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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.05.2002
Aktenzeichen: 10 TaBV 53/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 7
BetrVG § 8
BetrVG § 20
ArbGG § 85 Abs. 2
Ein gekündigter Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt ist und der nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erhoben hat, bleibt trotz fehlender aktiver Wahlberechtigung gleichwohl zum Betriebsrat wählbar.

Er ist berechtigt, zum Zwecke der Wahlwerbung den Betrieb zumindest zeitweise zu betreten.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 TaBV 53/02

Verkündet am: 06.05.2002

In dem Beschlussverfahren

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgrund der mündlichen Anhörung vom 06.05.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum sowie die ehrenamtlichen Richter Feldkamp und Kroll

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.04.2002 - 1 (8) BVGa 14/02 - abgeändert.

Unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wird dem Arbeitgeber aufgegeben, den Zugang des Antragstellers zum Betrieb des Arbeitgebers in D1xxxxxx, B1xxxxxxx H3xxxxx 32x - 33x, zum Zwecke der Wahlwerbung bis zu den Betriebsratswahlen am 16.05.2002 in der Zeit zwischen 5.00 Uhr und 13.30 Uhr für eine Gesamtdauer von maximal zwei Stunden zu dulden.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die genannte Verpflichtung wird dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter, angedroht.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten über den Zugang des Antragstellers zum Betrieb des Arbeitgebers, der Antragsgegnerin, zum Zwecke der Wahlwerbung.

Seit dem 01.07.1974 ist der Antragsteller als kaufmännischer Angestellter im Betrieb des Arbeitgebers bzw. dessen Rechtsvorgänger zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2.200,00 € tätig. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten wurde durch den Arbeitgeber am 08.08.2001 zum 28.02.2002 gekündigt. Hiergegen erhob der Antragsteller Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht - 1 Ca 5511/01 ArbG Dortmund -, über die noch nicht entschieden ist. Am 27.02.2002 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Antragsteller fristlos, unter anderem wegen angeblich unzutreffender Behauptungen in einem im Betrieb des Arbeitgebers erscheinenden Magazins für Arbeitnehmer. Gleichzeitig wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 27.02.2002 (Bl. 6 d.A.) mit sofortiger Wirkung Hausverbot erteilt. Auch gegen die außerordentliche Kündigung vom 27.02.2002 erhob der Antragsteller Kündigungsschutzklage - 1 Ca 1542/02 ArbG Dortmund -, über die noch nicht entschieden ist. Kammertermin in beiden Kündigungsrechtsstreitigkeiten steht beim Arbeitsgericht am 21.06.2002 an.

Im Betrieb des Arbeitgebers finden derzeit Betriebsratswahlen statt, ein Wahlvorstand wurde bestellt. Am 03.04.2992 wurde das Wahlausschreiben vom 02.04.2002 betriebsöffentlich ausgehängt (Bl. 9 d.A.). Danach finden die Betriebsratswahlen am 16.05.2002 statt.

Am 05.04.2002 stellte der Antragsteller, der nach dem 28.02.2002 nicht mehr im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt worden war, fest, dass er nicht in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 verzeichnet war. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 05.04.2002 (Bl. 58 d.A.) und mit Schreiben vom 10.04.2002 Einspruch ein. Dieser Einspruch wurde daraufhin mit Schreiben des Wahlvorstandes vom 10.04.2002 (Bl. 11 d.A. 10 TaBV 54/02 LAG Hamm), beim Antragsteller eingegangen am 12.04.2002, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller sei weder wählbar noch wahlberechtigt.

Mit dem am 17.04.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung - 9 BVGa 15/02 ArbG Dortmund - machte der Antragsteller daraufhin seine Aufnahme in die Wählerliste geltend.

Bereits am 08.04.2002 wurde beim Wahlvorstand unter dem Kennwort "A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team)" eine Wahlvorschlagsliste eingereicht. Auf dieser Wahlvorschlagsliste (Bl. 59 d.A.) war der Antragsteller unter Nr. 1 als Listenführer aufgeführt. Dieser Wahlvorschlagsliste waren 90 Stützunterschriften (Bl. 60 ff. d.A.) beigefügt. Mit Schreiben vom 10.04.2002 (Bl. 63 d.A.) lehnte der Wahlvorstand diese Wahlvorschlagsliste mit der Begründung ab, dass die Vorschlagsliste die Stützunterschrift eines nicht Wahlberechtigten, nämlich des Antragstellers, enthalte und der Antragsteller nicht wählbar sei.

Daraufhin wurde eine neue Wahlvorschlagsliste mit 45 Stützunterschriften (Bl. 64 ff. d.A.) erstellt, die den gerügten Mangel nicht mehr enthielt. Diese neue Vorschlagsliste wurde dem Wahlvorstand am 15.04.2002 überreicht.

Da der Wahlvorstand eine Stellungnahme zu der neu vorgelegten Wahlvorschlagsliste nicht abgab, machte der Antragsteller am 17.04.2002 im Wege der einstweiligen Verfügung auch die Zulassung der Wahlvorschlagsliste A.S.T (Arbeitnehmer-Service-Team) für die Betriebsratswahl am 16.05.2002 geltend - 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund -.

Wegen der beabsichtigten Kandidatur zur Betriebsratswahl hatte der Antragsteller bereits am 04.04.2002 beim Arbeitsgericht das vorliegende Verfahren eingeleitet und im Wege der einstweiligen Verfügung den Zugang zum Betrieb des Arbeitgebers zum Zwecke der Wahlwerbung geltend gemacht - 1 BVGa 14/02 ArbG Dortmund -. Termin zur mündlichen Verhandlung wurde in diesem Verfahren auf den 17.04.2002 bestimmt.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf Zugang zum Betrieb zwecks Wahlwerbung zu.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. der Antragsgegnerin aufzugeben, im Wege der einstweiligen Verfügung den Zugang des Antragstellers zum Betrieb zum Zwecke der Wahlwerbung zu den betriebsüblichen Arbeitszeiten zu dulden,

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft der gesetzlichen Vertreter anzudrohen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dem Antragsteller könne kein uneingeschränkter Zutritt zum Betrieb zum Zwecke der Wahlwerbung gewährt werden, weil er entgegen seiner Behauptung kein Wahlbewerber sei. Er sei weder in die Wählerliste aufgenommen worden noch sei die Liste A.S.T. bisher vom Wahlvorstand zugelassen worden. Im Übrigen habe der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu Recht fristlos gekündigt.

Durch Beschluss vom 17.04.2002 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass zwar auch ein gekündigter Arbeitnehmer, auch wenn er grundsätzlich nicht aktiv wahlberechtigt sei, gleichwohl zum Betriebsrat wählbar sei. Der Antragsteller könne jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als Wahlbewerber gelten, weil die Vorschlagsliste, die ihn benenne, vom Wahlvorstand als unzulässig zurückgewiesen und eine Entscheidung über die Zulassung der Liste noch nicht getroffen worden sei. Insoweit sei das vom Antragsteller eingeleitete Zulassungsverfahren gegen den Wahlvorstand vorrangig.

Durch Beschluss vom 24.04.2002 - 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund - hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der ursprünglich vom Wahlvorstand gerügte Mangel sei inzwischen beseitigt. Auch ein gekündigter Arbeitnehmer, der Kündigungsschutzklage erhoben habe, gelte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als passiv wählbar. Auch ein Verfügungsgrund sei gegeben, weil der Wahlvorstand seiner Verpflichtung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung, die Vorschlagliste unverzüglich zu prüfen, nicht nachgekommen sei. Dem Antragsteller könne die ordnungsgemäße Teilnahme an der Wahl und die erforderliche Wahlwerbung durch das Verhalten des Wahlvorstandes nicht unmöglich gemacht werden.

Mit Schreiben vom 26.04.2002 (Bl. 71 d.A.) teilte der Wahlvorstand mit, dass er die am 15.04.2002 eingereichte Wahlvorschlagsliste zur Betriebsratswahl nicht zulasse. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei nicht passiv wahlberechtigt, man stütze sich "auf einige Stimmen in der Literatur". Im Übrigen sei die Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.04.2002 noch nicht rechtskräftig.

Durch Beschluss vom 29.04.2002 - 9 BVGa 15/02 ArbG Dortmund - hat das Arbeitsgericht schließlich die Anträge auf Aufnahme des Antragstellers in die Wählerliste mit der Begründung zurückgewiesen, dem Antrag fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsteller wollten lediglich das passive Wahlrecht des Antragstellers durchsetzen, die Eintragung in die Wählerliste sei aber nicht konstitutive Voraussetzung für das passive Wahlrecht des Antragstellers. Dieses passive Wahlrecht sei auch dann gegeben, wenn der betroffene Mitarbeiter nicht in die Wählerliste eingetragen sei.

Gegen den dem Antragsteller am 22.04.2002 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts vom 17.04.2002 - 1 (8) BVGa 14/02 -, auf dessen Gründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Antragsteller am 29.04.2002 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Auch gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 29.04.2002 - 9 BVGa 15/02 ArbG Dortmund -, der den Antragstellern am 30.04.2002 zugestellt worden ist, wurde am 02.05.2002 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese sogleich begründet.

Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.04.2002 - 1 BVGa 16/02 -, mit dem die Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) zugelassen worden ist, wurde bislang nicht eingelegt.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist der Antragsteller nach wie vor der Auffassung, ihm stehe ein Zugangsrecht zum Betrieb des Arbeitgebers zum Zwecke der Wahlwerbung zu. Inzwischen habe das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 24.04.2002 die Liste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) zugelassen. Das Zugangsrecht bestehe auch einem gekündigten Wahlbewerber, der Kündigungsschutzklage erhoben habe, zu. Der Antragsteller sei passiv wahlberechtigt. Durch das Verhalten des Wahlvorstandes und des Arbeitgebers werde das passive Wahlrecht des Antragstellers in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Der Antragsteller werde nicht nur offensichtlich rechtswidrig von der Wahl ausgeschlossen, sondern darüber hinaus auch noch "mundtot" gemacht.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.04.2002 - 1 (8) BVGa 14/02 - abzuändern und

1. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Zugang des Antragstellers zum Betrieb der Antragsgegnerin in D1xxxxxx, B1xxxxxxx H3xxxxx, zum Zwecke der Wahlwerbung bis zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 zu den betriebsüblichen Arbeitszeiten zu dulden,

hilfsweise,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Zugang des Antragstellers zum Betrieb der Antragsgegnerin in D1xxxxxx, B1xxxxxxx H3xxxxx, zum Zwecke der Wahlwerbung bis zu den Betriebsratswahlen am 16.05.2002 in der Zeit zwischen 5.00 Uhr und 13.30 Uhr für eine Gesamtdauer von max. 2 Stunden zu dulden,

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus dem Antrag zu 1) der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter anzudrohen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dem Antragsteller stehe ein Recht auf Wahlwerbung nicht zu. Ein gekündigter Arbeitnehmer habe nach Ablauf der Kündigungsfrist kein Recht darauf, den Betrieb des bisherigen Arbeitgebers zu betreten, solange nicht im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt oder zumindest ein Weiterbeschäftigungsanspruch erstritten worden sei. Eine Ausnahme könne allenfalls für den Fall gemacht werden, dass für den Arbeitgeber objektiv feststehe, dass der gekündigte Arbeitnehmer auch tatsächlich Wahlbewerber sei. Das sei aber erst dann der Fall, wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich auf einer Liste befinde, die vom Wahlvorstand auch tatsächlich zur Wahl zugelassen worden sei. Der Antragsteller sei aber vom Wahlvorstand als Wahlbewerber nicht akzeptiert und nicht zur Wahl zugelassen worden. Andernfalls könne sich jeder gekündigte Arbeitnehmer mit der bloßen Behauptung, er wolle bei einer Betriebsratswahl kandidieren, Zutritt zum Betrieb verschaffen. Das Hausrecht des Arbeitgebers und seine Rechte aus Art. 12 und 14 GG könnten nicht einfach beiseite geschoben werden, nur weil jemand meine, er sei Wahlbewerber.

Im Übrigen sei der Antragsteller auch ohne Zugangsrecht in der Lage, Wahlwerbung zu betreiben. Dies zeige allein die Tatsache, dass die Liste, auf der er kandidiere, 45 Stützunterschriften bekommen habe. Ferner scheue der Antragsteller anlässlich seiner Wahlwerbung auch nicht Verleumdungen des Arbeitgebers und seiner Führungskräfte zurück.

Der Beschwerdekammer lagen die Akten 10 TaBV 54/02 LAG Hamm, 1 BVGa 9/02 und 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.

B

Die zulässige Beschwerde ist mit dem gestellten Hilfsantrag begründet.

Soweit der Antragsteller mit dem Hauptantrag in zeitlich unbeschränktem Umfang ein Zutrittsrecht zum Betrieb des Arbeitgebers begehrt, war die Beschwerde zurückzuweisen.

I

Die Anträge des Antragstellers sind zulässig.

1. Das gewählte Beschlussverfahren ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG die richtige Verfahrensart. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, die zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Beteiligten streiten nämlich um das Zugangsrecht des Antragstellers als Wahlbewerber zum Betrieb des Arbeitgebers zum Zwecke der Wahlwerbung für die am 16.05.2002 stattfindende Betriebsratswahl. Hierbei handelt es sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, §§ 7 ff., 19, 20 BetrVG.

Auch im Beschlussverfahren ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich zulässig, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

II

Der Antrag des Antragstellers ist auch begründet, allerdings nur in dem sich aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Antragsteller den Zugang zum Betrieb bis zu den Betriebsratswahlen am 16.05.2002 in der Zeit zwischen 5.00 Uhr und 13.30 Uhr für eine Gesamtdauer von maximal zwei Stunden zu gewähren.

Soweit der Antragsteller mit seinem Hauptantrag den Zugang zum Betrieb in zeitlich unbeschränktem Umfange verlangt, ist der Antrag unbegründet. Insoweit war die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Auch ein gekündigter Arbeitnehmer, der Kündigungsschutzklage erhoben hat und der als Wahlbewerber zur Betriebsratswahl kandidiert, ist berechtigt, zum Zwecke der Wahlwerbung den Betrieb zumindest zeitweise zu betreten. Dies ist in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und in der überwiegenden arbeitsrechtlichen Literatur anerkannt (LAG Hamm, Beschluss v. 06.02.1980 - EzA § 20 BetrVG 1972 Nr. 11 = DB 1980, 1223; ArbG Münster, Beschluss v. 11.04.1975 - DB 1975, 1468; ArbG Hamburg, Beschluss v. 28.01.1976 - DB 1976, 490; ArbG München, Beschluss v. 18.11.1997 - AiB 1998, 161; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/ Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 20 Rz. 16 und § 8 Rz. 23; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 8. Aufl., § 20 Rz. 14 und § 8 Rz. 25; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl., § 217 Rz. 14; anderer Auffassung im Hinblick auf die fehlende Wahlberechtigung nach § 7 BetrVG: Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 20 Rz. 15 m.w.N.). Dieses Zugangsrecht kann der Arbeitgeber einem gekündigten Wahlbewerber nicht bestreiten, will er nicht gegen das Wahlbehinderungsverbot des § 20 Abs. 1 BetrVG verstoßen.

Auch durch das vom Arbeitgeber ausgesprochene Hausverbot vom 27.02.2002 wird das Zutrittsrecht des Antragstellers nicht ausgeschlossen. Die vom Antragsteller erhobenen Kündigungsschutzklagen sind nämlich jedenfalls nicht offensichtlich aussichtslos. Aus dem Vorbringen der Beteiligten konnte nicht entnommen werden, dass die zum 28.02.2002 ausgesprochene ordentliche Kündigung oder gar die außerordentliche Kündigung vom 27.02.2002 offensichtlich begründet sind.

2. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers ist der Antragsteller als gekündigter Arbeitnehmer trotz der ausgesprochenen Kündigungen wählbar. Seine Wählbarkeit ist nicht durch die Kündigungen ausgeschlossen, nachdem der Antragsteller sowohl gegen die ordentliche Kündigung vom 08.08.2001 als auch gegen die außerordentliche Kündigung vom 27.02.2002 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhoben hat.

Welcher Arbeitnehmer für eine Betriebsratswahl wählbar ist, ergibt sich aus § 8 BetrVG. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind wählbar alle Wahlberechtigten, die sechs Monate dem Betrieb angehören oder als in Heimarbeit Beschäftigte in der Hauptsache für den Betrieb gearbeitet haben.

Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Wählbarkeit des Antragstellers liegen vor. Der Antragsteller, der das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 7 Satz 1 BetrVG), hat dem Betrieb des Arbeitgebers länger als sechs Monate angehört. Seine Wählbarkeit ist auch nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ausgeschlossen.

Richtig ist zwar, dass nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur wahlberechtigte Arbeitnehmer wählbar sind. Diese Wahlberechtigung als Voraussetzung für die Wählbarkeit bestimmt sich nach § 7 BetrVG. Richtig ist auch, dass der Antragsteller für die Betriebsratswahl vom 16.05.2002 aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 27.02.2002 und des Ablaufs der Kündigungsfrist am 28.02.2002 nicht wahlberechtigt ist. Nach Ablauf einer Kündigungsfrist steht nämlich einem gekündigten Arbeitnehmer ohne Weiterbeschäftigungsanspruch das aktive Wahlrecht - die Wahlberechtigung nach § 7 BetrVG - nicht mehr zu, selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat (LAG Berlin, Beschluss v. 02.05.1994 - DB 1994, 2556 = BB 1994, 1857; Fitting, aaO, § 7 Rz. 34; Kreutz, aaO, § 7 Rz. 29; Richardi, BetrVG, 8. Aufl., § 7 Rz. 34 m.j.w.N.; anderer Auffassung: Däubler/Kittner/ Klebe/Schneider, aaO, § 7 Rz. 13). Dieses aktive Wahlrecht für die Betriebsratswahl am 16.05.2002 nimmt der Antragsteller für sich auch nicht in Anspruch.

Trotz der fehlenden Wahlberechtigung ist aber die Wählbarkeit des Antragstellers nach § 8 BetrVG nicht ausgeschlossen. Sie bleibt vielmehr erhalten, wenn den bereits vor der Wahl am 16.05.2002 erhobenen Kündigungsschutzklagen des Antragstellers nach Durchführung dieser Wahl stattgegeben wird. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist und der nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erhoben hat, bleibt, obwohl er nach Ablauf der Kündigungsfrist grundsätzlich nicht mehr aktiv wahlberechtigt ist, gleichwohl zum Betriebsrat wählbar. Dies entspricht der ganz herrschenden Auffassung in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur. Auch die Beschwerdekammer schließt sich dieser Auffassung an (BAG, Beschluss v. 14.05.1997 - AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972; so schon: LAG Hamm, Beschluss v. 25.08.1961 - DB 1961, 1327; LAG Hamburg, Urteil v. 02.03.1976 - 6 Sa 8/76 - BetrR 1976, 310; Fitting, aaO, § 8 Rz. 18 f.; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 8 Rz. 25; Schaub, aaO, § 217 Rz. 14; Richardi, aaO, § 8 Rz. 14; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 8 Rz. 4 f.; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 8 Rz. 17; Stege/ Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 8 Rz. 2; Weiss/Weyand, BetrVG, 3. Aufl., § 8 Rz. 5; von Hoyningen-Huene, SAE 1998, 91; Rudolph, AiB 1997, 659; Kohte, AuA 1998, 104, 105; Christiansen, Betriebszugehörigkeit, 1998, S. 89 f.). Grund für diese Ausnahme ist es, auszuschließen, dass der Arbeitgeber durch eine - unwirksame - Kündigung die Kandidatur eines ihm unliebsamen Bewerbers verhindern und so Einfluss auf die Zusammensetzung des Betriebsrates nehmen kann. Im Gegensatz zur Wahlberechtigung, die am Wahltag zweifelsfrei feststehen muss, kann die Wirksamkeit der Wahl eines gekündigten Bewerbers zunächst in der Schwebe bleiben. Stellt sich nach Durchführung der Wahl die Unwirksamkeit der Kündigung heraus, konnte der Arbeitnehmer wirksam gewählt werden und war lediglich vorübergehend an der Amtsausübung gehindert, so dass ein Ersatzmitglied für ihn einspringen musste, § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. War dagegen die Kündigung wirksam, so konnte der Arbeitnehmer wegen fehlender Betriebszugehörigkeit von vornherein nicht gewählt werden, so dass seine Wahl unwirksam war und das Ersatzmitglied endgültig nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nachrückt.

Der in der älteren arbeitsrechtlichen Literatur (Schröder, DB 1965, 1011; Küchenhoff, BetrVG, 3. Aufl. 1978, § 8 Rz. 2) und auch heute noch vereinzelt vertretenen Auffassung (Kreutz, GK-BetrVG, aaO, § 8 Rz. 18; Joost, MünchArbR, 2. Aufl., § 304 Rz. 82), die der Wahlvorstand und auch der Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen, vermag die Beschwerdekammer nicht zu folgen. Diese Auffassung, nach der die Wählbarkeit das aktive Wahlrecht voraussetzt, ist zu sehr am Wortlaut des § 8 BetrVG verhaftet. Würde allein der Ausspruch einer Kündigung zum Verlust der Wählbarkeit des betroffenen Arbeitnehmers führen, wären Manipulationsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet.

3. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers ist der Antragsteller auch Wahlbewerber zu der am 16.05.2002 stattfindenden Betriebsratswahl.

Die Wählbarkeit des Antragstellers als erste Voraussetzung für die Anerkennung als Wahlbewerber (vgl. BAG, Urteil v. 26.09.1996 - AP Nr. 3 zu § 15 KSchG 1969 Wahlbewerber; Fitting, aaO, § 103 Rz. 5) ist nach den obigen Ausführungen gegeben. Der Antragsteller ist trotz der ausgesprochenen Kündigungen durch den Arbeitgeber zum Betriebsrat wählbar.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers ist der Antragsteller auch Wahlbewerber. Der Arbeitgeber irrt, wenn er die Auffassung vertritt, dass der gekündigte Arbeitnehmer erst dann tatsächlich Wahlbewerber sei, wenn objektiv feststehe, dass er sich bei einer Listenwahl auf einer Liste befinde, die vom Wahlvorstand tatsächlich zur Wahl zugelassen worden sei. So ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Beginn des Kündigungsschutzes für Wahlbewerber bereits vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlages an, nicht erst vom Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlages beim Wahlvorstand beginnt (BAG, Urteil v. 04.04.1974 - AP Nr. 1 zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat; BAG, Urteil v. 04.03.1976 - AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969 Wahlbewerber; BAG, Urteil v. 05.12.1980 - AP Nr. 9 zu § 15 KSchG 1969; LAG Düsseldorf, Urteil v. 23.09.1975 - DB 1976, 490; Fitting, aaO, § 103 Rz. 10; Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 103 Rz. 18; KR-Etzel, § 103 BetrVG Rz. 23; APS/Böck, § 15 KSchG Rz. 58 m.w.N.). Erst recht beginnt die Wahlbewerbereigenschaft des Antragstellers nicht erst mit der tatsächlichen Zulassung durch den Wahlvorstand, wie der Arbeitgeber meint. Andernfalls hätte der Wahlvorstand es in der Hand, unliebsame Bewerber von der Betriebsratswahl fernzuhalten. Der vorliegende Fall zeigt dies mit aller Deutlichkeit. Im Verfahren 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund ist der Wahlvorstand seiner Verpflichtung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung, Wahlvorschläge unverzüglich zu überprüfen, nach erneuter Einreichung der Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) am 15.04.2002 unter Behebung der zuvor gerügten Mängel bis zum Termin beim Arbeitsgericht am 24.04.2002 nicht nachgekommen. Auch im Termin vor der Beschwerdekammer vom 06.05.2002 war der Wahlvorstand nicht in der Lage, verbindlich zu erklären, ob gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 24.04.2002 - 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund - noch Beschwerde eingelegt werden soll. Auch der Hinweis des Arbeitgebers im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz vom 03.05.2002 darauf, dass Rechtsmittelfristen aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ausschöpft werden dürften, ist mit der Verpflichtung des Wahlvorstandes zur unverzüglichen Überprüfung einer Vorschlagsliste nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO nicht vereinbar. Insoweit spricht viel für die vom Antragsteller geäußerte Vermutung, seine Teilnahme an der Betriebsratswahl vom 16.05.2002 solle mit allen Mitteln verhindert werden.

4. Entgegen der Auffassung des Antragstellers konnte diesem jedoch kein uneingeschränktes Zugangsrecht zum Betrieb im Sinne des Hauptantrages gewährt werden. Der Anspruch des Antragstellers auf Zugang zum Betrieb ist lediglich in eingeschränktem Umfang im Sinne des Hilfsantrages begründet.

Das Zutrittsrecht des Wahlbewerbers ist nicht Selbstzweck, sondern findet seine Rechtfertigung in der Notwendigkeit der Werbung der einzelnen Wahlbewerber im Betrieb. Diese Möglichkeit der Wahlwerbung muss auch dem Antragsteller als gekündigtem Arbeitnehmer zugestanden werden. Das Betreten des Betriebes durch den Antragsteller und die Herstellung des Kontaktes mit Wählern kann nicht in vollem Umfange unterbunden werden, andernfalls läge eine unzulässige Wahlbehinderung vor. Der uneingeschränkte Zutritt zu den betriebsüblichen Arbeitszeiten, wie ihn der Antragsteller in seinem Hauptantrag begehrt, ist aber allein zum Zwecke der Wahlwerbung nicht erforderlich. Unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten ist ihm Zugang lediglich in dem erforderlichen Umfang zu gewähren. Da es sich bei dem Betrieb des Arbeitgebers unstreitig um einen Schichtbetrieb handelt, in dem es keinen einheitlichen Arbeitsbeginn für alle Arbeitnehmer gibt und auch keine einheitlichen Pausen festgelegt sind, war die Gewährung des Zutrittsrechtes in dem im Hilfsantrag festgelegten, zeitlich eingeschränkten Umfang zu Wahlwerbungszwecken ausreichend, aber auch notwendig.

III

Auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendige Verfügungsgrund ist gegeben. Er ergibt sich aus der besonderen Eilbedürftigkeit. In einem Hauptsacheverfahren könnte das vom Antragsteller begehrte Zutrittsrecht nicht mehr rechtzeitig vor der Betriebsratswahl vom 16.05.2002 erstritten werden. Hinzu kommt, dass sich eine Wahlwerbung im Betrieb nicht mehr nachholen lässt, so dass der Anspruch insoweit endgültig untergehen würde.

IV

Auf Antrag des Antragstellers war dem Arbeitgeber auch ein Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen. Dieser Antrag folgt aus § 890 ZPO (Herbst/Bertelsmann/Reiter, Arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, 2. Aufl., Rz. 595, 713, 716). Die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO ist auch bereits im Erkenntnisverfahren möglich und zulässig (LAG Frankfurt, Beschluss v. 03.06.1998 - DB 1989, 536; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 85 Rz. 27). Die Möglichkeit der Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO wird auch nicht durch die Regelung in § 23 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen oder eingeschränkt. § 23 Abs. 3 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung (Fitting, aaO, § 23 Rz. 97; Däubler/Kittner/Klebe/ Trittin, aaO., § 23 Rz. 135 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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