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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.09.2006
Aktenzeichen: 10 TaBV 5/06
Rechtsgebiete: BetrVG, SGB IV, AZG, TzBfG, MTV Metallindustrie NRW, TV Beschäftigungssicherung Metallindustrie NRW


Vorschriften:

BetrVG § 76 Abs. 5
SGB IV § 7 d
AZG § 3
AZG § 7
TzBfG § 4 Abs. 1
MTV Metallindustrie NRW § 5
MTV Metallindustrie NRW § 6
MTV Metallindustrie NRW § 15
TV Beschäftigungssicherung Metallindustrie NRW § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 29.11.2005 - 4 BV 28/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs über die Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Die Arbeitgeberin, ein Betrieb zur Herstellung von Wellen, Walzen und Rollen für den Maschinenbau, beschäftigt ca. 100 Mitarbeiter, davon überwiegend Facharbeiter. Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat.

Im Betrieb des Arbeitgebers galt bis zum 30.09.2004 eine Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit vom 10.07.2002. Diese Betriebsvereinbarung vom 10.07.2002 war vom Betriebsrat am 16.09.2004 gekündigt worden, eine Nachwirkung war ausgeschlossen.

Nachdem die Verhandlungen zwischen den Beteiligten Anfang des Jahres 2005 ergebnislos verlaufen waren, rief die Arbeitgeberin die Einigungsstelle an, um die Betriebsvereinbarung vom 10.07.2002 wieder in Kraft zu setzen. Eine Einigungsstellensitzung fand daraufhin unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Bertram sowie zwei Beisitzern je Seite am 28.07.2005 statt. Über die Sitzung wurde ein Protokoll vom 28.07.2005 (Bl. 80 ff. d.A.) geführt, auf das Bezug genommen wird.

Da anlässlich der Sitzung vom 28.07.2005 kein einvernehmliches Ergebnis erzielt werden konnte, legte der Einigungsstellenvorsitzende eine auf dem Entwurf der Arbeitgeberseite basierende Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit vor, die in der zweiten Abstimmung mit 3:2 Stimmen angenommen wurde. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, die durch den Spruch der Einigungsstelle getroffen wurde (Bl. 69 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Der Spruch der Einigungsstelle wurde den Betriebsparteien noch am 28.07.2005 ausgehändigt.

Mit dem am 11.08.2005 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin die Unwirksamkeit des Spruches der Einigungsstelle vom 28.07.2005 geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, der Einigungsstellenspruch sei schon deshalb unwirksam, weil er keinerlei Sicherung für die Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer für den Fall der Insolvenz vorsehe. Die Arbeitszeitkonten seien auch nicht durch Insolvenzgeld geschützt. Die vom Betriebsrat anlässlich der Einigungsstellensitzung vorgelegten Insolvenzsicherungsmodelle habe der Einigungsstellenvorsitzende überhaupt nicht in Erwägung gezogen.

Auch die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin sei nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Im Betrieb der Arbeitgeberin sei in Arbeitsverträgen ferner durchgängig eine Fälligkeit der Vergütung zu Beginn des Folgemonats vereinbart. Dies gilt sowohl für die Mitarbeiter, die tarifgebunden seien, als auch für diejenigen, auf die dies nicht zutreffe. Die Verzögerung der Auszahlung der Stundenkonten greife damit einseitig in die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten, ohne irgendeinen Ausgleich oder eine Absicherung für die Arbeitnehmer hinsichtlich der vereinbarten Fälligkeit des Arbeitsentgeltes ein.

Ebenso sei Ziffer 10 des Einigungsstellenspruchs unzulässig, da dort festgelegt sei, dass bezahlte Mehrarbeit grundsätzlich erst dann entstehe, wenn die maximale tägliche Ist-Arbeitszeit von 9 Stunden überschritten werde. Insoweit liege eine Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten vor, insbesondere die Teilzeitarbeitskräfte könnten Mehrarbeitszuschläge nicht mehr erhalten.

Schließlich sei der Einigungsstellenspruch auch deshalb unwirksam, da die in ihm geregelten Kündigungsfristen und Nachwirkungsmodalitäten weder vom Betriebsrat noch von der Arbeitgeberin verlangt worden seien. Der Spruch der Einigungsstelle sei insoweit viel zu weitreichend. So habe der Arbeitgeberentwurf eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende bei gleichzeitiger Nachwirkung der Betriebsvereinbarung vorgesehen. Der Spruch sehe nunmehr eine erstmalige Kündigungsmöglichkeit zum 31.07.2007 bei gleichzeitiger Kündigungsmöglichkeit jeweils nur einmal im Jahr vor, darüber hinaus entfalte die Betriebsvereinbarung Nachwirkung. Der Spruch bewege sich damit außerhalb des der Einigungsstellen eingeräumten Gestaltungs- und Ermessensspielraums.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass der Spruch der tariflichen Einigungsstelle vom 28.07.2005 betreffend der Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei wirksam. Einer Insolvenzsicherung habe es in Anlehnung an § 7 d SGB IV nicht bedurft, da die dortigen Bezugsgrößen nicht erreicht seien.

Im Übrigen würden die Arbeitsverträge auf die Bestimmung des Manteltarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie NRW verweisen, wo unter § 15 Ziffer 1.4 MTV geregelt sei, dass die monatliche Auszahlung des geschuldeten Entgelts aufgrund betrieblicher Vereinbarung abweichend geregelt werden könne. Die im Spruch getroffene Vereinbarung stehe damit mit dem maßgeblichen Tarifvertrag in Einklang.

Eine Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten liege nicht vor, da die Betriebsvereinbarung auf die arbeitsvertraglich geschuldete individuelle Sollarbeitszeit abstelle und im Übrigen die Regelung der Betriebsvereinbarung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Einklang stehe.

Unrichtig sei auch, dass die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Im Rahmen der Einigungsstellenverhandlung sei vom Vorsitzenden ausführlich in die Bilanzzahlen der Arbeitgeberin Einblick genommen worden. Die Lektüre der Bilanzen der Arbeitgeberin habe einen nicht unerheblichen Zeitraum während der Sitzung der Einigungsstelle in Anspruch genommen.

Schließlich verstoße auch die nunmehr vereinbarte Kündigungsmöglichkeit einschließlich der festgesetzten Nachwirkung nicht gegen das der Einigungsstelle zustehende Ermessen, da die nachwirkungslose Beendigung der alten Betriebsvereinbarung im Hinblick auf die Weigerung von Mehrarbeit durch den Betriebsrat zu erheblichen Problemen geführt habe.

Durch Beschluss vom 29.11.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrates abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Einigungsstellenspruch weder rechtsfehlerhaft sei noch die Granzen des der Einigungsstelle eingeräumten Regelungsermessens überschreite.

Gegen den dem Betriebsrat am 22.12.2005 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 12.01.2006 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 22.03.2006 mit dem am 22.03.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrags rügt der Betriebsrat erneut die fehlende Insolvenzsicherung. Die Einigungsstelle habe insoweit ihr Ermessen überschritten, als Arbeitnehmerinteressen überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. Die Arbeitgeberin verlange von ihrer Belegschaft die Arbeitszeitflexibilisierung ohne geordnete Unterrichtung der wirtschaftlichen Lage und ohne Insolvenzsicherung, gleichzeitig würden aber betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen.

Arbeitnehmerinteressen seien auch insoweit vernachlässigt worden, als mit dem Spruch der Einigungsstelle ein weitreichender Ausgleichszeitraum von einem Jahr festgesetzt worden seien. Die Einigungsstelle mute den Arbeitnehmern zu, mit fast einer Monatsvergütung in Vorleistung zu treten, ohne hierfür eine Gegenleistung - hinsichtlich Kündigungsschutz oder Insolvenzschutz - zu erhalten.

Ferner verstoße die Regelung über die Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit auf 9 Stunden gegen § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz, der einen Ausgleichszeitraum von längstens sechs Kalendermonaten verlange.

Durch die Einrichtung der Stundenkonten und die Festlegung einer täglichen Ist-Arbeitszeit von neun Stunden sei durch die Einigungsstelle das Entstehen von Mehrarbeitszuschlägen abbedungen worden. Dadurch weiche der Einigungsstellenspruch von § 6 MTV Metall ab. Die Berechnung und Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen nach Tarif werde durch den Einigungsstellenspruch nicht gewährleistet.

Durch den Einigungsstellenspruch würden darüber hinaus Teilzeitbeschäftigte diskriminiert. Insoweit sei gegen § 5 Abs. 1 MTV verstoßen worden.

Schließlich sei auch die Verlängerung der Kündigungsfristen und die Nachwirkungsregelung durch den Einigungsstellenspruch ermessensfehlerhaft.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichtes Herne vom 29.11.2005 - 4 BV 28/05 - abzuändern und festzustellen, dass der Spruch der tariflichen Einigungsstelle vom 28.07.2005 betreffend die Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass der Einigungsstellenspruch nicht deshalb ermessensfehlerhaft sei, weil die Einigungsstelle von einer Regelung über die Insolvenzsicherung abgesehen habe. Während des Einigungsstellenverfahrens habe die Diskussion eines möglichen Insolvenzschutzes der zu vereinbarenden Arbeitszeitguthaben sowohl zeitlich als auch inhaltlich einen großen Raum eingenommen. Die Einigungsstelle sei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Vereinbarung einer Insolvenzsicherung nicht vorliege. Die verstetigte monatliche Vergütung sei auch im Falle der Insolvenzeröffnung als Masseschuld abgesichert. Für die betroffenen Mitarbeiter wäre es in einem unterstellten Insolvenzverfahren ohne Weiteres möglich, die angesparten Zeitguthaben in Natura in Anspruch zu nehmen, wobei der verstetigte Vergütungsanspruch auch im Insolvenzverfahren geschützt wäre. Damit sei den Arbeitnehmerinteressen ausreichend Rechnung getragen.

Falsch sei auch, dass die Einigungsstelle die Arbeitnehmerinteressen nicht auch als ausreichend berücksichtigt haben. Während nach der alten Betriebsvereinbarung vom 01.07.2002 Stundenkonten im positiven Bereich von 120 Stunden vorgesehen gewesen seien, sei durch den Spruch der Einigungsstelle lediglich ein Stundenkontingent von 100 Stunden festgelegt worden.

Auch darüber hinaus seien die wirtschaftlichen Grundlagen des Unternehmens ausreichend berücksichtigt worden. Unstreitig seien die Bilanzen während der Einigungsstellensitzung vorgelegt worden. Der Einigungsstellenvorsitzende habe die Bilanzen geprüft. Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der letzten fünf Jahre seien ausführlich begutachtet und erörtert worden.

Unwirksam sei der Einigungsstellenspruch auch nicht hinsichtlich des Umfanges der festgelegten Zeitkonten. Das Zeitkontingent betreffe lediglich gut drei Wochen der tarifvertraglichen individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche. Der Entwurf der Arbeitgeberseite habe größere Zeitkonten vorgesehen.

Der Einigungsstellenspruch enthalte auch keinen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 AZG oder gegen § 6 MTV Metall. Der Betriebsrat übersehe, dass im Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung eine Verlängerung des Ausgleichszeitraumes gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b AZG zugelassen worden sei.

Der Spruch enthalte auch keine Diskriminierung der Teilzeitkräfte. Auch insoweit sei dem Arbeitsgericht zu folgen. Der Betriebsrat verkenne den Regelungsinhalt des § 5 MTV.

Schließlich habe die Einigungsstelle auch die Kündigungsfrist und die Nachwirkung angemessen geregelt.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

I.

Der vom Betriebsrat gestellte Antrag ist zulässig.

1. Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Der Betriebsrat macht nämlich die Unwirksamkeit des Spruches einer Einigungsstelle nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG geltend.

2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrates und die Beteiligung des Arbeitgebers ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Einigungsstelle am vorliegenden Beschlussverfahren nicht beteiligt. Die Einigungsstelle ist nur Hilfsorgan der Betriebspartner und kann deshalb nicht in ihren eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechten verletzt sein (seit BAG, Beschluss vom 22.01.1980 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 3 ständige Rechtsprechung; zuletzt: BAG, Beschluss vom 11.07.2000 - AP BetrVG 1972 § 109 Nr. 2; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmeier, BetrVG, 23. Aufl., § 76 Rdz. 100 m.w.N.).

3. Auch das erforderliche Feststellungsinteresse für den vom Betriebsrat gestellten Feststellungsantrag ist gegeben. Die gerichtliche Entscheidung über die Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs hat nur rechtsfeststellende, aber keine rechtsgestaltende Gestaltung (BAG, Beschluss vom 20.07.1999 - AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8; BAG, Beschluss vom 08.06.2004 - AP BetrVG 1972 § 6 Einigungsstelle Nr. 20).

4. Schließlich hat der Betriebsrat den Einigungsstellenspruch vom 28.07.2005 auch ordnungsgemäß und fristgerecht nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG angefochten.

II.

Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Einigungsstellenspruch vom 28.07.2005 ist wirksam.

Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Einigungsstelle für die Erstellung einer Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeit im Betrieb der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG zuständig gewesen ist.

Die Einigungsstelle hat die vorgeschriebenen Verfahrensgrundsätze eingehalten. Verfahrensverstöße sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht vorgetragen worden.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch erkannt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 28.07.2005 weder gegen höherrangiges Recht verstößt noch ermessensfehlerhaft ist.

1. Der Spruch der Einigungsstelle vom 28.07.2005 verstößt nicht höherrangige gesetzliche oder tarifliche Vorschriften.

a) Zu Unrecht rügt der Betriebsrat das Fehlen einer Insolvenzsicherung im Spruch der Einigungsstelle vom 28.07.2005.

Das Fehlen einer Insolvenzsicherung im Spruch der Einigungsstelle vom 28.07.2005 verstößt nicht gegen § 7 d SGB IV. § 7 d SGB IV bestimmt eine Verpflichtung zur Insolvenzabsicherung erst bei einem Wertguthaben in Höhe des Dreifachen der monatlichen Bezugsgröße und bei Vereinbarung eines Zeitraumes, in dem das Wertguthaben auszugleichen ist, der 27 Kalendermonate übersteigt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene Betriebsvereinbarung sieht Arbeitszeitkonten bis maximal 100 Stunden vor. Ein derartiges Arbeitszeitkonto übersteigt aber die Höhe des dreifachen Monatsentgelts eines Mitarbeiters der Arbeitgeberin nicht. Auch der Zeitraum, in dem das Wertguthaben auszugleichen ist, übersteigt nicht 27 Kalendermonate. Der Ausgleichszeitraum ist in Ziffer 9 der Betriebsvereinbarung vielmehr mit 12 Monaten festgelegt.

Der Betriebsrat rügt auch zu Unrecht einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Fälligkeitsbestimmungen für die Arbeitsvergütung. Nach § 15 MTV Metall kann nämlich die monatliche Auszahlung des monatlichen Entgeltes auf der Grundlage betrieblicher Vereinbarungen abweichend geregelt werden.

b) Die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, insbesondere Ziffer 3, verstoßen nicht gegen § 3 Satz 2 AZG.

Zwar bestimmt § 3 AZG, dass die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten darf. Sie kann auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Nach Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung kann die tägliche Ist-Arbeitszeit im Sinne der Betriebsvereinbarung bis zu neun Stunden täglich betragen. Auch der Ausgleichszeitraum in Ziffer 9 der Betriebsvereinbarung ist anders geregelt als in § 3 Satz 2 AZG. Hierin liegt aber kein Verstoß, weil nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 AZG in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung von § 3 abweichende Regelungen zulässig sind. Hiervon haben die Tarifvertragsparteien in § 4 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung 2005 in der Metall- und Elektroindustrie NRW vom 15.10.2004 Gebrauch gemacht. Nach § 4 Nr. 1 TV Beschäftigungssicherung beträgt der Ausgleichszeitraum nämlich längstens 12 Monate.

Auch die in Ziffer 10 der Betriebsvereinbarung enthaltene Regelung, wonach mit Mehrarbeitszuschlägen zu bezahlende Mehrarbeit erst bei Überschreitung der Zeitkontogrenze von 100 Stunden innerhalb der Laufzeit bzw. bei Überschreitung der täglichen Ist-Arbeitszeit von neun Stunden entsteht, verstößt nicht gegen § 3 AZG. Von welcher Stunde an Mehrarbeitszuschläge zu zahlen sind bzw. Mehrarbeit vorliegt, ist den Tarifvertragsparteien bzw. den Betriebsparteien überlassen (BAG, Beschluss vom 16.06.2004 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 20; Anzinger/Koberski, AZG, 2. Aufl., § 3 Rdz. 59 m.w.N.).

c) Die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung verstoßen auch nicht gegen § 5 MTV Metall NRW.

Zwar ist in § 5 Nr. I. 1. MTV geregelt, dass für Teilzeitbeschäftigte Mehrarbeit diejenige Arbeitszeit ist, die über die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter hinausgeht. Hiermit ist es aber vereinbar, dass in der Betriebsvereinbarung die tägliche Ist-Arbeitszeit bis zu neun Stunden täglich beträgt. Die tägliche bzw. wöchentliche Ist- Arbeitszeit kann nämlich nach Ziffer 4 der Betriebsvereinbarung von der täglichen bzw. wöchentlichen Soll-Arbeitszeit abweichen, wobei bei Überschreitung der Sollarbeitszeit durch die Ist-Arbeitszeit ein Zeitguthaben entsteht, das in einem Zeitkonto geführt wird.

In dieser Regelung liegt auch keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten nach § 4 Abs. 1 TzBfG. Eine Ungleichbehandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG liegt nur dann vor, wenn bei gleicher Anzahl von Stunden, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, die den Vollzeitbeschäftigten gezahlte Vergütung höher ist als die den Teilzeitbeschäftigten gezahlte Vergütung. Erhalten Teilzeitbeschäftigte für die gleiche Anzahl geleisteter Arbeitsstunden die gleiche Gesamtvergütung wie Vollzeitbeschäftigte, besteht keine Ungleichbehandlung (BAG, Urteil vom 05.11.2003 - AP TzBfG § 4 Nr. 6; BAG, Urteil vom 16.06.2004 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 20 m.w.N.).

d) Schließlich verstoßen die Regelungen in der Betriebsvereinbarung auch nicht gegen § 6 MTV.

§ 6 MTV Metall regelt die Höhe der Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit. Hierzu verhält sich die durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene Betriebsvereinbarung jedoch nicht. Dass Mehrarbeitszuschläge erst bei Überschreitung der Zeitkontogrenze von 100 Stunden innerhalb der Laufzeit oder bei Überschreitung der täglichen Ist-Arbeitszeit von neun Stunden entstehen, hat mit der Höhe der Zuschläge für Mehrarbeit nichts zu tun.

2. Zu Recht ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Einigungsstelle mit ihrem Spruch vom 28.07.2005 nicht die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten hat, § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Ermessensentscheidung der Einigungsstelle nur daraufhin überprüft werden, ob sie die Grenzen des ihr zustehenden Ermessenes überschritten hat. Hält sich der Spruch einer Einigungsstelle innerhalb des gesetzlichen Ermessensrahmens, hat das Gericht ihn hinzunehmen. Dem Arbeitsgericht steht keine allgemeine Zweckmäßigkeitskontrolle, sondern nur eine Rechtskontrolle zu. Insbesondere darf das Arbeitsgericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Einigungsstelle setzen (BAG, Beschluss vom 30.10.1979 - AP BetrVG 1972 § 120 Nr. 9; BAG, Beschluss vom 22.01.1980 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 7; BAG, Beschluss vom 27.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 15). Die Ermessensüberprüfung eines Einigungsstellenspruches hat nur die Frage zum Gegenstand, ob die durch den Spruch getroffene Regelung als solche die Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt und zu einem billigen Ausgleich bringt, wobei diese Belange und auch diejenigen tatsächlichen Umstände, die das jeweilige Gewicht dieser Belange begründen, festzustellen sind (BAG, Urteil vom 31.08.1982 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 8; BAG, Beschluss vom 17.10.1989 - AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 39; BAG, Beschluss vom 11.02.1992 - AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 50). Bei dieser Überprüfung ist auch der Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechtes zu beachten, d.h., dass die getroffene Regelung in ihrem Ergebnis auch denjenigen Interessen Rechnung tragen muss, um derentwillen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht. So kann ein Ermessensfehler etwa dann vorliegen, wenn die Einigungsstelle von sachfremden Erwägungen ausgegangen ist oder den ihr möglichen Regelungsspielraum verkannt hat. Ermessensfehlerhaft ist es, wenn ein Spruch einer Einigungsstelle keine sachgerechte Interessenabwägung enthält, etwa weil die Interessen der einen oder anderen Seite überhaupt nicht berücksichtigt sind, oder weil die Regelung objektiv völlig ungeeignet ist. Es kommt aber nicht darauf an, durch welche Tatsachen und Annahmen die Einigungsstelle zu ihrem Spruch gekommen ist und ob die diesem Spruch zugrunde liegenden Erwägungen der Einigungsstelle folgerichtig waren und eine erschöpfende Würdigung sämtlicher Umstände zum Inhalt haben. Allein das Ergebnis der Tätigkeit der Einigungsstelle ist auf seine Ermessensfehlerhaftigkeit zu überprüfen, nicht etwa die Überlegungen und Erwägungen der Einigungsstelle bei der Entscheidungsfindung (BAG, Beschluss vom 11.03.1986 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 14; BAG, Beschluss vom 21.09.1993 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 62; BAG, Beschluss vom 14.12.1993 - AP Betriebsverfassungsgesetz 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 65; BAG, Beschluss vom 28.04.2004 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 174; Fitting, a.a.O., § 76 Rdz. 105; Däubler/Kittner/Klebe/Berg, BetrVG, 10. Aufl., § 76 Rdz. 92 m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die vom Betriebsrat erhobenen Rügen gegen den Spruch der Einigungsstelle vom 28.07.2005 unbegründet.

aa) Es stellt keinen Ermessensfehler dar, dass die Einigungsstelle von einer Regelung über Insolvenzschutz bei dem gefällten Spruch abgesehen hat. Bereits aus dem Protokoll der Einigungsstelle vom 28.07.2005 ergibt sich, dass das entsprechende Problem in der Einigungsstelle ausführlich erörtert worden ist. Die Einigungsstelle hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25.06.2002 - ZIP 2004, 135) das Guthaben aus einem Arbeitszeitkonto mindestens teilweise beim Insolvenzgeld Berücksichtigung finden kann. Die Arbeitgeberin hat darüber hinaus unwidersprochen vorgetragen, dass in der betrieblichen Praxis die Vereinbarung einer flexiblen Arbeitszeit ohne entsprechende Insolvenzsicherungsmaßnahmen fast die Regel darstellt. Diesem Vorbringen ist der Betriebsrat in der Beschwerdeinstanz nicht mehr entgegengetreten. Ebenso ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass mit einer Insolvenzsicherung grundsätzlich ein Liquiditätsabfluss verbunden ist. Auch dies durfte die Einigungsstelle bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen. Bei ihrer Entscheidung, wie die Arbeitszeiten im Betrieb der Arbeitgeberin zu flexibilisieren sind, konnte schließlich auch die schlechte Termintreue der Kunden und das Problem der jahreszeitbedingten Auslastungsschwankungen berücksichtigt werden. Auch dies ist nicht ermessenfehlerhaft. Welche finanziellen Schwierigkeiten der Arbeitgeberin den Abschluss einer Insolvenzsicherung unabweisbar gemacht haben sollen, wird vom Betriebsrat auch nicht konkret vorgetragen.

bb) Der Betriebsrat rügt auch zu Unrecht, dass die Einigungsstelle sich mit der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht in ausreichender Weise befasst habe. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Rahmen der Einigungsstellenverhandlung vom 28.07.2005 vom Einigungsstellenvorsitzenden ausführlich in die Bilanzzahlen der Arbeitgeberin Einblick genommen wurde. Für die Begutachtung der betriebswirtschaftlichen Zahlen und Auswertungen der Arbeitgeberin wurde ein nicht unerheblicher Zeitraum der Einigungsstellenverhandlung verwendet.

cc) Auch der Vorwurf des Betriebsrates, die Arbeitnehmerinteressen seien bei dem Spruch der Einigungsstelle vom 28.07.2005 nicht ausreichend berücksichtigt worden, ist unzutreffend. Zu Recht verweist die Arbeitgeberin darauf, dass die Einigungsstelle nicht den Betriebsvereinbarungsentwurf der Arbeitgeberin zum Spruch gestellt habe. Unstreitig sieht der Spruch der Einigungsstelle nämlich vor, dass etwa das Zeitkonto im positiven Bereich auf 100 Stunden begrenzt worden ist, wobei der Betriebsvereinbarungsentwurf der Arbeitgeberin ein Zeitkonto von 120 Stunden vorgesehen hatte.

dd) Schließlich kann auch die Verlängerung der Kündigungsfrist der Betriebsvereinbarung auf ein Jahr und die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Nachwirkungsregelung nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Angesichts des vorgesehenen Ausgleichszeitraumes gemäß Ziffer 9 der Betriebsvereinbarung erscheint es angemessen, auch für die Kündigung der Betriebsvereinbarung eine Kündigungsfrist von einem Jahr - zum 31.07. eines jeden Jahres - sowie eine Nachwirkungsregelung vorzusehen. Die Arbeitgeberin hat unwidersprochen vorgetragen, dass aufgrund der nachwirkungsfreien Vereinbarung der Vorgängerbetriebsvereinbarung für die Arbeitgeberin eine Situation eingetreten war, aufgrund derer die Arbeitgeberin erhebliche Probleme hatte, entsprechende Mehrarbeit erbringen zu können.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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