Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.02.2007
Aktenzeichen: 10 TaBVGa 3/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, InsO


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 100
BetrVG § 101
BetrVG § 111
ArbGG § 85 Abs. 2
InsO § 55
InsO § 209
1. Dem Betriebsrat steht grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Zustandekommen oder endgültigen Scheitern eines Interessenausgleichs zu. Dieser Anspruch kann bei Vorliegen eines Verfügungsgrundes auch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden.

2. Die Freistellung von Arbeitnehmern eines überschuldeten, zahlungsunfähigen Betriebes, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, der kurz vor der endgültigen Betriebsstilllegung steht und der zudem masseunzulänglich ist, stellt keine grundlegende, wesentliche Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar.


Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 08.02.2007 - 3 BVGa 8/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A

Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren macht der Betriebsrat Unterlassungsansprüche geltend.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der aus fünf Personen bestehende Betriebsrat der Fa. E1xxxxxxxxxx K1xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH, in der zuletzt ca. 54 Mitarbeiter beschäftigt wurden. Über das Vermögen der Fa. E1xxxxxxxxxx wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 30.11.2006 - 10 IN 328/06 - das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsgegner zum Insolvenzverwalter bestellt.

Noch im Dezember 2006 fanden daraufhin zwischen dem Betriebsrat und dem Insolvenzverwalter Interessenausgleichsverhandlungen über die Schließung des Betriebes der Fa. E1xxxxxxxxxx statt. Nach einem Entwurf eines Interessenausgleichs vom 13.12.2006 (Bl. 7 d.A.) sollte aufgrund der finanziellen und wirtschaftlichen Lage des Schuldnerunternehmens der Betrieb zum 31.03.2007 vollständig geschlossen werden. In dem Entwurf des Interessenausgleichs, der den Verhandlungen zwischen Betriebsrat und dem Insolvenzverwalter zugrunde lag, sollte folgendes geregelt werden:

"§ 1

Aufgrund der finanziellen und wirtschaftlichen Lage des Schuldnerunternehmens ist eine Fortführung des Betriebes ausgeschlossen. Der Betrieb wird daher zum 31.03.2007 vollständig eingestellt, wobei die Monate Februar und März 2007 lediglich der Ausproduktion dienen. Die Ausproduktion wird von den zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Arbeitnehmern im Rahmen deren individuellen Kündigungsfristen durchgeführt.

§ 2

Der Insolvenzverwalter wird allen Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigen. Der Betriebsrat stimmt den Kündigungen der in der Anlage namentlich bezeichneten Arbeitnehmern zu.

§ 3

Der Insolvenzverwalter wird umgehend mit dem Betriebsrat über den Abschluss eines Sozialplans verhandeln."

Da die Interessenausgleichsverhandlungen nicht zu einem Ergebnis gelangten, wurde die Einigungsstelle angerufen. Am 18.12.2006 stellte die Einigungsstelle das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen fest.

Noch im Dezember 2006 wurden nach Anhörung des Betriebsrats die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist gekündigt.

Am 26.01.2007 zeigte der Insolvenzverwalter beim Amtsgericht Detmold die Masseunzulänglichkeit an.

Unter Hinweis auf die Masseunzulänglichkeit stellte der Insolvenzverwalter daraufhin im Anschluss an eine Mitarbeiterversammlung vom 29.01.2007 - ohne vorherige Einschaltung des Betriebsrats - alle Mitarbeiter mit sofortiger Verpflichtung von der Arbeitsleistung unwiderruflich frei (Bl. 8 d.A.).

Im Anschluss daran wurden 12 Mitarbeitern angeboten, bei einem Dienstleister Zeitverträge abzuschließen, um die restlichen Abwicklungsarbeiten zu erledigen. Zehn Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin schlossen daraufhin am 30.01.2007 jeweils einen Vertrag mit der Leiharbeitsfirma K4xxxxx aus S3xxxxx H2xxx-S4xxxxxxxxx zu den gleichen Bedingungen, wie sie bei der Insolvenzschuldnerin bestanden hatten, ab. Der Betriebsrat wurde hieran nicht beteiligt.

Mit Schreiben vom 31.01.2007 (Bl. 10 d.A.) machte der Betriebsrat durch seinen Verfahrensbevollmächtigten aufgrund der am 30.01.2007 gefassten Beschlüsse (Bl. 9 d.A.) sein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die durchgeführte Freistellung der gesamten Belegschaft sowie auf die Einstellung von Leiharbeitnehmern geltend.

Mit Schreiben vom 02.02.2007 (Bl. 21 d.A.) teilte der Insolvenzverwalter mit, dass mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit die betrieblichen Tätigkeiten bei der Verfahrensschuldnerin sich auf Abwicklungsarbeiten erschöpften. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht berührt.

Mit dem am 05.02.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung machte der Betriebsrat daraufhin die vorliegenden Unterlassungsansprüche geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die geplante Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stünden, stelle bei gleichzeitiger Freistellung der gesamten Belegschaft eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation und damit eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG dar. Der Insolvenzverwalter sei daher gehalten, vor der Änderung der Betriebsorganisation mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zu verhandeln. Dem Verhandlungsanspruch des Betriebsrats korrespondiere ein entsprechender Unterlassungsanspruch, der sich gegen die einseitige Durchführung einer Betriebsänderung richte. Ein Unterlassungsanspruch stehe dem Betriebsrat auch deshalb zu, weil der Insolvenzverwalter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach den §§ 99, 100 BetrVG hinsichtlich der Einstellung von Leiharbeitnehmern in grober Weise verletzt habe.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. dem Insolvenzverwalter aufzugeben, es zu unterlassen, den Geschäftsbetrieb in seinem Betrieb E2xxxxxxxxxx S1x. 91 - 12x in L1xx unter Einsatz von solchen Personen fortzusetzen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen, bis ein zwischen den Beteiligten zu versuchender Interessenausgleich zustande gekommen oder endgültig gescheitert ist,

2. dem Insolvenzverwalter aufzugeben, es zu unterlassen, in seinem Betrieb E2xxxxxxxxxx S1x. 91 - 12x in L1xx solche Personen einzustellen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen, ohne dass der Betriebsrat gem. §§ 99, 100 BetrVG beteiligt worden ist,

3. für den Fall der Zuwiderhandlung aus den Ziffern 1 dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 100.000,00 € anzudrohen.

Der Insolvenzverwalter hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Insolvenzverwalter hat die Auffassung vertreten, eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG habe nicht vorgelegen. Mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit erschöpfe sich die betriebliche Tätigkeit bei der Insolvenzschuldnerin auf Abwicklungsarbeiten. Bereits aus diesem Grunde habe der Insolvenzverwalter die gesamte Belegschaft von der Erbringung der Arbeitsleistung freistellen müssen. Wären die Arbeitnehmer nicht freigestellt worden, hätten sie weder von ihm, dem Insolvenzverwalter, in der Folgezeit bezahlt werden können, noch Ansprüche gegenüber der Arbeitsagentur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geltend machen können. Den Mitarbeitern, denen angeboten worden sei, bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist ein Arbeitsverhältnis bei einer Leiharbeitsfirma zu begründen und auf diesem Wege die restlichen Abwicklungsarbeiten vorzunehmen, sei auf diese Weise ermöglicht worden, für ihre Tätigkeit den Arbeitslohn zu behalten, den sie wegen der Masseunzulänglichkeitsanzeige nicht erhalten hätten, wären sie nicht freigestellt worden. Diesen Mitarbeitern wäre es unzumutbar gewesen, in der Kenntnis, weder von ihm, dem Insolvenzverwalter, noch von der Arbeitsagentur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Zahlungen zu erhalten, die erforderlichen Abwicklungsarbeiten gleichwohl vorzunehmen und ihre Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen.

Erschwerend komme hinzu, dass die noch vorzunehmenden Abwicklungsarbeiten im Auftrag einer Firma vorgenommen würden, die ein starkes Interesse an der Übernahme des Kundenstammes der Verfahrensschuldnerin bekundet habe; in soweit stehe ein Kaufpreis von 50.000,00 € im Raume. Sollten die Abwicklungsarbeiten nicht wie geplant durchgeführt werden können und dadurch die beauftragende Firma ihrerseits in Lieferschwierigkeiten kommen, sei deren Abstandsnahme vom Erwerb des Kundenstammes nicht unwahrscheinlich; im Ergebnis würden dann weitere 50.000,00 € an Masse fehlen; Altmasseforderungen der Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin könnten dann unter Umständen nicht bedient werden. Die Einschaltung der Leiharbeitsfirma sei allein zum Schutz der die Abwicklungsarbeiten vorzunehmenden Mitarbeiter eingeschlagen worden.

Durch Beschluss vom 08.02.2007 hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats wegen Verstoßes des Arbeitgebers gegen § 111 BetrVG komme bereits vom Grundsatz her nicht in Betracht. Nach den §§ 111, 112 BetrVG habe der Betriebsrat lediglich ein Informations- und Beratungsrecht. Die betroffenen Mitarbeiter seien bei Missachtung der Beteiligungsrechte durch § 113 Abs. 3 BetrVG ausreichend geschützt, § 113 Abs. 3 BetrVG stelle eine abschließende Regelung dar. Im Übrigen fehle es auch an einem Verfügungsgrund, da die Folgen einer Missachtung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats abschließend geregelt seien und der damit bewirkte Schutz der Arbeitnehmer nicht eingeschränkt sei. Auch auf § 23 Abs. 3 BetrVG könne der Betriebsrat die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht stützen. Das gelte insbesondere für die Missachtung des Zustimmungsrechts des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.

Gegen den dem Betriebsrat am 14.02.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat bereits am 09.02.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ist der Betriebsrat nach wie vor der Auffassung, ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats könne grundsätzlich auch bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 111 BetrVG entstehen. Sowohl ein Verfügungsgrund wie auch ein Verfügungsanspruch liege vor. Die Beschäftigung von Personen in einem Leiharbeitsverhältnis bei gleichzeitiger Freistellung sämtlicher eigener Arbeitnehmer stelle eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation und damit eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG dar. Interessenausgleichsverhandlungen hierüber habe der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat bisher nicht aufgenommen. Die Interessenausgleichsverhandlungen im Dezember 2006 hätten lediglich die geplante Betriebsschließung zum 31.03.2007 betroffen. Eine Freistellung aller Arbeitnehmer sei nicht Gegenstand der gescheiterten Interessenausgleichsverhandlungen gewesen. Der Insolvenzverwalter habe darüber hinaus das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat aus den §§ 99, 100 BetrVG in grober Weise verletzt, in dem er mehrere Arbeitnehmer eines Dienstleistungsunternehmens in den Betrieb eingestellt habe ohne zuvor hierzu die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Hierzu sei er nach § 14 Abs. 3 AÜG verpflichtet gewesen.

Der Betriebsrat beantragt,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold - 3 BVGa 8/07 - vom 08.02.2007 abzuändern,

2. dem Insolvenzverwalter aufzugeben, es zu unterlassen, den Geschäftsbetrieb in seinem Betrieb E2xxxxxxxxxx S1x. 91 - 12x in L1xx unter Einsatz von solchen Personen fortzusetzen, die in einem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen und nunmehr als Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, bis ein zwischen den Beteiligten zu versuchender Interessenausgleich zustande gekommen oder endgültig gescheitert ist,

3. dem Insolvenzverwalter aufzugeben, es zu unterlassen, in seinem Betrieb E2xxxxxxxxxx S1x. 91 - 12x in L1xx solche Personen einzustellen, die in einem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen und nunmehr als Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, ohne dass der Betriebsrat gem. §§ 99, 100 BetrVG beteiligt worden ist,

4. für den Fall der Zuwiderhandlung aus den Ziffern 2 und 3 dem Insolvenzverwalter ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 100.000,00 € anzudrohen.

Der Insolvenzverwalter beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung, dass ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nicht gegeben sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG seien nicht gegeben, insbesondere sei nicht ersichtlich, dass eine etwaige Betriebsänderung für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft wesentliche Nachteile zur Folge haben könnte. Es liege auch keine zustimmungsbedürftige Einstellung nach § 99 BetrVG vor. Bei den zehn Arbeitnehmern, die einen Arbeitsvertrag mit der Leiharbeitsfirma unterzeichnet hätten, handele es sich ausnahmslos um Arbeitnehmer der Verfahrensschuldnerin, die sich bis zum Ablauf der individuellen Kündigungsfristen nach wie vor in einem formellen Arbeitsverhältnis auch mit der Verfahrensschuldnerin befinden würden. Damit liege keine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG vor.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

Der Zulässigkeit der Beschwerde des Betriebsrats steht nicht entgegen, dass sie bereits vor Zustellung des vollständig abgesetzten erstinstanzlichen Beschlusses eingelegt und begründet worden ist. Nach den §§ 89, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG ist die Einlegung einer Beschwerde auch schon dann möglich, wenn ein Beschluss im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwar verkündet, aber noch nicht zugestellt ist (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, 5. Aufl. § 66 Rz. 15; vgl. auch: Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 65. Aufl., § 517 Rz. 9). Es fehlt auch nicht an einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Nach Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses hat sich der Betriebsrat zudem ergänzend mit Schriftsatz vom 16.02.2007 fristgemäß mit der erstinstanzlichen Begründung konkret auseinandergesetzt.

I.

Die vom Betriebsrat in der Beschwerdeinstanz gestellten Anträge sind zulässig.

1. Der Betriebsrat verfolgt sein Begehen zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich um die Frage, ob dem Betriebsrat wegen Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte nach den §§ 111, 99 f. BetrVG ein Unterlassungsanspruch zusteht.

Nach § 85 Abs. 2 ArbGG ist auch im Beschlussverfahren der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig.

2. Die Antragsbefugnis und die Beteiligung des Insolvenzverwalters ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Die von den gestellten Unterlassungsanträgen betroffenen Arbeitnehmer sind am vorliegenden Verfahren nicht zu beteiligen.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Unterlassungsanträge des Betriebsrats im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Der in der Beschwerdeinstanz zu 2. geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus einem Verstoß des Insolvenzverwalters gegen Mitbestimmungsrechte gemäß § 111 BetrVG. Durch die vollständige Freistellung der gesamten Belegschaft der Insolvenzschuldnerin durch den Insolvenzverwalter vom 29.01.2007 und durch die Vergabe der restlichen Abwicklungsarbeiten an eine Leiharbeitsfirma ist gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 111 BetrVG nicht verstoßen worden.

a) Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht bereits mit der Begründung abgewiesen werden, dass dem Betriebsrat grundsätzlich kein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zusteht, auch wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 111 BetrVG verletzt.

Ob dem Betriebsrat ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich zusteht oder ob im Rahmen des § 111 BetrVG ein Unterlassungsanspruch bereits vom Grundsatz her nicht in Betracht kommt, ist zwar in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur nach wie vor außerordentlich streitig. Während einerseits vertreten wird, dass ein Verfügungsanspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer Betriebsänderung nicht besteht (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13.01.1992 - LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 11; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 19.11.1996 - LAGE § 111 BetrVG Nr. 14 = NZA-RR 1997, 297; LAG Hamm, Beschluss vom 01.04.1997 - NZA-RR 1997, 343; LAG München, Beschluss vom 24.09.2003 - NZA-RR 2004, 536; LAG Köln, Beschluss vom 30.04.2004 - NZA-RR 2005, 199; LAG München, Beschluss vom 28.06.2005 - ArbRB 2006, 78; ArbG Dresden, Beschluss vom 25.07.1997 - NZA-RR 1998, 125; ArbG Schwerin, Beschluss vom 13.02.1998 - NZA-RR 1998, 448; Baur, DB 1994, 224; Richardi/Annuß, BetrVG, 10. Aufl., § 111 Rz. 166 f.; ErfK/Kania, 7. Aufl., § 111 Rz. 24; Hohenstatt, NZA 1998, 846; Neef, NZA 1997, 68; Raab, ZfA 1997, 183, 246 ff. m.w.N.), steht die Gegenmeinung auf dem Standpunkt, dass dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Zustandekommen oder endgültigen Scheitern eines Interessenausgleichs zusteht. Dieser Anspruch kann bei Vorliegen eines Verfügungsgrundes auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden (LAG Hamburg, Beschluss vom 13.11.1981 - DB 1982, 1522; LAG Frankfurt, Beschluss vom 21.09.1982 - DB 1983, 613; LAG Hamm, Beschluss vom 23.03.1984 - AuR 1984, 54; LAG Berlin, Beschluss vom 07.09.1995 - LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 13 = NZA 1996, 1284; LAG Hamburg, Beschluss vom 26.06.1997 - LAGE § 113 BetrVG 1972 Nr. 6 = NZA-RR 1997, 296; LAG Hamburg, Beschluss vom 27.06.1997 - LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 15; LAG Thüringen, Beschluss vom 26.09.2000 - LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 17; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 10. Aufl., §§ 112, 112 a Rz. 23; Heither, Festschrift für Däubler, 1999, S. 338; Matthes, RdA 1999, 178; Matthes, Festschrift für Dieterich, 1999, S. 355; Zwanziger, BB 198, 477; Pflüger, DB 1998, 2062; Dütz, AuR, 1998, 181; vgl. auch: Schmädicke NZA 2004, 295; Fauser/Nacken NZA 2006, 1136 m.w.N.).

Die beiden beim Landesarbeitsgericht Hamm zuständigen Beschwerdekammern vertreten unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung seit der Entscheidung vom 28.08.2003 (LAG Hamm, Beschluss vom 28.08.2003 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 165 = NZA-RR 2004, 80) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Betriebsänderungen nicht bereits vom Grundsatz her ausgeschlossen ist. Liegt eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vor, korrespondiert dem Verhandlungsanspruch des Betriebsrats hinsichtlich des Interessenausgleichs ein Unterlassungsanspruch, der sich gegen jede einseitige Durchführung der Betriebsänderung richtet. Allein aus der in § 113 BetrVG enthaltenen Sanktionsmöglichkeit zu Gunsten der betroffenen Arbeitnehmer ergibt sich kein hinreichender Schutz des Rechtes des Betriebsrats auf Unterrichtung und Beratung. Auch kann dem Gesetzgeber im Zweifel nicht unterstellt werden, dass er rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers sanktionslos unter Ausschluss der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung hinnehmen will. Führt danach der Arbeitgeber eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG durch, ohne dass eine Beratung mit dem Betriebsrat stattgefunden hat, muss sich der Betriebsrat dagegen zur Wehr setzen können.

Der vom Arbeitsgericht vertretenen gegenteiligen Auffassung vermag sich die Beschwerdekammer nicht anzuschließen. Zur weiteren Begründung nimmt die Beschwerdekammer auf den bereits zitierten Beschluss vom 28.08.2003 ergänzend Bezug.

b) Ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil es nach Auffassung der Beschwerdekammer an einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG fehlt.

aa) Als Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 1 BetrVG gilt u.a. eine Einschränkung des Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen, § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG. Dabei kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG auch in einem bloßen Personalabbau bestehen. Eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG liegt grundsätzlich aber nur dann vor, wenn eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist. Richtschnur dafür, wann erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind, sind die Zahlen und Prozentangaben in § 17 KSchG (BAG, Beschluss vom 06.12.1988 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 26; BAG, Beschluss vom 10.12.1996 - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 32; BAG, Beschluss vom 28.03.2006 - AP BetrVG 1972 § 112 a Nr. 12; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 111 Rz. 73 f. m.w.N.).

Eine Einschränkung des Betriebes im Sinne eines Personalabbaus hat der Insolvenzverwalter mit den am 29./30.01.2007 getroffenen Maßnahmen nicht durchgeführt. Hinsichtlich der zum 31.03.2007 beschlossenen Betriebsstilllegung ist das Interessenausgleichsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt worden. Ein Interessenausgleich ist nicht zustande gekommen, durch die Einigungsstelle ist am 18.12.2006 das Scheitern der Verhandlungen festgestellt worden. Die bloße Freistellung der Belegschaft durch den Insolvenzverwalter am 29.01.2007 stellt keinen Personalabbau im Sinne der Einschränkung des Betriebes nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG dar. Sämtliche freigestellten Mitarbeiter bleiben bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zum Zeitpunkt der Stilllegung des Betriebes am 31.03.2007 Arbeitnehmer der Verfahrensschuldnerin.

bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Betriebsrats stellt die Freistellung der Belegschaft durch den Insolvenzverwalter und durch die Vergabe der restlichen Abwicklungsarbeiten an eine Leiharbeitsfirma auch keine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG dar, die ebenfalls als Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 1 BetrVG gilt.

Unter Betriebsorganisation ist das bestehende Ordnungsgefüge, die bestehende Organisation für die Verbindung von Betriebszweck, im Betrieb arbeitender Menschen und Betriebsanlagen mit dem Ziel der optimalen Erfüllung der Betriebsaufgaben zu verstehen (Fitting, a.a.O., § 111 Rz. 92; DKK/Däubler, a.a.O., § 111 Rz. 82; einschränkend: Richardi/Annuß, a.a.O., § 111 Rz. 108; Oetker, GK-BetrVG, 8. Aufl., § 111 Rz. 109, 111). Insoweit liegt eine Änderung der Betriebsorganisation immer dann vor, wenn sich der Betriebsaufbau bzw. die Gliederung des Betriebes oder die Zuständigkeiten oder Unterstellungsverhältnisse ändern (LAG Hamm, Urteil vom 22.07.2003 - 19 Sa 541/03 -; Fitting, a.a.O., § 111 Rz. 92).

Die Beschwerdekammer unterstellt, dass die vom Insolvenzverwalter durchgeführte Freistellung der Belegschaft der Insolvenzschuldnerin und die Vergabe der restlichen Abwicklungsarbeiten an eine Leiharbeitsfirma, die zehn ehemalige Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin vor Abwicklung dieser Arbeiten eingestellt und bei der Insolvenzschuldnerin eingesetzt hat, eine Änderung der bisherigen Betriebsorganisation im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG darstellt.

Diese Änderung der Betriebsorganisation ist aber im Hinblick auf die zum 31.03.2007 beschlossene und geplante endgültige Betriebsschließung nicht mehr grundlegend im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG gewesen.

Eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation liegt nämlich nur bei einer einschneidenden, weitgehenden Änderung des Betriebsaufbaus bzw. der Gliederung des Betriebes und der Zuständigkeiten vor (BAG, Urteil vom 21.10.1980 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 8). Ihr muss erhebliche Bedeutung für das betriebliche Gesamtgeschehen zukommen (BAG, Beschluss vom 26.10.1982 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 10). Das ist immer dann der Fall, wenn die Änderung der Betriebsorganisation wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben kann. Dies ergibt eine an systematisch-teleologischen Kriterien orientierte Auslegung des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG unter Berücksichtigung der in § 111 Satz 1 BetrVG zum Ausdruck gekommenen Wertungen (BAG, Beschluss vom 26.10.1982 - AP BetrVG 1982 § 111 Nr. 10).

Weder die Freistellung der gesamten Belegschaft am 29.01.2007 noch die Vergabe der restlichen Abwicklungsarbeiten an eine Leiharbeitsfirma durch den Insolvenzverwalter stellten eine derartige grundlegende Änderung der Betriebsorganisation nach § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG dar. Eine einschneidende, weitgehende Änderung des Betriebsaufbaus und der Organisation des Betriebes lag im Hinblick auf die zum 31.03.2007 ohnehin geplante vollständige Betriebsschließung nicht mehr vor. Nachdem am 26.01.2007 durch den Insolvenzverwalter die Massunzulänglichkeitsanzeige an das Insolvenzgericht erfolgt war, musste mit derartigen Maßnahmen durch den Insolvenzverwalter, insbesondere mit der vorzeitigen Freistellung ohnehin gerechnet werden. In der vorzeitigen Freistellung durch den Insolvenzverwalter liegt auch keine stufenweise Stilllegung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin. Bei den vom Insolvenzverwalter am 29./30.01.2007 getroffenen Maßnahmen geht es lediglich darum, wie die noch vorhandenen Abwicklungsarbeiten, die im Interessenausgleichsentwurf angeführte Ausproduktion, nach erfolgter Masseunzulänglichkeitsanzeige bis zum Zeitpunkt der vollständigen Betriebsschließung am 31.03.2007 erledigt werden. Die am 29./30.01.2007 getroffenen Maßnahmen des Insolvenzverwalters waren lediglich die Folge der Masseunzulässigkeitsanzeige vom 26.01.2007. Es handelte sich nicht um eine neue geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG.

Diese Wertung der Beschwerdekammer entspricht der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich entschieden, dass die Freistellung der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht regelmäßig noch keine Durchführung einer Betriebsstilllegung darstellt. Zwar können Regelungen über Freistellungen Gegenstand eines Interessenausgleichs sein. Gleichwohl beginnt der Unternehmer mit der Freistellung von Arbeitnehmern noch nicht mit einer Betriebsstilllegung (BAG, Urteil vom 30.05.2006 - AP InsO § 209 Nr. 5 = NZA 2006, 1122; LAG Berlin, Urteil vom 12.11.2004 - ZInsO 2005, 1061; vgl. auch: Gottwald/Heinze/Bertram, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl., § 103 Rz. 28 f.; Bertram, NZI 2001, 625, 627; Marotzke, InVo 2004, 301; Marotzke, HK-InsO, 4. Aufl., § 108 Rz. 23 m.w.N.). Auch im vorliegenden Fall begann der Insolvenzverwalter durch die Freistellung des ganz überwiegenden Teils der Arbeitnehmer am 29.01.2006 nicht mit der beabsichtigten Betriebsstilllegung. Der Stilllegungsbeschluss des Insolvenzverwalters war vielmehr bereits im Dezember 2006 gefallen. Bereits im Dezember 2006 hat der Insolvenzverwalter durch Aufnahme der Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Betriebsrat und durch die noch bereits im Dezember 2006 ausgesprochenen Kündigungen sämtlicher Arbeitnehmer mit der Betriebsstilllegung begonnen. Die Freistellung des ganz überwiegenden Teils der Arbeitnehmer am 29.01.2007 nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige vom 26.01.2007 diente vielmehr dem Interesse der Insolvenzmasse und dem Erhalt der Arbeitsentgeltansprüche derjenigen Mitarbeiter, die die Abwicklungsarbeiten bis zum 31.03.2007 zu Ende führen sollten. Insoweit kam der Freistellung der Mitarbeiter und der Vergabe der restlichen Abwicklungsarbeiten an eine Leiharbeitsfirma keine erhebliche Bedeutung für das betriebliche Gesamtgeschehen mehr zu.

Selbst wenn die Freistellung einer gewissen Anzahl von Arbeitnehmern in einem voll funktionsfähigen Betrieb als Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG zu qualifizieren wäre, die Freistellung von Mitarbeitern in einem überschuldeten und zahlungsunfähigen Betrieb, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, der kurz vor der Betriebsschließung steht und der zudem masseunzulänglich ist, stellt jedenfalls keine wesentliche, grundlegende Betriebsänderung - mehr - dar. Auch im vorliegenden Fall erfolgte die Freistellung allein im Interesse der Insolvenzmasse und sollte lediglich bewirken, dass die betroffenen Arbeitnehmer trotz Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld erhalten konnten.

c) Die Freistellung der Mitarbeiter durch den Insolvenzverwalter war schließlich auch nicht aus anderen Gründen mitbestimmungspflichtig.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG kam nicht in Betracht, weil die Freistellung von Arbeitnehmern keine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt. Werden einem Arbeitnehmer durch Freistellung die bisherigen Arbeitsaufgaben vollends entzogen, ohne dass neue Tätigkeiten an deren Stelle treten, liegt keine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vor (BAG, Urteil vom 22.01.1998 - AP BGB § 174 Nr. 11; BAG, Beschluss vom 28.03.2000 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 39; BAG, Urteil vom 11.12.2001 - AP KO '§ 60 Nr. 10; LAG Hamm, Urteil vom 27.09.2000 - NZA-RR 2001, 654; LAG Hamm, Beschluss vom 20.09.2002 - NZA-RR 2003, 422; Fitting, a.a.O., § 99 Rz. 113; ErfK/Kania, a.a.O., § 99 BetrVG Rz. 14 m.w.N.).

Auch unter dem Gerichtspunkt des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG war die Freistellungsmaßnahme des Insolvenzverwalters nicht mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat hat regelmäßig kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, wenn der Insolvenzverwalter bei Masseunzulänglichkeit einen Großteil der Arbeitnehmer im Hinblick auf eine beabsichtigte Betriebsstillegung freistellt. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG betrifft nur eine vorübergehende Veränderung der betriebsüblichen Arbeitszeit, nicht aber eine auf Dauer angelegte Freistellung (LAG Hamm, Beschluss vom 20.09.2002 - NZA-RR 2003, 422; LAG Hamm, Beschluss vom 02.12.2002 - 10 TaBV 105/02 -; Gottwald/Heinze/Bertram, a.a.O., § 103 Rz. 28 m.w.N.).

2. Auch der in der Beschwerdeinstanz zu 3. gestellte Antrag des Betriebsrats ist unbegründet.

Die Vergabe der Abwicklungsarbeiten an eine Leiharbeitsfirma und der Einsatz bestimmter Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin über die vom Insolvenzverwalter beauftragte Leiharbeitsfirma kann einen Unterlassungsanspruch nach den §§ 99 f. BetrVG im Wege der einstweiligen Verfügung nicht begründen.

a) Zwar ist es zutreffend, dass die Übernahme eines Leiharbeitnehmers durch einen Entleiher grundsätzlich nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Dies ergibt sich bereits aus der unverändert gebliebenen Vorschrift des § 14 Abs. 3 AÜG n.F.. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die beabsichtigte Übernahme des Leiharbeitnehmers auf gewerbsmäßiger oder nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung beruht (BAG, Beschluss vom 22.03.2000 - AP AÜG § 14 Nr. 34; BAG, Beschluss vom 25.01.2005 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 48; Fitting, a.a.O., § 99 Rz. 53; DKK/Kittner/Bachner, a.a.O., § 99 Rz. 133).

Ob der Insolvenzverwalter bei dem Einsatz der bisher schon bei der Insolvenzschuldnerin tätigen Arbeitnehmer über die eingeschaltete Leiharbeitsfirma verpflichtet war, den Betriebsrat erneut nach § 99 BetrVG zu beteiligen, konnte für den vorliegenden Fall offen bleiben. Selbst wenn zu Gunsten des Betriebsrats bei dem Einsatz der Mitarbeiter über die eingeschaltete Leiharbeitsfirma im Betrieb der Insolvenzschuldnerin ab 30.01.2007 eine mitbestimmungspflichtige Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG gesehen wird, steht dem Betriebsrat der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.

b) Ob neben dem ausdrücklich gesetzlich geregelten Verfahren nach den §§ 99, 100, 101 BetrVG ein gegebenenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verfolgender allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrates besteht, wird in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte und in der arbeitsrechtlichen Literatur unterschiedlich beantwortet. Nach der wohl herrschenden Meinung, der sich auch die 13. Kammer des erkennenden Gerichts angeschlossen hat, kann der Betriebsrat die Rückgängigmachung der vorläufig durchgeführten personellen Maßnahme nicht im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG durchsetzen. Eine derartige einstweilige Verfügung würde die in § 101 BetrVG enthaltene gesetzliche Regelung unterlaufen. Nach dem Inhalt dieser Bestimmung können nämlich gegen den Arbeitgeber erst nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung Zwangsmittel eingesetzt werden. Soweit es um die Beseitigung eines eingetretenen mitbestimmungswidrigen Zustandes geht, enthält § 101 BetrVG eine Sonderregelung. Auch für den Fall, dass der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrates durchführt, sieht § 101 BetrVG ausdrücklich die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung vor, bevor die Aufhebung der Maßnahme durchgesetzt werden kann (BAG, Beschluss vom 17.03.1987 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 7; LAG Frankfurt, Beschluss vom 15.12.1987 - DB 1988, 915; LAG Niedersachen, Beschluss vom 25.07.1995 - NZA-RR 1996, 217; LAG Hamm, Beschluss vom 17.02.1998 - NZA-RR 1998, 421; vgl. auch LAG Hessen, Beschluss vom 15.12.1998 - NZA-RR 1999, 584; Kraft, GK-BetrVG, a.a.O., § 101 Rz. 16 f.; Richardi/Thüsing, aaO., § 101 Rz. 7; ErfK/Kania, a.a.O., § 101 Rz. 9; Boemke, ZfA 1992, 473, 523; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 85 Rz. 39; Vossen, GK-ArbGG, § 85 Rz. 58 f.; Kröning, Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Aufl., § 85 Rz. 22; Walker, ZfA 2005, 45, 72; andere Auffassung: LAG Köln, Beschluss vom 13.08.2002 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 37; Fitting, a.a.O., § 99 Rz. 241 a; DKK/Kittner, a.a.O., § 101 Rz. 19 m.w.N.). Der herrschenden Auffassung schließt sich auch die erkennende Beschwerdekammer ausdrücklich an. Sie sieht keine Veranlassung, von der herrschenden Rechtsauffassung abzuweichen.

Obgleich wohl für "krasse Fälle" der Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats eine Aufhebung von personellen Einzelmaßnahmen im Wege der einstweiligen Verfügung zuzulassen ist (so LAG Niedersachsen, Beschluss vom 25.07.1995 - NZA-RR 1996, 217; LAG Köln, Beschluss vom 13.08.2002 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 37; LAG Köln, Beschluss vom 19.03.2004 - LAGRep 2004, 277; Vossen, a.a.O., § 85 Rz. 79; Lipke, DB 1989, 2239), kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn ein solcher krasser Fall liegt hier nicht vor. Auch eine grobe Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG kann in der Einschaltung eines Dienstleisters zur Erledigung der restlichen Abwicklungsarbeiten im Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht gesehen werden.

Im vorliegenden Fall kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Insolvenzverwalter die Maßnahmen vom 29./30.01.2007, nachdem die Masseunzulänglichkeit eingetreten war, getroffen hat, um einigen wenigen Mitarbeitern für ihre Tätigkeit den Arbeitslohn zu erhalten, den sie wegen der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht erhalten hätten, wären sie nicht freigestellt worden. Die Vorgehensweise des Insolvenzverwalters diente dem Interesse der Insolvenzmasse und dem Erhalt der Arbeitsentgeltansprüche derjenigen Mitarbeiter, die die restlichen Abwicklungsarbeiten bei der Insolvenzschuldnerin zu Ende führten. Diese Mitarbeiter waren zuvor ebenfalls bei der Insolvenzschuldnerin eingestellt und als Arbeitnehmer tätig. Insoweit liegt ein besonderes krasser Fall der Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht vor. Der Insolvenzverwalter hatte zuvor auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der geplanten Betriebsstilllegung beachtet und versucht, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abzuschließen. Die Maßnahmen des Insolvenzverwalters vom 29./30.01.2007 stellten sich insoweit lediglich als Folgemaßnahmen der ohnehin beabsichtigten Betriebsstilllegung zum 31.03.2007 dar.

Hinzu kommt, dass der Betriebsrat auch im vorliegenden Verfahren keinen Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 2 BetrVG für sich in Anspruch genommen hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass durch den Einsatz von zehn Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin über die vom Insolvenzverwalter eingeschaltete Leiharbeitsfirma andere Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerein gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist, § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Sämtliche Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin waren zum Zeitpunkt der Maßnahmen des Insolvenzverwalters vom 29./30.01.2007 ohnehin gekündigt. Dass andere Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin als die zehn über die Leiharbeitsfirma eingesetzten Mitarbeiter aus sozialen oder sonstigen Gründen eher auf den Erhalt ihres vollen Arbeitsverdienstes angewiesen waren, als die vom Insolvenzverwalter über die Leiharbeitsfirma eingesetzten Mitarbeiter, hat der Betriebsrat nicht vorgetragen. Der Betriebsrat ist insoweit auf sein Recht zu verweisen, die Aufhebung der personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG vom Insolvenzverwalter zu verlangen. In diesem Verfahren könnte auch abschließend geprüft werden, ob die Maßnahmen des Insolvenzverwalters überhaupt eine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG darstellen.

III.

Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück