Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.07.2005
Aktenzeichen: 10 TaBV 44/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 77 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.01.2005 - 6 BV 77/04 - abgeändert.

Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Query-Suchanfragen so zu gestalten, dass Daten aus dem wohnungswirtschaftlichen Programm Wohndata mit bestimmten für die Arbeitgeberin tätigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zusammengeführt werden, um diese Daten im Rahmen einer Prüfung dieser Mitarbeiter zu verwenden

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Arbeitgeberin gegen die Regelung in der Betriebsvereinbarung betreffend die Nutzung der EDV-Anlage vom 26.06.2000/30.06.2000, die EDV-Anlage nicht zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu nutzen, verstoßen hat.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.

Die Beteiligten schlossen unter dem 26.06.2000/30.06.2000 für den Betrieb der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung betreffend die Nutzung der im Betrieb vorhandenen EDV-Anlage. Zu der EDV-Anlage gehört gemäß den Eingangsausführungen der Betriebsvereinbarung unter anderem auch das wohnungswirtschaftliche Programm "Wohndata".

§ 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung lautet wie folgt:

"Die Einführung und Anwendung der EDV-Anlage zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle ist nicht zulässig. Die Anwesenheitskontrolle erfolgt ausschließlich gem. der Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf diese Bezug genommen (Bl. 6 ff. d. A.).

Unter dem 17.02.2004 verfasste die Arbeitgeberin einen Bericht "Sonderprüfung "Vermietung"", ausgelöst durch Feststellungen im Arbeitsbereich des Mitarbeiters J3xxxxxx; dieser hatte zwei Wohnungen als Leerstand gekennzeichnet, obwohl die wohnungsmäßige Nutzung durch Mieter erfolgte. Gegenstand der durchgeführten Sonderprüfung waren dabei ausweislich des Berichts folgende Fragestellungen:

- Sind im Bearbeitungsbereich von Herrn J1xxxxx weitere vergleichbare Fälle festzustellen?

- Sofern dies der Fall sein sollte, wie hoch liegt der Schaden für die Gesellschaft?

- Mit welcher Qualität bearbeitet Herr J1xxxxx im Übrigen die ihm obliegenden Aufgaben?

Zur Vorbereitung der Prüfung wurde ausweislich des Prüfungsberichts eine Auswertung aus dem Wohndata-System der Arbeitgeberin erstellt, in der alle seit dem 01.01.2002 von Herrn J1xxxxx bearbeiteten Mietverhältnisse unter Angabe der Mieternummer, des Mieters sowie dem Anfang und dem Ende des Mietverhältnisses dargestellt sind (sog. Auswertung 1).

Im Laufe der Prüfung wurde eine weitere Auswertung erstellt (sog. Auswertung 2), in der alle rückwirkend erfolgten Änderungen von Datenvormerkungen durch Herrn J1xxxxx erfasst wurden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht (Bl. 11 ff. d. A.), sowie auf die Auswertung 1 (Bl. 50 ff. d. A.) und die Auswertung 2 (Bl. 72 f. d. A.) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin erstellte die Auswertung 1 aufgrund einer so genannten Query-Abfrage. Dazu bietet das Wohndata-System die Möglichkeit, durch so genannte Querys, bei denen es sich um Abfragen aus dem Programm handelt, nach bestimmten, vom Anwender vorgegebenen Auswahlkriterien, Daten zu selektieren und nach Wunsch zusammenzustellen. Mit Hilfe des Excel-Programmes importierte die Arbeitgeberin die durch Querys zusammengestellten Daten in Excel-Tabellen.

Nachdem der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin vergeblich einen Verstoß gegen § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung bemängelt hatte, leitete er daraufhin mit dem am 14.09.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag das vorliegende Beschlussverfahren ein.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, es ergebe sich schon aus dem Prüfbericht selbst, dass die Arbeitgeberin mit der Erstellung der Auswertungen 1 und 2 gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen habe, denn diese habe sie nur erstellt, um eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle des Mitarbeiters J3xxxxxx zu ermöglichen.

Der beteiligte Betriebsrat hat nach entsprechendem richterlichen Hinweis beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Query-Suchantragen so zu gestalten, dass Daten aus dem wohnungswirtschaftlichen Programm Wohndata mit bestimmten für die Arbeitgeberin tätigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zusammengeführt werden, um diese Daten im Rahmen einer Prüfung dieser Mitarbeiter zu verwenden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe nicht gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen, da sie lediglich der EDV bestimmte Daten entnommen habe, die die von Herrn J2xxxx verwalteten Wohneinheiten betrafen, ohne dass diese Daten bereits etwas über das Verhalten oder die Leistung von Herrn J1xxxxx aussagen würden bzw. Rückschlüsse auf sein Verhalten oder die Leistung zuließen.

In einem zweiten Schritt habe man die jeweiligen Hausakten zugezogen, erst dieser Schritt hätte eine Bewertung des Verhaltens oder der Leistung ermöglicht.

Die Rechtsprechung und Kommentierung zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG müsse zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes herangezogen werden. Danach setze der Tatbestand der Verhaltens- und Leistungskontrolle voraus, dass bei einer Einrichtung einer Datenverarbeitung die Daten programmgemäß zu Aussagen über Verhalten oder Leistung einzelner Arbeitnehmer verarbeitet würden. Damit sei gemeint, dass das EDV-System selbst die Daten zu einer Aussage über Verhalten oder Leistung verarbeiten müsse. Nicht ausreichend sei, wenn die durch die Kontrolleinrichtung vermittelten Werte allein noch keine Rückschlüsse auf das Verhalten von Arbeitnehmern zulasse, sondern ein Überwachungseffekt erst durch weitere Maßnahmen erzielt werde.

Durch Beschluss vom 19.01.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrates zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Wortlaut der Betriebsvereinbarung in § 1 Ziff. 2 zwar insoweit umfassend und eindeutig sei und jegliche Anwendung der EDV-Anlage zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle verbiete. Dies gelte auch unabhängig davon, ob die mit Hilfe der EDV-Anlage ermittelten Daten für sich allein schon eine vernünftige und sachgerechte abschließende Beurteilung von Verhalten und Leistung des Arbeitnehmers ermöglichten oder aber erst in Verbindung mit weiteren Daten und Umständen. Dennoch gebiete die Interessenlage und der mit der Regelung verfolgte Sinn und Zweck eine einschränkende Auslegung der Regelung in § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung. Dem Arbeitgeber müsse es vorbehalten bleiben, die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter überprüfen zu können.

Gegen den dem Betriebsrat am 15.02.2005 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat mit dem am 04.03.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Er ist der Meinung, er habe der Arbeitgeberin nachgewiesen, dass sie für die Erstellung des Prüfberichts, der einzig und allein der Leistungs- und Verhaltenskontrolle im Hinblick auf den Mitarbeiter J1xxxxx diene, das Wohndata-System zur Erstellung der Auswertungen 1 und 2 genutzt habe; die Auswertungen 1 und 2 wiederum seien einzig und allein im Hinblick auf die Erstellung des Prüfberichtes und damit im Hinblick auf die damit beabsichtigte Leistungs- und Verhaltenskontrolle des Mitarbeiters J3xxxxxx im Zuge der Fertigung des Prüfberichtes gefertigt worden. Damit stehe fest, dass die Arbeitgeberin die EDV-Anlage zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle angewendet habe.

Mit dieser Vorgehensweise habe die Arbeitgeberin gegen § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung verstoßen.

Dem Arbeitsgericht sei insoweit zuzustimmen, dass § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung umfassend und eindeutig sei. Jedoch sei die Betriebsvereinbarung nicht einschränkend auszulegen. Sie sei wie ein Tarifvertrag auszulegen und damit zunächst strikt am Wortlaut orientiert. Für eine teleologische Reduktion, wie sie das Arbeitsgericht vorgenommen habe, bleibe kein Raum. Die Begründung des Arbeitsgerichts gehe auch insoweit fehl, als es der Arbeitgeberin unbenommen bleibe, die Daten, die sie für eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu benötigen glaube, auf andere Weise dem Datenbestand der EDV-Anlage zu entnehmen. Gegenstand des Verfahrens sei nur, nicht die programmtechnischen Möglichkeiten des Wohndata-Systems zur Zusammenführung von Daten zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu nutzen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.01.2005 - 6 BV 77/04 - abzuändern und der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Query-Suchanfragen so zu gestalten, dass Daten aus dem wohnungswirtschaftlichen Programm Wohndata mit bestimmten für die Arbeitgeberin tätigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zusammengeführt werden, um diese Daten im Rahmen einer Prüfung dieser Mitarbeiter zu verwenden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages verteidigt sie den angefochtenen Beschluss. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass sie die EDV-Anlage nicht zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt habe, da die Auswertungen 1 und 2 für sich genommen ohne jeden Aussagewert seien. Insbesondere ließen sie keine Aussage über das Verhalten und die Leistung des Mitarbeiters zu. Rückschlüsse über Leistung und Verhalten des Mitarbeiters J3xxxxxx hätten nicht durch das Programm - also die EDV - selbst, sondern erst durch die manuelle Zuhilfenahme des einzelnen Akten und deren Bewertung gezogen werden können, was keinesfalls dem Mitbestimmungsrecht unterliege.

Zwischen den Beteiligten sei es unstreitig, dass die Arbeitgeberin in keinem Fall über den gesetzlichen Rahmen der Mitbestimmung hinaus dem Betriebsrat weitergehende Rechte habe einräumen wollen oder eingeräumt habe. § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung erweitere die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG nicht, sondern greife lediglich dessen Regelungsgehalt auf.

Ferner habe das Arbeitsgericht § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung zutreffend einschränkend ausgelegt.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist begründet.

Der Unterlassungsantrag des Betriebsrates ist zulässig und begründet.

I.

Der zur Entscheidung gestellte Unterlassungsantrag ist zulässig.

Der Betriebsrat hat seinen Antrag zutreffend im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG geltend gemacht. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich um die Frage, ob die Arbeitgeberin gegen § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung betreffend die Nutzung der EDV-Anlage vom 26.06.2000/30.06.2000 verstoßen hat.

Die Antragsbefugnis des Betriebsrates sowie die Beteiligung der Arbeitgeberin am vorliegenden Verfahren ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

Dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrates fehlt es auch nicht an der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO.

Hiernach muss der Streitgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann.

Diesen Anforderungen genügt der zur Entscheidung gestellte Antrag des Betriebsrates. Mit der Entscheidung über den Antrag steht eindeutig fest, welche Maßnahmen die Arbeitgeberin künftig zu unterlassen hat. Einer stattgebenden Entscheidung kann sie unschwer entnehmen, welches Verhalten ihr aufgegeben worden ist.

II.

Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrates ist auch begründet.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann der Betriebsrat von der Arbeitgeberin verlangen, es zu unterlassen, Query-Suchanfragen so zu gestalten, dass Daten aus dem wohnungswirtschaftlichen Programm Wohndata mit bestimmten für die Arbeitgeberin tätigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zusammengeführt werden, um diese Daten im Rahmen einer Prüfung dieser Mitarbeiter zu verwenden.

1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ergibt sich aus § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung vom 26./30.06.2000 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Dem Betriebsrat steht nämlich ein eigener Anspruch auf Durchführung von abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen zu. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber durch. Diese Vorschrift verpflichtet den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt entsprechend im Betrieb anzuwenden. Ob sich dieser Durchführungsanspruch des Betriebsrats unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt oder ob er seinen Grund in der Betriebsvereinbarung selbst hat, kann dabei offen bleiben. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber insbesondere die Durchführung bzw. Einhaltung einer Betriebsvereinbarung und auch die Unterlassung entgegenstehender Handlungen verlangen. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Streitfrage eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats (BAG, Beschluss vom 24.02.1987 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 21; BAG, Beschluss vom 28.09.1988 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 29; BAG, Beschluss vom 23.06.1992 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 20; BAG, Beschluss vom 29.04.2004 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 77 Rz. 227 m.w.N.).

2. Anlässlich der Erstellung des Prüfberichts vom 17.02.2004 hat die Arbeitgeberin gegen § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung vom 26./30.06.2000 verstoßen.

Nach § 1 Ziff. 2 Satz 1 der Betriebsvereinbarung ist die Einführung und Anwendung der EDV-Anlage zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle nicht zulässig.

Ebenso wie das Arbeitsgericht geht auch die Beschwerdekammer davon aus, dass der Wortlaut der Betriebsvereinbarung in § 1 Ziff. 2 insoweit umfassend und eindeutig ist und jegliche Anwendung der EDV-Anlage zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle verbietet, unabhängig davon, ob die mit Hilfe der EDV-Anlage ermittelten Daten für sich allein schon eine vernünftige und sachgerechte abschließende Beurteilung von Verhalten oder Leistung des Arbeitsnehmers ermöglichen oder aber erst in Verbindung mit weiteren Daten und Umständen eine Beurteilung des Arbeitnehmers ermöglicht wird.

a) Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ist die Regelung in § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung dem Wortlaut nach nicht darauf zu beschränken, dass lediglich die Nutzung der EDV-Anlage zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle untersagt ist, sofern durch diese selbst Rückschlüsse über das Verhalten und die Leistung der Mitarbeiter gezogen werden können.

Die Arbeitgeberin geht selbst davon aus, dass die streitige Regelung der Betriebsvereinbarung den Regelungsgehalt des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG aufgreift.

Im Rahmen des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG genügt es jedoch für den Tatbestand der Verhaltens- und Leistungskontrolle, dass die von der technischen Einrichtung erfassten oder verarbeiteten Daten mit Hilfe von zusätzlichen Informationen auf Arbeitnehmer bezogen werden können (vgl. BAG, Beschluss vom 09.09.1975 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 2; BAG, Beschluss vom 18.02.1986 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 13). Schon die bloße Ermittlung von Daten durch technische Einrichtungen gehört zur Überwachung im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG. Entscheidend ist die bloße Möglichkeit einer Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer durch die technische Einrichtung. Unerheblich ist dabei, ob die durch die technische Einrichtung erworbenen Aussagen über Verhalten und Leistung des Arbeitnehmers erst in Verbindung mit weiteren Daten und Umständen zu einer vernünftigen und sachgerechten Beurteilung der Arbeitnehmer führen können (BAG, Beschluss vom 14.09.1984 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 9; BAG, Beschluss vom 23.04.1985 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 11 und Nr. 12; BAG, Beschluss vom 11.03.1986 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 14; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 226, 235; Wiese, GK-BetrVG, 7. Aufl., § 87 Rz. 519).

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG räumt dem Betriebsrat die Möglichkeit ein, bei der Festlegung des Verwendungszwecks gespeicherter Leistungs- oder Verhaltensdaten mitzubestimmen. Wie das Mitbestimmungsrecht im Einzelnen ausgeübt wird, ob und wann der Betriebsrat jeweils einzuschalten ist, bleibt der Vereinbarung der Betriebspartner überlassen (BAG, Beschluss vom 11.03.1986 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 14; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 249).

§ 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung, welcher das Tatbestandsmerkmal der Verhaltens- und Leistungskontrolle aufgreift, ist dem Wortlaut nach ebenfalls umfassend und eindeutig.

Hiernach reicht es für den Verstoß gegen § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung dem Wortlaut nach bereits aus, wenn der Arbeitgeber - wie vorliegend - Daten mit Hilfe der EDV nach bestimmten, von ihm vorgegebenen Auswahlkriterien selektiert, in der Absicht, diese sodann im Rahmen eines zweiten Schrittes auf das Verhalten und die Leistung seiner Mitarbeiter zu prüfen.

Für die Erstellung der Auswertungen 1 und 2 hat die Arbeitgeberin die EDV-Anlage, nämlich das wohnungswirtschaftliche Programm "Wohndata", durch sog. Query-Abfragen genutzt. Die Arbeitgeberin hat die Auswertungen 1 und 2 in einem zweiten Schritt, im Rahmen des unter dem 17.02.2005 verfassten Sonderprüfungsberichtes "Vermietung", verwendet. Gegenstand der Sonderprüfung war die Leistung und das Verhalten des Mitarbeiters J3xxxxxx, da unter anderem die Qualität der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben überprüft wurde.

b) Zu Unrecht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Interessenlage und der mit der Regelung verfolgte Sinn und Zweck eine einschränkende Auslegung der Regelung in § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung gebieten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung von Betriebsvereinbarungen wegen deren normativer Wirkungen den Grundsätzen über die Auslegung von Gesetzen. Auszugehen ist daher zunächst vom Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus sind auch Sinn und Zweck der Regelung sowie ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen. Das Gleiche gilt für den übereinstimmenden wirklichen Willen der Vertragspartner, sofern er einen erkennbaren Ausdruck in der Betriebsvereinbarung gefunden hat (BAG, Beschluss vom 01.07.2003 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 103 m.w.N.).

Ein übereinstimmender Wille der Beteiligten hinsichtlich einer einschränkenden Auslegung der Regelung ist nicht gegeben.

Eine einschränkende Auslegung von § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung, wie sie das Arbeitsgericht für zutreffend erachtet hat, kommt auch hinsichtlich des eindeutigen und klaren Wortlauts nicht in Betracht. Eine Auslegung gegen den Wortlaut einer Norm ist allenfalls dann ausnahmsweise möglich, wenn andere Indizien belegen, dass ihr Sinn im Text unzureichend Ausdruck gefunden hat (BAG, Urteil vom 23.02.2000 - AP MTL II § 62 Nr. 1; LAG Köln, Urteil vom 14.08.1998 - NZA-RR 1999, 556). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Auch Sinn und Zweck der betriebsverfassungsrechtlichen Regelung gebieten keine einschränkende Auslegung.

Der Arbeitgeberin bleibt es unbenommen, die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter zu überprüfen, wenn auch unter Verzicht der Nutzung der EDV-Anlage. Es bleibt der Arbeitgeberin wieterhin erlaubt, den Datenbestand zu überprüfen und die Daten, die sie für eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu benötigen glaubt, auf andere Weise dem Datenbestand der EDV-Anlage zu entnehmen. Es ist ihr lediglich untersagt, dabei die programmtechnischen Möglichkeiten des Wohndata-Systems zur Zusammenführung von Daten zu diesem Zwecke zu nutzen.

Darüber hinaus könnte die Arbeitgeberin die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter auch mit Hilfe der EDV-Anlage nutzen, wenn sie zuvor die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Maßnahme einholen würde.

3. Auch die für den Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats notwendige Wiederholungsgefahr liegt vor. Die Arbeitgeberin hat bereits eine Verbotsverletzung begangen, indem sie - ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Betriebsrats - die EDV-Anlage entgegen § 1 Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt hat. Darüber hinaus steht die Arbeitgeberin auch im vorliegenden Beschlussverfahren nach wie vor auf dem Standpunkt, hierzu ohne vorherige Einschaltung des Betriebsrats berechtigt zu sein. Allein aus diesem Grund besteht Grund zu der Befürchtung, dass die Arbeitgeberin ohne Unterlassungsgebot auch künftig die EDV-Anlage zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle nutzt.

III.

Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.



Ende der Entscheidung

Zurück