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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 1067/07
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 3
Tarifbindung / OT-Mitgliedschaft : Wegen nicht satzungsgemäßer Vertretung auf Verbandsseite unwirksamer Austritt aus einer - die Tarifbindung vermittelnden - Fachgruppe des Arbeitgeberverbandes ("Blitzaustritt").
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.05.2007 - 1 (2) Ca 1084/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger die Tariflohnerhöhung ab 2005 entsprechend dem Lohnabkommen vom 16.02.2004 (LA 2004) über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens weiter zu geben. Nach einer Beschränkung der Klage im Hinblick auf die tarifvertragliche Verfallfrist verfolgt der Kläger (nur noch) den Anspruch auf die Lohndifferenz entsprechend der Tariflohnerhöhung für den Monat April 2005.

Der Kläger steht seit dem 02.05.1991 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis fanden zumindest bis November 2003 unstrittig die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen kraft beidseitiger Tarifbindung Anwendung. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft IG Metall und erhielt die Vergütung nach Lohngruppe 8 nebst einer 16%igen Leistungszulage und einem 16%igen Prämienausgleich. Die Beklagte ist Mitglied im Unternehmensverband Lippe e.V. und war zumindest bis zum November 2003 auch Mitglied in der Fachgruppe des Unternehmensverbandes für die Metall- und Elektroindustrie. Strittig ist, ob die Mitgliedschaft der Beklagten in der Fachgruppe durch den Austausch von Erklärungen im November 2003 wirksam einvernehmlich beendet worden ist und die Beklagte deswegen zu Entgelterhöhungen nach dem LA 2004 nicht verpflichtet ist.

Die Satzung des Unternehmensverbandes Lippe e.V. sieht folgendes vor (vollständiger Text: Bl. 142 ff GA):

"§ 5

Ende der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft endet

a) durch Austritt; er kann zum Schluss des Geschäftsjahres mit sechsmonatiger Kündigungsfrist durch eingeschriebenen Brief erfolgen.

b) durch nicht nur vorübergehende Einstellung der Tätigkeit des Unternehmens. Diese Tatsache ist dem Verein unverzüglich von dem Mitglied schriftlich mitzuteilen.

c) durch Ausschluss. Der Ausschluss kann erfolgen, wenn das Mitglied gegen seine Pflichten grob oder trotz Abmahnung wiederholt verstößt oder wenn es die Interessen des Vereins schädigt.

Der Ausschluss kann durch den erweiterten Vorstand mit einer Mehrheit von 3/4 beschlossen werden. Gegen den Beschluss auf Ausschließung, der schriftlich mitgeteilt werden muss, steht dem Mitglied innerhalb von vierzehn Tagen nach Zugang des Beschlusses die Möglichkeit der Beschwerde zu. Die Beschwerde ist schriftlich an den Vorstand zu richten. Über die Beschwerde entscheidet die Mitgliederversammlung endgültig mit einfacher Mehrheit.

Die Beendigung der Mitgliedschaft befreit nicht von der Erfüllung etwa noch bestehender Verpflichtungen gegenüber dem Verein. Rechte am Vereinsvermögen erlöschen mit dem Ende der Mitgliedschaft.

§ 6

Fachgruppen

1. Die Mitglieder gleicher Branche können sich zu Fachgruppen zusammenschließen.

Kommt es zur Bildung von Fachgruppen, so sollen alle branchengleichen Firmen ihrer Fachgruppe angehören.

2. Der geschäftsführende Vorstand des Vereins vertritt die Fachgruppen nach außen. Die Fachgruppen informieren den Vorstand laufend über ihre Tätigkeit.

Der geschäftsführende Vorstand des Vereins ist an die Beschlüsse der Fachgruppen, die sie im Rahmen ihrer zugewiesenen Aufgaben fassen, gebunden.

3. Die Fachgruppen können die speziellen Interessen ihrer Fachrichtung, insbesondere Lohn- und Tariffragen, wahrnehmen.

Die Fachgruppen können insbesondere Einrichtungen zur Durchführung etwa entstehender Arbeitsstreitigkeiten treffen und eigene Sondervermögen bilden.

Die Fachgruppen können sich eine Geschäftsordnung geben.

4. Organe der Fachgruppen sind:

die Fachgruppen-Mitgliederversammlung

der Fachgruppen-Vorstand

5. Der Fachgruppen-Vorstand wird von der Fachgruppen-Mitgliederversammlung gewählt. Er wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden.

Der Fachgruppen-Vorstand besteht aus bis zu 6 Mitgliedern.

Der Fachgruppen-Vorstand kann die Aufgaben eines Tarifausschusses übernehmen.

6. Die Fachgruppen sind berechtigt, Tarifverhandlungen zu führen und über deren Ergebnisse bindend zu beschließen.

Sie können auch beschließen, Verhandlungen und Abschluss von Tarifverträgen auf andere Tarifträgerverbände gemäß § 2 übertragen zu lassen.

In diesem Fall werden die Fachgruppen beim Tarifträgerverband durch ihren Vorsitzenden oder einen Beauftragten vertreten.

Die Beschlussfassung über etwaige Arbeitskampfmaßnahmen gehört zur Zuständigkeit der Fachgruppen-Mitgliederversammlung.

7. Zusätzliche Beiträge und Zahlungen zu Sondervermögen können von den Fachgruppen beschlossen werden. Sie werden dann vom Verein bei den Fachgruppen-Mitgliedern erhoben."

Die "Geschäftsordnung der Fachgruppe Metall- und Elektroindustrie im Industrieverband Lippe e.V." sieht auszugsweise folgendes vor (vollständiger Text: Bl. 55 - 59 GA, "Industrieverband e.V." = früherer Name des jetzigen Unternehmensverbandes Lippe e.V.):

" Geschäftsordnung

der "Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie"

im "Industrieverband Lippe e.V."

Die "Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie" (im folgenden kurz "Fachgruppe" genannt) ist ein Zusammenschluss der Mitgliedsfirmen aus der Eisen-, Metall- und Elektro-Industrie innerhalb des "Industrieverbandes Lippe e.V." (im folgenden kurz "Verband" genannt). Die Bildung der Fachgruppe wurde in der konstituierenden Versammlung am 19. September 1974 beschlossen, und zwar entsprechend § 6 der Vereinssatzung in deren Neufassung vom 11.09.1974 (im folgenden kurz "Satzung" genannt).

Die Fachgruppe ist laut Beschluss der Fachgruppenversammlung am 04. Oktober 1973 korporatives Mitglied des "Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V." (Tarifträgerverband).

Zweck und Aufgabe der Fachgruppe sowie deren Organe sind in § 6 der Satzung festgelegt und geregelt. Ergänzend hierzu gibt sich die Fachgruppe gemäß § 6 Ziff. 3 der Satzung folgende Geschäftsordnung:

§ 1

Beginn und Ende der Fachgruppen-Mitgliedschaft

Nach § 6 Ziff. 1 Abs. 2 der Satzung gehören alle Firmen der Eisen-, Metall- und Elektro-Industrie, die Mitglieder des Verbandes sind, automatisch auch der Fachgruppe als Mitglieder an.

Mit der Beendigung der Mitgliedschaft im Verband nach § 5 der Satzung endet automatisch auch die Mitgliedschaft in der Fachgruppe.

§ 2

Organe der Fachgruppen

Organe der Fachgruppen sind gemäß § 6 Ziff. 4 der Satzung:

die Fachgruppen-Mitgliederversammlung

der Fachgruppen-Vorstand.

1.) Fachgruppenmitgliederversammlung

a) Einmal im Jahr findet eine ordentliche Mitgliederversammlung mit der Mitgliederversammlung des Verbandes statt...

Außerordentliche Mitgliederversammlungen können.....

b) Beschlüsse der Fachgruppen-Mitgliederversammlung

........

c) Ordentliche Fachgruppen-Mitgliederversammlung

..........

2. Fachgruppen-Vorstand

a) Wahl des Vorstandes

......... Der Vorstand besteht aus sechs Mitgliedern. Wählbar sind ........

b) Vorsitzender und dessen Stellvertreter

Unverzüglich nach erfolgter Neuwahl des Vorstandes wählen die Vorstandsmitglieder aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden ....

c) Aufgaben des Vorsitzenden und des Vorstandes

Der Vorsitzende führt die laufenden Geschäfte der Fachgruppe. Er lädt zu den Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen der Fachgruppe ein. .......

Aufgabe des Vorstandes ist es, alle grundsätzlichen und für die allgemeine Arbeit der Fachgruppe wichtigen Fragen zu beraten und gegebenenfalls zu beschließen. Insbesondere obliegt es dem Vorstand,

den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter aus seiner Mitte zu wählen,

der Mitgliederversammlung Vorschläge für die Festsetzung von Sonderbeiträgen ......

beim Vorstand des Verbandes zu beantragen, den Ausschluss eines Fachgruppen-Mitglieds aus dem Verband zu beschließen, falls dieses gegen seine Pflichten grob oder trotz Abmahnung wiederholt verstoßen hat ( § 5 Abs. 1 Buchst. c der Satzung).

d) Vorstandssitzungen

.........

§ 3

Geschäftsführung

Die Geschäfte der Fachgruppe werden, soweit sie nicht Sache des Fachgruppen-Vorsitzenden sind (siehe oben § 2 Ziff. 2 Buchst. c), vom Geschäftsführer des Verbandes wahrgenommen.

........."

Die Fachgruppe Metall- und Elektroindustrie des Arbeitgeberverbandes Lippe e.V. ist Mitglied von Metall NRW - Verband der Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Wegen der Satzung von Metall NRW wird auf Bl. 60 - 72 GA Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 13.11.2003 an den "Arbeitgeberverband Lippe e.V., Herr H2 / Herr T1" erklärte die Beklagte (Bl. 22 GA):

".........

wie bereits telefonisch zwischen uns besprochen, bitten wir um Änderung unserer Verbandszugehörigkeit und Aufnahme in den Bereich "ohne Tarifbindung" am dem 01.Dezember 2003.

Wir bitten um kurze Rückbestätigung.

... ."

Der Arbeitgeberverband antwortete unter dem 24.11.2003 mit dem Briefbogen der "Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie" / "AGV" (Bl. 23 GA):

".....

hiermit bestätigen wir Ihnen, dass ab dem 01.Dezember 2003 Ihre Mitgliedschaft als Mitgliedschaft ohne Tarifbindung fortgesetzt werden wird.

Mit freundlichen Grüßen

- Geschäftsführung -

(Unterschrift H2)

H.-P. H2."

Eine über eine Information hinausgehende Willensbildung des Fachgruppenvorstandes oder des Fachgruppenvorsitzenden gab es hierzu nicht.

Wegen der Satzung des Arbeitgeberverbandes Lippe e.V. (AGV), dessen Mitglied der Unternehmensverband Lipp e.V. ist, wird auf Bl. 136 ff GA verwiesen.

Die Beklagte gab die Tariferhöhung von 1,5% für 2004 und von 2% für 2005 nicht an den Kläger weiter.

Mit beim Arbeitsgericht Detmold am 30.06.2005 eingegangener Klage begehrt der Kläger nunmehr (noch) für April 2005 den Tariflohn aus dem von Metall NRW-Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. und der IG Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen geschlossenen Lohnabkommen vom 16.02.2004. Die Differenz zwischen dem entsprechend dem Lohnabkommen erhöhten Entgelt für April 2005 und dem gezahlten Entgelt beträgt rechnerisch unstreitig 90,30 € brutto.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, satzungsrechtlich unterliege ein Wechsel zur OT-Mitgliedschaft den gleichen Formvorschriften wie der Verbandsaustritt, auch sei eine Frist entsprechend der Kündigungsfrist einzuhalten. Die Tarifbindung sei mittelbar durch die Mitgliedschaft der Beklagten im Unternehmensverband Lippe, dessen Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband und wiederum dessen Mitgliedschaft bei Metall NRW bewirkt. Aus den Satzungsbestimmungen sei nicht erkennbar, dass sogenannte OT-Mitglieder aus dem tariflichen Zuständigkeitsbereich herausgenommen worden seien. Es hätten nicht nur die Mitglieder in den Fachgruppen die Möglichkeit, über Tarifabschlüsse bzw. der Zugehörigkeit zu Spitzenorganisationen und Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte mit entscheiden zu können; vielmehr seien alle Mitglieder an den tarifrelevanten Entscheidungen beteiligt. Ein wirksamer Austritt aus der Fachgruppe sei zudem nicht erfolgt, da dies laut Geschäftsordnung nur durch den Austritt aus dem Unternehmensverband erfolgen könne. Desweiteren sehe auch weder die Satzung des Arbeitgeberverbandes oder Unternehmerverbandes noch die Satzung von Metall NRW überhaupt eine OT-Mitgliedschaft vor.

Nachdem der Kläger zunächst die Lohndifferenzen aufgrund der Tariferhöhungen für die Monate März 2004 bis April 2005, entsprechende Differenzen beim Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld sowie auch Einmalzahlungen aufgrund der ERA-Strukturkomponente in Höhe von insgesamt 1.005,89 € brutto eingeklagt hatte, hat er bis auf die Lohndifferenz für April 2005 in Höhe von 90,30 € brutto die Klage zurückgenommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 90,30 € brutto zu zahlen und diesen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ein Wechsel zur OT-Mitgliedschaft unterliege weder einer Formvorschrift noch einer Frist, so dass die nach dem 01.12.2003 abgeschlossenen Tarifverträge nicht mehr für sie gelten könnten. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung des Unternehmensverbandes könne dieser zwar als Tarifvertragspartei auftreten und mit der Gewerkschaft Tarifverträge schließen, er sei aber nicht dazu verpflichtet. Der Unternehmensverband sei im Übrigen nicht Mitglied im Verband Metall NRW, was ja auch dadurch deutlich würde, dass er Firmen vertrete, die nicht zum Bereich der metallverarbeitenden Industrie gehörten. Es habe ausschließlich die Fachgruppe Metall- und Elektroindustrie die Kompetenz, Tarifverträge für diesen Bereich abzuschließen. Damit beschränke sich die Tariffähigkeit auf die Fachgruppe. Die Beklagte habe sich einseitig durch eine Erklärung von dieser Untergliederung und damit von der Zugehörigkeit zur Fachgruppe lösen können. Diesbezüglich sei die Einhaltung einer Kündigungsfrist nicht erforderlich, da die Beklagte ja Mitglied im Gesamtverein bliebe. In jedem Fall sei aber ansonsten die Austrittserklärung als Austritt aus dem Verband zu deuten, da es einem Unternehmen gemäß Art. 9 GG freistehen müsse, ob es tarifgebunden sei oder nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen. Die Beklagte habe sich durch die Schreiben vom 13.11.2003 und vom 24.11.2003 nicht von der durch die Fachgruppe vermittelten Tarifbindung lösen können. Die Beklagte sei nicht wirksam aus der Fachgruppe ausgetreten. Nach der Geschäftsordnung der Fachgruppe ende die Mitgliedschaft in der Fachgruppe mit der Beendigung der Mitgliedschaft im Unternehmensverband. Einen Austritt aus dem Unternehmensverband enthalte das Schreiben der Beklagten vom 13.11.2003 nicht. Eine separate Lösung aus der Fachgruppe sei nach der Geschäftsordnung nicht möglich. Die Erklärung vom 13.11.2003 könne auch nicht in die Erklärung des Verbandsaustrittes umgedeutet werden, da es sich dabei um eine umfassendere (als die abgegebene) Erklärung handele. Wegen bestehender Tarifbindung schulde die Beklagte die eingeforderte Lohndifferenz.

Das Urteil ist der Beklagten am 29.05.2007 zugestellt worden. Die Beklagte hat am 21.06.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 30.08.2007 am 29.08.2007 begründet.

Die Beklagte wendet ein, die Geschäftsordnung der Fachgruppe stehe im Widerspruch zur rechtlich höherrangigen Satzung des Unternehmensverbandes. § 6 Abs.1 Satzung Unternehmensverband sehe vor, dass Fachgruppen gebildet werden könnten, aber nicht müssten. Die Satzung lasse also eine Verbandsmitgliedschaft ohne gleichzeitige Zugehörigkeit zur einschlägigen Fachgruppe zu. Diese Öffnung in der Satzung bedeute, dass es für ein Mitglied möglich sein müsse, in eine branchenbezogene Fachgruppe hinein- und auch hinauszugehen, ohne den Gesamtverband verlassen zu müssen. Dieser Satzungsvorschrift stehe die Vorschrift der Geschäftsordnung entgegen, die einen Austritt aus der Fachgruppe Metall nur bei gleichzeitigem Verbandsaustritt zulasse. Die Regelung der Geschäftsordnung sei wegen Verstoßes gegen die Satzung des Verbandes unwirksam. Sie, die Beklagte, habe damit aus der Fachgruppe ausscheiden können. Auch unabhängig davon könne sie nicht an der Tarifbindung festgehalten werden. Der zunächst auf Mitgliedschaft mit Tarifbindung gerichtete Vertrag zwischen ihr und dem Unternehmensverband sei durch den vertraglich vereinbarten Statuswechsel vom 13.11.2003 und 24.11.2003 verändert worden. Würde man einen solchen Wechsel für unzulässig erklären, bestehe eine fehlerhafte Mitgliedschaft, deren Aufrechterhaltung zu einer vom Willen nicht gedeckten Unterworfenheit unter einen Verbandstarifvertrag führe. Das verstoße gegen Art. 9 Abs.3 GG.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichtes. Die Satzung des Unternehmensverbandes hindere nicht, dass die Geschäftsordnung der Fachgruppe regele, dass im Fall der Bildung einer Fachgruppe die Verbandsmitglieder aus dieser Branche gleichzeitig Mitglieder der Fachgruppe sein müssten. Zumindest schließe die Satzung des Unternehmensverbandes nicht aus, dass ein Unternehmen, das Mitglied einer Fachgruppe geworden sei, diese Mitgliedschaft nur beenden könne, wenn es auch den Verband verlasse. Es bleibe dabei, dass die Beklagte ihre Tarifbindung nicht wirksam beendet habe.

Entscheidungsgründe:

Die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung ist nach § 8 Abs.2, 64 Abs. 1, Abs. 2 a) ArbGG statthaft und zulässig. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Tarifgebundenheit der Beklagten auch hinsichtlich des Lohnabkommens vom 16.02.2004 (LA 2004) bejaht und die Beklagte zur Zahlung der aus der Tariflohnerhöhung folgenden Lohndifferenz von unstrittig 90,30 € für April 2005 verurteilt. Die Tarifbindung der Beklagten resultiert aus ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie des Unternehmensverbandes Lippe e.V. (1). Die Mitgliedschaft der Beklagten in der Fachgruppe und damit die Tarifbindung ist nicht durch den Briefwechsel aus November 2003 vor Inkrafttreten des Lohnabkommens vom 16.02.2004 beendet worden (2).

1. Die Tarifbindung der Beklagten resultiert aus ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie des Unternehmensverbandes Lippe e.V. .

Nach § 3 Abs.1 TVG sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist. Tarifvertragsparteien sind nach § 2 Abs.1 TVG Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern. Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben, § 2 Abs.2 TVG; daneben können Spitzenorganisationen nach § 2 Abs.3 TVG selbst Parteien eines Tarifvertrages sein, wenn der Abschluss von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört. Durch diese Vorschriften ist die Möglichkeit eröffnet, die Mitglieder eines Verbandes, die eine Tarifbindung wollen, innerhalb des Verbandes zu einer Tarifgemeinschaft zusammenzufassen, wie dies hier durch Konstituierung der Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie innerhalb des Unternehmensverbandes Lippe e.V. geschehen ist. Die so innerhalb eines Zusammenschlusses von Arbeitgebern verselbständigte Unterorganisation ist dann tariffähig und kann Tarifverträge abschließen. Tarifgebunden sind dann die Mitglieder der Unterorganisation als Mitglieder dieser Tarifgemeinschaft (vgl. Jacobs/Krause/Oetker, Tarifvertragsrecht 2007, § 2 Rz. 107 (Oetker); Wiedemann-Oetker, TVG, 7.Aufl. 2007, § 3 TVG Rz. 136 und § 2 TVG Rz. 78; LAG Hamm 13.01.2006 - 10 TaBV 123/05 - Rz.87-95, 98). Entsprechend den dargestellten Gesetzesbestimmungen und den im Tatbestand aufgeführten Satzungs- und Geschäftsordnungsvorschriften sind hier die Mitglieder der Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie des Unternehmensverbandes Lippe e.V. und damit auch die Beklagte für die Dauer ihrer Fachgruppenzugehörigkeit an die von Metall NRW - Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V. - abgeschlossenen Tarifverträge gebunden. Insoweit besteht kein Streit zwischen den Prozessparteien.

2. Die Mitgliedschaft der Beklagten in der Fachgruppe und damit die Tarifbindung ist nicht durch den Briefwechsel aus November 2003 vor Inkrafttreten des Lohnabkommens vom 16.02.2004 beendet worden.

a) Dabei kann bei der Entscheidung des Rechtsstreits dahingestellt bleiben, ob eine Beendigung der Fachgruppenmitgliedschaft nur durch gleichzeitigen Austritt aus dem Unternehmensverband Lippe e.V. - der einzig ausdrücklich in der Satzung genannten Beendigungsmodalität - bewirkt werden kann, wie dies das Arbeitsgericht angenommen hat. Offen bleiben kann, ob nicht daneben aus vereinsrechtlichen Gründen die Möglichkeit eines einvernehmlichen Austritts aus der Fachgruppe in wahrgenommener Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit unabhängig davon anzuerkennen ist, ob die Geschäftsordnung oder Satzung eine solche Möglichkeit ausdrücklich eröffnet. Auch muss nicht geklärt werden, ob ein ggf. zulässiger einvernehmlicher Austritt aus der Mitgliedschaft an bestimmte Formen und Fristen gebunden ist, etwa entsprechend den Formen und Fristen, die die Satzung für den Verbandsaustritt vorschreibt. Denn selbst wenn man eine form- und fristlos vollziehbare einvernehmliche Beendigung ("Blitzaustritt") grundsätzlich für zulässig erachtet, ist eine solche hier nicht wirksam realisiert worden (zum aktuellen Meinungsstand: Besgen, OT-Mitgliedschaft - offene Fragen, SAE 2007, 293 ff mwN).

b) Denn die Annahme des Austrittsangebotes im Antwortschreiben des Verbandes vom 24.11.2003 unter dem Briefbogen "Fachgruppe Metall-Elektro-Industrie" / "AGV" erfolgte nach dem unterbreiteten Sachverhalt ohne die erforderliche Vertretungsmacht für die Fachgruppe Metall-Elektro-Industrie.

Die "Fachgruppe Metall-Elektro-Industrie im Industrieverband Lippe e.V." ist eine Untergliederung des Unternehmensverbandes Lippe e.V., die ausweislich der von ihr verabschiedeten Geschäftsordnung unter eigenem Namen unabhängig von ihrem jeweiligen Mitgliederbestand körperschaftlich organisiert ist und die auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, dafür handlungsfähige Organisation wahrnimmt. Damit ist die Fachgruppe innerhalb des Unternehmensverbandes Lippe e.V. als Abteilung in der Rechtsform eines nicht rechtsfähigen Vereines organisiert (vgl. zu einer solchen Organisationsstruktur: BGH NJW 1984, 2223; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 10.Auflage 2005, S. 8 Rz. 40). Die Vertretungsmacht für den nicht rechtsfähigen Verein bestimmt sich nach dessen Satzung in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 2 BGB (Reichert, aaO, S. 816 Rz. 4733 ff; MK-Reuter, BGB AT 5.Aufl. 2006, § 54 BGB Rz. 40 ff), hier also nach der "Geschäftsordnung" der Fachgruppe. Nach § 26 Abs. 2 BGB hat der Vorstand die Stellung des gesetzlichen Vertreters (MK-Reuter, aaO, § 26 BGB Rz. 11 i.V.m. § 54 BGB Rz. 42). Die Vertretungsmacht ist hier gemäß § 2 Nr. 2, § 3 Geschäftsordnung abgestuft so geregelt, dass diese zunächst bei dem aus sechs Mitgliedern gebildeten Vorstand der Fachgruppe liegt, für die "laufenden Geschäfte" dem Vorsitzenden der Fachgruppe zugewiesen ist und dass Geschäfte, die nicht Sache des Fachgruppen-Vorsitzenden gemäß § 2 Nr. 2 c) Geschäftsordnung sind, vom Geschäftsführer des Verbandes (gemeint: des Unternehmensverbandes Lippe e.V.) wahrgenommen werden. Der von der Beklagten hier reklamierte einvernehmliche Austritt aus der Fachgruppe ohne Einhaltung von Fristen ist weder in der Geschäftsordnung der Fachgruppe noch in der Satzung des Unternehmensverbandes Lippe e.V. vorgesehen. Vielmehr sieht § 1 Satz 1 der Geschäftsordnung der Fachgruppe eine "automatische" Mitgliedschaft der branchenzugehörigen Verbandsmitglieder in der "Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie" vor, welche nach § 1 Satz 2 der Geschäftsordnung mit der Beendigung der Mitgliedschaft des Fachgruppenmitgliedes im übergeordneten Unternehmensverbandes gemäß § 5 der dortigen Satzung endet. § 6 Satz 2 der Satzung des Unternehmensverbandes sieht als Sollvorschrift die Zugehörigkeit aller branchenzugehörigen Mitgliedsfirmen in ihrer Fachgruppe vor, sofern eine solche innerhalb des Verbandes gebildet ist ("...,so sollen alle branchengleichen Firmen ihrer Fachgruppe angehören"). Damit kann der von der Beklagten erstrebte einvernehmliche Fachgruppenaustritt ohne Einhaltung von Fristen nicht als "laufendes Geschäft der Fachgruppe" gemäß § 2 Nr. 2 c) der Geschäftsordnung der Fachgruppe qualifiziert werden. Ein Handeln in dieser Frage, das nicht durch den hierzu kraft Geschäftsordnung berufenen Vorstand der Fachgruppe erfolgt, ist damit ein Handeln ohne Vertretungsmacht und damit nicht geeignet, die Fachgruppenmitgliedschaft rechtsgeschäftlich zu beenden. Unstreitig aber hat eine Willensbildung des Vorstandes der Fachgruppe zur Frage eines einvernehmlichen Austrittes der Beklagten aus der Fachgruppe ohne Einhaltung von Fristen nicht stattgefunden. Das zustimmende Schreiben vom 24.11.2003 trägt nicht die Unterschriften des zur Vertretung aufgerufenen Vorstandes der Fachgruppe sondern lediglich die des Geschäftsführers des Unternehmensverbandes Lippe e.V. . Wegen fehlender Vertretungsmacht ist eine für und gegen die Fachgruppe wirkende Einigung über einen Fachgruppensaustritt der Beklagten per November 2003 nicht erzielt worden. Der Briefwechsel aus November 2003 hat die Mitgliedschaft der Beklagten in der Fachgruppe nicht beendet.

Eine spätere Genehmigung durch den Fachgruppenvorstand ist nicht dargelegt. Nach Abschluss des Lohnabkommens vom 12.04.2004 war eine Genehmigung der einvernehmlichen Beendigung der Fachgruppenmitgliedschaft nicht mehr möglich, weil die die Tarifbindung legitimierende Mitgliedschaft in einer tariffähigen Koalition nicht von einer rückwirkenden Genehmigung abhängen kann. Vielmehr muss die Tarifbindung im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages feststehen (LAG Hamm 27.09.2005 - 19 Sa 936/05 - Rz. 92 mwN).

Eine Umdeutung der Erklärung der Beklagten vom 13.11.2003 in eine einseitige Austrittserklärung kommt aus den vom Arbeitsgericht aufgezeigten Gründen nicht in Betracht. Davon abgesehen würde eine Austrittserklärung nach § 5 a) der Satzung des Unternehmensverbandes Lippe e.V. allenfalls mit Sechsmonatsfrist zum Ablauf des Geschäftsjahres und damit nicht zum 12.04.2004 wirken.

3. Der für April 2005 entsprechend § 2 Nr. 2 a), Nr. 3 a), § 3 Nr. 2 a), Nr.3 a) LA 2004 geschuldete Differenzbetrag ist in seiner Höhe zwischen den Parteien unstreitig. Die Verzinsung des ausgeurteilten Bruttobetrages schuldet die Beklagte gemäß §§ 291, 288, 247 BGB.

4. Da die Berufung insgesamt ohne Erfolg geblieben ist, hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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