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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 136/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.12.2005 - 3 Ca 2438/05 - wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung der Beklagten zu 3. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.12.2005 - 3 Ca 2438/05 - wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.12.2005 - 3 Ca 2438/05 - wird aus Gründen der Klarstellung wie folgt gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3. durch die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 nicht beendet wurde.

2. Die Beklagte zu 3. wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 21.05.2004 als Organisationsleiter zuständig für das Gebiet II der Filialdirektion B3xxxxxxx weiterzubeschäftigen.

3. Der Auflösungsantrag der Beklagten zu 3. wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges zu einem Gesamtstreitwert von 45.000,00 EUR tragen der Kläger 6/10 und die Beklagte zu 3. 4/10.

Von den Kosten des zweiten Rechtszuges zu einem Gesamtstreitwert von 45.000,00 EUR tragen die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner 5/10, der Kläger 1/10 und die Beklagte zu 3. 4/10.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3. (Parteibezeichnung 1. Instanz: Beklagte zu 2.) sowie darüber, ob die Beklagte zu 3. zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet ist.

Der am 04.08.1951 geborene Kläger, der verheiratet und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 01.04.1994 bei den Beklagten zu 1. und 2. (Parteibezeichnung 1. Instanz: Beklagte zu 1.) als Organisationsleiter tätig. Aufgrund Arbeitsvertrages vom 02.03.1994, wegen des genauen Inhalts auf Bl. 260 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, war er zunächst der Bezirksdirektion M2xxxxx zugeordnet. Bis zum Jahre 1997 betreute er dabei das Gebiet Westfalen. Im Jahre 1997 wurde die Bezirksdirektion M2xxxxx aufgelöst; das Gebiet Westfalen wurde der Bezirksdirektion B3xxxxxxx zugeordnet.

Zu Beginn des Jahres 2004 fand eine weitere Umstrukturierungsmaßnahme bei den Beklagten zu 1. und 2. statt. Die Bezirksdirektionen in B3xxxxxxx und K3xxxx wurden im Zuge dieser Maßnahme in B3xxxxxxx zusammengefasst, wobei bei der Bezirksdirektion B3xxxxxxx drei Organisationsbereiche gebildet wurden. Ab dem 01.02.2004 übernahm der Kläger den Bereich II, der Nordhessen und Teile von Ostwestfalen umfasst. In seiner Tätigkeit als Organisationsleiter war er der Bezirksdirektion B3xxxxxxx direkt unterstellt. Sein direkter Vorgesetzter war der Leiter der Bezirksdirektion B3xxxxxxx, Herr A3xxxxxxx jun. Als Organisationsleiter hatte der Kläger die auf Bl. 12 der Gerichtsakte in dem Verfahren LAG Hamm - 12 Sa 1841/05 - aufgeführten Geschäftsstellen und Agenturen zu betreuen. Auch die Geschäftsstelle S8xxxxxxx, die in der zuvor erwähnten Übersicht nicht aufgeführt ist, gehörte zum Zuständigkeitsbereich des Klägers. Das Gebiet II der Filialdirektion B3xxxxxxx war bis zur o. g. Neuorganisation vom Leiter der Filialdirektion B3xxxxxxx, Herrn A3xxxxxxx jun. betreut worden.

Bereits im März 2004, nämlich mit Schreiben vom 27.03.2004, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 36 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, wandte sich der Kläger an seinen Vorgesetzten, Herrn A3xxxxxxx jun. und sprach aus seiner Sicht klärungsbedürftige Sachverhalte in seinem neuen Organisationsgebiet an. Hierzu gehörten u.a. zu hohe Vertriebsziele im Vergleich zu anderen Organisationsgebieten, Clusterung der Vermittler, Orga-Zugehörigkeiten verschiedener Agenturen bzw. Geschäftsstellen. Explizit wurde auch die Situation in der Geschäftsstelle S8xxxxxxx angesprochen. Hier heißt es wörtlich:

"Völlig unübersichtlich ist die Situation in der Geschäftsstelle S8xxxxxxx. Agenturistin mit Bestand ist die 79-jährige Frau S8xxxxxxx, deren Sohn als Geschäftsführer auftritt, keinen Vertrag mit Ax-Dx hat, sich als Makler geriert (Fxxxx) und versucht, MA der AO-DH abzuwerben. Ein weiterer MA (Exxx) firmiert ebenfalls als Makler."

Der Inhalt dieses Schreibens wurde zwischen dem Kläger und Herrn A3xxxxxxx am 29.03.2004 persönlich erörtert. Das Ergebnis dieses Gesprächs ist auf dem Schreiben in Form eines Protokolls festgehalten.

Unter dem 21.05.2004 schlossen die Beklagten zu 1. und 2. und der Kläger einen neuen Arbeitsvertrag, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 265 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird.

Unter dem 07.11.2004 wandte sich der Kläger unter dem Betreff "Beschwerde wegen Mobbing (Verächtlichmachung meiner Person durch den FD Axx Axxxxxx)" schriftlich an das Betriebsratsmitglied M3xxxx und beschwerte sich darüber, Herr A3xxxxxxx habe ihn anlässlich des Treffens des Arbeitskreises in F2xxxxxxxxx, bei dem er, der Kläger, referiert habe, vor anderen Mitarbeitern verächtlich gemacht. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens vom 07.11.2004 wird auf Bl. 59 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die zuvor bezeichnete Beschwerde hat in der Folgezeit, nämlich am 30.11.2004 zu einem Gespräch geführt, an dem Herr A3xxxxxxx, das Betriebsratsmitglied M3xxxx und der Kläger teilnahmen. Über dieses Gespräch existiert eine Notiz, wegen deren genauen Inhalts auf Bl. 61 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 25.11.2004, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 285 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, wiesen die Beklagten zu 1. und 2. den Kläger darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Teilbetriebsübergangs ab Januar 2005 von den Beklagten zu 1. und 2. auf die Beklagte zu 3. übergehe. Der Kläger erhielt des Weiteren ein Informationsschreiben bezüglich des Betriebsübergangs. In der Folgezeit widersprach der Kläger dem Betriebsübergang nicht. Bis zum 31.12.2004 bezog er seine Vergütung von den Beklagten zu 1. und 2. Ab Januar 2005 wurde die dem Kläger zustehende Vergütung von der Beklagten zu 3. gezahlt. Im Wege des zuvor angeführten Teilbetriebsübergangs waren sämtliche Filialleiter und der gesamte organisierende Außendienst und der Innendienst auf die Beklagte zu 3. übergegangen. Die Filialdirektion B3xxxxxxx gehörte indes weiter zum Deutschen H1xxxx, ebenso verblieben die Vermittler und angestellten Verkäufer beim Deutschen H1xxxx.

Mit E-Mail vom 16.02.2005 wandte sich der Kläger an seinen Vorgesetzten, Herrn A3xxxxxxx, und erstattete Bericht über einen am 25.01.2005 getätigten Besuch der Agentur S8xxxxxxx in D3xxxxxxxx sowie einen Besuch bei Frau I1xxxxxx S8xxxxxxx in R3xxxxxxxxx am 16.02.2005. Wegen des genauen Inhalts der Mail wird auf Bl. 64 der Gerichtsakte Bezug genommen. In seiner Mal wies der Kläger Herrn A3xxxxxxx zudem darauf hin, dass er "aufgrund der Brisanz des Vorgangs und seiner persönlichen Situation im Hinblick auf Sorgfalt bei Recherchen" eine Kopie der Mail an den Vorsitzenden des Regionalbetriebsrats, Herrn M3xxxx geschickt habe.

Bereits unter dem 04.06.2004 hatte die Beklagte zu 1. dem Kläger gegenüber eine Abmahnung ausgesprochen. Wegen des genauen Inhalts des Abmahnungsschreibens wird auf Bl. 7 der Gerichtsakte in dem Verfahren LAG Hamm - 12 Sa 1841/05 - Bezug genommen. Eine weitere Abmahnung durch die Beklagte zu 1. war unter dem 17.01.2005 erfolgt. Wegen des genauen Inhalts dieses Abmahnungsschreibens wird auf Bl. 3 der Gerichtsakte in dem Verfahren LAG Hamm - 12 Sa 1842/05 - Bezug genommen.

Gegen beide Abmahnungen hatte der Kläger sich in der Folgezeit mit beim ArbG Bielefeld am 24.06.2004 und am 26.01.2005 eingegangenen Klagen gegenüber der Beklagten zu 1. zur Wehr gesetzt. Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Bielefeld fand in beiden Verfahren am 06.07.2005 statt. In beiden Verfahren wurde die Beklagte zu 1. vom ArbG Bielefeld mit Urteil vom 06.07.2005 zur Herausnahme der angegriffenen Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers verurteilt. In der Berufungsinstanz verglichen sich der Kläger und die Beklagte zu 3. - nachdem diese im Hinblick auf den zum 01.01.2005 erfolgten Teilbetriebsübergang im allseitigen Einverständnis den Prozess anstelle der Beklagten zu 1. übernommen hatte - dahingehend, dass die Beklagte zu 3. sich verpflichtete, die dem Kläger erteilten Abmahnungen mit Ablauf des 30.06.2006 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen (Bl. 113 ff. in dem Verfahren LAG Hamm - 12 Sa 1842/05 - sowie Bl. 163 ff. d.A. in dem Verfahren LAG Hamm - 12 Sa 1841/05 -).

Eine dritte Abmahnung hatte die Beklagte zu 1. dem Kläger gegenüber unter dem 08.03.2005 ausgesprochen. Diese Abmahnung hat der Kläger mit der beim Arbeitsgericht Bielefeld am 21.03.2005 in dem Verfahren 3 (1) Ca 988/05 eingegangenen Klage angegriffen. Auch in diesem Verfahren fand Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Bielefeld am 06.07.2005 statt. Das Arbeitsgericht Bielefeld verurteilte die Beklagte zu 1. mit Urteil vom 06.07.2005 ebenfalls zur Herausnahme der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers. Dieses Urteil wurde von der Beklagten zu 1. nicht angegriffen.

Am 12./13.07.2005 hielt der Kläger sich zu einer Organisationsleiter-Tagung in B1xx auf. Mit Mail vom 11.07.2005, wegen deren genauen Inhalts auf Bl. 38 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, war er vom Vertriebswegeleiter, Herrn R2xxxxx, zu einem "offenen Gespräch" für den 13.03.2005, 13.30 Uhr in B1xx einbestellt worden. In der Mail hatte Herr R2xxxxx dem Kläger mitgeteilt, er habe dem Bericht über das Arbeitsgerichtsverfahren entnommen, der Kläger habe massive Vorwürfe gegenüber Herrn A3xxxxxxx wegen Mobbings, Urkundenfälschung etc. erhoben. Diesen Vorwürfen wolle man nachgehen. Der Kläger antwortete hierauf mit Mail vom 14.07.2005, wegen deren genauen Inhalts auf Bl. 39 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, Herrn R2xxxxx dahingehend, er habe die Mail vom 11.07.2005 erst am 14.07.2005 erhalten, bedankte sich für die Gesprächsbereitschaft und teilte mit, er werde einen neuen Termin gern in Gegenwart des Betriebsratsmitglieds M3xxxx wahrnehmen.

Die Beklagte zu 3. hatte, nachdem der Kläger nicht zu dem auf den 13.07.2005 anberaumten Termin erschienen war, bereits den bei ihr installierten Regionalbetriebsrat Mitte mit Schreiben vom 13.07.2005, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 40 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers angehört. Der Regionalbetriebsrat Mitte hatte der Beklagten zu 3. unter dem 15.07.2005 mitgeteilt, dass er der Kündigung weder als außerordentliche, noch als ordentliche zustimme.

Mit Schreiben vom 18.07.2005, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 7 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, kündigte die Beklagte zu 3. das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich zum 31.12.2005. Zur Begründung gab die Beklagte zu 3. in dem Kündigungsschreiben an, der Kläger habe bei seiner Aussage in den Kammerterminen vor dem Arbeitsgericht Bielefeld am 06.07.2005 Herrn A3xxxxxxx kriminelle Machenschaften unterstellt.

Mit der am 21.07.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die sich zunächst gegen die Beklagten zu 1. bis 3. richtete, hat der Kläger die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 angegriffen und seine Weiterbeschäftigung verlangt.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei weder als außerordentliche, noch als ordentliche wirksam. Der ihm gemachte Vorwurf sei nicht berechtigt. Er habe sich vielmehr im Termin am 06.07.2005 vor dem Arbeitsgericht Bielefeld ruhig und sachlich geäußert. Er habe auch Herrn A3xxxxxxx keine "kriminellen" Machenschaften unterstellt. Er habe nur erklärt, dass er nach Übernahme der Position einige Missstände schriftlich festgehalten habe, was wohl zu einer Verstimmung seines Vorgesetzten geführt habe. In den Kammerterminen sei erörtert worden, wie es zu den gehäuften Abmahnungen in der Vergangenheit gekommen sei. Hier habe er geäußert, er habe sich nicht in kriminelle Machenschaften reinziehen lassen wollen. Auch der Begriff der Urkundenfälschung sei gefallen. In dem Zusammenhang habe er jedoch lediglich auf den Vorgang "S8xxxxxxx" angespielt. Hierüber habe er seinen Vorgesetzten, Herrn A3xxxxxxx jun. auch mit E-Mail vom 16.02.2005 in Kenntnis gesetzt. Dieser Vorgang sei in den Kammerterminen allerdings nicht explizit ausgebreitet worden.

Nachdem der Kläger im Termin vom 22.12.2005 seine Klage gegen die Beklagten zu 1. und 2. (Parteibezeichnung 1. Instanz: Beklagte zu 1.) mit Zustimmung der Gegenseite zurückgenommen hatte, hat er beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 2. vom 18.07.2005, dem Kläger zugegangen am 18.07.2005, nicht fristlos am 18.07.2005 beendet wurde und darüber hinaus nicht zum 31.12.2005 beendet wird,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 31.12.2005 hinaus fortbesteht,

3. die Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Organisationsleiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat darum gebeten,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung der Beklagten in Höhe von 19.387,50 € zum 31.12.2005 aufzulösen.

Der Kläger hat darum gebeten,

den Hilfsantrag der Beklagten abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe in den Kammerterminen vor dem Arbeitsgericht Bielefeld in den Verfahren 3 Ca 2063/04, 3 Ca 300/05 sowie 3 Ca 988/05 am 06.07.2005 seine Sichtweise zum Hintergrund der streitgegenständlichen Abmahnungen geschildert. Hierzu habe er gesagt, sehr schnell "kriminelle Machenschaften" des Herrn A3xxxxxxx erkannt und diese in einem Statusbericht dokumentiert zu haben, den er zu seiner Personalakte gegeben habe. Auch habe der Kläger in Bezug auf Herrn A3xxxxxxx den Begriff des "Mobbings" erwähnt. Zudem sei es in der Filialdirektion B3xxxxxxx zu Betrug und Urkundenfälschung gekommen. Jedenfalls habe der Kläger den Vorwurf der kriminellen Machenschaften in unmittelbarem Zusammenhang mit Herrn A3xxxxxxx verwendet. Damit habe er den Eindruck erweckt, Herrn A3xxxxxxx fielen diese kriminellen Machenschaften, Betrug und Urkundenfälschung zur Last. Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Bezichtigung habe der Kläger nicht weiter erläutert. Auch bei im Anschluss an den Kammertermin durchgeführten Recherchen habe sie keine Ansatzpunkte für "kriminelle Machenschaften" durch oder im Bereich des Herrn A3xxxxxxx feststellen können. Die Kündigung sei auch als Verdachtskündigung wirksam. Der Auflösungsantrag sei wegen irreparabeler Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses begründet. Eine Zusammenarbeit des Klägers mit ihr sowie insbesondere zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten, Herrn A3xxxxxxx, könne nicht mehr auf das für ein Arbeitsverhältnis erforderliche Grundvertrauen gestützt werden.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Frau S9xxxxxx, der Frau F5xx und des Herrn B4xxxxxxx als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.12.2005 (Bl. 117 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.12.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 2. vom 18.07.2005, dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, nicht zum 18.07.2005 beendet worden ist und über den 31.12.2005 hinaus fortbesteht. Es hat zudem den Hilfsantrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 14.11.2005 abgewiesen, die Beklagte zu 2. verurteilt, den Kläger arbeitsvertragsgemäß als Organisationsleiter weiterzubeschäftigen und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Ein wichtiger Grund für eine Kündigung des Klägers liege nicht vor. Es könne dahinstehen, ob die dem Kläger seitens der Beklagten vorgeworfenen Äußerungen überhaupt in der unsubstantiierten Form Kündigungsgrund sein könnten; jedenfalls habe die Beklagte nicht beweisen können, dass die von ihr behaupteten Äußerungen im Kammertermin vom 06.07.2005 tatsächlich gefallen waren. Die Zeugen F5xx und B6xxxxxx hätten übereinstimmend bekundet, dass der Kläger die Behauptungen, die die Beklagte ihm zuschreibe, nicht getätigt habe. Bei der Zeugin S9xxxxxx sei - im Gegensatz zu den Zeugen F5xx und B6xxxxxx - hingegen nicht zu verkennen, dass die Zeugin ein Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens habe. Jedenfalls sei deren Aussage nicht glaubhaft. Damit fehle es auch an einem Kündigungsgrund im Hinblick auf die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten. Der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet. Die lediglich pauschalen Behauptungen der Beklagten reichten zur Begründung eines Auflösungsantrags nicht aus. Nach alledem habe der Kläger Anspruch auf arbeitsvertragsgemäße Weiterbeschäftigung als Organisationsleiter.

Die Beklagten zu 1. - 3. haben gegen das ihnen am 11.01.2006 zugestellte Urteil am 24.01.2006 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beklagten zu 1. und 2. rügen, dass gegen sie ein Urteil nicht habe ergehen dürfen, nachdem der Kläger im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 22.12.2005 im allseitigen Einverständnis seine Klage gegen sie, die Beklagten zu 1. und 2., zurückgenommen habe. Im Übrigen machen die Beklagten zu 1. bis 3. geltend, das arbeitsgerichtliche Urteil sei bereits deshalb zu beanstanden, da der Vorsitzende befangen gewesen sei. Dies dokumentiere sich vor allem im Urteil selbst. Das Urteil beruhe zudem auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung. Die Aussage der Zeugin F5xx sei unergiebig gewesen, die Aussage des Zeugen B4xxxxxxx entspräche nicht dem eigenen Vorbringen des Klägers und sei in sich widersprüchlich. Demgegenüber sei die Aussage der Zeugin S9xxxxxx durchaus glaubhaft. Auch seien Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin nicht angebracht. Das Arbeitsgericht habe zudem übersehen, dass der Kläger den Vorwurf der "kriminellen Machenschaften" selbst eingeräumt habe. Auch habe er eingestanden, von Urkundenfälschung gesprochen zu haben. Den Vorgang S8xxxxxxx habe er jedoch nicht weiter erläutert. Es bleibe dabei, dass die Kündigung jedenfalls als Verdachtskündigung wirksam sei. Eine Anhörung des Klägers sei nicht erforderlich gewesen, da sie aus Gründen unterblieben sei, die nicht von der Beklagten zu 2. (jetzt: Beklagten zu 3.) zu vertreten gewesen sei. Der Fortbestandsantrag des Klägers sei unzulässig. Sein Antrag auf Weiterbeschäftigung sei zu unbestimmt, er habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Letztlich sei zumindest der Auflösungsantrag begründet, da dem Kläger die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses anzulasten sei.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.12.2005 - 3 Ca 2438/05 -

abzuändern und

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise, das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung durch die Beklagte zu 3. zum 31.12.2005 aufzulösen.

Der Kläger hat seine Klage mit dem Antrag zu 2. mit Einwilligung der Beklagten zurückgenommen und beantragt im Übrigen, die Berufung einschließlich des Auflösungsantrages zurückzuweisen, wobei im Hinblick auf den Weiterbeschäftigungsantrag klargestellt wird, dass eine Weiterbeschäftigung zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 21.05.2004 als Organisationsleiter zuständig für das Gebiet II der Filialdirektion B3xxxxxxx bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits begehrt wird.

Der Kläger verbleibt dabei, dass er von "kriminellen Machenschaften", Urkundenfälschung und Betrug nur im Zusammenhang mit dem Vorgang S8xxxxxxx gesprochen habe. Der Begriff des "Mobbings" sei allein im Zusammenhang mit seiner Beschwerde an den Betriebsrat gefallen. Im Übrigen müsse die Beklagte berücksichtigen, dass er es gewesen sei, der "kriminelle Machenschaften" zum Nachteil der Beklagten aufgedeckt habe. Sein Weiterbeschäftigungsantrag sei inhaltlich hinreichend bestimmt. Was den Auflösungsantrag der Beklagten anbelange, so seien Probleme mit Herrn A3xxxxxxx jun. in der Zukunft ausgeschlossen, nachdem die Beklagte sich von diesem getrennt habe, was unstreitig ist. Mit anderen Mitarbeitern habe es nie Probleme gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. war als unzulässig zu verwerfen; die Berufung der Beklagten zu 3. ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. war als unzulässig zu verwerfen. Ihre Berufung ist zwar statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstaben b) und c) ArbGG. Auch wurde die Berufung form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO. Die Beklagten zu 1. und 2. sind durch das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 20.12.2005 allerdings nicht beschwert.

Im Zivilprozess ist nach allgemeiner Meinung ein Rechtsmittel nur dann zulässig, wenn der Rechtsmittelkläger durch die Entscheidung beschwert ist, wobei die Beschwer nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf. Die Kammer konnte es vorliegend offen lassen, ob für die Beklagten zu 1. und 2. eine materielle Beschwer gegeben sein müsste, oder ob generell oder zumindest im Hinblick auf den Auflösungsantrag eine formelle Beschwer erforderlich wäre (zu den Anforderungen an die Beschwer in Abhängigkeit von der Parteirolle vgl. BGH, Urteil vom 05.01.1955 - IV ZR 238/54 -, NJW 1955, 545 f.; BGH, Urteil vom 09.10.1990 - VI ZR 89/90 -, NJW 1991, 703 f.; BAG, Urteil vom 23.06.1993 - 2 AZR 56/93 -, AP Nr. 23 zu § 9 KSchG 1969; BAG, Urteil vom 27.01.1994 - 2 AZR 484/93 -, NZA 1994, 812 ff.; Düwell/Lipke, ArbGG, 2. Aufl., § 64 Rdnrn. 6 ff.; Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., Einleitung V Rdnrn. 78 ff. m. w. N.; Vossen, in: GK-ArbGG, § 64 Rdnrn. 9 ff. m. w. N.). Die Beklagten zu 1. und 2. sind durch das arbeitsgerichtliche Urteil weder formell, noch materiell beschwert; auch hat das arbeitsgerichtliche Urteil für die Beklagten zu 1. und 2. nicht den Anschein einer Beschwer geschaffen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.03.1993 - VIII ZR 85/92 -, NJW 1993, 2052 ff.).

Nachdem in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 22.12.2005 unter den Parteien erörtert worden war, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits mit Beginn des Jahres 2005 auf die Beklagte zu 3. übergegangen war, die Beklagten zu 1. und 2. demnach seit dem 01.01.2005 nicht mehr Arbeitgeber des Klägers gewesen waren und der Kläger im allseitigen Einverständnis seine gegen die Beklagten zu 1. und 2. gerichtete Klage zurückgenommen hatte, hatte das Arbeitsgericht nur noch über die Anträge des Klägers gegenüber der Beklagten zu 3. (Parteibezeichnung 1. Instanz: Beklagten zu 2.) sowie über deren Auflösungsantrag zu befinden. Dies hat das Arbeitsgericht ausweislich seines Urteils auch getan. So hat es festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 2. (nunmehrige Beklagte zu 3.) nicht beendet wurde und auch nur die Beklagte zu 2. (nunmehrige Beklagte zu 3.) verurteilt, den Kläger arbeitsvertragsgemäß als Organisationsleiter weiterzubeschäftigen. Es hat zwar den Hilfsantrag "der Beklagten" aus dem Schriftsatz vom 14.11.2005 abgewiesen; ausweislich des Tatbestandes und der Urteilsgründe hat das Arbeitsgericht hier allerdings nur über einen Antrag der Beklagten zu 2. und nunmehrigen Beklagten zu 3., die inzwischen auch alleinige Arbeitgeberin des Klägers war, entschieden. Im Tatbestand heißt es bei den Anträgen, dass "die Beklagte" um Klageabweisung und hilfsweise Auflösung des Arbeitsverhältnisses bittet. In den Gründen ist stets von einer Beklagten die Rede. Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis auch durch die Kostenentscheidung. Das Arbeitsgericht hat insoweit erkannt, dass "die Beklagte" die Kosten des Rechtsstreits trägt und zudem auf Seite 14 des Urteils ausgeführt, dass es "die Beklagte" sei, die als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Dass mit der Beklagten allein die nunmehrige Beklagte zu 3. gemeint ist, hat das Arbeitsgericht auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es nur diese (und den Kläger) und nicht die Beklagten zu 1. und 2. durch Fettdruck im Rubrum des Urteils hervorgehoben hat. Nach alledem hat das Arbeitsgericht erkennbar nur noch über Anträge des Klägers und der Beklagten zu 3. entschieden; Anträge der Beklagten zu 1. und 2. standen nicht mehr zur Entscheidung an. Dass etwaige Anträge der Beklagten zu 1. und 2. noch im Raume gestanden hätten, wird von diesen im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Die Beklagten zu 1. und 2. haben in der Berufungsinstanz gerade gerügt, dass sie im Rubrum des Urteils noch aufgeführt wurden, obgleich der Kläger seine Klage gegen sie zurückgenommen hatte. Damit bestätigen sie gerade, dass sie nach erfolgter Klagerücknahme keine Anträge mehr gestellt hatten.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 3. ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Die Berufung der Beklagten zu 3. ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstaben b) und c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

2.

Die Berufung der Beklagten zu 3. hat indes in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht dem Kündigungsschutzantrag des Klägers stattgegeben, den Auflösungsantrag der Beklagten zu 3. zurückgewiesen sowie diese, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 beendet worden ist, verurteilt, den Kläger arbeitsvertragsgemäß als Organisationsleiter weiterzubeschäftigen.

a.

Die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 ist weder als außerordentliche, noch als ordentliche Kündigung wirksam und hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mithin nicht beendet.

aa.

Die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 ist weder als außerordentliche, noch als ordentliche Verdachtskündigung wirksam.

(1).

Die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 ist als Verdachtskündigung bereits wegen unterlassener vorheriger Anhörung des Klägers zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen aus formellen Gründen unwirksam. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist nämlich formelle Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft die aus der Aufklärungspflicht resultierende ihm obliegende Anhörungspflicht, dann kann er sich in dem Prozess nicht auf den Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen, d.h. die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 26.09.2002 - 2 AZR 424/01 -, AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht auf strafbare Handlung; BAG, Urteil vom 13.09.1995 - 2 AZR 587/94 -, NZA 1996, 81 ff.).

Die Beklagte zu 3. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr falle eine schuldhafte Verletzung ihrer aus der Aufklärungspflicht resultierenden Anhörungspflicht nicht zur Last, da der Kläger die ihm eingeräumte Möglichkeit zu einem Gespräch nicht genutzt habe und damit die Anhörung aus einem Grunde unterblieben sei, den sie, die Beklagte zu 3., nicht zu vertreten habe. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass eine Anhörung dann entbehrlich ist, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken (vgl. BAG, Urteil vom 26.09.2002 - 2 AZR 424/01 -, AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht auf strafbare Handlung). Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Verfahren indes nicht vor. Die Beklagte zu 3. hatte den Kläger zwar durch den Vertriebswegeleiter, Herrn R2xxxxx, mit Mail vom 11.07.2005, die gegen 13.12 Uhr abgefasst worden und an den häuslichen PC des Klägers versandt worden war, zu einem "offenen Gespräch" für den 13.03.2005, 13.30 Uhr nach B1xx einbestellt, um diesen zu ggf. massiven Vorwürfen gegenüber Herrn A3xxxxxxx wegen Mobbings, Urkundenfälschung etc. anzuhören. Aus der Tatsache, dass der Kläger den Termin am 13.03.2005 nicht wahrnahm und sich erst am 14.07.2005 bei Herrn R2xxxxx rückmeldete, konnte die Beklagte zu 3. allerdings nicht den Schluss ziehen, der Kläger sei an einer Aufklärung des Sachverhalts nicht interessiert. Zunächst konnte die Beklagte zu 3. nicht davon ausgehen, dass der Kläger, der sich am 11.07.2005 tagsüber nicht zu Hause befand und am darauf folgenden Tag, den 12.07.2005, bereits gegen 10.00 Uhr zu einer Tagung in B1xx sein musste, noch am Abend des 11.07.2004 die Mail lesen würde. Auch hatte der Kläger in seiner Antwortmail vom 14.03.2005 ausdrücklich darauf hingewiesen, die Mail des Herrn R2xxxxx vom 11.03.2005 erst am 14.03.2005 erhalten zu haben. Insoweit ist eine Anhörung des Klägers nicht aus Gründen unterblieben, die der Kläger zu vertreten hatte, sondern deshalb, weil die Beklagte zu 3. nicht alle ihr zumutbaren organisatorischen Maßnahmen genutzt hat, um eine Anhörung durchzuführen. Von der Beklagten wäre es nämlich zu erwarten gewesen, dass diese spätestens am 12.03.2005, aber doch letztlich am 13.07.2005 versucht hätte, den Kläger anderweitig zu erreichen. Da die Beklagte zu 3. wusste, dass sich der Kläger am 12. und 13.07.2005 auf einer OL-Tagung in B1xx aufhielt, wäre ihr eine Kontaktaufnahme auch unschwer möglich gewesen. Zudem hatte der Kläger in seiner Antwortmail vom 14.07.2005 auch keineswegs zum Ausdruck gebracht, zu einer substantiierten Stellungnahme zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen nicht bereit zu sein. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Der Kläger hat mit der zuvor bezeichneten Mail mitgeteilt, einen neuen Termin gern in Gegenwart des Betriebsratsmitglieds M3xxxx wahrnehmen zu wollen und sich im Übrigen für die Gesprächsbereitschaft der Gegenseite bedankt. Damit hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass ihm sehr wohl daran gelegen war, dass es zu einem konkreten Gespräch über die Vorwürfe kommt. Veranlassung dazu, die im Übrigen lediglich pauschalen Vorwürfe bereits mit Mail vom 14.03.2005 ausdrücklich zurückzuweisen, hatte der Kläger vor diesem Hintergrund nicht.

(2). Die Kündigung der Beklagten zu 3. ist als Verdachtskündigung auch wegen mangelnder Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG unwirksam. Die Verdachtskündigung stellt einen eigenständigen Kündigungssachverhalt dar, zu dem der Betriebsrat gesondert angehört werden muss (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1997 - 2 AZR 292/96 -, AP Nr. 131 zu § 626 BGB). Ausweislich des an den Regionalbetriebsrat Mitte gerichteten Anhörungsschreibens der Beklagten zu 3. vom 13.07.2005 (Bl. 40 und 41 der Gerichtsakte) ist dieser lediglich zu einer sogenannten Tatkündigung angehört worden. Als Kündigungsgrund hatte die Beklagte zu 3. dem Regionalbetriebsrat Mitte nämlich mitgeteilt, der Kläger habe im Verlaufe seiner Aussage geäußert, dass er im Zuge der Neuausrichtung der Vertriebswege das ehemals durch den Herrn A3xxxxxxx betreute Orga-Gebiet als Organisationsleiter zur Betreuung übernommen habe und sehr schnell "kriminelle Machenschaften" des Herrn A3xxxxxxx erkannt habe. In weiteren Aussagen vor dem Arbeitsgericht Bielefeld habe der Kläger Herrn A3xxxxxxx zudem u.a. des Mobbings bezichtigt, auch der Begriff der Urkundenfälschung sei gefallen. Aufgrund der schwerwiegenden und in keiner Weise nachvollziehbaren bzw. belegbaren Bezichtigungen sei ihr, der Beklagten zu 3., die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht mehr zuzumuten. Die Beklagte zu 3. hat demnach einen dringenden Verdacht entsprechender Äußerungen des Klägers mit keiner Silbe angesprochen.

bb.

Die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 ist auch nicht als außerordentliche Tatkündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

(1).

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach dieser Bestimmung ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Dieses Erfordernis schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalls stets als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen; es gibt demnach im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (vgl. BAG, Urteil vom 23.01.1963 - 2 AZR 278/62 -, AP Nr. 8 zu § 124 a GewO; BAG, Urteil vom 15.11.1984 - 2 AZR 613/83 -, AP Nr. 87 zu § 626 BGB; KR-Fischermeyer, 7. Aufl., § 626 BGB Rn. 83 ff.).

Nach der Spruchpraxis des Bundesarbeitsgerichts ist im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB demnach - auf einer ersten Stufe - zu prüfen, ob der Kündigungssachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Liegen diese Voraussetzungen vor, bedarf es - auf einer zweiten Stufe - einer weiteren Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG, Urteil vom 20.11.1997 - 2 AZR 805/96 -, RzK I 6a Nr. 154; BAG, Urteil vom 15.11.1995 - 2 AZR 974/94 -, NZA 1996, 419 ff.).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass für die außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 ein wichtiger Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliegt.

(2).

Die Kammer brauchte im vorliegenden Fall nicht aufzuklären, welche Äußerungen genau der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 05.07.2005 getätigt hatte. Denn selbst wenn das Vorbringen der Beklagten zu 3. zutreffen sollte, dass die Erklärungen des Klägers nur so verstanden werden konnten, dass dieser seinen Vorgesetzten A3xxxxxxx jun. der Beteiligung an "kriminellen Machenschaften, der Urkundenfälschung sowie des Betrugs" und auch des Mobbings bezichtigt hatte, so wäre dieses Verhalten insgesamt nicht geeignet, der Beklagten zu 3. einen wichtigen Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu geben.

Zwar können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend (vgl. BAG, Urteil vom 06.11.2003 - 2 AZR 177/02 -, AP Nr. 46 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 -, DB 2003, 1797 f. jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Allerdings ist bei einer auf derartige Vorwürfe gestützten Kündigung in jedem Fall zudem zu prüfen, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist.

Im vorliegenden Verfahren geht die danach erforderliche Abwägung der Interessen im Einzelfall eindeutig zu Gunsten des Klägers aus.

Im Hinblick auf den Kündigungssachverhalt selbst ist zunächst festzuhalten, dass der Kläger die Äußerungen über Herrn A3xxxxxxx jun. nicht etwa vor der versammelten Belegschaft, sondern in einem ihn selbst betreffenden arbeitsgerichtlichen Verfahren getätigt hat. Auch ist der Kläger nicht ohne jeden Anlass zu einem Angriff gegenüber Herrn A3xxxxxxx übergegangen mit der alleinigen Zielrichtung, diesen persönlich zu diffamieren und herabzusetzen; vielmehr hat er diese Äußerungen allein deshalb getätigt, um zu erklären, wie es aus seiner Sicht zu den drei Abmahnungen aus den Jahren 2004 und 2005 gekommen war. Damit dienten die Äußerungen des Klägers allein der Verteidigung seiner Rechtspositionen und Interessen in den Verfahren ArbG Bielefeld 3 Ca 2063/04, 3 Ca 300/05 sowie 3 Ca 2438/05.

Der Kläger hat seinen Vorgesetzten A3xxxxxxx jun. auch nicht leichtfertig auf eine haltlose Vermutung hin der Beteiligung an "kriminellen Machenschaften", an "Betrug" und "Urkundenfälschung" bezichtigt; vielmehr enthielt sein Vorwurf eine durchaus sachliche Berechtigung. Die Einschätzungen des Klägers gehen auf ein Tatsachengeschehen zurück, das dieser selbst erlebt und zudem dem Betriebsrat und auch Herrn A3xxxxxxx jun. mitgeteilt hatte. Was eine etwaige Verwicklung des Herrn A3xxxxxxx jun. in "kriminelle Machenschaften", in " Urkundenfälschung" sowie in "Betrug" anbelangt, so hat der Kläger nicht nur schriftsätzlich, sondern vor allen Dingen im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer ausführlich die Feststellungen, die er im Zusammenhang mit dem Vorgang "S8xxxxxxx" getroffen hatte und die unter den Parteien unstreitig sind, dargelegt. Danach hatte er, nachdem er das Gebiet II der Filialdirektion B3xxxxxxx von seinem Vorgänger, Herrn A3xxxxxxx jun., übernommen hatte, bereits Anfang des Jahres 2004 die Geschäftsstelle S8xxxxxxx aufgesucht sowie Herrn A3xxxxxxx mit Schreiben vom 27.03.2004 auf die "völlig unübersichtliche" Situation in dieser Geschäftsstelle hingewiesen und diesen gebeten, das Schreiben - zu seiner Entlastung - zu seiner Personalakte zu nehmen. Ferner hatte er am 25.01.2005 die Geschäftsstelle S8xxxxxxx erneut aufzusuchen, um sich dort von der 79jährigen Agenturinhaberin, Frau I1xxxxxx S8xxxxxxx, die schriftliche Kündigung des Agenturvertrages durch die Beklagte zu 3. bestätigen zu lassen. Der Kläger ist am 25.01.2005 dann tatsächlich zur Geschäftsstelle S8xxxxxxx gefahren, wo ihn draußen Herr S10xxxxxxxx, ein Mitarbeiter der Agentur S8xxxxxxx, in Empfang genommen hat. Auf dessen Mitteilung hin, Frau S8xxxxxxx komme in das Sonnenstudio gegenüber, hat man sich sodann gemeinsam in eben dieses Sonnenstudio begeben. Circa eine halbe Stunde später erschien dort eine Dame, die der Kläger auf ca. 50 Jahre schätzte. Diese Dame stellte sich im folgenden als I1xxxxxx S8xxxxxxx vor und fragte, wo sie unterschreiben müsse. Nachdem der Kläger ihr die Kündigungsbestätigung überreicht hatte, unterzeichnete diese Dame die Kündigungsbestätigung. Da der Kläger Bedenken wegen des Alters der Dame hatte, bat er diese, sich auszuweisen. Von Herrn S10xxxxxxxx wurde ihm sodann bestätigt, dass es sich bei der Dame um Frau I1xxxxxx S8xxxxxxx handele. Der Kläger nahm im folgenden sowohl die Kündigungsbestätigung als auch eine von derselben Dame unterschriebene Ausgleichserklärung an sich. Der Kläger ließ die Sache dann nicht auf sich beruhen, sondern stellte in der Filialdirektion B3xxxxxxx weitere Recherchen im Hinblick auf die Privatadresse der Frau I1xxxxxx S8xxxxxxx an und suchte diese in der Folgezeit dort auf. Anlässlich dieses Besuchs erklärte ihm Frau I1xxxxxx S8xxxxxxx, niemals für eine Versicherung tätig gewesen zu sein, auch nicht für den Deutschen H1xxxx. Im Anschluss daran hat der Kläger sich mit Schreiben vom 16.02.2005 wiederum an Herrn A3xxxxxxx gewandt und den Vorgang geschildert. Eine Abschrift dieses Schreibens hat er dem Betriebsratsmitglied M3xxxx zukommen lassen. Wenn der Kläger nun vor diesem Hintergrund von "kriminellen Machenschaften", "Betrug" sowie "Urkundenfälschung" gesprochen hat und er Herrn A3xxxxxxx hiermit in Verbindung gebracht hat, da dieser das Gebiet II zuvor betreut hatte und Vorgesetzter des Klägers war, so stellt dies im Rahmen der gebotenen Einzelfallabwägung einen Umstand dar, der keinesfalls zu Lasten des Klägers Berücksichtigung finden kann. Beim Kläger konnte vor dem zuvor geschilderten Hintergrund nämlich ohne weiteres der Eindruck entstehen, Herr A3xxxxxxx sei insoweit in den Vorgang involviert, als ihm die Vorkommnisse in der Geschäftsstelle S8xxxxxxx sehr wohl bekannt waren und er entweder an ihrer Entstehung beteiligt war oder aber zumindest von sich aus nichts unternommen hatte, um die Situation in dieser Geschäftsstelle zu klären. Demgegenüber fällt zu Lasten der Beklagten zu 3. deren eigenes Verhalten im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen ins Gewicht. Soweit ersichtlich, insbesondere für den Kläger ersichtlich, hat sich die Beklagte zu 3. allein darauf beschränkt, abzuklären, ob das Vorgehen des Klägers, der von der angeblichen Frau I1xxxxxx S8xxxxxxx einen Personalausweis verlangt hatte, rechtens war. Auch hat die Beklagte zu 3. nicht direkt vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung, insbesondere nicht direkt nach dem Termin vor dem Arbeitsgericht vom 06.07.2005 alle ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung genutzt. Abgesehen davon, dass sie kein Gespräch mit dem Kläger selbst ernsthaft versucht hat, hat sie sich nach ihren Angaben im Termin vor der Berufungskammer darauf beschränkt, bei der Rechtsabteilung der Beklagten zu 3. in B1xx Erkundigungen darüber einzuziehen, ob dort irgendwelche negativen Erkenntnisse vorlägen. Zum Inhalt eines etwaigen Gesprächs mit Herrn A3xxxxxxx wollte sich die Beklagte zu 3. in der mündlichen Verhandlung nicht äußern. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagten zu 3. klar sein musste, dass der Vorgang "S8xxxxxxx" hier eine besondere Rolle spielen konnte. Diesen hatte der Kläger nämlich in seinem Statusbericht vom 27.03.2004, auf den er in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht in den Abmahnungsverfahren Bezug genommen hatte, ausdrücklich erwähnt. Diesen Dingen ist die Beklagte zu 3., soweit feststellbar, gar nicht nachgegangen. Die Beklagte zu 3. kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht den Vorgang "S8xxxxxxx" nicht weiter erläutert. Insoweit entspricht es nämlich höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 06.11.2003 - 2 AZR 177/02 -, AP Nr. 46 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung), dass im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses, der eine Kündigung wegen grober Beleidigungen von Vorgesetzten zum Gegenstand hat, vom Tatsachengericht zu klären und zu prüfen ist, inwieweit der vom Arbeitnehmer erhobene Vorwurf eine sachliche Berechtigung enthält.

Was die Äußerung des Klägers anbelangt, er sei durch Herrn A3xxxxxxx "gemobbt" worden, so liegt hierin schon deshalb keine seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehende schwerwiegende Ehrverletzung, da der Kläger diesen Vorwurf nicht etwa ohne jeden Anlass erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erhoben hat. Vielmehr hat der Kläger in der Situation nur geschildert, wie es aus seiner Sicht zu den Abmahnungen durch Herrn A3xxxxxxx gekommen war. Nur in dem Zusammenhang war der Begriff des "Mobbings" gefallen. Damit hat der Kläger erkennbar Bezug auf sein an das Betriebsratsmitglied M3xxxx gerichtetes Schreiben vom 07.11.2004 genommen, in dem er sich unter dem Betreff "Beschwerde wegen Mobbing (Verächtlichmachung meiner Person durch den FD A5xx A3xxxxxxx)" darüber beschwert hatte, Herr A3xxxxxxx habe ihn anlässlich eines Treffens in F3xxxxxxx vor anderen Mitarbeitern verächtlich gemacht.

Im Übrigen war im Rahmen der unfassenden Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers insbesondere der langjährige Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Hierbei hatte die Kammer auch von einem ungestörten Bestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Zwar hatte die Beklagte dem Kläger unter dem 04.06.2004, 17.01.2005 sowie 08.03.2005 jeweils eine Abmahnung erteilt; allerdings hatte das Arbeitsgericht Bielefeld die Beklagte mit seinen jeweiligen Urteilen vom 06.07.2005 in den Verfahren 3 Ca 2063/04, 3 Ca 300/05 und 3 (1) Ca 988/05 zur Herausnahme der Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers verurteilt. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld in dem Verfahren 3 (1) Ca 988/05 war ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden. Im Übrigen hatten sich die Parteien im anschließenden Berufungsverfahren in den Verfahren 12 Sa 1841/05 sowie 12 Sa 1842/05 einvernehmlich dahingehend verständigt, dass die Beklagte zu 3. sich verpflichtete, die dem Kläger erteilten Abmahnungen mit Ablauf des 30.06.2006 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Die Berechtigung der Abmahnungen ist demnach nicht geklärt worden.

Auf Seiten der Beklagten zu 3. ist hingegen kein Umstand ersichtlich und auch nicht geltend gemacht, der ihr eine weitere Beschäftigung des Klägers unzumutbar machen könnte.

cc.

Die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 ist auch nicht als ordentliche Tatkündigung wirksam. Die Kündigung ist vielmehr sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.

(1).

Die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 war an den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes zu messen, da der Kläger die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG von sechs Monaten erfüllt hatte und die Anzahl der im Betrieb der Beklagten zu 3. beschäftigten Arbeitnehmer den Schwellenwert nach § 23 Abs. 1 KSchG überstieg.

(2).

Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine verhaltensbedingte Kündigung - allein eine solche kommt hier in Betracht - nur dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Dabei genügen für eine verhaltensbedingte Kündigung solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen. Auszugehen ist nicht vom Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers, vielmehr geht ein objektiver Maßstab (vgl. BAG, Urteil vom 21.05.1992 - 2 AZR 10/92 -, AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung in drei Schritten vorzunehmen. Auf einer ersten Prüfungsstufe ist zu prüfen, ob eine rechts- bzw. vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt, wobei es in der Regel erforderlich ist, dass diese Pflichtverletzung schuldhaft begangen wurde (vgl. BAG, Urteil vom 21.05.1992 - 2 AZR 10/92 -, AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist die Feststellung erforderlich, dass es infolge der Pflichtverletzung zu konkreten Störungen des Arbeitsverhältnisses gekommen ist (vgl. BAG, Urteil vom 16.08.1991 - 2 AZR 604/90 -, AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Nach dem das Kündigungsrecht beherrschenden Prognoseprinzip ist weiter Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung der verhaltensbedingten Kündigung, dass eine Wiederholungsgefahr besteht, d.h., dass zu befürchten ist, der Arbeitnehmer werde auch in Zukunft gleichartige Pflichtverletzungen begehen, oder dass das vorangegangene Ereignis wegen der Schwere der Pflichtverletzung - selbst ohne Wiederholung - sich auch künftig weiter belastend auswirkt (vgl. BAG, Urteil vom 26.01.1995 - 2 AZR 649/94 -, AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Schließlich ist auf einer dritten Stufe im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers geeignet war, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen (vgl. BAG, Urteil vom 07.12.1988 - 7 AZR 122/88 -, AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Kündigung der Beklagten vom 18.07.2005 sozial ungerechtfertigt ist.

(3).

Zwar ist festzuhalten, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder dessen Vertreters bzw. von Vorgesetzten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betreffenden darstellen, eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen können (vgl. BAG, Urteil vom 06.11.2003 - 2 AZR 177/02 -, AP Nr. 46 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Wie im Falle der außerordentlichen Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 geht jedoch auch hier bei der ordentlichen Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 die Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten aus.

Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen unter II. 2. a. bb. (2). Bezug genommen.

b.

Nachdem der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer mit Zustimmung der Gegenseite seinen Fortbestandantrag zurückgenommen hatte, stand dieser nicht mehr zur Entscheidung an.

c.

Der Auflösungsantrag der Beklagten zu 3. war zurückzuweisen.

Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine Sozialwidrigkeit der Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz-, und kein Abfindungsgesetz. Dieser Grundsatz wird durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass - bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers - eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Da hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 -, AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969; BAG, Urteil vom 02.06.2005 - 2 AZR 234/04 -, AP Nr. 51 zu § 9 KSchG 1969).

Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG kommen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 -, AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969; BAG; Urteil vom 02.06.2005 - 2 AZR 234/04 -, AP Nr. 51 zu § 9 KSchG 1969 m.z.w.N.).

Im Übrigen kann sich der Arbeitgeber zur Begründung seines Auflösungsantrages grundsätzlich auch auf solche Gründe berufen, mit denen er zuvor - erfolglos - die ausgesprochene Kündigung begründet hat. Er muss in diesen Fällen allerdings zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (vgl. BAG; Urteil vom 02.06.2005 - 2 AZR 234/04 -, AP Nr. 51 zu § 9 KSchG 1969).

In Anwendung dieser Grundsätze war der Auflösungsantrag der Beklagten zu 3. als nicht begründet zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 3. hat sich zur Begründung ihres Auflösungsantrages allein auf das bezogen, was sie für die Kündigung vorgetragen hat. Dies reicht nicht aus. Der Kläger hat, wie bereits ausgeführt, seine Äußerungen im Termin vom 06.07.2005 vor dem Arbeitsgericht Bielefeld allein deshalb getätigt, um zu erklären, weshalb es zu den drei Abmahnungen gekommen war. Dieses prozessuale Verhalten in den Abmahnungsstreitigkeiten war - wie ebenfalls ausgeführt - durch ein berechtigtes Interesse gedeckt. Im Übrigen betrafen die Äußerungen des Klägers allein sein Verhältnis zu seinem Vorgesetzten, Herrn A3xxxxxxx jun. Die Geschäftsleitung der Beklagten zu 3. oder andere Kollegen des Klägers waren durch dessen Erklärungen in keinster Weise angesprochen oder verunglimpft worden. Im Gegenteil, der Kläger war gegenüber der Beklagten zu 3. stets loyal; hat seine Recherchen im Übrigen auch mit dem Ziel geführt, die Beklagte zu 3. vor Schaden zu bewahren. Mithin ließen die Äußerungen des Klägers keinerlei negativen Rückschlüsse auf sein zukünftiges Verhalten zur Geschäftsleitung, anderen Vorgesetzten und Kollegen zu.

Es kommt hinzu, dass sich die Beklagte zu 3. in der Zwischenzeit einvernehmlich, und zwar aufgrund Aufhebungsvertrages zum 30.09.2006 von dem Leiter der Filialdirektion B3xxxxxxx, Herrn A3xxxxxxx jun. getrennt hat und dass Herrn A3xxxxxxx jun. bereits seit Anfang des Jahres 2006 freigestellt ist. Damit steht einer den Betriebszwecken dienende weiteren Zusammenarbeit der Parteien nichts entgegen.

d.

Da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 nicht beendet worden ist, hat der Kläger gegenüber der Beklagten zu 3. auch einen Anspruch auf arbeitsvertragsgemäße Weiterbeschäftigung als Organisationsleiter. Dieser Anspruch folgt aus § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag sowie i.V.m. § 242 BGB, Art. 1, 2 Abs. 1 GG (vgl. BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 -, BAGE 48, 122 ff.). Da der Kläger hat seinen Weiterbeschäftigungsantrag in zulässiger Weise dahingehend präzisiert hat, dass er eine Weiterbeschäftigung zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 21.05.2004 als Organisationsleiter zuständig für das Gebiet II der Filialdirektion B3xxxxxxx bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits begehrt, war der Tenor insoweit aus Gründen der Klarstellung neu zu fassen.

e.

Nur der Klarstellung halber weist die Kammer abschließend darauf hin, dass auch das Vorbringen der Beklagten zu 3., der Vorsitzende 1. Instanz sei bei der Entscheidungsfindung befangen gewesen, der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen kann. Nach Beendigung der Instanz kann sich eine Partei nämlich nicht mehr darauf berufen, bei einem Richter dieser Instanz habe die Besorgnis der Befangenheit bestanden (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.1964 - 4 AZR 63/63 -, AP Nr. 112 zu § 3 TO A).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 269 Abs. 3 ZPO. Dabei war hinsichtlich der Kosten des 1. Rechtszuges und der Kosten des 2. Rechtszuges zu unterscheiden. Nachdem der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 22.12.2005 seine Klage gegenüber den Beklagten zu 1. und 2. zurückgenommen hatte, waren ihm insoweit die Kosten aufzuerlegen. Diese Kostenentscheidung war, da das arbeitsgerichtliche Urteil sich hierüber nicht verhält, von Amts wegen nachzuholen. Im Übrigen hatte der Kläger in der Berufungsinstanz seinen Fortbestandsantrag zurückgenommen, was sich ebenfalls kostenmäßig dahingehend ausgewirkt hatte, dass der Kläger von den Kosten des 1. Rechtszuges nunmehr 6/10 und die Beklagte zu 3. 4/10 zu tragen hatte. Die Kosten des 2. Rechtszuges waren den Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu 5/10 aufzuerlegen, da deren Berufung als unzulässig verworfen wurde. Von den restlichen 5/10 hatte der Kläger 1/10 in Folge seiner Klagerücknahme im Hinblick auf den Fortbestandsantrag zu tragen, während der Beklagten zu 3. 4/10 aufzuerlegen waren.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Auch weicht die Entscheidung nicht von höchstrichterlicher oder landesarbeitsgerichtlicher Rechtsprechung ab.

Ende der Entscheidung

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