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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.03.2005
Aktenzeichen: 10 TaBV 31/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, WO zum BetrVG
Vorschriften:
ZPO § 935 | |
ZPO § 940 | |
ArbGG § 85 Abs. 2 | |
WO zum BetrVG § 2 Abs. 1 | |
WO zum BetrVG § 2 Abs. 2 |
Tenor:
Auf die Beschwerde des Wahlvorstandes wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.02.2005 - 4 BVGa 2/05 - abgeändert.
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, dem Wahlvorstand eine Liste (Aufstellung) aller im Betrieb H1xxx beschäftigten Mitarbeiter/-innen zur Verfügung zu stellen, aus der jeweils Vorname und Nachname der Mitarbeiter/-innen sowie das Geschlecht der Mitarbeiter/- innen zu entnehmen ist, ferner deren Geburtsdaten und Nationalität sowie Eintrittsdatum in den Betrieb.
Gründe:
A
Der antragstellende Wahlvorstand begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung vom Arbeitgeber, ihm für die Erstellung der Wählerliste und die Durchführung einer Betriebsratswahl eine vollständige Aufstellung aller in H1xxx beschäftigten Arbeitnehmer/-innen zur Verfügung zu stellen.
Der Arbeitgeber, ein Verein mit Sitz in I1xxxxxx, betreibt mehrere Einrichtungen zur Betreuung insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Außer dem Kinder- und J2xxxxxxxx S4xx-xxxxx in I1xxxxxx, einer Außenwohngruppe in W3xxxxx, dem Förderungs- und Ausbildungszentrum M3xxxx (F2x) betreibt der Arbeitgeber das Kinder- und Jugendwohnheim H1xxx, in dem im Jahre 2002 ca. 46 Mitarbeiter beschäftigt waren.
Im Jahre 2002 wählten die Mitarbeiter der Einrichtung in I1xxxxxx einen aus drei Mitgliedern bestehenden Betriebsrat. Am 28.03.2002 wählten auch die im Kinder- und Jugendwohnheim in H1xxx beschäftigten Mitarbeiter einen dreiköpfigen Betriebsrat. Diese Betriebsratswahl wurde vom Arbeitgeber beim Arbeitsgericht Hagen - 5 BV 13/02 - angefochten mit der Begründung, dass es sich bei der Einrichtung in H1xxx nicht um einen betriebsratsfähigen Betriebsteil handele, alle Einrichtungen des Arbeitgebers bildeten einen einheitlichen Betrieb. Auch die Betriebsratswahl in I1xxxxxx wurde vor dem Arbeitsgericht Iserlohn angefochten. Das Anfechtungsverfahren 5 BV 13/02 Arbeitsgericht Hagen wurde noch vor dem Anhörungstermin am 06.08.2002 wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen zum Ruhen gebracht.
In seiner Sitzung vom 27.02.2004 beschloss der Vorstand des Arbeitgebers, die Einrichtung in H1xxx zum Jahresende zu schließen, die Immobilie zu veräußern und die bislang dort ansässigen Wohngruppen zukünftig in angemieteten Objekten unterzubringen. In diesen Wohngruppen sind derzeit noch 23 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei es sich um diplomierte Sozialarbeiter, Pädagoginnen und Erzieherinnen sowie Reinigungs- und Hauswirtschaftskräfte in den einzelnen Objekten handelt. Die nach der Schließung der Einrichtung verbleibenden Verwaltungsaufgaben sollten zentral vom Hauptsitz in I1xxxxxx geregelt werden.
Mit Wirkung zum 01.10.2004 schied das nachgerückte Ersatzmitglied W5xx aus dem Betriebsrat in H1xxx aus, so dass zu diesem Zeitpunkt nur noch die Betriebsratsvorsitzende K2xxxx und das weitere Betriebsratsmitglied E3xxxxxxxxx verblieben. Weitere Ersatzmitglieder waren nicht vorhanden.
Mit Schreiben vom 24.01.2005 (Bl. 18 d.A.) teilte der Betriebsrat dem Geschäftsführer des Arbeitgebers mit, dass eine Neuwahl des Betriebsrates in H1xxx wegen des Absinkens der Zahl der Betriebsratsmitglieder auf zwei beabsichtigt sei. Der vom Betriebsrat eingesetzte Wahlvorstand, bestehend aus den Mitarbeiterinnen W4xxx-L2xxxx, K2xxxx und S1xxxx-xxxxxx, bat den Arbeitgeber mit Schreiben vom 25.01.2005 (Bl. 4 f.d.A.), ihm eine für die Erstellung der Wählerliste nötige Aufstellung aller in H1xxx beschäftigten Arbeitnehmer/-innen bis spätestens 31.01.2005 zur Verfügung zu stellen. Dieser Bitte kam der Arbeitgeber nicht nach. Der Wahlvorstand leitete daraufhin am 04.02.2005 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein, mit dem er im Wege der einstweiligen Verfügung seine Forderung auf Mitteilung der erforderlichen Arbeitnehmerdaten weiter geltend machte.
Am 09.02.2005 legte auch das Betriebsratsmitglied E3xxxxxxxxx sein Amt nieder.
Der Wahlvorstand hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei zur Vorlage einer Mitarbeiterliste nach § 2 Abs. 2 der Wahlordnung verpflichtet. Die vom Arbeitgeber erbetene Aufstellung benötige der Betriebsrat zur Erstellung einer Wählerliste.
Der Wahlvorstand hat beantragt,
dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Liste (Aufstellung) aller im Betrieb H1xxx beschäftigten Mitarbeiter/-innen zur Verfügung zu stellen, aus der jeweils Vorname und Nachname der Mitarbeiter/-innen sowie das Geschlecht der Mitarbeiter/-innen zu entnehmen ist, ferner deren Geburtsdaten und Nationalität sowie Eintrittdatum in den Betrieb.
Der Arbeitgeber hat beantragt,,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, er sei zur Herausgabe einer Mitarbeiterliste nicht verpflichtet, da es sich bei den in H1xxx verbliebenen Wohngruppen nicht um einen betriebsratsfähigen Betriebsteil handele. Dies ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass es dort jedenfalls mittlerweile an einem eigenständigen Leitungsapparat fehle, der die beteiligungspflichtigen Entscheidungen im personellen und sozialen Bereich treffen könne. Sämtliche Verwaltungsaufgaben würden nunmehr in I1xxxxxx wahrgenommen. In H1xxx existierten lediglich einzelne Wohngruppen. Der wirksamen Interessenvertretung der Belegschaft sei es dienlicher, wenn ein einheitlicher Betriebsrat an alle Einrichtungen des Arbeitgebers gewählt würde.
Durch Beschluss vom 11.02.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Wahlvorstandes zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es bestehe schon kein Verfügungsgrund weil der Betriebsrat offenbar erst Ende Januar 2005 seiner Verpflichtung zur Bestellung eines Wahlvorstandes nachgekommen sei, obwohl die Voraussetzungen für eine Neuwahl bereits seit Oktober 2004 vorgelegen hätten. Im Übrigen sei nicht erkennbar, weshalb der Wahlvorstand die beanspruchte Unterstützung des Arbeitgebers bei der Aufstellung der Wählerliste nicht in einem normalen Beschlussverfahren verfolge; die Gefahr eines betriebsratslosen Zustandes in H1xxx bestehe derzeit nicht, die Betriebsratsvorsitzende K2xxxx könne die Geschäfte des Betriebsrats fortführen.
Gegen den dem Wahlvorstand am 15.02.2005 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Wahlvorstand am 23.02.2005 Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese sogleich begründet.
Der Wahlvorstand ist der Auffassung, dass der Antrag nicht mit der fehlenden Eilbedürftigkeit abgewiesen werden könne. Im Hinblick darauf, dass der Wahlvorstand unverzüglich tätig werden müsse, könne ihm nicht zugemutet werden, seine Ansprüche in einem ordentlichen Beschlussverfahren durchzusetzen. Der Wahlvorstand habe alles zu unternehmen, um die Wahl so zügig wie möglich durchzuführen. Hieran hindere ihn der Arbeitgeber. Der Wahlvorstand habe auch nicht die erforderlichen Kenntnisse, um eine Wählerliste vollständig aufzustellen. Auch der Hinweis des Arbeitsgerichts, es sei derzeit noch ein Betriebsrat vorhanden, liege neben der Sache. Im Übrigen sei es nicht dem Wahlvorstand anzulasten, dass der Betriebsrat nicht bereits im Oktober 2004 tätig geworden sei und einen Wahlvorstand eingesetzt habe.
Unzutreffend sei es auch, dass eine Neuwahl des Betriebsrates vor Rechtskraft einer Entscheidung über den Anfechtungsantrag des Arbeitgebers vom 12.04.2002 nicht erfolgen könne. Der Arbeitgeber hätte es in der Hand gehabt, das Anfechtungsverfahren längst bis zum rechtskräftigen Abschluss zu betreiben.
Auch der Einwand des Arbeitgebers, der Betrieb in H1xxx sei nicht betriebsfähig, sei unerheblich, weil die Betriebsratsstrukturen durch die letzten Betriebsratswahlen vorgegeben seien. Dieser Einwand sei allenfalls in einem späteren Anfechtungsverfahren zu prüfen, der Arbeitgeber könne nicht mit seiner Untätigkeit erreichen, dass eine Betriebsratswahl überhaupt nicht durchgeführt würde.
Im Übrigen stehe derzeit noch nicht einmal fest, zu welchem Ergebnis die Überprüfung durch den Wahlvorstand im Hinblick auf die Betriebsratsfähigkeit der Einrichtungen in H1xxx komme. Solange der Arbeitgeber dem Wahlvorstand nicht die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stelle, könne dieser sich überhaupt kein eigenes Bild darüber machen, ob und in welcher Weise die Betriebsratswahl überhaupt zu organisieren sei. Erst wenn dem Wahlvorstand die angeforderten Unterlagen vorlägen, könne er eigenverantwortlich entscheiden, wie weiter zu verfahren sei.
Der Wahlvorstand beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.02.2005 - 4 BVGa 2/05 - abzuändern und dem Arbeitgeber aufzugeben, dem Wahlvorstand eine Liste (Aufstellung) aller im Betrieb H1xxx beschäftigten Mitarbeiter/-innen zur Verfügung zu stellen, aus der jeweils Vorname und Nachname der Mitarbeiter/-innen sowie das Geschlecht der Mitarbeiter/-innen zu entnehmen ist, ferner deren Geburtsdaten und Nationalität sowie Eintrittsdatum in den Betrieb.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, die Durchführung einer Neuwahl des Betriebsrates sei bereits deshalb unzulässig, weil diese Neuwahl vor Rechtskraft des Anfechtungsverfahrens gegen die Betriebsratswahl vom 28.03.2002 stattfinden solle. Andernfalls würde die unzutreffende Ausgangslage perpetuiert. In H1xxx sei nämlich nach wie vor kein betriebsratsfähiger Betriebsteil vorhanden. Insbesondere fehle es mindestens inzwischen an einem einheitlichen Leitungsapparat in H1xxx.
Der Hinweis des Wahlvorstandes auf eine etwaige drohende Betriebsratslosigkeit gehe fehl, auch bei einer wirksamen Anfechtung bestünde in H1xxx kein Betriebsrat.
Schließlich könne der Arbeitgeber auch im einstweiligen Verfügungsverfahren die Verkennung des Betriebsbegriffes einwenden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn bei einer Weiterführung der Betriebsratswahl mit Sicherheit eine erfolgreiche Wahlanfechtung vorgenommen werden könnte.
Die Beschwerdekammer hat die Akten des Beschlussverfahrens 5 BV 13/02 Arbeitsgericht Hagen beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.
B
Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist begründet.
Der Wahlvorstand hat gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Vorlage einer Aufstellung der Mitarbeiter/-innen der Einrichtungen des Arbeitgebers in H1xxx mit dem sich aus dem Tenor ergebenden weiteren Inhalten. Diesen Anspruch kann der Wahlvorstand auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen.
I
Der Antrag des Wahlvorstandes auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
1. Das gewählte Beschlussverfahren ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG die richtige Verfahrensart. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, die zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Beteiligten streiten nämlich um die Vorlage einer Mitarbeiteraufstellung, die der Wahlvorstand zur Aufstellung einer Wählerliste für eine Betriebsratswahl benötigt. Hierbei handelt es sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz.
Auch im Beschlussverfahren ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich zulässig, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
2. Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis folgt aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
Neben dem antragstellenden Wahlvorstand und dem Arbeitgeber als Antragsgegner hat die Beschwerdekammer trotz der Einwände des Arbeitgebers auch den in H1xxx gewählten Betriebsrat am vorliegenden Verfahren beteiligt. Zwar hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschieden, dass der amtierende Betriebsrat nicht Beteiligter eines Beschlussverfahrens sein könne, in dem der Arbeitgeber versuche, die angesetzte Betriebsratswahl zu verhindern, auszusetzen oder zu korrigieren (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.04.1994 - DB 1994, 1091). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Beteiligter in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, wer von der zu erwartenden Entscheidung in seinem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen oder berührt wird (BAG, Beschluss vom 27.05.1982 - AP ArbGG 1979 § 80 Nr. 3; BAG, Beschluss vom 19.09.1985 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 12; BAG, Beschluss vom 30.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 6). In diesem Sinne ist nach Auffassung der Beschwerdekammer der amtierende Betriebsrat H1xxx am vorliegenden Beschlussverfahren zu beteiligen. Immerhin geht es um die Durchführung der Betriebsratswahl, die der Betriebsrat H1xxx eingeleitet hat. Darüber hinaus ist der Betriebsrat vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens mindestens insoweit betroffen, als die Betriebsratsfähigkeit des Betriebes H1xxx bestritten worden ist.
II
Der Antrag des Wahlvorstandes ist auch begründet.
1. Der Wahlvorstand hat gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Vorlage einer Liste aller im Betrieb H1xxx beschäftigten Mitarbeiter/-innen nach näherer Maßgabe des Beschlusstenors.
a) Dieser Anspruch folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 1 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz - WO.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WO hat der Wahlvorstand für jede Betriebsratswahl eine Liste der Wahlberechtigten (Wählerliste) getrennt nach den Geschlechtern, aufzustellen. Hierzu hat der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 WO dem Wahlvorstand alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dass § 2 Abs. 2 Satz 1 WO dem Arbeitgeber eine Unterstützungspflicht bei der Aufstellung der Wählerliste auferlegt und dem Wahlvorstand ein entsprechender Anspruch zusteht, stellt auch der Arbeitgeber des vorliegenden Verfahrens nicht grundsätzlich in Abrede.
b) Dieser Anspruch nach § 2 Abs. 2 Satz 1 WO ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber der Auffassung ist, dass die Einrichtungen des Arbeitgebers in H1xxx keinen betriebsratsfähigen Betrieb darstellen. Die Unterstützungspflicht des Arbeitgebers ist schon von Gesetzes wegen nicht davon abhängig gemacht worden, dass überhaupt ein betriebsratsfähiger Betrieb vorliegt. Nach dem Vorbringen der Beteiligten muss die Beschwerdekammer davon ausgehen, dass der Wahlvorstand, der Anspruchsteller des vorliegenden Verfahrens, vorliegend jedenfalls ordnungsgemäß vom amtierenden Betriebsrat eingesetzt worden ist. Gegen die Einsetzung des Wahlvorstandes hat der Arbeitgeber, soweit ersichtlich, keinen Einspruch o.ä. eingelegt, obgleich die Wahl des Wahlvorstandes nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte selbständig anfechtbar ist (BAG, Beschluss vom 03.06.1975 - AP BetrVG 1972 § 5 Rotes Kreuz Nr. 1; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 18 Rz. 33; Kreutz, GK-BetrVG, 7. Aufl., § 18 Rz. 64 m.w.N.). Dass die Bestellung des Wahlvorstandes nichtig wäre, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus hätte die Verkennung des Betriebsbegriffs durch den Wahlvorstand, wenn dieser bereits eine Entscheidung darüber getroffen hätte, möglicherweise eine Anfechtbarkeit der eingeleiteten Betriebsratswahlen, jedoch keine Nichtigkeit der Wahl zur Folge haben. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist allgemein anerkannt, dass die Verkennung des Betriebsbegriffs lediglich zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit von Betriebsratswahlen führt (BAG, Beschluss vom 24.01.1964 - AP BetrVG § 3 Nr. 6; BAG, Beschluss vom 27.10.1969 - AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 10; BAG, Beschluss vom 17.01.1978 - AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 1; BAG, Beschluss vom 11.04.1978 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 8; BAG, Beschluss vom 13.09.1984 - AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 3; BAG, Beschluss vom 27.06.1995 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 7; BAG, Urteil vom 13.11.1996 - AP MantelG DDR § 30 Nr. 4; BAG, Urteil vom 19.11.2003 - AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 19; Fitting, a.a.O., § 19 Rz. 22; DKK/Schneider, BetrVG, 9. Aufl., § 19 Rz. 9 m.w.N.).
Auch der Hinweis des Arbeitsgerichts und des Arbeitgebers darauf, dass die Durchführung der Neuwahl bereits deshalb unzulässig sei, weil diese Neuwahl vor Rechtskraft einer Entscheidung über den Anfechtungsantrag des Arbeitgebers vom 12.04.2002, gerichtet gegen die Betriebsratswahl vom 28.03.2002, stattfinden solle, schließt den Anspruch des Wahlvorstandes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 WO auf Vorlage einer Mitarbeiteraufstellung zwecks Aufstellung einer Wählerliste nicht aus. Zwar wird unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (DB 1978, 1452) in der Literatur vertreten, dass eine außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraumes durchgeführte Betriebsratswahl nicht zulässig sei, wenn vor Rechtskraft der Entscheidung über die Wahlanfechtung eines Betriebsrates ein neuer Betriebsrat gewählt wird (Fitting, a.a.O., § 13 Rz. 20). Abgesehen davon, dass das Zitat in der genannten Kommentierung offenbar unzutreffend ist (dort findet sich keine Entscheidung des LAG Hamm, die sich mit einer Betriebsratswahl und ihren Folgen befasst, sondern eine Entscheidung des BAG, nämlich Beschluss vom 11.04.1978 - 6 ABR 22/77 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 8 = DB 1978, 1452), ist der vorliegende Fall mit der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.04.1978 zugrunde lag, nicht vergleichbar. Das Bundesarbeitsgericht hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass es unzulässig sei, wenn durch eine nicht angefochtene Betriebsratswahl ein einheitlicher Betriebsrat für mehrere Betriebsteile gebildet worden ist und während der Amtszeit dieses Betriebsrates ein eigener Betriebsrat für einen Betriebsteil mit der Begründung gewählt werden soll, dieser Betriebsteil sei selbständig im Sinne des § 4 BetrVG. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil gerade kein einheitlicher Betriebsrat für mehrere Betriebsteile gewählt worden ist. Im Übrigen hätte es im vorliegenden Fall der Arbeitgeber, der die Betriebsratswahl 2002 in H1xxx angefochten hatte, in der Hand gehabt, eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl 2002 in H1xxx herbeizuführen. Dies hat er jedoch unterlassen, indem auf seinen Antrag hin das Beschlussverfahren 5 BV 13/02 Arbeitsgericht Hagen bereits im Jahre 2002 zum Ruhen gebracht worden ist.
2. Entgegen der vom Arbeitgeber vertretenen Auffassung kann auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht verneint werden.
Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Zur Abwendung dieser Gefahr muss die einstweilige Verfügung erforderlich sein. Angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Fall die einstweilige Verfügung Erfüllungswirkung hat, ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Es kommt insoweit darauf an, ob die glaubhaft gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige Regelung zu treffen (LAG Hamm, Urteil vom 19.04.1984 - LAGE GG Art. 9 Nr. 14 = NZA 1994, 130; LAG Hamm, Urteil vom 17.03.1987 - LAGE GG Art. 9 Nr. 31 = DB 1987, 846; LAG Hamm, Beschluss vom 06.02.2001 - AiB 2001, 488; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2000, Anh. zu § 935, 940 ZPO, Rz. 361 m.w.N.). Dabei ist das Gewicht des drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für den Arbeitgeber und andererseits für die Belegschaft angemessen zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 - unter B. III. 3. der Gründe).
a) Die Eilbedürftigkeit kann nicht deshalb verneint werden, weil der Betriebsrat offenbar erst Ende Januar 2005 seiner Verpflichtung nach § 16 BetrVG zur Bestellung eines Wahlvorstanes nachgekommen ist, obwohl die Voraussetzungen für eine Neuwahl nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bereits seit Oktober 2004 vorgelegen haben. Dieses zögerliche Verhalten des Betriebsrates kann - selbst wenn dafür seitens des Betriebsrats keine Gründe geltend gemacht werden könnten - nicht dem Wahlvorstand angelastet werden, auch wenn zum Teil Personenidentität besteht. Bei dem Betriebsrat einerseits und dem Wahlvorstand andererseits handelt es sich um zwei unterschiedliche Gremien. Vor seiner Bestellung zum Wahlvorstand konnte dieser nicht tätig werden.
b) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Wahlvorstand auch nicht auf die Durchführung eines normalen Beschlussverfahrens verwiesen werden. Bereits aus § 18 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt sich, dass der Wahlvorstand nach seiner Bestellung die Wahl unverzüglich einzuleiten hat. Dazu hat er unverzüglich die Wählerliste aufzustellen (Fitting, a.a.O., § 2 WO Rz. 1; DKK/Schneider, a.a.O., § 2 WO Rz. 1; Kreutz/Oetker, GK-BetrVG, a.a.O., § 2 WO Rz. 2). Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Durchführung eines ordentlichen Beschlussverfahrens würde jedoch bis hin zur rechtskräftigen Entscheidung mindestens mehrere Monate andauern. Die Einleitung eines ordentlichen Beschlussverfahrens zur Vorlage einer Mitarbeiterliste zwecks Aufstellung der Wählerliste wäre damit mit der Verpflichtung des Wahlvorstandes, unverzüglich tätig zu werden, nicht mehr vereinbar. Aus diesem Grunde ist es auch allgemein anerkannt, dass die Vorlage einer Mitarbeiterliste zwecks Aufstellung der Wählerliste durch einstweilige Verfügung erzwingbar ist (LAG Hamm, Beschluss vom 27.05.1977 - DB 1977, 1269, 1271; Fitting, a.a.O., § 2 WO Rz. 6; DKK/Schneider, § 2 WO Rz. 15; Kreutz/Oetker, a.a.O., § 2 WO Rz. 10; Richardi/Thüsing, BetrVG, 9. Aufl., § 2 WO Rz. 11).
Bei Abwägung der Interessen des Arbeitgebers, eine Betriebsratswahl in der seiner Auffassung nach nicht betriebsratsfähigen Einrichtung in H1xxx zu verhindern, mit der Interessenlage der in der Einrichtung in H1xxx beschäftigten Arbeitnehmer an einer wirksamen Vertretung durch den Betriebsrat ist nach Auffassung der Beschwerdekammer dem Interesse der Belegschaft der Vorzug zu geben. Mit der Herausgabe einer Mitarbeiterliste an den Wahlvorstand zwecks Erstellung einer Wählerliste ist nämlich noch keine endgültige Entscheidung darüber getroffen worden, ob in den in H1xxx verbleibenden Wohngruppen ein betriebsratsfähiger Betrieb zu sehen ist. Der Wahlvorstand hat im Beschwerdeverfahren ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass er noch keine Entscheidung darüber getroffen habe, ob die Einrichtungen in H1xxx einen betriebsratsfähigen Betrieb darstellen oder nicht. Erst wenn dem Wahlvorstand die angeforderten Unterlagen vorliegen, wird er eigenverantwortlich darüber entscheiden müssen, ob die Einrichtungen in H1xxx einen betriebsratsfähigen Betrieb darstellen und das Wahlverfahren fortgesetzt wird. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass die vom Wahlvorstand verlangte Mitarbeiterliste für den Arbeitgeber unschwer und ohne große Kosten zu erstellen ist. Die Weigerung des Arbeitgebers, eine derartige Liste zu erstellen, stellt sich gegenüber den Interessen der in H1xxx beschäftigten Mitarbeiter an einer wirksamen Vertretung durch den Betriebsrat als ein schwerwiegenderer Eingriff dar, als wenn Monate lang mit der weiteren Durchführung der unverzüglich durchzuführenden Betriebsratswahl zugewartet werden müsste. Insoweit überwiegt das Interesse der in H1xxx beschäftigten Arbeitnehmer an einer wirksamen Vertretung durch den Betriebsrat gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung einer Wahlanfechtung. Dies gilt umso mehr, als offenbar eine Entscheidung des Wahlvorstandes über die Betriebsratsfähigkeit der in H1xxx verbliebenen Einrichtung noch nicht getroffen worden ist.
III
Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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