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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: 11 SaGa 28/09
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, BGB


Vorschriften:

ZPO §§ 916 ff.
ZPO § 935
ZPO § 940
ArbGG § 62 Abs. 2
BGB §§ 293 ff
BGB § 297
BGB § 615
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 30.07.2009 - 2 Ga 22/09 - wird auf Kosten des Verfügungsklägers zurückgewiesen.

Die Revision ist nicht zulässig.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Entgeltzahlung für den Zeitraum ab Monat Juni 2009, im Berufungsrechtszug beschränkt auf den Zeitraum bis September 2009 einschließlich.

Der Verfügungskläger ist seit 1994 bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt. Er ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Er ist einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Das Monatsnettoentgelt betrug zuletzt rund 2450,00 € (Lohnabrechnung 06/2008 / Bl. 17 GA: 3.379,20 € brutto / 2.472,31 € netto). Im Jahr 2006 war der Verfügungskläger an 128 Arbeitstagen und im Jahr 2007 an 260 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahr 2008 war er zunächst bis zum 10.02.2008 arbeitsunfähig. Im Hinblick auf seine angegriffene Gesundheit wurde ihm nun ein anderweitiger Arbeitsplatz zugewiesen (Abteilung 03 Kleinpresserei Kontrolle). Für den neuen Arbeitsplatz war der Verfügungskläger ab dem 04.08.2008 durchgehend bis zum Frühjahr 2009 arbeitsunfähig erkrankt. Am 26.11.2008 wurde der Verfügungskläger auf Initiative der Verfügungsbeklagten bei dem Arbeitsmedizinischen Zentrum in L1 untersucht. In der ärztlichen Bescheinigung für den Arbeitgeber vom 27.11.2008 finden sich keine Angaben zum Untersuchungsergebnis vom 26.11.2008. Es heißt dort (Bl. 49 GA):

"Der Arbeitnehmer hat seinen Termin im AMZ wahrgenommen, auf Anraten seines Anwalts einer Versendung meiner Stellungnahme an den Betrieb aber nicht zugestimmt. Diese habe ich an ihn selbst geschickt."

Die Krankschreibung des Verfügungsklägers währte bis zum 22.04.2008. Der Verfügungskläger bezog Krankengeld. Der Anspruch des Verfügungsklägers auf Krankengeld wäre mit dem 24.04.2009 ausgelaufen (Aussteuerung). Am 23.04.2009 bot der Verfügungskläger seine Arbeitskraft bei der Verfügungsbeklagten an. Die Verfügungsbeklagte lehnte die Arbeitsleistung des Verfügungsklägers ab. Am 26.05.2009 erteilte das Integrationsamt der Verfügungsbeklagten die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung. Die Verfügungsbeklagte hatte zur Begründung ausgeführt, wegen der gesundheitlichen Einschränkungen bei dem Verfügungskläger sei die Beschäftigung des Verfügungsklägers nicht möglich. Im Bescheid findet sich ausgeführt, dass die Verfügungsbeklagte zu Recht den Einsatz des Verfügungsklägers auf dem Arbeitsplatz in der Kontrolle ablehne und dass entsprechend der Einschätzung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates ein freier leidensgerechter Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe. Auf die Kopie des Bescheides wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 61 - 65 GA). Die Verfügungsbeklagte kündigte am 05.06.2009 zum 31.12.2009. Diese Kündigung ist Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens ArbG Iserlohn 2 Ca 2017/09.

Mit der am 15.07.2009 anhängig gewordenen Verfügungsklage hat der Verfügungskläger zunächst 2.450,00 € netto als Entgelt für den Monat Juni 2009 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs eingefordert sowie zukünftige monatliche Zahlungen bis Dezember 2009.

Mit Bescheid der JobAgentur EN / Stadt W1 vom 19.08.2008 ist dem Verfügungskläger nachfolgend Arbeitslosengeld II nach dem SGB II bewilligt worden. Für die Zeit vom 03.07.2009 - 31.08.2009 ist ein Betrag von 3.855,94 € zuerkannt und überwiesen worden. Für die folgenden Monate ergibt sich aus dem Bescheid der monatliche Leistungsbetrag von 1.858,95 €. Wegen der entsprechenden Abtretungserklärung und Überleitungsanzeige wird auf die zur Akte gereichten Kopien verwiesen (Bl. 102 - 105 GA).

Inzwischen ist dem Verfügungskläger am 01.10.2009 mit Zustimmung des Integrationsamtes fristlos gekündigt worden (Zugang der Kündigung: 05.10.2009).

Der Verfügungskläger hat vorgetragen, nach Nichtannahme der angebotenen Arbeitsleitung sei die Verfügungsbeklagte zur Zahlung eines monatlichen Entgelts in Höhe von 2.450,00 € netto aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges verpflichtet. Ein Verfügungsgrund liege vor, da er weder vom Arbeitsamt noch von der ARGE Geld erhalten habe und nur über ein geringfügiges Einkommen von etwa knapp 600,00 € aus Kindergeld, Arbeit der Ehefrau sowie Versicherungsleistungen verfüge, indes erheblich höhere Ausgaben habe, insbesondere für verschiedene Kredite wie Auto, Küche und Haus. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens des Verfügungsklägers wird auf S. 10 der Verfügungsklageschrift verwiesen (Bl. 10 GA: regelmäßige monatliche Ausgaben von deutlich mehr als 2.000,00 €, darunter 1.173,15 € Hauskredit und 545,00 € Wasser/Gas).

Der Verfügungskläger hat beantragt,

1. die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, ausstehende Nettovergütung für 06/2009 in Höhe von 2.450,00 € an den Verfügungskläger auszuzahlen.

2. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, künftig fällig werdende monatliche Nettovergütung in Höhe von 2.450,00 € bis zum 31.12.2009 an den Verfügungskläger zu zahlen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Verfügungsklage abzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es fehle bereits an einem Verfügungsanspruch. Sie befinde sich nicht in Annahmeverzug. Der Verfügungskläger sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit zu erbringen. Dies ergebe sich daraus, dass der Verfügungskläger langfristig erkrankt und auch nach einem Wechsel auf einen neuen Arbeitsplatz wiederum langfristig krank gewesen sei. Diese Erkrankung folge nach eigener Einlassung des Verfügungsklägers daraus, dass dieser psychisch den Anforderungen an den Arbeitsplatz nicht gewachsen sei. Der Verfügungskläger habe nicht einmal hinreichend behauptet, geschweige denn durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er tatsächlich wieder arbeitsfähig sei. Dass eine Arbeitsfähigkeit nicht vorliege, ergebe sich indiziell insbesondere auch draus, dass das Integrationsamt einer krankheitsbedingten Kündigung des schwerbehinderten Klägers zugestimmt habe.

Wegen der erstinstanzlich vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen wird auf Bl. 13/14, 35 GA Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Verfügungsklage mit Urteil vom 30.07.2009 abgewiesen. Das Vorliegen eines Verfügungsanspruches sei nicht feststellbar. Ein Anspruch wegen Annahmeverzugs setze voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig sei. Dies sei nach den Umständen des Falls nicht feststellbar.

Das Urteil ist dem Verfügungskläger am 06.08.2009 zugestellt worden. Der Verfügungskläger hat am 27.08.2009 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Verfügungskläger wendet ein, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er seine Leistungsfähigkeit behauptet habe. Er habe ausdrücklich auf seine Wiedergenesung hingewiesen. Angesichts dessen hätte das Arbeitsgericht die beantragte einstweilige Verfügung erlassen müssen. Die Zahlungen des Arbeitslosengeld II reichten nicht aus, seine laufenden monatlichen Kosten abzudecken. Der Verfügungskläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer versichert, dass er im fraglichen Zeitpunkt durchgehend arbeitsfähig gewesen sei. Er hat darauf hingewiesen, dass es sich bei der medizinischen Untersuchung am 26.11.2008 nicht darum gehandelt habe, ob er arbeitsfähig für den aktuell innegehabten Arbeitsplatz gewesen sei. Es sei vielmehr um eine alternative Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Bereich Kontrolle B4 gegangen. Hier sei der Arzt ausweislich seines Schreibens vom 01.12.2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Tätigkeit für ihn nicht leidensgerecht wäre (wegen der "auftretenden Belastungen beim Anschlagen und Bewegen der zu kontrollierenden Werkstücke").

Der Verfügungskläger beantragt - unter Abzug des inzwischen bezogenen Arbeitslosengeldes II -,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils mit dem Aktenzeichen 2 Ga 22/09, Arbeitsgericht Iserlohn, die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, an ihn 4.436,06 € zu zahlen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Verfügungskläger sei aus gesundheitlichen Gründen nach wie vor nicht in der Lage gewesen, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Entgelt könne er deshalb nicht beanspruchen. Nach wie vor habe der Verfügungskläger das Ergebnis der Untersuchung vom 26.11.2008 nicht vorgelegt. Der Verfügungskläger sei dauerhaft leitungsunfähig. Auch ein Verfügungsgrund sei nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe Arbeitslosengeld II mit Wirkung ab dem 03.07.2008 bezogen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könne dem Arbeitnehmer nur das für den Lebensunterhalt Notwendige zugesprochen werden. Dies habe der Verfügungskläger von der Stadt W1 erhalten. Zu den Begleitumständen der Untersuchung am 26.11.2009 hat die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer angegeben: Das Schreiben vom 01.12.2008 sei ihr nicht bekannt; ihre Fragestellung an den Arbeitsmedizinischen Dienst sei dahin gegangen, ob der Verfügungskläger für den innegehabten Arbeitsplatz arbeitsfähig sei und ggf. für einen Arbeitsplatz im Bereich B 4 Ultraschallprüfung. Von daher seien die Fragen in dem von dem Verfügungskläger zitierten Schreiben vom 01.12.2008 nicht beantwortet.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Wegen der im Berufungsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des E3-R1 K1 wird auf Bl. 136 GA Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Berufung des Verfügungsklägers bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht es abgelehnt, dem Verfügungskläger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Arbeitsentgelt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zuzuerkennen.

Zwar kann gemäß §§ 940, 935, 916 ff. ZPO, 62 Abs. 2 ArbGG grundsätzlich auch ein Anspruch auf Entgelt im Wege der Verfügungsklage verfolgt werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Verfügungsklage ist jedoch, dass ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund vorliegen. Da es sich bei der Verfügungsklage auf Zahlung von Entgelt um eine Leistungsverfügung handelt, die für den Fall der Stattgabe nicht lediglich eine Sicherung oder vorläufige Regelung sondern eine endgültige Erfüllung des Anspruchs bewirkt, sind an die Bejahung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund hohe Anforderungen zu stellen. Die Voraussetzungen für das Bestehen des Entgeltanspruches müssen glaubhaft gemacht werden. Der Arbeitnehmer muss sich zudem in einer wirtschaftlichen Notlage befinden und auf die sofortige Zahlung angewiesen sein. Zuzusprechen ist nicht das Arbeitsentgelt in der vollen Höhe sondern nur ein Notbedarf etwa in Höhe des Sozialhilfesatzes, des unpfändbaren Arbeitsentgeltes oder des Arbeitslosengeldes (Schwab/Weth-Walker, ArbGG, 2.Aufl. 2007, § 62 ArbGG Rn. 116; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2.Aufl. 2007 Rn. 242, 247; Germelmann u.a, ArbGG, 7.Aufl. 2009, § 62 ArbGG Rn. 98, 103, 104).

Diese Voraussetzungen für die Gewährung des beantragten einstweiligen Rechtsschutzes sind hier nicht erfüllt.

Bereits das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs ist nicht feststellbar. Leitet der Verfügungskläger seinen Anspruch aus Annahmeverzug des Arbeitgebers her, so muss er die Anspruchsvoraussetzungen gemäß §§ 615, 293 ff, 297 BGB darstellen und bei begründeten Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit deren Bestehen glaubhaft machen (Hess. LAG 13.04.1995 LAGE § 935 ZPO Nr. 9; Korinth, a.a.O, Rn. 236). Vorliegend leiten sich aus den umfangreichen vergangenen Fehlzeiten des Verfügungsklägers, aus den Feststellungen des Integrationsamtes im Zustimmungsbescheid und auch aus dem eigenen Hinweis des Verfügungsklägers auf seine psychische Überforderung zu Anfang 2009 (Bl. 30 GA) gravierende Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Verfügungsklägers her. Hinzu kommt, dass das Arbeitskraftangebot zeitlich mit dem Auslaufen des Krankengeldanspruchs zusammenfällt. Gleichwohl hat der Verfügungskläger keinerlei erläuternde Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht, die über die Tatsache hinausgehen, dass er sich nach dem 22.04.2009 nicht länger vom Arzt hat krankschreiben lassen. Der Verfügungskläger beschreibt keine Einzelheiten eines Genesungsprozesses. Eine ärztliche Bescheinigung zu seinem aktuellen Gesundheitszustand ab dem 23.04.2009 hat er nicht vorgelegt. Auch den Gesundheitsbefund der arbeitsmedizinischen Untersuchung vom 26.11.2008 hat der Verfügungskläger nicht aussagekräftig offen gelegt. Das Bestehen eines Entgeltanspruches des Verfügungsklägers für den Anspruchszeitraum Juni 2009 bis September 2009 ist mithin nicht glaubhaft gemacht.

Darüber hinaus fehlt es auch am Verfügungsgrund. Der Verfügungskläger hat nach dem Arbeitskraftangebot am 23.04.2009 von seinem Bruder 2.350,00 € geliehen bekommen und anschließend 1.000,00 € von seiner Schwester. Monatlich fortlaufend fließen der Bedarfsgemeinschaft 328,00 € Kindergeld, 204,00 € Arbeitsentgelt der Ehefrau und 65,00 € von der Allianz Versicherung zu. Nach dem 19.08.2008 hat der Verfügungskläger eine Auszahlung von 3.855,94 € Arbeitslosengeld II erhalten und dann monatlich fortlaufend jeweils 1.858,95 €. Eine außergewöhnliche materielle Notlage, wie sie nach §§ 935, 940 ZPO Voraussetzung für den Erlass einer Befriedigungsverfügung auf Entgeltzahlung ist, besteht nicht.

Der mit seiner Berufung unterlegene Verfügungskläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision ist bei Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zulässig, § 72 Abs.4 ArbGG. Dies hat die Kammer zur Klarstellung im Tenor ausgewiesen.

Ende der Entscheidung

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