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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.09.2001
Aktenzeichen: 10 TaBV 52/01
Rechtsgebiete: BetrVG, GG


Vorschriften:

BetrVG § 103 Abs. 1
BetrVG § 23 Abs. 1
BetrVG § 79 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 5 Abs. 2 Nr. 5
GG Art. 5 Abs. 1
1. § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG findet keine Anwendung auf Mitarbeiter, die in einem eheähnlichen Verhältnis oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

2. Ob § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG auch auf Familienangehörige von Mitgliedern des zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organs einer juristischen Person Anwendung findet, bleibt offen.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 TaBV 52/01

Verkündet am: 21.09.2001

In dem Beschlussverfahren

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgrund der mündlichen Anhörung vom 21.09.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum sowie die ehrenamtlichen Richter Schöneberg und R. Schmidt

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 01.02.2001 - 4 BV 26/00 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Im vorliegenden Beschlussverfahren begehrt der antragstellende Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates, des Antragsgegners, zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Ferner verlangt er den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat.

Der Arbeitgeber ist eine Tochtergesellschaft der P1xxxxxxxx-K1xxxx D4xxxxxxxxx GmbH, für die ein Aufsichtsrat, der am 28.12.1998 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten ist, bestellt ist. Er betreibt in H1xxx eine Klinik, in der derzeit ca. 260 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Antragsgegner ist der im Betrieb des Arbeitgebers gewählte Betriebsrat, der aus sieben Personen besteht.

Der am 33.01.13xx geborene Beteiligte zu 3) ist verheiratet. Seit dem 17.12.1973 ist er beim Antragsgegner bzw. seinen Rechtsvorgängern als Maler zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 4.396,52 DM tätig. Seit ca. 25 Jahren ist er mit kurzen Unterbrechungen Vorsitzender des seinerzeit bestehenden Personalrats sowie des heutigen Betriebsrates.

Ende September/Anfang Oktober 2000 erhielt der Betriebsrat drei an die frühere, zum 01.04.1996 beim Arbeitgeber eingestellte Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx gerichtete Schreiben vom 04.12.1996, 30.04.1998 und 12.01.1999 (Bl. 154 f. d.A.). Diese Schreiben verhielten sich über die Zahlung einer Zulage an die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Vergütungsgruppen IV a und III BAT sowie über Einmalzahlungen in Höhe von 2.500,00 DM bzw. 3.000,00 DM. Ob diese Schreiben aus der Personalakte der Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx stammen, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Zeitgleich erhielt auch die Gewerkschaft Ö1x L1xxxxxxxxx diese Schreiben anonym zugeleitet.

Die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx war die damalige Lebensgefährtin des bis zum 29.02.2000 amtierenden Geschäftsführers und Verwaltungsdirektors des Arbeitgebers und des jetzigen Finanzdirektors der Muttergesellschaft, Herrn B7xxxxx. Herr B7xxxxx und Frau S8xxxxxx-H4xxxxx haben am 21.05.1999 die Ehe geschlossen.

Zum 30.09.2000 schied Frau B7xxxxx, geborene S8xxxxxx-H4xxxxx, aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber aus.

In seiner Betriebsratssitzung vom 04.10.2000 legte der Betriebsrat das weitere Vorgehen hinsichtlich der ihm anonym zugeleiteten Schriftstücke fest. Auf den Inhalt des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 04.10.2000 (Bl. 77 f. d.A.) wird Bezug genommen.

In Ausführung dieses Betriebsratsbeschlusses führte der Beteiligte zu 3) am 16.10.2000 ein Gespräch mit dem Verwaltungsleiter des Arbeitgebers, Herrn P3xxxxx. Ob und in welcher Weise Herr P3xxxxx über das weitere Vorgehen des Betriebsrates informiert wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 19.10.2000 fand im Betrieb des Arbeitgebers eine Betriebsversammlung statt, an der auch der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Muttergesellschaft, Herr S9xxxxxxx, teilnahm. Auf dieser Betriebsversammlung vom 19.10.2000 berichtete der Beteiligte zu 3) ohne Namensnennung und ohne Erwähnung von Beträgen im Einzelnen über die Vorgänge, indem er Ausführungen zur angeblichen Ungleichbehandlung zuzeiten des früheren Geschäftsführers B7xxxxx und zur Verletzung von Bestimmungsrechten des Betriebsrates machte. Ferner übergab er Kopien der dem Betriebsrat anonym zugeleiteten Schriftstücke an den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, Herrn S9xxxxxxx, nachdem er zuvor von diesem und von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Betriebsrates die Auskunft erhalten hatte, ein solches Vorgehen sei rechtlich unbedenklich.

Mit Schreiben vom 26.10.2000 (Bl. 157 f. d.A.) bat der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Der Betriebsrat lehnte dieses Begehren am 30.10.2000 ab und teilte dies mit Schreiben vom 30.10.2000 (Bl. 193 d.A.) dem Arbeitgeber mit.

Daraufhin beantragte der Arbeitgeber mit dem am 01.11.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) und machte mit Schriftsatz vom 20.11.2000 auch den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat geltend.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Beteiligte zu 3) habe durch sein Verhalten in grober Weise gegen seine arbeitsvertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen. Unterlagen aus der Personalakte von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx habe er nicht ohne Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht weitergeben dürfen, auch nicht an den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Dieser habe mit personellen Angelegenheiten beim Arbeitgeber nichts zu tun. Für Personalangelegenheiten im Betrieb des Arbeitgebers sei der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht zuständig. Zum Zeitpunkt der Zuwendungen an die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx habe der Aufsichtsrat zudem überhaupt noch nicht bestanden.

Der Arbeitgeber hat behauptet, der Beteiligte zu 3) habe das weitere Vorgehen des Betriebsrates gegenüber dem Verwaltungsdirektor P3xxxxx auch nicht angekündigt. Er habe auch nicht geäußert, welche Bedeutung er diesen Unterlagen beimessen wolle. Insoweit habe auch kein Gespräch mit dem Verwaltungsdirektor P3xxxxx stattgefunden. Herr P3xxxxx sei lediglich über den Vorgang informiert worden.

Aufgrund der Ausführungen des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 habe im Übrigen allen Anwesenden klar sein müssen, um welche Person es sich gehandelt habe. Aufgrund der Ausführungen des Beteiligten zu 3) habe bei keinem anwesenden Betriebsangehörigen Zweifel an der gemeinten Person der Begünstigten aufkommen können. Das Verhalten des Beteiligten zu 3) habe allein dem Ziel dienen sollen, dem jetzigen Finanzdirektor der Muttergesellschaft zu schaden, der einzige Zweck seines Vorgehens sei die Schädigung des Ansehens und des Rufes von Herrn B7xxxxx gewesen.

Die dem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat übergebenden Schreiben seien auch nicht anonymisiert gewesen. Sie hätten Adresse und Absender enthalten. Auch hieraus ergebe sich, dass es dem Beteiligten zu 3) allein darum gegangen sei, den damaligen Geschäftsführer B7xxxxx einer rechtswidrigen Vorteilgewährung zu Gunsten seiner späteren Ehefrau zu bezichtigen. Unrichtig sei auch, dass lediglich Frau S8xxxxxx-H4xxxxx Zulagen erhalten habe. Es seien auch einer Reihe von weiteren Mitarbeitern Zulagen sowie Einmalzahlungen gewährt worden, um damit Leistungen und besondere Leistungsbereitschaften zu honorieren. Dies sei auch dem Betriebsrat bekannt gewesen.

Schließlich, so hat der Arbeitgeber gemeint, sei der Betriebsrat für die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx auch gar nicht zuständig gewesen. Frau S8xxxxxx-H4xxxxx unterfalle nämlich dem Privileg des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG. Bei Zahlungen an Frau S8xxxxxx-H4xxxxx hätte der Betriebsrat nicht beteiligt werden müssen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

1. die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes und Beteiligten H2xx B4xxxxxxxx, geboren am 33.01.13xx, H3xxxxx S2x. 81, 53xxx I1xxxxxx-L2xxxxxx, zu ersetzen,

2. das Betriebsratsmitglied H2xx B4xxxxxxxx, geboren am 33.01.13xx, H3xxxxx S2x. 81, 53xxx I1xxxxxx-L2xxxxxx, aus dem Betriebsrat der P1xxxxxxxx-K1xxxx H1xxx GmbH auszuschließen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) haben beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, dem Beteiligten zu 3) könne kein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten zur Last gelegt werden. Nicht der Betriebsrat oder dessen Vorsitzender habe sich rechtswidrig verhalten, sondern allenfalls der ehemalige Geschäftsführer des Arbeitgebers durch übertarifliche Zulagen, von denen der Betriebsrat nichts gewusst habe. Die an Frau S8xxxxxx-H4xxxxx gerichteten Schreiben vom 04.12.1996, 30.04.1998 und 12.01.1999 seien dem Betriebsrat ebenso wie der ÖTV anonym zugeleitet worden. Ob es sich dabei um Unterlagen aus den Personalakten von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx handele, könne der Betriebsrat nicht sagen und dies nur mit Nichtwissen bestreiten. Der Betriebsrat habe keinen Zugang zu den Personalakten, schon gar nicht zu den Personalakten von inzwischen ausgeschiedenen Mitarbeitern.

Der Betriebsratsvorsitzende habe durch sein Verhalten lediglich die am 04.10.2000 auf der Betriebsratssitzung einstimmig beschlossenen Beschlüsse umgesetzt. Insoweit sei der Verwaltungsdirektor P3xxxxx vom Betriebsratsvorsitzenden informiert worden. Die Verwaltungsleitung habe jedoch hierauf keinerlei Reaktion gezeigt und auch keine Aufklärung des Vorfalles zugesagt. Auch auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 habe der Betriebsratsvorsitzende lediglich die auf der Betriebsratssitzung vom 04.10.2000 abgestimmte Vorgehensweise durchgeführt. Ein Verstoß gegen § 79 Abs. 1 BetrVG könne hierin nicht gesehen werden. Insbesondere habe der Beteiligte zu 3) seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt, sondern lediglich Missstände im Betrieb aufgedeckt.

Durch Beschluss vom 01.02.2001 hat das Arbeitsgericht die Anträge des Arbeitgebers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Beteiligten zu 3) keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, sondern lediglich eine Amtspflichtverletzung vorgeworfen werde. Aber auch eine Amtspflichtverletzung, die zum Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat hätte führen können, liege nicht vor. Insbesondere habe der Beteiligte zu 3) nicht in grober Weise seine Verschwiegenheitspflicht nach § 79 Abs. 1 BetrVG verstoßen. Die sich aus den dem Betriebsrat anonym zugeleiteten Schreiben ergebenden Lohn- und Gehaltsdaten von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx seien schon keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse im Sinne des § 79 Abs. 1 BetrVG. Gegenüber dem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sei der Betriebsrat nach § 79 Abs. 1 Satz 4 BetrVG nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auch das Verhalten des Beteiligten zu 3) während der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 stelle keine grobe Pflichtverletzung dar. In Ausführung des Betriebsratsbeschlusses vom 04.10.2000 sei es dem Beteiligten zu 3) nicht verwehrt gewesen, die ihm anonym zugeleiteten Vorgänge auf der Betriebsversammlung zu thematisieren. Die ehemalige Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx sei auch nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG entzogen gewesen. Frau S8xxxxxx-H4xxxxx sei nämlich seinerzeit nicht Ehegattin des damaligen Geschäftsführers des Arbeitgebers gewesen. Ehegatte sei nicht derjenige, der mit dem Arbeitgeber in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebe.

Gegen den dem Arbeitgeber am 26.03.2001 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am 26.04.2001 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 11.06.2001 mit dem am 11.06.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Arbeitgeber nach wie vor der Auffassung, dass der Beteiligte zu 3) in grober Weise seine arbeitsvertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verletzt habe. Die an Frau S8xxxxxx-H4xxxxx gerichteten Schreiben, die nicht anonymisiert gewesen seien, habe er nicht weitergeben dürfen. Lohn- und Gehaltsdaten seien geborene Geheimnisse und unterlägen auch ohne ausdrückliche Hinweise des Arbeitgebers der Geheimhaltungspflicht.

Der Beteiligte zu 3) habe über den Vorgang auch kein Gespräch mit dem Verwaltungsleiter P3xxxxx gesucht, sondern diesem lediglich am 16.10.2000 zur Kenntnis gebracht, dass dem Betriebsrat anonyme Schreiben über die Vergütung von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx zugegangen seien. Gegenüber dem Verwaltungsleiter sei auch nicht mitgeteilt worden, dass der Betriebsrat bereits am 04.10.2000 über das weitere Vorgehen Beschlüsse gefasst habe und dass auf der Betriebsversammlung darüber gesprochen werden solle. Auch um weitere Aufklärung habe der Betriebsrat sich in dem Gespräch mit dem Verwaltungsleiter P3xxxxx nicht bemüht.

Dem Betriebsrat sei es nicht um Nachprüfung der Gewährung von Zulagen und Einmalzahlungen gegangen, sondern allein darum, die Integrität des ehemaligen Geschäftsführers Herrn B7xxxxx in Zweifel zu ziehen. Dies ergebe sich auch daraus, dass aufgrund der Ausführungen des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 der Vorwurf der Bevorteilung von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx jedermann deutlich geworden sei. Insoweit habe der Betriebsratsvorsitzende I2xxxxx, die sich in der Personalakte von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx befunden hätten, an Dritte preisgegeben.

Ferner habe der Betriebsrat die Unterlagen, die er rechtsgrundlos und auch auf äußert zweifelhaftem Wege erlangt habe, auch nicht an den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat weitergeben dürfen. Auch dieses Verhalten sei durch § 79 BetrVG nicht gedeckt. Im Übrigen fielen die Zeiträume, die durch die drei angeblich anonym zugeleiteten Schreiben erfasst seien, nicht in den Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrates, da dieser erst zu einem viel späteren Zeitpunkt begründet worden sei.

Schließlich liege in der Gewährung von zusätzlichen Leistungen auch kein Verstoß gegen das Betriebsverfassungsrecht. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG finde nämlich das Betriebsverfassungsrecht für das Arbeitsverhältnis von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx keine Anwendung, der Betriebsrat sei hierfür nicht zuständig gewesen. Frau S8xxxxxx-H4xxxxx habe nämlich bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit beim Arbeitgeber in eheähnlicher Gemeinschaft mit dem damaligen Geschäftsführer B7xxxxx gelebt. Noch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses sei die Ehe geschlossen worden. All dies sei dem Betriebsrat bekannt gewesen.

Der Arbeitgeber beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 01.02.2001 - 4 BV 26/00 -

1. die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes und Beteiligten H2xx B4xxxxxxxx, geboren am 33.01.13xx, H3xxxxx S2x. 81, 53xxx I1xxxxxx-L2xxxxxx, zu ersetzen,

2. das Betriebsratsmitglied H2xx B4xxxxxxxx, g1xxxxx am 33.01.13xx, H3xxxxx S2x. 81, 53xxx I1xxxxxx-L2xxxxxx aus dem Betriebsrat der P1xxxxxxxx-K1xxxx H1xxx GmbH auszuschließen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen den Beschluss des Arbeitsgerichts.

Sie weisen erneut darauf hin, dass der Betriebsrat die drei an Frau S8xxxxxx-H4xxxxx gerichteten Schreiben anonym zugeleitet erhalten habe. Ob es sich dabei um Unterlagen aus der Personalakte von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx handele, werde mit Nichtwissen bestritten.

Das Vorgehen des Betriebsratsvorsitzenden im Zusammenhang mit diesen anonym zugeleiteten Unterlagen sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beteiligte zu 3) habe keine Geheimnisse preisgegeben. Auf der Betriebsversammlung habe er weder Namen noch die Funktion des Zuwendungsempfängers genannt. Auch die Weitergabe der Unterlagen an den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sei nicht rechtswidrig. Ob der Aufsichtsrat zum Zeitpunkt der Vorgänge bereits im Amt gewesen sei, sei unerheblich. Im Übrigen habe der Betriebsratsvorsitzende lediglich die auf der Betriebsratssitzung vom 04.10.2000 gefassten Beschlüsse umgesetzt. Weder dem Betriebsratsvorsitzenden noch den übrigen Betriebsratsmitgliedern sei es darum gegangen, die Integrität des damaligen Geschäftsführers B7xxxxx in Zweifel zu ziehen. Dem Betriebsrat sei es allein um die Einhaltung seiner Mitbestimmungsrechte gegangen.

Die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes seien auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis von Frau S8xxxxxx-H4xxxxx anwendbar. Frau S8xxxxxx-H4xxxxx sei zu keinem Zeitpunkt die Ehefrau des Arbeitgebers gewesen, sondern allenfalls die Ehefrau des Geschäftsführers des Arbeitgebers. Dass auf das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes anwendbar seien, ergebe sich auch bereits aus dem Beschlussverfahren 5 BV 9/96 Arbeitsgericht Iserlohn. Ob und wie lange Frau S8xxxxxx-H4xxxxx mit dem Geschäftsführer B7xxxxx möglicherweise in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt habe, habe der Betriebsrat nicht gewusst. Irgendein Fehlverhalten könne dem Betriebsratsvorsitzenden und Beteiligten zu 3) nicht angelastet werden.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die nach den §§ 87, 89, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Anträge des Arbeitgebers als unbegründet zurückgewiesen.

I.

Die Anträge des Arbeitgebers sind nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1, 81 ArbGG zulässig.

Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit nach § 103 Abs. 2 BetrVG bzw. § 23 Abs. 1 BetrVG streitig.

Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis der Verfahrensbeteiligten ergibt sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG i.V.m. den §§ 23 Abs. 1, 103 Abs. 2 BetrVG. Das betroffene Betriebsratsmitglied kann als Beteiligter auch selbständig nach § 87 Abs. 1 ArbGG Beschwerde einlegen, selbst wenn der Betriebsrat eine entsprechende gerichtliche Entscheidung hinnimmt (BAG, Beschluss vom 10.12.1992 - AP Nr. 4 zu § 87 ArbGG 1979; BAG, Beschluss vom 23.06.1993 - AP Nr. 2 zu § 83 a ArbGG 1979; LAG Köln, Beschluss vom 13.12.1984 - AP Nr. 22 zu § 103 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 22. Aufl. 2000, § 103 Rz. 27 b; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 7. Aufl. 2000, § 103 Rz. 52 m.w.N.).

Für die vom Arbeitgeber gestellten Anträge fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Der Arbeitgeber kann die Anträge auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zugleich mit dem Antrag auf Ausschluss des Betriebsratsmitglieds kumulativ oder hilfsweise verbinden. Liegt nach Ansicht des Arbeitgebers im Verhalten des Betriebsratsmitglieds nicht nur eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, sondern zugleich auch eine Verletzung von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, so kann der Arbeitgeber neben dem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 103 Abs. 2 BetrVG auch einen Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG stellen. Insoweit ist es zulässig, den Antrag auf Zustimmungsersetzung als Hauptantrag und den Antrag auf Ausschluss als Hilfsantrag zu stellen. Diese Anträge können aber auch kumulativ verbunden werden. Unter Umständen kann nämlich eine grobe Verletzung der Pflichten des Betriebsratsmitglieds zugleich auch eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen. In einem derartigen Fall hat der Arbeitgeber die Wahl, welche Anträge er stellt. Dafür fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 23 Rz. 22; Wiese/Oetker, GK-BetrVG, 6. Aufl. 1998, § 23 Rz. 72 f.; Richardi, BetrVG, 7. Aufl. 1998, § 23 Rz. 44; andere Auffassung: Däubler/Kittner/Klebe/Trittin, a.a.O., § 23 Rz. 35).

II.

Der Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers ist ebenso wenig begründet wie der Ausschließungsantrag.

1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) nicht ersetzt.

a) Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrates der Zustimmung des Betriebsrates. Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG hat der Arbeitgeber dann einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB voraus; es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BAG, Beschluss vom 22.08.1974 - AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 27.01.1977 - AP Nr. 7 zu § 103 BetrVG; zuletzt: BAG, Beschluss vom 10.02.1999 - AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969; BAG, Beschluss vom 20.01.2000 - AP Nr. 40 zu § 103 BetrVG 1972 m.w.N.).

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Vorliegens des § 626 Abs. 1 BGB ist festzustellen, ob es sich um eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten handelt oder ob zugleich eine Amtspflichtverletzung vorliegt. In aller Regel kann nämlich nur die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten zu einer außerordentlichen Kündigung führen. Eine Amtspflichtverletzung eines Betriebsratsmitglieds rechtfertigt allenfalls seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten. Nur wenn durch die Amtspflichtverletzung zugleich das konkrete Arbeitsverhältnis unmittelbar und erheblich beeinträchtigt wird, ist eine außerordentliche Kündigung zulässig (BAG, Urteil vom 20.12.1961 - AP Nr. 16 zu § 13 KSchG; BAG, Urteil vom 26.01.1962 - AP Nr. 8 zu § 626 BGB Druckkündigung; BAG, Urteil vom 22.08.1974 - AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 16.10.1986 - AP Nr. 95 zu § 626 BGB; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 103 Rz. 18 d; Däubler/Kittner/Klebe, a.a.O., § 103 Rz. 27; Wiese/Oetker, a.a.O., § 23 Rz. 19 ff.; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl. 2000, § 143 Rz. 25; KR-Etzel, 5. Aufl. 1998, § 15 KSchG Rz. 25 ff.; APS/Böck, § 15 KSchG Rz. 130 ff., 133; Berkowski, MünchArbR, 2. Aufl. 2001, § 153 Rz. 42; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl. 1999, Rz. 1000; Hanau/Kania, ErfK, 2. Aufl. 2001, § 103 BetrVG Rz. 12 m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dem Arbeitgeber für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur Verfügung steht. Der Arbeitgeber rügt nämlich ausschließlich ein Verhalten des Beteiligten zu 3), das im Zusammenhang mit der Führung der betriebsverfassungsrechtlichen Amtspflichten des Beteiligten zu 3) steht. Bei den vom Arbeitgeber beanstandeten Verhaltensweisen hat der Beteiligte zu 3) ausschließlich in seiner Funktion als Vorsitzender des Betriebsrates und nicht als Arbeitnehmer gehandelt. Dies gilt sowohl für die vom Arbeitgeber gerügte Weitergabe der dem Betriebsrat zugeleiteten Unterlagen betreffend die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx wie auch für das Verhalten des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung. In beiden Fällen ist nicht der Beteiligte zu 3) in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender tätig geworden.

Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers geht in keiner Weise hervor, inwieweit sich die behaupteten Amtspflichtverletzungen zugleich unmittelbar und erheblich auf das konkrete Arbeitsverhältnis des Beteiligten zu 3) als Maler zum Arbeitgeber auswirken. Die Beschwerdekammer kann die Ausführungen des Arbeitsgerichts hierzu nur in vollem Umfang bestätigen.

2. Auch der Ausschließungsantrag des Arbeitgebers ist unbegründet.

a) Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann auf Antrag des Arbeitgebers ein Mitglied aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten ausgeschlossen werden.

Eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG liegt nur dann vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung zu beurteilen. Ein grober Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten kann nur dann angenommen werden, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint (BAG, Beschluss vom 02.11.1955 - AP Nr. 1 zu § 23 BetrVG; BAG, Beschluss vom 05.09.1967 - AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG; BAG, Beschluss vom 21.02.1978 - AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 22.06.1993 - AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972; Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, a.a.O., § 23 Rz. 14; Däubler/Kittner/Klebe/Trittin, a.a.O., § 23 Rz. 10; Wiese/Oetker, a.a.O., § 23 Rz. 35 m.w.N.). Dabei setzt die Verletzung von gesetzlichen Pflichten im Regelfall ein schuldhaftes Verhalten des Betriebsratsmitglieds im Sinne eines groben Verschuldens voraus, es muss also vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen sein (BAG, Beschluss vom 21.02.1978 - AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972 (unter II 2 e der Gründe); LAG Berlin, Beschluss vom 17.03.1988 - BB 1988, 1045; LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.1992 - LAGE § 611 BGB Abmahnung Nr. 33; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 23 Rz. 16; Däubler/Kittner/Klebe/Trittin, a.a.O., § 23 Rz. 13; einschränkend: Wiese/Oetker, a.a.O., § 23 Rz. 37).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem Beteiligten zu 3) eine grobe Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

aa) In der Weitergabe der dem Betriebsrat anonym zugeleiteten Unterlagen über die Zahlungen an die ehemalige Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx und in dem Verhalten des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 liegt schon kein Verstoß gegen die einem Betriebsratsmitglied nach § 79 Abs. 1 BetrVG obliegende Geheimhaltungspflicht.

Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind unter anderem die Mitglieder des Betriebsrates verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.

Hieraus folgt zwar, dass ein Betriebsrat grundsätzlich nicht zur Weitergabe von Gehaltslisten an außerbetriebliche Stellen befugt ist (BAG, Beschluss vom 22.05.1959 - AP Nr. 3 zu § 23 BetrVG). Richtig ist auch, dass grundsätzlich eine Verletzung der Schweigepflicht, wenn sie wiederholt erfolgt oder schwerwiegende Folgen hat, als grobe Pflichtverletzung angesehen werden kann (BAG, Beschluss vom 05.09.1967 - AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG; Fitting/Auffahrt/ Kaiser/Heither, a.a.O., § 23 Rz. 19; Däubler/Kittner/Klebe/Trittin, a.a.O., § 23 Rz. 19; Schaub, a.a.O., § 219 Rz. 21 m.w.N.). Das Arbeitsgericht hat aber den Arbeitgeber im angefochtenen Beschluss schon zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei den dem Betriebsrat anonym zugeleiteten Unterlagen nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gehandelt hat, auch wenn diese Lohn- und Gehaltsdaten der ehemaligen Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx enthielten. Lohn- und Gehaltsdaten sind allgemein keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 79 Rz. 4; Däubler/Kittner/Klebe/Buschmann, a.a.O., § 79 Rz. 10). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Gehaltsdaten weitgehend mit den Produktionskosten identisch und von daher wesentlicher Kalkulationsfaktor der Gesamtkosten sind (BAG, Beschluss vom 26.02.1987 - AP Nr. 2 zu § 79 BetrVG 1972). Hierfür hat der Arbeitgeber auch nicht ansatzweise nachvollziehbare Anhaltspunkte vorgetragen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber vorliegend in keiner Weise dargelegt, dass er gegenüber dem Betriebsrat den Inhalt der dem Betriebsrat zugeleiteten Unterlagen als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat. Die an die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx geleisteten Einmalzahlungen und die Zahlung einer Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen der Vergütungsgruppe IV a und III BAT stellen kein formelles Geheimnis im Sinne des § 79 Abs. 1 Satz 1 dar. Fehlt es an einer derartigen Erklärung seitens des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat, entfällt die Geheimhaltungspflicht (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 79 Rz. 5; Däubler/Kittner/Klebe/ Buschmann, a.a.O., § 79 Rz. 11 m.w.N.). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers ergibt sicht nicht, dass er den Betriebsrat ausdrücklich und eindeutig darauf hingewiesen hat, dass über die streitige Angelegenheit, insbesondere über den Inhalt der dem Betriebsrat zugeleiteten Unterlagen als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis zu betrachten und darüber stillschweigend zu wahren ist. Auch der Verwaltungsleiter P3xxxxx hat dies nach dem Vorbringen des Arbeitgebers im Gespräch mit dem Beteiligten zu 3) vom 16.10.2000 nicht getan.

bb) Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch darauf hingewiesen, dass auch die Weitergabe der streitigen Unterlagen an den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, Herrn S9xxxxxxx, keine Pflichtverletzung, und schon gar keine grobe Pflichtverletzung, darstellt. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind ausdrücklich von der Verschwiegenheitspflicht des Betriebsratsmitgliedes ausgenommen, § 79 Abs. 1 Satz 4 BetrVG. Ihnen gegenüber ist der Betriebsrat nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Der Arbeitgeber kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Befreiung von der Geheimhaltungspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat sich nicht auf Vorgänge aus der Zeit vor Gründung des Aufsichtsrates beziehe. § 79 Abs. 1 Satz 4 BetrVG enthält keine zeitliche Einschränkung. Ob und inwieweit der Betriebsrat solche Geheimnisse an den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat weitergibt, obliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 79 Rz. 20). Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es insoweit mindestens an einem schuldhaften Verhalten des Beteiligten zu 3) fehlt. Dieser hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dadurch walten lassen, dass er sich vor der Weitergabe der Unterlagen an den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat anwaltlichen Rat über die Rechtmäßigkeit seines Vorgehens eingeholt hat. Sein Verhalten kann insoweit nicht mehr als vorsätzlich oder grob fahrlässig eingestuft werden.

cc) Der Arbeitgeber kann dem Beteiligten zu 3) auch nicht zum Vorwurf machen, der Betriebsrat habe die Unterlagen, die ihm anonym zugeleitet worden sind, auf zweifelhafte Weise erlangt und sich nicht um entsprechende Aufklärung bemüht. In der Beschwerdebegründung wird vom Arbeitgeber ausgeführt, der Betriebsrat habe die vom Beteiligten zu 3) verwendeten Informationen rechtswidrig, zumindest aber rechtsgrundlos und auch auf äußerst zweifelhaftem Wege erlangt. Dieser Vorwurf enthält eine durch keinerlei Tatsachenvortrag begründete Unterstellung, die durch nichts gerechtfertigt ist. Der Betriebsrat hat von Anbeginn an darauf hingewiesen, dass ihm die Schreiben vom 04.12.1996, 30.04.1998 und vom 12.01.1999 anonym zugeleitet worden sind. Dies hat der Arbeitgeber nicht substantiiert bestritten. Soweit er darauf hinweist, die genannten Schreiben seien nicht anonymisiert gewesen, sondern enthielten Adressat und Absender, ist dies zwar richtig. Mit diesem Vorbringen hat der Arbeitgeber aber nicht bestritten, dass die genannten Schreiben dem Betriebsrat ebenso wie der ÖTV anonym zugeleitet worden sind.

Der Betriebsrat hat es entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers auch nicht an Aufklärungsbemühungen fehlen lassen. Noch zeitlich vor Abhaltung der Betriebsratsversammlung ist der Verwaltungsdirektor P3xxxxx von der fraglichen Angelegenheit durch den Beteiligten zu 3) informiert worden. Der Geschäftsleitung des Arbeitgebers kann es nicht verborgen geblieben sein, dass es dem Betriebsrat dabei um die Einhaltung von Mitbestimmungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz und die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Betrieb des Arbeitgebers ging. Nicht der Betriebsrat, sondern der Arbeitgeber war nach der Besprechung zwischen dem Beteiligten zu 3) und dem Verwaltungsdirektor P3xxxxx verpflichtet, die Angelegenheit weiter aufzuklären. Dadurch, dass der Beteiligte zu 3) den Verwaltungsdirektor über die Angelegenheit informiert hat, hatte der Betriebsrat zunächst das seinerseits Mögliche getan.

dd) Auch das Verhalten des Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 stellt keine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG dar.

Soweit der Arbeitgeber auch in der Beschwerdeinstanz darauf hinweist, dass es dem Betriebsrat nicht um die Nachprüfung der Gewährung von Zulagen und Einmalzahlungen gegangen sei, sondern allein darum, die Integrität des ehemaligen Geschäftsführers und derzeitigen Finanzdirektors der Muttergesellschaft in Zweifel zu ziehen und dessen Ansinnen und weitere berufliche Entwicklung zu diskreditieren, ist auch dieser Vorwurf durch keinerlei Tatsachenvorbringen belegt. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Beteiligte zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 weder Namen noch Beträge genannt hat. Nach § 80 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat verpflichtet, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. In Betriebs- oder Abteilungsversammlungen können nach den §§ 42, 45 BetrVG vor allem Fragen erörtert werden, die zum Aufgabenbereich des Betriebsrates gehören oder das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern betreffen. Hiernach ist der Betriebsrat sogar verpflichtet, auf Missstände im Betrieb, insbesondere auf tarifwidrige Umstände hinzuweisen und entsprechende Kritik zu üben. Dies ergibt sich mindestens aus dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG. Selbst unternehmensöffentliche Kritik an der Geschäftsführung ist für sich genommen weder ein Grund für eine außerordentliche Kündigung noch für einen Ausschluss aus dem Betriebsrat, auch wenn sie in zugespitzter oder provozierender Weise ausgeübt wird (LAG Berlin, Beschluss vom 17.03.1988 - BB 1988, 1045; LAG Hamburg, Beschluss vom 04.11.1996 - AuR 1997, 301). Die vom Beteiligten zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 an der Geschäftsleitung geübte Kritik hat der Arbeitgeber hinzunehmen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil nicht der Betriebsrat, sondern der Arbeitgeber die eigentliche Ursache der Störung gesetzt hat. Die Einmalzahlungen an die ehemalige Lebensgefährtin des ehemaligen Geschäftsführers des Arbeitgebers, die Mitarbeiterin Frau S8xxxxxx-H4xxxxx, sowie die Zahlung der Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen der Vergütungsgruppe IV a BAT und der Vergütungsgruppe III BAT sind ohne Beteiligung des Betriebsrates erfolgt. Ob hierin ein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt, konnte die Beschwerdekammer offen lassen. In jedem Falle war der Betriebsrat und dessen Vorsitzender berechtigt, diese Umstände auf der Betriebsversammlung betriebsöffentlich zu machen und ihnen nachzugehen. Dass der Beteiligte zu 3) auf der Betriebsversammlung darüber hinaus den Arbeitgeber oder den ehemaligen Geschäftsführer in grober Weise verunglimpft oder beleidigt hat, behauptet der Arbeitgeber selbst nicht.

Im Übrigen - auch hierauf hat das Arbeitsgericht den Arbeitgeber in dem angefochtenen Beschluss bereits hingewiesen - hat der Beteiligte zu 3) auf der Betriebsversammlung vom 19.10.2000 nichts anderes getan, als den einstimmig gefassten Beschluss des Betriebsrates vom 04.10.2000 umzusetzen. Hierzu war er nach § 26 Abs. 3 BetrVG verpflichtet.

c) Das Verhalten des Beteiligten zu 3) kann schließlich nicht deshalb als pflichtwidrig beurteilt werden, weil Zulagen und Einmalzahlungen an die ehemalige Lebensgefährtin des ehemaligen Geschäftsführers des Arbeitsgebers, Herrn B7xxxxx, an Frau S8xxxxxx-H4xxxxx, gezahlt worden sind.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers war die ehemalige Mitarbeiterin Frau S8xxxxxx-H4xxxxx nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG entzogen.

Hiernach gelten zwar unter anderem nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes der Ehegatte des Arbeitgebers, der mit diesem in häuslicher Gemeinschaft lebt. Die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx war zum Zeitpunkt der Zahlung der Zulagen und der Einmalzahlungen nicht Ehegattin des Arbeitgebers. Ob der ehemalige Geschäftsführer des Arbeitgebers, Herr B7xxxxx, als Arbeitgeber im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG angesehen werden kann, ob mit Arbeitgeber im Sinne dieser Bestimmung nur eine natürliche Person gemeint ist oder ob § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG auch auf Familienangehörige von Mitgliedern des zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organs einer juristischen Person entsprechend angewendet werden kann (vgl. einerseits: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 5 Rz. 112; Kraft, GK-BetrVG, a.a.O., § 5 Rz. 65; andererseits: Däubler/Kittner/Klebe/Trümner, a.a.O., § 5 Rz. 167 m.w.N.), konnte die Beschwerdekammer offen lassen. Zum Zeitpunkt der Zahlungen an die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx war diese mit dem ehemaligen Geschäftsführer des Arbeitgebers, Herrn B7xxxxx, jedenfalls noch nicht verheiratet. Die Eheschließung erfolgte erst am 21.05.1999. Damit gehörte die Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx nicht zu dem Personenkreis des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG. Personen, die zum Arbeitgeber in einem eheähnlichen Verhältnis stehen, fallen auch dann nicht unter Nr. 5 des § 5 Abs. 2 BetrVG, wenn sie in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommen sind (ArbG Köln, Beschluss vom 09.06.1976 - DB 1976, 2068; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 5 Rz. 112; Richardi, a.a.O., § 5 Rz. 154; Däubler/Kittner/Klebe/Trümner, a.a.O., § 5 Rz. 166; andere Auffassung: Kraft, a.a.O., § 5 Rz. 64). Der gegenteiligen Auffassung, die offenbar auch der Arbeitgeber vertritt, vermag die Beschwerdekammer nicht zu folgen. Das Bundesarbeitsgericht hat in vergleichbaren Fallgestaltungen in ständiger Rechtsprechung auch angesichts der Tatsache, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften heutzutage in vermehrtem Umfange anzutreffen sind, keine Gleichstellung des in häuslicher Gemeinschaft lebenden Lebensgefährten mit dem Ehegatten angenommen (BAG, Urteil vom 25.02.1987 - AP Nr. 3 zu § 52 BAT; BAG, Urteil vom 15.05.1997 - AP Nr. 12 zu § 29 BAT; BAG, Urteil vom 18.01.2001 - DB 2001, 1672). Diese Rechtsprechung, die auch das Bundesverwaltungsgericht vertritt (BVerwG, Urteil vom 19.06.1997 - NJW 1997, 3184), verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 GG. Sie ist auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (BVerfG, Beschluss vom 08.01.1998 - AP Nr. 26 zu Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie = NZA 1998, 547; BVerfG, Beschluss vom 01.04.1998 - AP Nr. 27 zu Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie) und auch nicht europarechtswidrig (EUGH, Urteil vom 17.02.1998 - AP Nr. 9 zu Art. 119 EG-Vertrag = NZA 1998, 301). Dieser Rechtsprechung ist auch für § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG zu folgen. Der abweichenden Meinung kann bereits angesichts des Wortlautes des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nicht gefolgt werden. Auch eine analoge Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG auf den Personenkreis der nichtehelichen Lebensgemeinschaften scheidet angesichts des eindeutigen Wortlauts aus. § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG enthält zwei Voraussetzungen für die Annahme des Nichtvorliegens einer Arbeitnehmereigenschaft, einmal das Ehe- und Verwandtschaftsverhältnis, zum anderen das Leben in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber. Beide Kriterien müssen nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes kumulativ vorliegen. In diesem Zusammenhang kann nicht unbeachtet bleiben, dass § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nach seinem Inkrafttreten trotz mehrfacher Änderungen - Gesetz vom 20.12.1988 (BGBl. I S. 2312) und Gesetz vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) - unverändert geblieben ist. Auch durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 28.07.2001 (BGBl. I S. 1852) hat § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG keine Änderung erfahren. Dieser Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nicht unberücksichtigt bleiben. Damit kann ein Ausschluss von Beteiligungsrechten des Betriebsrates in Angelegenheiten der ehemaligen Mitarbeiterin S8xxxxxx-H4xxxxx nicht angenommen werden.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, § 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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