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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 757/02
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG
Vorschriften:
ZPO § 233 | |
ZPO § 85 II | |
ArbGG § 66 n.F. |
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil
Geschäfts-Nr.: 11 Sa 757/02
Verkündet am: 05.12.2002
In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 05.12.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Limberg sowie die ehrenamtlichen Richter Lisiecki und Hölker
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.04.2002 - 5 Ca 3775/01 - wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 15.11.2000. Der Kläger ist am 06.05.1937 geboren und verheiratet. Seit dem 15.08.1970 ist der Kläger als Kraftfahrer für die Beklagte tätig. Die Beklagte handelt mit Bau- und Brennstoffen und führt Transporte durch. Sie beschäftigt zwei Arbeitnehmer. Der Kläger verdiente monatlich zuletzt 5.500,00 DM - 5.700,00 DM. Am 29.06.2001 beging der Kläger in G4xxxxxxx mit einem Lkw der Beklagten einen Rotlichtverstoß. Im September 2001 ging ein entsprechender Anhörungsbogen bei der Beklagten ein. In der Folgezeit erging gegen den Kläger ein Bescheid über 250,00 DM Bußgeld und ein einmonatiges Fahrverbot, welches innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft des Bescheides nach Wahl des Klägers anzutreten war. Es fanden im Betrieb Gespräche statt, ob die Beklagte wie bei früherer Gelegenheit auch in diesem Fall das Bußgeld für den Kläger übernehmen werde. Die Tochter der Geschäftsführerin der Beklagten ist als Rechtsanwältin tätig. Sie legte namens des Klägers Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Nach Akteneinsicht nahm die Tochter der Geschäftsführerin der Beklagten nach einer entsprechenden Empfehlung an den Kläger den Einspruch unter dem 24.10.2001 zurück. Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger das Bußgeld zu erstatten. Der Kläger erhielt Nachricht, dass er zur Realisierung des verhängten Fahrverbotes seinen Führerschein abgeben solle. Der Kläger erklärte dem Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten, er werde im November 2001 Urlaub nehmen und den Führerschein abgeben. Der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten sprach sich dagegen aus. Der Kläger hatte im Oktober 2001 einen offenen Urlaubsanspruch von mehr als 30 Tagen. Für Januar und Februar 2002 war - wie in den vergangenen Jahren - ein Urlaub des Klägers vorgesehen. Am 31.10.2001 räumte der Kläger bei Feierabend den von ihm gefahrenen Lkw leer und erklärte, er werde im November 2001 Urlaub nehmen und sein Fahrverbot antreten. Der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten widersprach erneut und teilte mit, dass der erwarte, dass der Kläger am 02.11.2001 seine Arbeit antrete. Im Verlauf des 31.10.2001 gab die Ehefrau des Klägers, von diesem beauftragt, den Führerschein des Klägers bei der Führerscheinstelle des Kreises Warendorf ab. Die Beklagte fertigte am 31.10.2001 eine schriftliche Abmahnung, in der sie den Kläger unter Androhung einer fristlosen Kündigung zum Arbeitsantritt am 02.11.2001 aufforderte (Bl. 4 d.A.: "....stellt dies eine Arbeitsverweigerung dar, die ich nicht hinnehme. Sie geben den Führerschein an dem Tag ab, den Sie mit mir abstimmen werden. Ansonsten werde ich das Arbeitsverhältnis mit Ihnen fristlos kündigen."). Der Kläger fand diese Abmahnung am Abend des 31.10.2001 in seinem Briefkasten vor. Der Kläger erschien ab dem 02.11.2001 nicht zur Arbeit. Mit Schreiben vom 15.11.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht auf. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 16.11.2001 zu. Gegen die Kündigung vom 15.11.2001 richtet sich die am 22.11.2001 bei dem Arbeitsgericht eingegangene Klage.
Der Kläger hat behauptet, der Führerschein sei bereits abgegeben gewesen, als ihn am 31.10.2001 die Abmahnung erreicht habe. Ein Grund für die fristlose Kündigung bestehe nicht. Das Arbeitsverhältnis könne nicht durch fristlose Kündigung, sondern lediglich durch die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung zum 30.06.2002 beendet werden. Diese Kündigung wolle er im übrigen nicht angreifen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2001 nicht fristlos aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, durch das eigenmächtige Verhalten des Klägers ab dem 02.11.2001 seien erhebliche betriebliche Schwierigkeiten aufgetreten. Der Kläger hätte das Fahrverbot ebenso gut im Januar/Februar 2002 antreten können. Im Januar/Februar 2002 sei die Saison für den Betrieb der Beklagten beendet gewesen. Der Kläger habe allein aus Trotz und Dickfelligkeit das Fahrverbot im November 2001 in dem vollen Bewusstsein angetreten, die Firma zu schädigen. Einziger Grund sei gewesen, dass die Beklagte das Bußgeld nicht für ihn habe zahlen wollen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 06.04.2002 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2001 nicht fristlos beendet worden ist und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es hat ausgeführt, die fristlose Kündigung sei unwirksam, das Arbeitsverhältnis habe durch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung geendet. Das Verhalten des Klägers sei zwar grundsätzlich geeignet gewesen, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Die vorzunehmende Interessenabwägung führe jedoch zu dem Ergebnis, dass die fristlose Kündigung als rechtsunwirksam zu gelten habe. Der Eigenmächtigkeit des Klägers sei gegenüberzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits außerordentlich lange Zeit angedauert habe und deshalb einen erheblichen sozialen Schutz verdiene. Auch habe sich der Kläger mangels anderslautender Anhaltspunkte während der Dauer des langen Arbeitsverhältnisses bisher jeweils vertragstreu verhalten. Auch habe er in der Vergangenheit jeweils auf die betrieblichen Belange der Beklagten durch seine Urlaubsterminierung in der Zeit von Januar bis März eines jeden Jahres Rücksicht genommen. Da das Arbeitsverhältnis angesichts des geplanten Eintritts in die Altersrente ohnehin nur wenige Monate angedauert hätte, sei davon auszugehen, dass keine Wiederholungsgefahr gegeben sei. Nach alledem sei es der Beklagten zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum bevorstehenden Eintritt in das Rentenalter bzw. bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses überwiege die Interessen der Beklagten an seiner sofortigen Beendigung.
Gegen dieses ihr am 22.04.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte unter dem 10.05.2002 Berufung eingelegt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.07.2002 ist die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass die Berufung nicht innerhalb der bis zum 22.06.2002 laufenden Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist. Mit Schriftsätzen vom 08.07.2002, bei Gericht eingegangen am 09.07.2002, hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages trägt die Beklagte vor, sie sei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Begründungsfrist verhindert gewesen. Eine Mitarbeiterin der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten habe aus nachvollziehbaren Gründen die Berufungsfrist falsch notiert. Für das Dezernat ihrer Prozessbevollmächtigten sei in der Kanzlei die Reno- Fachangestellte S2xxxxxx S1xxxxxxxx zuständig gewesen, welche ab Sommer 1996 als Auszubildende in die Kanzlei eingetreten sei und nach Abschluss der Ausbildung im Sommer 1999 übernommen worden sei. Frau S1xxxxxxxx sei in allen Bereichen der Kanzlei sorgfältig ausgebildet worden. Sie sei zu Beginn ihrer Arbeit im Fachdezernat eingearbeitet und sorgfältig überwacht worden. Die Überwachungsdichte habe im Laufe der Jahre nachgelassen, stichprobenartige Kontrollen ihrer Fristennotizen hätten bis zum Ausscheiden von Frau S1xxxxxxxx zum 30.06.2002 stattgefunden. Zu keinem Zeitpunkt sei festgestellt worden, dass sie Fristen falsch notiert habe. Sämtliche Stichproben hätten eine vollständig korrekte Arbeitsweise ergeben. Fristen würden seit Anfang des Jahres in der EDV erfasst. Dort habe Frau S1xxxxxxxx am 22.04.2002 die Berufungsfrist korrekt auf den 22.05.2002 notiert und eine Vorfrist auf den 13.05.2002 vermerkt. Am 14.05.2002 habe Frau S1xxxxxxxx die Berufungsbegründungsfrist auf den 10.07.2002 und die entsprechende Vorfrist auf den 05.07.2002 notiert. Die Änderung des § 520 Abs. 2 ZPO sei in der Kanzlei nicht zum Anlass genommen worden, den Mitarbeitern neue Weisungen bezüglich der Notiz der Berufungsbegründungsfrist zu erteilen. Die gesetzliche Neufassung führe häufig zu einer Verlängerung, logisch niemals aber zu einer Verkürzung der Berufungsbegründungsfrist. Man sei deshalb übereingekommen, es bei den bisherigen Anweisungen zu belassen und lieber rechtzeitig vor Fristablauf die Akten wieder vorgelegt zu erhalten. Von den Anwälten unbemerkt seien jedoch im Frühjahr 2002 im Mitarbeiterkreis falsche Informationen verbreitet worden. Die beiden Auszubildenden im dritten Lehrjahr hätten zu Anfang des Jahres 2002 zur Prüfungsvorbereitung einen von der Schule empfohlenen Wiederholungskurs in Münster besucht. Im Rahmen dieser Veranstaltung sei während des Vortrags und in dem ausgehändigten Skriptum auch die Neufassung verschiedener ZPO-Vorschriften erörtert worden. Zur Berufungsbegründungsfrist finde sich im Skriptum der Hinweis, der auch mündlich gegeben worden sei: "§ 520 ZPO: 2 Monate ab Einlegung der Berufung (Neu!!)" (Kopie des Skriptums Bl. 54, 55 d.A.). Diese eindeutig falsche Information, auf deren Richtigkeit die Auszubildenden vertraut hätten, sei im Mitarbeiterkreis der Kanzlei weitergegeben worden. Sämtliche mit der Fristenberechnung befassten Mitarbeiterinnen hätten auf diese Information vertraut. Niemand sei auf den Gedanken gekommen, den Gesetzestext zu konsultieren oder einen der Anwälte zu fragen, ob dies zutreffend sei. Dementsprechend habe Frau S1xxxxxxxx in diesem Fall die Bände der Berufungsbegründungsfrist mit dem 10.07.2002 notiert. Der vorliegende Fall sei der erste Fall, bei dem diese Fallpraxis aufgefallen sei.
Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte geltend, die Interessenabwägung des Arbeitsgerichtes werde der Sachlage nicht gerecht. Als eigenmächtiger Urlaubsantritt nach vorangegangener Abmahnung sei das Fehlverhalten des Klägers besonders gravierend. Es werde bestritten, dass der Führerschein des Klägers schon in amtlicher Verwahrung gewesen sei, als der Kläger von dem Ehemann der Geschäftsführerin am 31.10.2001 angesprochen worden sei. Bis zum Feierabend des 31.10.2001 habe der Kläger noch zwangsläufig im Besitz der Fahrerlaubnis sein müssen (Beweis: F2xxx-J1xxx R1xxxxx, M2xxxxx G7xxxx). Der Lkw, den der Kläger gefahren habe, habe im betreffenden Zeitraum bis Dezember 2001 noch im Dauereinsatz für Auftragsfahrten der Firma G5xxx E1xxxxxxx oHG, S3xxxxxxx, Baustoffe, in R3xxx-W3xxxxxxxxx gestanden. Vorsätzlich habe der Kläger durch seine Eigenmächtigkeit und Dreistigkeit erhebliche Störungen in den Geschäftsbeziehungen der Beklagten verursacht. Auch für den Kläger sei ersichtlich gewesen, dass durch seinen ungeplanten Ausfall die Hälfte der anfallenden Arbeit nicht bewältigt werden könne und die Hälfte aller Aufträge nicht abgearbeitet werden könne. Man habe sich bei der Beklagten einigermaßen dadurch beholfen, dass der Ehemann der Geschäftsführerin entgegen ärztlichem Rat Fahrten absolviert habe. Richtig sei zwar, dass der Kläger bei Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vermutlich keinen neuen Arbeitsplatz mehr finden werde. Auf der anderen Seite sei der Verlust des Klägers bei einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht sonderlich groß. Er werde - abgesehen von einer Sperrfrist - Arbeitslosengeld erhalten, verliere aber angesichts des kurz bevorstehenden Renteneintritts nicht seine berufliche Zukunft. Nachdem der Kläger bewusst und vorsätzlich gegen eindeutige und dringliche Anweisungen seines Vorgesetzten verstoßen habe und seine eigenen Interessen über die berechtigten Belange seines Arbeitgebers gestellt habe, müsse befürchtet werden, dass der Kläger bei dem nächsten wie auch immer gearteten Konflikt wiederum seine eigenen Wünsche durchsetzen werde.
Die Beklagte beantragt,
der Beklagten gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen und den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagtenseite vom 08.07.2002 zurückzuweisen, und lediglich vorsorglich, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und hält den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet. Die Beklagte stelle bei der Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages hinsichtlich des Verhaltens der Angestellten S1xxxxxxxx bloße Vermutungen an. Offenbar sei in der Kanzlei der Prozessvertreterin der Beklagten die im arbeitsgerichtlichen Verfahren einschlägige Frist des § 66 Abs. 1 ArbGG nicht bekannt gewesen. Die Prozessvertreterin der Beklagten hätte die Änderung der ZPO und des § 66 Abs. 1 ArbGG zum Anlass nehmen müssen, die Auszubildenden und Angestellten der Kanzlei entsprechend zu schulen und anzuleiten. Dies sei nach eigenen Ausführungen der Beklagtenvertreterin nicht erfolgt. Statt dessen seien die bewährten Angestellten offensichtlich von den Auszubildenden im dritten Lehrjahr "geschult" worden.
Aber auch in der Sache könne die Berufung keinen Erfolg haben. Das Urteil des Arbeitsgerichts sei zutreffend. Zum Zeitpunkt, als der Kläger von dem Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten angesprochen worden sei und später abgemahnt worden sei, habe die Ehefrau des Klägers den Führerschein bereits bei der örtlichen Polizeidienststelle in amtliche Verwahrung gegeben gehabt. Dem Kläger sei es deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, den Antritt des Fahrverbotes herauszuschieben. Nicht richtig sei, dass die Beklagte im November 2001 volle Auftragsbücher gehabt habe. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt noch 39 offene Urlaubstage gehabt habe und über 31 Jahre völlig unbeanstandet für die Beklagte gearbeitet habe. Auch seien keine betrieblichen Störungen eingetreten. Es sei der Beklagten offensichtlich nur um eine Machtdemonstration gegangen. Dem Kläger sei eine beharrliche Arbeitsverweigerung nicht vorzuwerfen. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Zutreffend habe das Arbeitsgericht auf Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung erkannt.
Wegen des Inhaltes der von der Beklagten zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Prozessvertreterin der Beklagten, der Rechtsanwältin G6xxxxxx R1xxxxx, vom 08.07.2002 wird auf Bl. 51, 52 d. A. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Sie ist verspätet begründet worden und war deshalb als unzulässig zu verwerfen.
I.
Die von der Beklagten zu beachtende Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG n.F. ist nicht eingehalten. Das angegriffene Urteil ist auf die mündliche Verhandlung vom 09.04.2002 ergangen. Damit findet gemäß § 26 Ziff. 5 EG ZPO § 66 Abs. 1 ArbGG in der ab dem 01.01.2002 geltenden neuen Fassung Anwendung (vgl. Holthaus-Koch, RdA 2002, 140, 159). Damit endete für die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist zu dem ihr am 22.04.2002 zugestellten Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.04.2002 mit Ablauf des 24.06.2002 (Montag, vgl. § 222 Abs. 2 ZPO). Die Berufungsbegründung der Beklagten ist erst am 09.07.2002 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 ArbGG n.F. ist nicht eingehalten.
II.
Der gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellte Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zwar fristgerecht eingereicht worden (§ 234 ZPO). Er ist jedoch in der Sache unbegründet, weil das Fristversäumnis nicht unverschuldet ist.
Nach § 233 ZPO ist einer Prozesspartei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Bei Anwendung dieser Bestimmung steht nach § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Prozesspartei gleich. Der erfolgreiche Wiedereinsetzungsantrag setzt damit voraus, dass der Antragssteller einen das Verschulden seines Anwalts ausschließenden Sachverhalt darlegt und glaubhaft macht (BAG 20.08.1997 AP Nr.19 zu § 66 ArbGG 1979)
Hier hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist verhindert war.
In der Rechtsprechung des BAG und des BGH ist seit langem anerkannt, dass der Rechtsanwalt die Feststellung und Berechnung einfacher und üblicher prozessualer Fristen auf gut geschultes und sorgfältig überwachtes Büropersonal übertragen kann, wenn er durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür sorgt, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden (BAG Urt. v. 20.06.1995 AP Nr. 42 zu § 233 ZPO 1977; BGH AP Nr.48 zu § 233 ZPO 1977 = NJW 1996, 1349; BGH NJW 1991, 2082; Zöller-Greger, ZPO 23. Aufl. 2002, § 233 Rdz 23 "Fristenbehandlung"). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigten die erforderlichen und zu erwartenden organisatorischen Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen getroffen haben. Ein Verstoß gegen die zu beachtende Sorgfalt der Organisation des Fristenwesens ist in zweierlei Hinsicht festzustellen. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben es versäumt, die Kanzleiangestellten angesichts der gesetzlichen Neuregelung der Berufungsbegründungsfristen in § 520 ZPO n.F. und § 66 Abs. 1 ArbGG n.F. zu schulen und aktuell anzuweisen. Eine sorgfältige Kanzleiorganisation hätte dies erfordert, um Unklarheiten und Verunsicherungen bei den Angestellten auszuschließen. Nicht richtig ist die Ausgangsüberlegung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, bei Fortsetzung der alten Fristberechnungsgrundsätze werde die Berufungsbegründungsfrist nach neuem Recht stets eingehalten. Das trifft zwar im Regelfall zu, nicht jedoch in dem Ausnahmefall, in dem der Ablauf der Berufungsfrist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. In letztgenannter Konstellation endet die Berufungsbegründungsfrist wegen der Regelung in § 222 Abs. 2 ZPO bei einer am letzten Tag der Berufungsfrist eingelegten Berufung nach altem Recht später als nach neuem Recht (Zustellung des Urteils 18.04.2002, Eingang der Berufung beim Landesarbeitsgericht 21.05.2002 - Pfingstdienstag -, Ende der Begründungsfrist nach altem Recht am 21.06.2002 und nach neuem Recht am 18.06.2002). Ein weiteres Versäumnis der Kanzleiorganisation liegt darin, dass keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen waren, eine eigenmächtige Abänderung der Grundsätze der Fristenfeststellung durch die Kanzleiangestellten zu verhindern. Ebenso wie der Anwalt Vorkehrungen dagegen zu treffen hat, dass seine Angestellten eine von ihm selbst eingetragene Frist eigenmächtig und ohne Rücksprache abändern (BGH AP Nr.48 zu § 233 ZPO 1977 = NJW 1996, 1349), muss der Anwalt erst recht verhindern, dass die Angestellten von den anwaltlich angeordneten allgemeinen Grundsätzen der Fristberechnung eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Anwalt abweichen. So ist es aber hier geschehen. Ein entsprechendes Problembewusstsein war den Angestellten nicht vermittelt. Sie haben nach der falschen Information durch die Auszubildenden eigenmächtig und ohne Rücksprache mit den Anwälten die Berufungsbegründungsfrist fortan generell nach den falschen "neuen Fristen" berechnet. Die Beklagte hat in ihrer Begründung zum Wiedereinsetzungsantrag keine Anweisungen an ihr Büropersonal vorgetragen, durch die unkontrollierte Eingriffe des Büropersonals in die anwaltlich verfügten Grundsätze der Fristenberechnung und -kontrolle verhindert wurden. Die Schaffung eines entsprechenden Problembewusstseins und einer entsprechenden Weisungslage wäre aber Bestandteil der sorgfältigen Organisation bei Übertragung der Fristberechnung auf die Angestellten gewesen. Wegen der aufgezeigten organisatorischen Unzulänglichkeiten kann sich die Beklagte für ihren Wiedereinsetzungsantrag nicht erfolgreich auf den sicherlich nicht vorhersehbaren Umstand berufen, dass ihre Auszubildenden bei einer Schulung ausgerechnet über den wichtigen Punkt der Berufungsbegründungsfrist nach neuem Recht falsche Informationen erhalten haben. Denn bei Beachtung der geschilderten Sorgfaltsanforderungen wäre das geschehene Fristversäumnis vermieden worden: Die Angestellten der Beklagten hätten es besser gewusst als das falsche Schulungsskriptum, die Angestellten hätten die falsche Information den Anwälten mitgeteilt und von den Anwälten eine gesetzeskonforme Anweisung zur zukünftigen Fristberechnung erhalten.
III.
Da die Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 ArbGG n.F. versäumt ist und das Fristversäumnis nicht unverschuldet im Sinne der §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO ist, war die Berufung nach stattgefundener mündlicher Verhandlung gemäß § 522 ZPO durch Urteil als unzulässig zu verwerfen. Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß § 27 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG bestehen nicht.
Ende der Entscheidung
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