es:

"...Zunächst möchten wir Ihnen mittteilen, dass wir die Sorgen der anderen Gremien teilen. Nach dem Beschluss der Kündigung des verdi-Haustarifvertrages in der Landestarifkommissionssitzung verdi am 5.5.2008 ist zu erwarten, dass der neu auszuhandelnde Haustarif 2009 nur unter schwierigen Begleitumständen zu Stande kommen wird. Grund für diese Vermutung ist das gebrochene Verhältnis unserer Geschäftsführung zur Interessenvertretung der Mehrzahl der Mitarbeiter im Unternehmen, zur Gewerkschaft verdi..."

Nach weiteren Ausführungen heißt im Schreiben vom 14.05.2008 sodann:

"...In Abschnitt F. Abs. 2 des Lageberichts wird die möglicherweise in Zukunft aufbrechende Diskussion in der Öffentlichkeit über Blutmarkt, Haltung des Bundeskartellamts dazu, Wettbewerb Ehrenamt usw. angedeutet. Umso befremdlicher ist es, wenn der Blutspendedienst West sich in dieser Situation seit nunmehr über drei Jahren nicht um sein Kerngeschäft kümmert, sondern sich ein gefährliches Tarifexperiment mit zweifelhaftem "Sozialpartner" DHV erlaubt und dabei gegen den natürlichen Bündnispartner und anerkannten Sozialpartner im Wohlfahrtsbereich verdi agiert..."

Das Schreiben vom 14.05.2008 ist vom Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, dem Beteiligten zu 3) sowie von zwei weiteren Gesamtbetriebsratsmitgliedern, Herrn W2 und Frau M4, unterzeichnet worden. Nach einem Verteiler (Bl. 21 d. A.), wurde es den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrates der Arbeitgeberin sowie der ver.di Landesbezirksleiterin zugänglich gemacht.

Das Schreiben vom 14.05.2008, das der Arbeitgeberin am 16.05.2008 zuging, veranlasste die Arbeitgeberin, mit Schreiben vom 27.05.2008 (Bl. 13 f. d. A.) beim Betriebsrat M1 die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu beantragen. Auf den Inhalt des Schreibens vom 27.05.2008, das dem Betriebsrat am gleichen Tag zuging (Bl. 17 d. A.), wird Bezug genommen.

Wegen des Schreibens vom 14.05.2008 erstattete die Arbeitgeberin Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft und stellte einen entsprechenden Strafantrag.

Mit Schreiben vom 29.05.2008 (Bl. 177 d. A.) teilte der Beteiligte zu 3) der Geschäftsführung der Arbeitgeberin per E-Mail folgendes mit:

"...Sehr geehrter Herr D2. F1,

Herr C2 hat dem Betriebsrat ein Schreiben überreicht, in dem er die Zustimmung des Betriebsrates erbittet, mir fristlos kündigen zu dürfen. Ich möchte diesem Angriff auf meine berufliche und private Existenz an dieser Stelle nicht weiter kommentieren, Ihnen aber auch das beiliegende Schreiben nicht vorenthalten.

Nur eins möchte ich anmerken: Es lag uns fern, etwa zu behaupten, das Kerngeschäft (die Sammlung von Bluten) finde nicht mehr statt. Insbesondere haben wir auch keine einzelnen Personen angesprochen, da dieses Kerngeschäft Aufgabe der ganzen Einrichtung ist. Wir haben - sicherlich in zugespitzter Form - unsere Sorge über eine Situation zum Ausdruck gebracht, die dem Kerngeschäft nur abträglich sein kann.

Sollte das Schreiben dazu geführt haben, dass Sie sich in Ihrer persönlichen Integrität angetastet führen, so bedauern wir dies. Dies war nicht Sinn des Schreibens.

Mit freundlichen Grüßen

gez. T2-R1"

Gleichzeitig richtete der Beteiligte zu 3) noch am 29.05.2008 vorsorglich an die Staatsanwaltschaften Düsseldorf, Hagen und Münster Selbstanzeigen wegen des ihm gemachten Vorwurfs des Straftatbestandes der Beleidigung, der Verleumdung und strafbaren Störung der Arbeit des Betriebsrats (Bl. 174 f. d. A.).

Mit Schreiben vom 29.05.2008 (Bl. 18 d. A.) teilte der Betriebsrat M1 der Arbeitgeberin mit, dass die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) nicht erteilt werde.

Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin mit dem am 30.05.2008 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) und machte hilfsweise auch den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat geltend.

Mit Schreiben vom 14.10.2008 (Bl. 178 d. A.) teilte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf dem Beteiligten zu 3) u. a. mit, dass der aufgrund des Schreibens des Beteiligten zu 3) vom 29.05.2008 angelegte Vorgang als eingestellt abgelegt worden sei; ein dem Beteiligten zu 3) zur Last zu legendes strafrechtlich relevantes Handeln sei auf der Grundlage des von ihm vorgetragenen Sachverhalts nicht zu erkennen.

Gegen die Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens legte die Arbeitgeberin Beschwerde zur Generalstaatsanwaltschaft in Hamm - 2 Zs 2324/08 - ein. Diese Beschwerde wurde von der Generalstaatsanwaltschaft Hamm mit Bescheid vom 28.01.2009 zurückgewiesen.

Zur Begründung des Zustimmungsersetzungsantrages hat die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten, der Beteiligte zu 3) habe im Schreiben vom 14.05.2008 persönlich diffamierende Angriffe auf den Mitgeschäftsführer Herr D2. F1 geäußert. Das Verhalten von Herrn T2-R1 stelle eine strafbare Handlung in Form einer Beleidung und Verleumdung nach den §§ 185, 187 StGB dar. Die im Schreiben vom 14.05.2008 kritisierten Äußerungen seien inhaltlich falsch und geeignet, sowohl die Arbeitgeberin als auch die beiden Geschäftsführer in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Verteilung des Schreibens vom 14.05.2008 u. a. auch an die Landesbezirksleitung von ver.di lasse die Absicht erkennen, das Schreiben über den Verteilerkreis hinaus einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen. Die Arbeitgeberin, deren Zweck stets die Entnahme, Sammlung und Aufbereitung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen zum Zwecke der Heilung von Menschen sei, sei in hohem Maße auf ihre Außendarstellung bedacht, da eine negative Berichterstattung sowohl auf freiwillige Spender, die unentgeltlich Blut spenden, abschreckende Wirkung haben als auch das Vertrauen der Gesellschaft in die zureichende Versorgung mit Blutpräparaten nachhaltig beschädigen könne.

Darüber hinaus habe der Beteiligte zu 3) auch seine Neutralitätspflicht als Betriebsratsmitglied in hohem Maße verletzt. Nicht nur das Schreiben vom 14.05.2008, sodann auch die ständig wiederholten Äußerungen des Beteiligten zu 3) ließen erkennen, dass er nicht einmal mehr im Ansatz seiner gewerkschaftspolitischen Neutralität als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender nachkomme. So habe er eine Betriebsversammlung vom 20.05.2008 dazu genutzt, polemische Äußerungen über die Gewerkschaft DHV und massive Werbung für die Gewerkschaft ver.di zu machen. Dieses Verhalten habe dazu geführt, dass zahlreiche Mitarbeiter/innen die Versammlung verlassen hätten. Der Beteiligte zu 3) habe auch wiederholt geäußert, es sei sein persönliches Ziel, die DHV und deren Tarifvertrag aus dem Unternehmen zu beseitigen. Er mache keinen Hehl daraus, dass er bei der Gewerkschaft ver.di organisiert sei und - gegen die Interessen der Arbeitnehmer - einseitig dem ver.di-Tarifvertrag Alleingeltung im Unternehmen verschaffen wolle. Der Beteiligte zu 3) habe auch wiederholt Bedenken gegen die Gewerkschaftseigenschaft der DHV geäußert und die Wirksamkeit des DHV-Tarifvertrages verneint.

Mindestens müsse dem Hilfsantrag der Arbeitgeberin stattgegeben werden. Das dargestellte Verhalten des Beteiligten zu 3) stelle eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG dar.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen,

hilfsweise

den Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat der Antragstellerin auszuschließen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, der Inhalt des Schreibens vom 14.05.2008 stelle keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Weder enthalte das Schreiben vom 14.05.2008 beleidigende Äußerungen noch eine Verleumdung der Geschäftsführung der Arbeitgeberin. Im Schreiben vom 14.05.2008 sei lediglich berechtigte Kritik am Verhalten der Arbeitgeberin angebracht worden. An keiner Stelle sei im Schreiben vom 14.05.2008 gesagt oder auch nur angedeutet worden, dass seit drei Jahren die Entnahmeteams nicht mehr ausfahren und keine Blutspendetermine mehr stattfinden würden oder das die Belieferung der Krankenhäuser mit Blut eingestellt worden sei. Im Schreiben vom 14.05.2008 habe der Gesamtbetriebsrat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass ein "gefährliches Tarifexperiment" stattfinde und dies "schwerwiegende Folgen" für das Kerngeschäft der Arbeitgeberin haben könne.

Darüber hinaus sei es zulässig, darauf hinzuweisen, dass die Gewerkschaft DHV nicht für den Blutspende-Tarif zuständig sei. Dies habe in einem anderweitigen Verfahren bereits das Landesarbeitsgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 23.01.2008 - 4 TaBV 4/05 - erkannt. Im Übrigen habe unstreitig bereits am 07.04.2008 das Erste Deutsche Fernsehen in der Sendung "Report Mainz" über die Christliche Gewerkschaft DHV in einer Presseinformation u. a. wie folgt berichtet (Bl. 68 d. A.):

"Nach einem Beitrag des Politikmagazins Report Mainz im Ersten gibt es gravierende Indizien dafür, dass sich die Gewerkschaft von Arbeitgebern unterstützen lässt"

Gleichzeitig habe in dieser Sendung der Münsteraner Arbeitsrechtler Prof. Dr. Schüren zu einem konkreten Auftritt der DHV folgendes ausgeführt:

"Die Mitgliedsbeiträge werden ja von dem Arbeitgeber vorfinanziert. Faktisch ist das eine Art Strohmannkonstruktion, um das Geld der Gewerkschaft zuzuwenden. Ich würde so etwas Korruption nennen..."

Auch eine grobe Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3), die allein zu einem Ausschluss aus dem Betriebsrat führen könnte, sei nicht erkennbar.

Durch Beschluss vom 21.08.2008 hat das Arbeitsgericht die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, weder im Schreiben vom 14.05.2008 noch in dem Verhalten des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 20.05.2008 könne ein Verhalten erkannt werden, das eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Seit Jahren schwele bei Arbeitgeberin ein heftiger, mittlerweile äußerst eskalierter Streit um die Anwendung verschiedener Tarifverträge. Ursache des Schreibens des Gesamtbetriebsrats vom 14.05.2008 und Ausdruck des verschärften Umgangs der Beteiligten untereinander sei allein die Eskalation um die Tarifzuständigkeit für den Betrieb der Arbeitgeberin. Das Schreiben vom 14.05.2008 enthalte zugebenermaßen eine äußerst kritische Stellungnahme, die aber nicht als Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung gewertet werden könne. Der Beteiligte zu 3) habe auch nicht gegen seine Neutralitätspflicht gemäß § 74 Abs. 2 BetrVG verstoßen. Zu seinen Aufgaben als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender habe es gehört, Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer oder wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, zu behandeln. Wenn der Gesamtbetriebsrat zu Fragen des bei der Arbeitgeberin anzuwendenden Tarifvertrags und auch zur Frage, welche Gewerkschaft die Interessen im Hause vertritt, dezidiert Stellung nehme, sei dies nicht zu beanstanden. Insoweit liege auch keine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG vor.

Gegen den der Arbeitgeberin am 01.09.2008 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 30.09.2009 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 03.12.2008 mit dem am 03.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die gegen die weiteren Gesamtbetriebsratsmitglieder W2 und M4, die das Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 14.08.2005 ebenfalls unterzeichnet hatten, eingeleiteten Kündigungsverfahren wurden inzwischen von der Arbeitgeberin zurückgenommen (Bl. 180, 181 d. A.).

Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ist die Arbeitgeberin nach wie vor der Auffassung, das Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 14.05.2008 rechtfertige die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3). Es enthalte beleidigende und diffamierende Äußerungen in Bezug auf die Geschäftsführung, insbesondere in Bezug auf den zuständigen Geschäftsführer D2. F1. Dieser habe auch kein gebrochenes Verhältnis zur Mehrzahl der Arbeitnehmer im Betrieb. Der Beteiligte zu 3), der Urheber des Schreibens vom 14.05.2008 sei, weil er an erster Stelle unterschrieben habe, habe auch nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt. Das Schreiben diene allein dazu, die Arbeitgeberin in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Arbeitgeberin sei auf Spenden und auf Rückhalt in der Bevölkerung angewiesen. Ein objektiver Grund, die Gewerkschaft ver.di in den Verteiler des Schreibens vom 14.05.2008 aufzunehmen, sei nicht ersichtlich. Demzufolge sei davon auszugehen, dass das Schreiben an die Gewerkschaft ver.di gezielt zur weiteren Verwendung versandt worden sei. Dem Beteiligten zu 3) habe es auch nicht an einer Aufklärung etwaiger Missstände gelegen. Der Hinweis auf ein angeblich "gefährliches Tarifexperiment" mit zweifelhaftem "Sozialpartner DHV" sei nur ein weiterer, durch den tarifpolitischen Konkurrenzkampf motivierter Versuch, zum Nachteil der Arbeitgeberin und ihrer Geschäftsführer Gewerkschaftsinteressen zu vertreten. Hierin liege auch ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht. Die ständig wiederholten Äußerungen des Beteiligten zu 3) ließen erkennen, dass er der geforderten gewerkschaftspolitischen Neutralität nicht nachkomme. Der Beteiligte zu 3) mache keinen Hehl daraus, dass er bei ver.di organisiert und den besser dotierten Haustarifvertrag mit der DHV ablehne, er wolle gegen die Interessen der Mehrheit der Mitarbeiter der Arbeitgeberin allein dem ver.di-Tarifvertrag alleinige Geltung verschaffen.

Neben der Strafbarkeit der im Schreiben vom 14.05.2008 gemachten Äußerungen beeinträchtige das Verhalten des Beteiligten zu 3) darüber hinaus massiv die Arbeit des Betriebsrates und des Gesamtbetriebsrates. Eine vertrauensvolle Arbeit unter Beachtung der Neutralität der Betriebspartner in Tariffragen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sei unter den beschriebenen Umständen nicht mehr möglich. Das im Schreiben vom 14.05.2008 fixierte Verhalten stelle auch eine Behinderung und Störung des geregelten Ablaufs der eigentlichen Betriebsratsarbeit und der Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung i. S. d. Strafvorschrift des § 119 BetrVG dar. Auch das Verhalten des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 20.05.2008 sei geeignet, die Tätigkeit des Betriebsrats nachhaltig zu behindern und zu stören und die weitere Zusammenarbeit des Betriebsrats mit der Geschäftsführung zum Nachteil der Arbeitgeberin zu beeinträchtigen.

Die beschriebenen Vorfälle, insbesondere das Schreiben vom 14.05.2008 sei allein auf den Beteiligten zu 3) zurückzuführen. Der Betriebsrat im Betrieb M1 werde maßgeblich durch den Beteiligten zu 3) geführt; auch wenn er zum Zeitpunkt der Verfassung des Schreibens vom 14.05.2008 noch nicht Betriebsratsvorsitzender gewesen sei, sei er gleichermaßen auch bereits ohne diese Position als Wortführer des Betriebsrates in M1 anzusehen. Der Beteiligte zu 3) sei an allen geschilderten Situationen maßgeblich beteiligt und mache aus seinen persönlichen Ansichten keinen Hehl; er nutze jede Gelegenheit, diese Ansichten im Rahmen seiner Tätigkeit als Betriebsrat zu verkünden und durchzusetzen. Eine einheitliche Linie aller Betriebsratsmitglieder sei nicht erkennbar; insbesondere sei nicht ersichtlich, dass das Vorgehen der Betriebsräte jeweils durch vorhergehende Beschlussfassung abgestimmt worden sei. Der Beteiligte zu 3) handele überwiegend nicht als Vertreter der Mitglieder des Betriebsrats, sondern als Einzelperson, er verfolge persönliche Interessen bzw. Interessen der Gewerkschaft ver.di. Dies zeige sich insbesondere darin, dass der Beteiligte zu 3) konsequent die Entscheidungen von Mitarbeitern für die Anwendung des Tarifvertrages der Gewerkschaft DHV ignoriere und auch nicht akzeptiere, sondern mit allen Mitteln versuche, die Anwendung des Tarifvertrages entgegen der Entscheidung der Mitarbeiter zu unterbinden. Er verhindere jegliche konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien im Interesse der Arbeitnehmer. Auch in Bezug auf seine arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 3) nicht mehr möglich.

Die Arbeitgeberin sei von der Strafwürdigkeit des Verhaltens des Beteiligten zu 3) überzeugt. Dieser verkenne zudem, dass er nicht als Gewerkschaftssekretär für die Gewerkschaft auftrete, sondern als Betriebsratsmitglied zur Neutralität verpflichtet sei. Sein Verhalten stelle auch insgesamt eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG dar, so dass mindestens der Ausschluss aus dem Betriebsrat gerechtfertigt sei.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 21.08.2008 - 2 BV 22/08 - abzuändern und die Zustimmung des Betriebsrats außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen,

hilfsweise den Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat auszuschließen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss und sind nach wie vor der Auffassung, der Beteiligte zu 3) habe keinen wichtigen Grund zu der von der Arbeitgeberin beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gegeben. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Beteiligte zu 3) bereits mit seinem Schreiben vom 29.05.2008 noch vor Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens versucht habe, zur Deeskalation beizutragen und dem bestehenden Konflikt mit der Arbeitgeberin die Spitze zu nehmen. Dies werde von der Arbeitgeberin offenbar nicht beachtet. Stattdessen versuche die Arbeitgeberin durch eine Presseinformation den Eindruck zu vermitteln, der Beteiligte zu 3) habe sich geweigert, eine entschuldigende Erklärung abzugeben. Darauf, dass der Beteiligte zu 3) sich bereits vor Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens persönlich bei dem Geschäftsführer D2. F1 entschuldigt habe, werde in der Pressemitteilung (Bl. 180 d. A.) gerade nicht hingewiesen. Darüber hinaus könne nicht unbeachtet bleiben, dass die Arbeitgeberin inzwischen die Kündigungsanträge gegenüber den weiteren Gesamtbetriebsratsmitgliedern W2 und M4, die das Schreiben vom 14.05.2008 ebenfalls mit unterzeichnet hätten, zurückgenommen habe. Offenbar wolle die Arbeitgeberin einen Keil zwischen die Unterzeichner des Schreibens vom 14.05.2008 treiben.

Der Beteiligte zu 3) habe auch nach wie vor in vollem Umfang das Vertrauen des gesamten Betriebsrats, er sei nicht als "Einzelperson", wie die Arbeitgeberin Glauben machen wolle, tätig geworden. Der Betriebsrat vertrete sehr wohl eine einheitliche Linie, fast alle Beschlussfassungen erfolgten einstimmig. Die aufgetretenen Störungen in der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien seien nicht an der Person des Beteiligten zu 3) festzumachen. Dass der Beteiligte zu 3) das volle Vertrauen sämtlicher Betriebsratsmitglieder besitze, ergebe sich auch daraus, dass der Beteiligte zu 3) am 21.10.2008 einstimmig zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden sei (Bl. 186 f. d. A.).

Dass der Beteiligte zu 3) in vollem Umfang auch das Vertrauen der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats genieße, ergebe sich zudem aus dem Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 19.02.2009 (Bl. 189 d. A.). Letztlich personalisiere die Arbeitgeberin in unzulässiger Weise die in ihren Betrieben bestehende Tarifproblematik.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin sowie der hilfsweise gestellte Ausschließungsantrag sind vom Arbeitsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen worden.

I.

Die von der Arbeitgeberin gestellten Anträge sind zulässig.

1. Zutreffend verfolgt die Arbeitgeberin ihre Anträge im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 ArbGG. Zwischen den Beteiligten sind betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten nach § 103 Abs. 2 BetrVG bzw. nach § 23 Abs. 1 BetrVG streitig.

2. Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberin und die Beteiligung des Betriebsrates sowie des Beteiligten zu 3) ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG i. V. m. den §§ 103 Abs. 2, 23 Abs. 1 BetrVG.

3. Der von der Arbeitgeberin gestellte Hilfsantrag auf Ausschließung des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist ebenfalls zulässig.

Ein Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 Abs. 2 BetrVG kann zugleich mit einem Antrag auf Ausschluss des Betriebsratsmitglieds kumulativ oder auch hilfsweise verbunden werden. Liegt nach Ansicht des Arbeitgebers im Verhalten des Betriebsratsmitglieds nicht nur eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, sondern zugleich eine Verletzung von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, so kann der Arbeitgeber neben dem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 103 Abs. 2 BetrVG auch einen Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG stellen (BAG, 21.02.1978 - 1 ABR 54/76 - AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 1; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 23 Rn. 22; ErfK/Eisemann, 9. Aufl., § 23 BetrVG Rn. 14 m. w. N.).

Dem Hilfsantrag auf Ausschließung des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat fehlt es auch nicht an dem nach § 256 ZPO erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil der Beteiligte zu 3) im Laufe des vorliegenden Verfahrens am 21.10.2008 zum Vorsitzenden des Betriebsrats gewählt worden ist. Die Zulässigkeit eines Antrages auf Ausschließung aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG entfällt regelmäßig erst dann, wenn die Amtsperiode des Betriebsrats abgelaufen ist. Das gilt erst recht, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied in der folgenden Amtsperiode wiedergewählt wird (BAG, 29.04.1969 - AP BetrVG § 23 Nr. 9; LAG Berlin, 19.06.1978 - DB 1979, 112; LAG Bremen, 27.10.1987 - DB 1988, 136; LAG Hamm, 23.07.1997 - 3 TaBV 17/97 - n. v.; Fitting, a. a. O., § 23 Rn. 25; ErfK/Eisemann, a. a. O., § 23 BetrVG Rn. 9; Däubler/Kittner/Klebe/Trittin, BetrVG, 11. Aufl., § 23 Rn. 14 m. w. N.). Eine derartige Situation war vorliegend nicht gegeben. Die Amtsperiode des Betriebsrats ist nicht abgelaufen. Der Beteiligte zu 3) ist lediglich während der laufenden Amtsperiode zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden, nachdem die bisherige Betriebsratsvorsitzende ihr Amt als Vorsitzende niedergelegt hat.

II.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist ebenso wie der hilfsweise gestellte Ausschließungsantrag unbegründet. Dies hat bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend erkannt. Das Beschwerdevorbringen der Arbeitgeberin rechtfertigt keine anderweitige Beurteilung.

1. Dem Zustimmungsersetzungsantrag fehlt es an einem wichtigen Grund i. S. d. §§ 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB.

Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber dann einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB voraus; es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BAG, 22.08.1974 - 2 ABR 17/74 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 1; BAG, 27.01.1977 - 2 ABR 77/76 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 7; BAG, 10.02.1999 - 2 ABR 31/98 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, 20.01.2000 - 2 ABR 40/99 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40; BAG, 23.04.2008 - 2 ABR 71/07 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 56 m. w. N.).

a. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Vorliegendes des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst festzustellen, ob es sich um eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten handelt oder ob zugleich eine Amtspflichtverletzung vorliegt. In der Regel kann nämlich nur die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten zu einer außerordentlichen Kündigung des betroffenen Betriebsratsmitglieds führen. Eine Amtspflichtverletzung eines Betriebsratsmitglieds rechtfertigt allenfalls seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten. Nur wenn durch die Amtspflichtverletzung zugleich das konkrete Arbeitsverhältnis unmittelbar und erheblich beeinträchtigt wird, ist eine außerordentliche Kündigung zulässig (BAG, 20.12.1961 - 1 AZR 404/61 - AP KSchG § 13 Nr. 16; BAG, 26.01.1962 - 2 AZR 244/61 - AP BGB § 626 Druckkündigung Nr. 8; BAG, 22.08.1974 - 2 ABR 17/74 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 1; BAG, 16.10.1986 - 2 ABR 71/85 - AP BGB § 626 Nr. 95; Fitting a. a. O., § 103 Rn. 30; DKK/Kittner, a. a. O. § 103 Rn. 27; ErfK/Kania, a. a. O., § 103 BetrVG Rn. 12; ErfK/Ascheid, a. a. O., § 15 KSchG Rn. 27 f., 30 m. w. N.).

Zwar ist der Beteiligte zu 3) bei Abfassung des von der Arbeitgeberin insbesondere gerügten Schreibens vom 14.05.2008 in seiner Eigenschaft als Gesamtbetriebsratsvorsitzender tätig geworden. Das Schreiben vom 14.05.2008 stellt, wie auch die Arbeitgeberin nicht bestreiten kann, ein Schreiben des Gesamtbetriebsrats dar. Da dem Beteiligten zu 3) aber nicht nur eine Verletzung der Neutralitätspflicht eines Betriebsratsmitglieds, sondern zugleich eine Beleidigung und Diffamierung der Geschäftsführung, insbesondere des Geschäftsführers D2. F1, sowie ein Missbrauch seines Betriebsratsamts vorgeworfen wird, ist zugleich das konkrete Arbeitsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 3) und der Arbeitgeberin unmittelbar erheblich betroffen.

b. Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren beim Betriebsrat auch ordnungsgemäß und fristgemäß eingeleitet. Sie hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 27.05.2008 von der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter konkreter Angabe von Kündigungsgründen nach § 102 Abs. 1 BetrVG unterrichtet und um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nach § 103 Abs. 1 BetrVG gebeten.

c. Der beabsichtigten fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3) fehlte es jedoch an einem wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB.

aa) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist zwar anerkannt, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, dessen Vertreter oder auch von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betreffenden bedeuten, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können. Grobe Beleidigungen können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und auch eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen. Bei einer auf Beleidigung gestützten Kündigung kommt es allerdings nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf an, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist. Bei der Konkretisierung der Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht sind dabei auch die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, zu beachten (BAG, 06.11.2003 - 2 AZR 177/02 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 46; BAG, 24.06.2004 - 2 AZR 63/03 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49; BAG, 24.11.2005 - 2 AZR 584/04 - AP BGB § 626 Nr. 198; BAG, 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53; LAG Niedersachsen, 25.10.2004 - 5 TaBV 96/03 - NZA-RR 2005, 530; KR/Fischermeier, 9. Aufl., § 626 BGB Rn. 115 ff., 415; ErfK/Müller-Glöge a. a. O., § 626 BGB Rn. 152 m. w. N.).

Dabei besteht der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, 16.10.1998 - 2 BvR 1685/92 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24). Der Grundrechtsschutz bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung noch nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG, 10.10.1995 - BVerfGE 92, 266, 298; BVerfG, 16.10.1998 - 1 BvR 1685/92 - BGB § 611 Abmahnung Nr. 24). Kritische Äußerungen an allgemeinen oder besonderen wirtschaftlichen und/oder sozialen Verhältnissen können, auch wenn sie überspitzt und polemisch ausfallen, noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sein und deshalb nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzten. Das gilt insbesondere, wenn die Meinungsäußerung im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung erfolgt (BAG, 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53). Auch polemische und überzogenen Äußerungen rechtfertigen nicht ohne weiteres eine außerordentliche Kündigung (BAG, 16.05.1991 - 2 ABR 83/90 - RzK II 3 Nr. 19; LAG Hamburg, 04.11.1996 - 4 TaBV 10/95 - AuR 1997, 301; ErfK/Kania, a. a. O., § 103 BetrVG Rn. 12; KR/Fischermeier, a. a. O., § 626 BGB Rn. 117; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rn. 705, 726 f. m. w. N.).

Auch die konkrete Störung des Betriebsfriedens durch einen Arbeitnehmer kann grundsätzlich als außerordentlicher Kündigungsgrund in Betracht kommen, allerdings sind auch insoweit bei der Konkretisierung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht die grundrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Allein eine Beeinträchtigung des Betriebsfriedens ohne konkrete Feststellungen einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung reicht für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung nicht aus. Auch öffentliche Kritik an der Geschäftsführung ist für sich genommen kein Grund für eine außerordentliche Kündigung, selbst wenn sie in zugespitzter und provozierender Weise ausgeübt wird (BAG, 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - NZA 2003, 1295 = EZA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; BAG, 24.06.2004 - 2 AZR 63/03 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49; LAG Köln, 28.11.1996 - 6 Sa 844/96 - LAGE KSchG § 15 Nr. 14 = NZA 1997, 1166; LAG Hamburg, 04.11.1996 - 4 TaBV 10/95 - AuR 1997, 301; LAG Berlin, 14.07.1997 - 9 Sa 52/97 - LAGE BGB § 626 Nr. 108; LAG Hamm, 26.01.2007 - 10 Sa 775/06 - AuA 2007, 369; ErfK/Müller-Glöge, a. a. O., § 626 BGB Rn. 93; ErfK/Ascheid, a. a. O., § 15 KSchG Rn. 30; KR/Fischermeier, a. a. O., § 626 BGB Rn. 416; KR/Etzel, a. a. O., § 15 KSchG Rn. 27 m. w. N.).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam auch nach Auffassung der Beschwerdekammer der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3) aufgrund des Schreibens des Gesamtbetriebsrates vom 14.05.2008 sowie aufgrund des weiteren Verhaltens des Beteiligten zu 3) nicht in Betracht.

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin enthält das Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 14.05.2008 keine schwerwiegende Beleidigung und auch keine ehrverletzenden, diffamierenden Äußerungen der Geschäftsleitung der Arbeitgeberin, die sie zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte. Das aufgrund der von der Arbeitgeberin erstatteten Strafanzeige eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren ist inzwischen eingestellt worden. Die gegen die Einstellung der Staatsanwaltschaft von der Arbeitgeberin eingelegte Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist, wie die Arbeitgeberin im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 20.03.2009 einräumen musste, von der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm mit Bescheid vom 28.01.2009 zurückgewiesen worden. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat mit Schreiben vom 14.10.2008 auf die Selbstanzeige des Beteiligten zu 3) ausdrücklich mitgeteilt, dass ein strafrechtliches relevantes Handeln des Beteiligten zu 3) nicht zu erkennen sei. Aus welchen Gründen die Arbeitgeberin nach wie vor daran festhält, dass das Verhalten des Beteiligten zu 3) strafwürdig sei, ist hiernach nicht erkennbar.

Die Arbeitgeberin übersieht, dass der Inhalt des Schreibens des Gesamtbetriebsrats vom 14.05.2008 - selbst wenn allein der Beteiligte zu 3), wie die Arbeitgeberin behauptet, der Urheber dieses Schreibens ist - vom Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckt ist. Der Inhalt des Schreibens vom 14.05.2008 befasst sich in der Sache mit der aktuellen Tarifentwicklung im Unternehmen der Arbeitgeberin. Hierzu wird unter Hinweis auf die Tarifsituation bei der Arbeitgeberin ausgeführt, dass zu erwarten sei, dass der neu auszuhandelnde Haustarif 2009 nur unter schwierigen Begleitumständen zu Stande kommen werde. Wenn als Grund für diese Vermutung "das gebrochene Verhältnis...der Geschäftsführung zur Interessenvertretung der Mehrzahl der Mitarbeiter im Unternehmen" angeführt wird, kann dies eine beleidigende, ehrverletzende Äußerung der Geschäftsführung, insbesondere des Geschäftsführers D2. F1, nicht darstellen.

Soweit sich das Schreiben vom 14.05.2008 nach Darstellung von vier ausführlich erörterten Punkten im Folgenden mit der Tarifsituation im Unternehmen der Arbeitgeberin befasst und dabei auf "ein gefährliches Tarifexperiment mit zweifelhaftem Sozialpartner DHV" hinweist, stellt auch dies keine Beleidigung oder Verleumdung der Arbeitgeberin oder einen ehrverletzenden Angriff auf die Arbeitgeberin dar. Insoweit enthält das Schreiben vom 14.05.2008 lediglich eine kritische Würdigung der Tarifsituation im Unternehmen der Arbeitgeberin, die ihren Hintergrund in der Eskalation der Auseinandersetzung über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit der DHV hat. Diese kritischen Äußerungen im Schreiben vom 14.05.2008, auch wenn sie überspitzt oder polemisch ausgefallen sind, sind vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und verletzen deshalb nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass bereits vor dem Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 14.05.2008 das Landesarbeitsgericht Hamburg in der Entscheidung vom 23.01.2008 - 4 TaBV 4/05 - festgestellt hat, dass der DHV keine uneingeschränkte Tarifzuständigkeit für alle bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer hat. Diese Entscheidung des LAG Hamburg vom 23.01.2008 ist inzwischen auch vom Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 10.02.2009 - 1 ABR 36/08 - bestätigt worden. Die vom Gesamtbetriebsrat im Schreiben vom 14.05.2008 geäußerte Kritik am Tarifverhalten der Arbeitgeberin hat sich danach quasi bestätigt.

Die Arbeitgeberin übersieht darüber hinaus, dass das Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 14.05.2008 nicht nur vom Beteiligten zu 3), dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, sondern auch von weiteren Gesamtbetriebsratsmitgliedern unterzeichnet worden ist. Der Gesamtbetriebsrat hat inzwischen mit Schreiben vom 19.02.2009 bestätigt, dass das Schreiben vom 14.05.2008 erst nach ordentlicher Beschlussfassung des Gremiums verschickt worden ist. Soweit die Arbeitgeberin nach Rücknahme der Kündigungsverfahren gegen die Gesamtbetriebsratsmitglieder M4 und W2 allein am Zustimmungsersetzungsverfahren gegenüber dem Beteiligten zu 3) festhält und behauptet, der Beteiligte zu 3) sei als Wortführer auch Urheber des Schreibens vom 14.05.2008, erschließt sich diese Behauptung auch der Beschwerdekammer nicht.

2. Der Beteiligte zu 3) hat mit dem Schreiben 14.05.2008 und mit dem weiter von der Arbeitgeberin gerügten Verhalten auch nicht in schwerwiegender Weise gegen seine Neutralitätspflicht nach § 74 Abs. 2 BetrVG verstoßen.

Aufgrund der sich aus § 74 Abs. 2 BetrVG ergebenden Neutralitätspflicht des Betriebsrats als Organ (BVerfG, 27.03.1979 - 2 BvR 1011/78 - AP GG Art. 9 Nr. 31) hat sich zwar der Betriebsrat als Organ jeder Tätigkeit im Arbeitskampf zu enthalten. Der Betriebsrat darf als Organ insbesondere keine Streiks unterstützen oder die Belegschaft auffordern, sich an einem gewerkschaftlichen organisierten Streik zu beteiligen (BAG, 22.12.1980 - 1 ABR 76/79 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 71; Fitting, a. a. O., § 74 Rn. 14; DKK/Berg a. a. O.; § 74 Rn. 16; ErfK/Kania, a. a. O., § 74 BetrVG Rn. 11 m. w. N.). Ebenso wenig gehört es zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats als Organ, Gewerkschaftswerbung zu betreiben (BVerfG, 14.11.1995 - 1 BvR 601/92 - AP GG Art. 9 Nr. 80; BVerwG, 22.08.1991 - 6 P 10.90 - AP BPersVG § 28 Nr. 2; Fitting, a. a. O., § 74 Rn. 70; GK/Kreutz, BetrVG, 8. Aufl., § 74 Rn. 142; ErfK/Kania, a. a. O., § 74 Rn. 24; Richardi/Thüsing, BetrVG, 11. Aufl., § 40 Rn. 78).

Ein Betriebsrat bewegt sich aber im Rahmen seiner Aufgabenstellung, wenn er über eine Tarifauseinandersetzung unterrichtet. Dies ergibt sich aus § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, wonach die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer Art, die den Betrieb oder seiner Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, durch den Betriebsrat nicht unerlaubt ist. Die sachliche Information und Unterrichtung der Belegschaft sowie die Abgabe von Stellungnahmen über den Stand von Tarifverhandlungen gehört zu den zulässigen tarifpolitischen Angelegenheiten des Betriebsrats (LAG Hamm, 12.03.2004 - 10 TaBV 161/03 - LAGRep 2004, 320; LAG Baden-Württemberg, 25.09.1991 - 10 Sa 32/91 - AiB 1992, 96; Arbeitsgericht Oldenburg, 29.05.1989 - 5 BVGa 1/89 - NZA 1989, 652; Fitting, a. a. O., § 74 Rn. 58, 61 sowie § 45 Rn. 9; DKK/Berg, a. a. O., § 74 Rn. 45 und § 45 Rn. 4; ErfK/Eisemann, a. a. O., § 45 Rn. 3; GK/Kreutz, a. a. O., § 74 Rn. 120; GK/Weber, a. a. O., § 45 Rn. 13 m. w. N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Beteiligte zu 3) mit dem Schreiben vom 14.05.2008 auch nicht gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen. Unter den Angelegenheiten tarifpolitischer Art sind sämtliche Fragen zu verstehen, die mit den durch Tarifvertrag geregelten oder zu regelnden Arbeitsbedingungen oder deren Verhältnisse zu betrieblichen Leistungen oder Regelungen zusammenhängen (Fitting a. a. O., § 74 Rn. 58). Soweit der Gesamtbetriebsrat oder auch nur dessen Vorsitzender allein zu Fragen des im Unternehmen der Arbeitgeberin anzuwendenden Tarifvertrags und zur Tarifsituation dezidiert Stellung nimmt, ist dies nicht zu beanstanden.

Die Arbeitgeberin kann einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Beteiligten zu 3) auch nicht damit begründen, dass der Beteiligte zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 20.05.2008 polemische Äußerungen über den DHV und gleichzeitig Werbung für den Haustarifvertag von ver.di gemacht hat. Auch insoweit verhält sich das Verhalten des Beteiligten zu 3) im Rahmen des § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.

3. Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin liegt auch keine konkrete Gefährdung oder Störung des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens durch den Beteiligten zu 3) vor. Das Vorbringen der Arbeitgeberin in der Beschwerdebegründungsschrift enthält hierzu nur allgemeine Ausführungen, keinen konkreten Sachvortrag. Weder das Schreiben vom 14.05.2008 noch das Verhalten des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 20.05.2008 haben konkrete Störungen des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens zur Folge gehabt. Allein der Umstand, dass Mitarbeiter die Betriebsversammlung vom 20.05.2008 vorzeitig verlassen haben, ist keine Störung des Betriebsfriedens.

Die Arbeitgeberin kann dem Beteiligten zu 3) auch keine Behinderung oder Störung des Ablaufs der Betriebsratsarbeit vorwerfen. Auch der Vorwurf, der Beteiligte zu 3) habe sich einer Verletzung der Strafvorschrift des § 119 BetrVG schuldig gemacht, bleibt ohne Substantiierung und ohne jegliche Begründung. Dementsprechend hat auch der Betriebsrat in seiner Stellungnahme vom 20.01.2009 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keinerlei Störung der Betriebsratsarbeit durch den Beteiligten zu 3) stattfinde. Auch die Behauptung der Arbeitgeberin, der Betriebsrat habe keine einheitliche Linie, stellt keinen substantiierten Sachvortrag dar, bleibt spekulativ und ist eine bloße Behauptung ins Blaue hinein; entsprechend hat sie der Betriebsrat in seiner Stellungnahme, die von sämtlichen acht übrigen Betriebsratsmitgliedern unterzeichnet worden ist, zurückgewiesen. Auch insoweit übersieht die Arbeitgeberin, dass der Beteiligte zu 3) am 21.10.2008 einstimmig zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden ist und das Vertrauen sämtlicher Betriebsratsmitglieder genießt. Das Gleiche hat auch der Gesamtbetriebsrat in seiner Stellungnahme vom 19.02.2009 (Bl. 189 d. A.) ausgeführt.

4. Schließlich hat die Arbeitgeberin zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass der Beteiligte zu 3) noch vor Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hat, sollte sich der Geschäftsführer D2. F1 durch das Schreiben vom 14.05.2008 in seiner persönlichen Integrität angetastet gefühlt haben; dies sei nicht der Sinn des Schreibens vom 14.05.2008 gewesen. Darüber hinaus hat er klargestellt, dass nicht behauptet worden sei, dass das Kerngeschäft der Arbeitgeberin, die Sammlung von Bluten, nicht mehr stattfinde. Hätte die Arbeitgeberin dieses Schreiben des Beteiligten zu 3) vom 29.05.2008, zu dem die Arbeitgeberin auch im Beschwerdeverfahren bezeichnenderweise keine Stellung genommen hat, bereits bei Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht in ausreichender Weise berücksichtigt, hätte sie selbst zu dem Ergebnis kommen können, dass eine schwerwiegende Beleidigung oder Verleumdung nach den §§ 185, 187 StGB nicht vorliegt. Der Umstand, dass der Beteiligte zu 3) das Schreiben vom 29.05.2008 per E-Mail an die Geschäftsführung der Arbeitgeberin gesandt hat, - auf diesen Umstand hat die Arbeitgeberin in der Anhörung vor der Beschwerdekammer vom 20.03.2009 ausdrücklich hingewiesen -, ist nicht nachvollziehbar und unerheblich. Der Beteiligte zu 3) hat im Termin vom der Beschwerdekammer vom 20.03.2009 ausdrücklich erklärt, dass er nach wie vor zu dem Inhalt seines Schreibens vom 29.05.2008 steht.

2. Auch den Ausschließungsantrag der Arbeitgeberin hat das Arbeitsgericht zutreffend als unbegründet zurückgewiesen.

Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann auf Antrag des Arbeitgebers ein Mitglied aus dem Betriebsrat wegen Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten ausgeschlossen werden. Diese Voraussetzungen liegen auch nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht vor. Eine grobe Verletzung von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten kann dem Beteiligten zu 3) nicht angelastet werden.

a. Eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG liegt dann vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung zu beurteilen. Ein grober Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten kann nur dann angenommen werden, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint. Eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten kann auch bereits bei einem einmaligen schwerwiegenden Verstoß gegeben sein (BAG, 02.11.1955 - AP BetrVG § 23 Nr. 1; BAG, 05.09.1967 - 2 ABR 1/67 - AP BetrVG § 23 Nr. 8; BAG, 21.02.1978 - 1 ABR 54/76 - AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 1; BAG, 22.06.1993 - 1 ABR 62/92 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 22; Fitting, a. a. O., § 23 Rn. 16; GK/Oetker, a. a. O., § 23 Rn. 35; DKK/Trittin, a. a. O., § 23 Rn. 10).

b. Einer groben Verletzung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten hat sich der Beteiligte zu 3) aber nicht schuldig gemacht. Weder das Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 14.05.2008 noch das sonstige Verhalten des Beteiligten zu 3) stellt eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten dar. Im Schreiben vom 14.05.2008 liegt weder ein strafbares Verhalten noch ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht nach § 74 Abs. 2 BetrVG. Das Schreiben vom 14.05.2008 enthält keine schwerwiegenden diffamierenden, beleidigenden Äußerungen über die Geschäftsführung der Arbeitgeberin. Dies ist bereits ausgeführt worden. Das Schreiben vom 14.05.2008 enthält damit auch keine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG.

Ein grober Pflichtenverstoß kann auch nicht mit dem Verhalten des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 20.05.2008 begründet werden. Angesichts der bestehenden Tarifsituation im Unternehmen der Beklagten stellen auch etwaige kritische, polemische Äußerungen des Beteiligten zu 3) über die Gewerkschaft DHV keine grobe Pflichtverletzung dar. Auch die Werbung für den Haustarifvertrag von ver.di ist angesichts der schwierigen Tarifsituation bei der Arbeitgeberin, soweit sie ohne Ausübung von Druck erfolgt, keine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten. Auch Betriebsratsmitgliedern ist es erlaubt, zur Tarifsituation, wie sie im Unternehmen der Arbeitgeberin besteht, Stellung zu nehmen.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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