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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 1237/06
Rechtsgebiete: TzBfG, LPVG NW


Vorschriften:

TzBfG § 16
TzBfG § 17
TzBfG § 22
LPVG NW § 66
LPVG NW § 72
1. Die wirksame Befristung eines Arbeitsvertrages setzt im Geltungsbereich des LPVG NW voraus, dass das in § 72 Abs.1 Nr. 1 LPVG NW geregelte Mitbestimmungsrecht des Personalrates gewahrt ist. Eine vor Erteilung der Zustimmung des Personalrates vereinbarte Befristung ist wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechtes unwirksam. Nach § 16 TzBfG gilt der befristete Arbeitsvertrag dann als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

2. Diese Grundsätze sind auch zu beachten, wenn die Befristung in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart wird. Auch dann ist die vorherige Zustimmung des Personalrates Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung.

3. Da das Recht des Arbeitnehmers, die Unwirksamkeit einer mit ihm vereinbarten Befristung durch eine Befristungskontrollklage nach § 17 TzBfG gerichtlich überprüfen zu lassen, zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht ist, ist ein in den gerichtlichen Vergleich über die Vereinbarung einer Befristung aufgenommener "Verzicht" auf eine "Rüge der Nichtbeteiligung des Personalrates" rechtlich unbeachtlich (a.A. LAG Köln 12.12.2005 - 2 Sa 1054/05 - n.rkr. Az. BAG 7 AZR 287/06).


Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 27.06.2006 - 4 Ca 712/06 - wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder mit Ablauf des 22.03.2006 noch mit Ablauf des 28.03.2006 noch mit Ablauf des 31.03.2006 beendet worden ist.

Das beklagte L3xx wird verurteilt, die Klägerin als angestellte Lehrkraft mit voller Pflichtstundenzahl über den 22.03.2006 bzw. 28.03.2006 bzw. 31.03.2006 weiter zu beschäftigen.

Das beklagte L3xx trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten mit der am 11.04.2006 erhobenen Klage über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Befristung zu Ende März 2006.

Die 1954 geborene Klägerin schloss ein Studium mit der Magisterprüfung ab. Die Magisterprüfung wurde durch das beklagte L3xx als Erste Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe I in den Fächern Englisch und Spanisch anerkannt. Die Klägerin wurde im September 2003 als sogenannte Seiteneinsteigerin/Quereinsteigerin befristet in den Schuldienst des beklagten L4xxxx eingestellt. Berufsbegleitend nahm sie an einem Vorbereitungsdienst teil. Die Befristung erfolgte zum Zwecke der Erprobung. Vereinbart war eine Befristung bis zur Beendigung des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses, längstens bis zum 14.09.2005. Am 07.07.2005 bestand die Klägerin die Zweite Staatsprüfung. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis nunmehr nach Ablauf der Auslauffrist ende. Gegen eine solche Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Befristung hat die Klägerin am 11.07.2005 Klage zum Arbeitsgericht Hamm erhoben (4 Ca 1422/05). In dem daraufhin anberaumten Gütetermin haben die Parteien am 18.08.2005 vor dem Arbeitsgericht Hamm einen Prozessvergleich nachstehenden Inhaltes abgeschlossen (Bl. 18, 19 GA):

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das streitbefangene Arbeitsverhältnis kraft wirksamer Befristung mit dem 14.09.2005 enden wird.

2. Durch den heutigen gerichtlichen Vergleich vereinbaren die Parteien ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis beginnend mit dem 15.09.2005 zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses, das am 14.09.2005 geendet hat, längstens bis zum 31.03.2006.

Dieses Arbeitsverhältnis endet jedoch vor dem 31.03.2006, wenn die Klägerin vor dem 31.03.2006 an der Wiederholungsprüfung zur Erlangung des zweiten Staatsexamens teilnimmt. In diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, sofern diese vor dem 31.03.2006 erfolgt.

3. Die dienstliche Beurteilung vom 15.07.2005 wird aufgehoben. Sie wird nicht zur Personalakte genommen. Soweit sie sich bereits bei der Personalakte befindet, wird sie aus dieser entfernt.

4. Die Klägerin wird ihren Dienst zunächst wiederum an der C1xxxxxxxx in H1xx antreten. Das beklagte L3xx wird jedoch wohlwollend einen Einsatz an einer anderen Hauptschule prüfen, der so schnell wie möglich erfolgen soll.

5. Im neuen Arbeitsverhältnis findet § 5 des Arbeitsvertrages vom 06.08.203 keine Anwendung.

6. Die Klägerin erklärte, sie verzichte auf ihr Recht zur Rüge der Nichtbeteiligung des Personalrates bei Abschluss des heutigen befristeten Arbeitsvertrages.

7. Durch diesen Vergleich ist erledigt der vorliegende Rechtsstreit 4 Ca 1422/05sowie das ebenfalls zwischen den Parteien anhängige Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Weiterbeschäftigung."

Das beklagte L3xx wandte sich noch am 18.08.2005 an den Personalrat für Lehrer an Grund- und Hauptschulen wegen der Beteiligung des Personalrates zur "Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleiches". Es heißt dort (Kopie Bl. 40 GA):

"...

Schule: K3xxxxxxxx

Beginn: 15.09.2005

Ende: bis zur Beendigung der Wiederholungsprüfung zur zweiten Staatsprüfung, längstens jedoch bis zum 31.03.2006

Arbeitszeit: 28,00/28,00

Erläuterung:

Das bisherige Arbeitsverhältnis von Frau M1xx endet mit Ablauf des 14.09.2005. Frau M1xx war als Seiteneinsteigerin zur Absolvierung Ausbildung nach OVP B befristet eingestellt. Mit Schreiben vom 11.07.2005 erhob Frau M1xx Entfristungsklage gegen das L3xx N2x vor dem Arbeitsgericht Hamm. Inder heutigen Güteverhandlung schlossen beide Parteien folgenden Vergleich:

1) Das bisherige Arbeitsverhältnis endet zum 14.09.2005

2) Es wird ein neues Arbeitsverhältnis (s.o.) begründet, der bisher vereinbarte Übernahmeanspruch (§ 5 des Arbeitsvertrages) bei Bestehen der zweiten Staatsprüfung entfällt jedoch.

Den Vergleich reiche ich in Ablichtung nach, sobald mir dieser vorliegt.

...

Diese Maßnahme unterliegt gemäß § 72 LPVG der Mitbestimmung des Personalrates.

Ich bitte daher um Zustimmung.

..."

Unter dem 29.08.2005 stimmte der Personalrat der Maßnahme zu (Bl. 40 GA). Mit Wirkung vom 30.08.2005 wurde die Klägerin nach vorheriger Beteiligung des Personalrates zur "Versetzung innerhalb des Schulamtes H1xx" (Bl. 41 GA) von der K3xxxxxxxx an die P1xxxxxxxx versetzt (Bl. 34 GA). Die Klägerin absolvierte die Wiederholungsprüfung für die Zweite Staatsprüfung und bestand diese. Dies wurde der Klägerin mündlich am 09.03.2006 mitgeteilt. Am 22.03.2006 teilte das S4xxxxxx der S5xxx H1xx der Klägerin mit, am 22.03.2006 sei die Mitteilung über das Bestehen der Prüfung bei dem S4xxxxxx eingegangen, folglich sei das Arbeitsverhältnis beendet. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 23.03.2006 (Telefax). Das S4xxxxxx antwortete unter dem 23.03.2006, man wolle sich zunächst bei dem Prüfungsamt wegen des Standes der Prüfung und der förmlichen Bekanntgabe des Ergebnisses erkundigen. In einem weiteren Schreiben vom 28.03.2006 führte das S4xxxxxx aus, das Arbeitsverhältnis ende mit der förmlichen Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses und spätestens am 31.03.2006, das Zeugnis sei am 27.03.2006 mit Postzustellungsurkunde versandt worden. Am 28.03.2006 wurde der Klägerin das Prüfungszeugnis förmlich zugestellt (Kopie des Zeugnisses mit Datum '09.03.2006' Bl. 29 GA). Mit Schreiben vom 04.04.2006 vertrat das S4xxxxxx die Auffassung, das Arbeitsverhältnis habe mit dem 28.03.2006 geendet, eine Rückforderung der Bezüge für den 29.03. bis 31.03.2006 bleibe vorbehalten. Wegen weiterer Einzelheiten der Korrespondenz der Parteien von Ende März 2006 und Anfang April 2006 wird auf die vorgelegten Kopien verwiesen (Bl. 20 - 28, 29 - 33 GA).

Die vorliegende Klage ist am 11.04.2006 bei dem Arbeitsgericht Hamm eingegangen. Am 07.07.2006 forderte das Landesamt für Besoldung und Versorgung NW bei der Klägerin die Vergütung für den 29.03. bis 31.03.2006 zurück.

In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 14.12.2006 ist mitgeteilt worden, dass es mit der Klägerin zwei weitere befristete Arbeitsverträge gibt, die für das beklagte L3xx von dem S4xxxxxx in W1xxxxxxx und von der B3xxxxxxxxxxxxxx M2xxxxx in Unkenntnis des anhängigen Rechtsstreits abgeschlossen worden waren. Eine telefonische Erkundigung ergab, dass der zeitlich erste befristete Arbeitsvertrag am 17.05.2006 unterschrieben worden ist.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ein wirksames befristetes Arbeitsverhältnis sei nicht vereinbart worden. Nach Abschluss des gerichtlichen Vergleiches sei kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden. Der zuständige Personalrat sei nicht vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages beteiligt worden. Ziffer 6. des Vergleiches stehe der Klage nicht entgegen, weil sie nicht wirksam auf Rechte des Personalrates verzichten könne.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder mit Ablauf des 22.03.2006 noch mit Ablauf des 28.03.2006, noch mit Ablauf des 31.03.2006 beendet worden ist.

2. Das beklagte L3xx wird verurteilt, die Klägerin als angestellte Lehrkraft mit voller Pflichtstundenzahl über den 22.03.2006 bzw. 28.03.2006 weiterzubeschäftigen.

Das beklagte L3xx hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte L3xx hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei wirksam befristet durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs vom 18.08.2005. Der Personalrat habe noch vor Auslaufen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses dem weiteren befristeten Arbeitsverhältnis zugestimmt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.06.2006 abgewiesen. Die Befristung sei nach § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG wirksam, da sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruhe. Die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG sei durch die Aufnahme des Vergleichstextes in das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2005 gewahrt. Die Beteiligung des Personalrates hinsichtlich des Mitbestimmungsmerkmals "Einstellung" sei gewahrt. Darauf, dass die Beteiligung des Personalrates nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs erfolgt sei, könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie im gerichtlichen Vergleich auf ihr Recht zur Rüge der Nichtbeteiligung des Personalrats bei Abschluss des heutigen befristeten Arbeitsvertrages verzichtet habe. Da keine Unwirksamkeitsgründe bezüglich der Befristung gegeben seien, sei die Klage abzuweisen gewesen. Es sei davon auszugehen sei, dass das Arbeitsverhältnis mit Erhalt der schriftlichen Mitteilung über das Prüfungsergebnis am 28.03.2006 geendet habe. Da seit diesem Zeitpunkt kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe, sei das beklagte L3xx nicht verpflichtet, die Klägerin weiterzubeschäftigen.

Das Urteil ist der Kläger am 11.07.2006 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 25.07.2006 Berufung eingelegt und diese am 17.08.2006 begründet.

Die Klägerin wendet ein, die streitgegenständliche Befristung sei nach § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, weil ein schriftlicher Vertrag nicht geschlossen worden sei. Weiter fehle die erforderliche Zustimmung des Personalrats vor Abschluss der Befristungsvereinbarung. Der Vergleich sei am 18.08.2005 abgeschlossen worden, der Personalrat habe erst am 29.08.2005 zugestimmt. Die Beteiligung des Personalrats sei Wirksamkeitsvoraussetzung. Gesetzliche Unwirksamkeiten seien zu beachten und stünden nicht zur Disposition des einen oder anderen Vertragspartners. Die sich aus der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ergebende Unwirksamkeit sei vom Gericht zu beachten und stelle keine Rüge dar, auf welche gegebenenfalls verzichtet werden könne. Keinesfalls ende das Arbeitsverhältnis am 28.03.2006. Das mit Vergleich begründete Arbeitsverhältnis enthalte eine Zeitbefristung und eine Zweckbefristung. Nach § 15 Abs. 2 TzBfG habe das Arbeitsverhältnis frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung geendet. Auf eine Beendigung zum 28.03.2006 bzw. 31.03.2006 komme man auf keinen Fall.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 27.06.2006 - 4 Ca 712/06 - abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder mit Ablauf des 22.03.2006 noch mit Ablauf des 28.03.2006 noch mit Ablauf des 31.03.2006 beendet worden ist, sowie das L3xx N1xxxxxxx-Westfalen zu verurteilen, die Klägerin als angestellte Lehrkraft mit voller Pflichtstundenzahl über den 22.03.2006 bzw. 28.03.2006 bzw. 31.03.2006 weiterzubeschäftigen.

Das beklagte L3xx beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte L3xx verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 4 TzBfG liege nicht vor, da der Vergleich und damit die Vereinbarung über die Befristung gerichtlich protokolliert sei. Zutreffend gehe das Arbeitsgericht davon aus, die Klägerin habe auf ihr Recht zur Rüge der Nichtbeteiligung des Personalrats bei Abschluss des hier in Rede stehenden befristeten Arbeitsvertrages verzichtet. Zwar sei die Beteiligung des Personalrats am 18.08.2005 nicht geeignet, die notwendige Beteiligung des Personalrats nachzuweisen, da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die erforderliche Zustimmung des Personalrats zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Befristungsabrede vorliegen müsse. Aufgrund der Vereinbarung im gerichtlichen Vergleich vom 18.08.2005 sei es der Klägerin jedoch verwehrt, die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats zu bestreiten. Zutreffend sehe das Arbeitsgericht den gerichtlichen Vergleich vom 18.08.2005 als "Stillhalteabkommen" an. Der Vortrag der Klägerin gegen die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats sei unbeachtlich mit der Folge, dass das beklagte L3xx gerade nicht die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats treffe. Unter Berücksichtigung des gerichtlichen Vergleichs vom 18.08.2006 sei eine Berufung der Klägerin auf die nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats im höchsten Maße arglistig und damit rechtsmissbräuchlich.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die streitgegenständliche Befristung "längstens bis zum 31.03.2006" ist wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats unwirksam. Das Arbeitsverhältnis besteht deshalb unbefristet fort. Das beklagte L3xx ist zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verpflichtet.

1. Die innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 17 TzBfG erhobene Befristungskontrollklage ist zulässig. Das für ein Feststellungsbegehren erforderliche Feststellungsinteresse besteht, da die Klägerin nur durch die fristgerechte Klageerhebung verhindern kann, dass die Befristung durch Ablauf der Klagefrist gemäß §§ 17 TzBfG, 7 KSchG wirksam wird. Zulässig ist auch, dass die Klägerin drei verschiedene Endtermine des Arbeitsverhältnisses in den Feststellungsantrag aufnimmt. Neben der Wirksamkeit der Befristung insgesamt ist auch der Termin einer etwaigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die vereinbarte Befristung zwischen den Parteien streitig. Alle drei im Antrag ausgewiesenen potentiellen Endtermine sind in der kontroversen Korrespondenz der Parteien genannt.

2. Dem Erfolg der Klage steht nicht entgegen, dass zwischen der Klägerin und dem beklagten L3xx während der Laufzeit des Rechtsstreits weitere befristete Arbeitsverträge abgeschlossen worden sind. Hat ein Arbeitnehmer K2xxx nach § 17 TzBfG auf Feststellung erhoben, dass sein Arbeitsverhältnis durch eine Befristungsvereinbarung nicht beendet ist, haben nachfolgende Befristungsvereinbarungen nicht zur Folge, dass der vorangehende Vertrag aufgehoben wird. Vielmehr enthalten Folgeverträge in einem solchen Fall den konkludent vereinbarten Vorbehalt, der nachfolgende Vertrag solle nur dann maßgeblich sein, wenn nicht bereits aufgrund einer vorherigen unwirksamen Befristung ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit besteht (BAG 10.03.2004 AP TzBfG § 14 Nr. 11). Eine solche Konstellation ist hier gegeben. Die hier zu bescheidende Befristungskontrollklage ist dem beklagten L3xx am 19.04.2006 zugestellt worden (Bl. 38 GA), der nachfolgende befristete Arbeitsvertrag ist unstreitig erst am 17.05.2006 und damit nach Zustellung der Klage unterzeichnet worden.

3. Die vor dem Arbeitsgericht am 18.08.2005 von den Parteien vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Termin der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses der Wiederholungsprüfung der Klägerin und längstens bis zum 31.03.2006 ist wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats unwirksam, weil sich das beklagte L3xx bereits am 18.08.2005 verbindlich mit der Klägerin über eine Befristung des Arbeitsverhältnisses geeignet hatte und erst anschließend die Zustimmung des Personalrats eingeholt hat.

Nach § 72 As. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW hat der Personalrat bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bezieht sich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses und schränkt in zulässiger Weise die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers ein. Nach § 66 Abs. 1 LPVG NW kann eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme nur mit Zustimmung des Personalrats getroffen werden. Dazu hat der Arbeitgeber das in § 66 LPVG NW vorgesehene Mitbestimmungsverfahren einzuleiten. Das Mitbestimmungsrecht berechtigt den Personalrat zu prüfen, ob die beabsichtigte Befristung den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle genügt. Daneben soll dem Personalrat nach dem Willen des Landesgesetzgebers die Möglichkeit eröffnet werden, auch bei Vorliegen eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes darauf Einfluss nehmen zu können, ob im Interesse des Arbeitnehmers nicht gleichwohl von einer Befristung des Arbeitsverhältnisses abgesehen werden kann und ein unbefristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden kann. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsvertrages und ist nicht auf die tatsächliche Umsetzung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung beschränkt. Es dient dem Schutz des Arbeitnehmers und soll seinem Interesse an einer dauerhaften Bindung Rechnung tragen. Nach dem Willen des Landesgesetzgebers soll der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Personalrats eine Befristungsabrede treffen können. Ohne die Zustimmung des Personalrats ist ihm diese Vertragsgestaltung verwehrt. Dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts entspricht es, dass eine ohne die Zustimmung des Personalrats vereinbarte Befristung unwirksam ist (BAG 08.07.1998 AP LPVG NW § 72 Nr. 18).

Liegt die nach §§ 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 66 Abs. 1 LPVG NW erforderliche Zustimmung des Personalrats zur Befristung eines Arbeitsvertrages bei Abschluss der Befristungsvereinbarung nicht vor, ist die gleichwohl vereinbarte Befristung unwirksam. Die Zustimmung kann nicht nachträglich erteilt werden. Eine ohne vorherige Zustimmung des Personalrats gleichwohl vereinbarte Befristung ist nicht schwebend, sondern endgültig unwirksam. Dies folgt aus Wortlaut, Systematik sowie aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. So heißt es in § 66 Abs. 1 LPVG NW, dass die der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme nur mit Zustimmung des Personalrats getroffen werden kann. Dies bedeutet bereits nach dem Wortlaut, dass die Zustimmung zu dem Zeitpunkt vorliegen muss, in dem die Maßnahme getroffen wird. Ein anderes Ergebnis als die Unwirksamkeit der ohne vorherige Zustimmung vereinbarten Befristung widerspricht auch dem systematischen Zusammenhang des LPVG NW und der dort in § 66 LPVG NW vorgesehenen Differenzierung zwischen endgültigen Maßnahmen und vorläufigen Regelungen. Aus dieser Differenzierung folgt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die endgültige Maßnahme nicht getroffen werden darf, bevor die Zustimmung des Personalrats vorliegt oder durch die Einigungsstelle ersetzt oder die nach § 66 Abs. 7 Satz 4 LPVG NW i.V.m. § 68 LPVG NW endgültige Entscheidung getroffen ist. Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung sowie das Gebot der Rechtssicherheit jedenfalls bei einer Befristung gegen die Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung. Die von dem Landesgesetzgeber gewollte Möglichkeit der Einflussnahme des Personalrats auf die Gestaltung des Vertrages besteht nicht mehr, wenn der Vertrag bereits geschlossen ist (BAG 20.02.2002 AP LPVG NW § 72 Nr. 23 m.w.N.).

Hier wurde die Befristung am 18.08.2005 verbindlich zwischen den Parteien vereinbart. Der Personalrat hat erst am 29.08.2005 und damit nachträglich zugestimmt. Die erforderliche vorherige Zustimmung des Personalrats fehlte bei der Vereinbarung vom 18.08.2005. Wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts ist die am 18.08.2005 vereinbarte Befristung deshalb unwirksam. Ist eine Befristung rechtsunwirksam, so gilt der befristete Arbeitsvertrag nach § 16 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Diese Rechtsfolge des § 16 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. TzBfG knüpft nicht nur an die Unwirksamkeitsgründe des § 14 TzBfG an, sondern sie tritt auch ein, wenn die Befristung aus Gründen außerhalb des § 14 TzBfG rechtsunwirksam ist, etwa wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts eines Personalrats (Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, 2004, Rz. 969; KR-Lipke, 7. Aufl. 2004, § 16 TzBfG Rz. 3; Annuß/Thüsing-Maschmann, TzBfG, 2.aufl. 2006, § 16 TzBfG Rz. 2 - a.A.: APS-Backhaus, 2. Aufl. 2004, § 16 TzBfG Rz. 3 für eine analoge Anwendung des § 16 TzBfG bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten; ErfK/ Müller-Glöge, 7. Aufl. 2007, § TzBfG Rz. 1 "allenfalls eine entsprechende Anwendung").

4. Dem Ergebnis der Unwirksamkeit der Befristung und der Rechtsfolge des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsvertrages gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. TzBfG steht nicht entgegen, dass die Klägerin unter Ziffer 6. des gerichtlichen Vergleichs vom 18.08.2005 erklärt hat, sie "verzichte auf ihr Recht zur Rüge der Nichtbeteiligung des Personalrats bei Abschluss des heutigen befristeten Arbeitsvertrages". Diese Vereinbarung ist wegen § 22 TzBfG rechtlich unbeachtlich.

Nach § 22 Abs. 1 TzBfG kann außer den in Fällen des §§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 4 und 14 Abs. 2 Satz 3, 4 TzBfG von den Vorschriften des Teilzeitbefristungsgesetzes nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Damit sind insbesondere individualrechtliche Vereinbarungen, die zu Ungunsten des Arbeitnehmers von den §§ 14 ff. TzBfG abweichen, unzulässig (ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl. 2007, § 22 TzBfG Rz. 1). Gesetzlich geregelt ist damit, was bereits vor Inkrafttreten der Regel in § 22 TzBfG in der Rechtsprechung anerkannt war: Nach altem und neuem Recht kann der Arbeitnehmer vor oder bei Vereinbarung einer Befristung nicht wirksam auf sein Recht verzichten, zu einem späteren Zeitpunkt eine Unwirksamkeit der Befristung gerichtlich geltend zu machen. Die Grundsätze der Befristungskontrolle sind zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend (BAG 19.01.2005 AP BGB § 620 "Befristeter Arbeitsvertrag" Nr. 260). Ein Verständnis der Regelung in Ziffer 6. des Prozessvergleichs vom 18.08.2005, dass dadurch die Klägerin gehindert wäre, die vereinbarte Befristung auf ihre Unwirksamkeit wegen einer Verletzung des Mitbestimmungsrechtes des Personalrates nach §§ 17, 16 TzBfG überprüfen zu lassen, verstößt damit gegen die zwingenden arbeitnehmerschützenden Regeln des Befristungsrechts. Der anders lautenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vermag die Kammer wegen der zwingenden Ausgestaltung des arbeitnehmerschützenden Befristungsrechts durch § 22 TzBfG nicht zu folgen (LAG Köln 12.12.2005 - 2 Sa 1054/05 - ZTR 2006, 509 - nicht rechtskräftig: BAG 7 AZR 287/06).

5. Aus den soeben aufgezeigten Gründen handelt die Klägerin auch nicht rechtsmissbräuchlich entgegen dem Gebot von Treu und Glauben des § 242 BGB, wenn sie entgegen dem mit ihr vereinbarten Vergleichstext vom 18.08.2005 nun - doch - die Wirksamkeit der Befristung wegen einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats zur gerichtlichen Überprüfung stellt. Die Klägerin verhält sich nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie jetzt Befristungskontrollklage erhebt und eine Verletzung der auch zu ihrem Schutz bestehenden Mitbestimmungsvorschriften des LPVG NW gegen die Wirksamkeit der Befristung anführt. Bei vertraglichen Befristungsabreden ist es regelmäßig erlaubt, sie auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen. § 17 TzBfG statuiert zugunsten des Arbeitnehmers und nicht abdingbar die Möglichkeit der fristgebundenen Befristungskontrollklage bis zum Ablauf von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages (s.o.). Könnte der Arbeitgeber dem entgegenhalten, zu einem früheren Zeitpunkt sei der Arbeitnehmer aber mit der Befristung einverstanden gewesen, so wäre jede Klage nach § 17 TzBfG treuwidrig. Denn ihr geht stets eine mit Zustimmung des Arbeitnehmers vereinbarte Befristung voraus. Wegen der zwingend ausgestalteten Klagebefugnis nach §§ 17, 22 TzBfG besteht kein schutzwertes Vertrauen des Befristungsarbeitgebers, nicht später mit einer Befristungskontrollklage überzogen zu werden. Die mit der Argumentation des beklagten L4xxxx über § 242 BGB reklamierte Beschränkung der Rechtsposition der Klägerin ist - wie oben dargelegt - gesetzeswidrig und konnte deshalb bei dem beklagten L3xx kein schützenswertes Vertrauen darauf begründen, dass die Unwirksamkeit der Befristung seitens der Klägerin nicht mit der Begründung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts geltend gemacht werde (vgl.: BAG 19.01.2005 AP BGB § 620 "Befristeter Arbeitsvertrag" Nr. 260).

6. Da sich die zu überprüfende Befristung als unwirksam erweist, ist das Begehren der Klägerin, während des anhängigen Befristungsrechtsstreits weiterbeschäftigt zu werden, begründet. Nachdem durch die Berufungskammer die Unwirksamkeit der Befristung festgestellt ist, ist das beklagte L3xx verpflichtet, die Klägerin entsprechend den vertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen. Die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts zum Weiterbeschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzprozesses gelten im Entfristungsrechtsstreit entsprechend (BAG 14.03.1990 RzK I 9 b Nr. 21; BAG 13.06.1985 EzA § 611 BGB "Beschäftigungspflicht" Nr. 11; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag 2004, Rz. 991; KR-Bader, 7. Aufl. 2004, § 17 TzBfG; KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz. 273). Das beklagte L3xx hat keine Gesichtspunkte für ein ausnahmsweise überwiegendes Interesse an einer Nichtbeschäftigung der Klägerin vorgetragen. Auch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsbegehrens erweist sich damit die Berufung der Klägerin als begründet.

7. Als im Rechtsstreit unterlegene Partei hat das beklagte L3xx nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und auch im Hinblick auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12.122005 (2 Sa 1054/05 ZTR 2006, 509) hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, 2 ArbGG die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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