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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: 12 Sa 326/03
Rechtsgebiete: BAT
Vorschriften:
BAT § 12 | |
BAT § 24 |
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 28.05.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Müller sowie die ehrenamtlichen Richter Delseith und Filges
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 09.01.2003 - 2 Ca 356/02 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung vom 15.06.2001 nicht mit Ablauf des 23.10.2003 beendet ist.
Das beklagte L1xx hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer Befristung im Oktober 2003 enden wird.
Die am 11.12.13xx geborene Klägerin ist im Rahmen mehrerer befristeter Arbeitsverträge (Bl. 5 ff. d. A.) seit dem 20.02.1996 bei der Bezirksregierung M4xxxxx tätig; sie bezieht derzeit ein Entgelt in Höhe von ca. 2.800,00 EUR brutto nach Vergütungsgruppe VI b des Teils I der Anlage 1 a zum BAT (im Folgenden kurz: BAT). Kraft arbeitsvertraglicher Abrede findet auch im Übrigen das Tarifwerk des BAT in seiner jeweiligen Fassung Anwendung.
Nach dem letzten Arbeitsvertrag vom 15.06.2001 ist die Klägerin "ab 01.08.2001 befristet ... eingestellt als vollbeschäftigte Angestellte auf bestimmte Zeit nach SR 2 y BAT als Aushilfsangestellte/r zur Vertretung für die Zeit bis zum 23.10.2003 (Beurlaubung einer Kollegin)".
Bei der genannten Kollegin handelt es sich um die Arbeitnehmerin F2xxxxxx, deren Elternzeit am 23.10.2003 endet. Sie kommt im sogenannten Schreibpool zum Einsatz und erhält dafür ein Entgelt nach Vergütungsgruppe VII des Teils II Abschnitt N BAT (im Folgenden kurz: BAT).
Die Klägerin betreut als sog. Arbeitsplatzassistentin (Bl. 34 d. A.) durchgehend seit dem 01.08.1999 die bei der Bezirksregierung tätige, schwerstbehinderte Regierungsamtfrau S4xxxxxxx; diese ist Spastikerin und an einen Rollstuhl gefesselt. Selbst bei einfachen Verrichtungen bedarf die Beschäftigte der Unterstützung durch eine betreuende Person.
Vor der Klägerin hatte diese auf Dauer angelegte Tätigkeit die aus dem Botendienst kommende Arbeitnehmerin G3xxxxx ausgeübt. Dies geschah - wie üblicherweise ansonsten auch - im Wege des Abschlusses eines Änderungsvertrages, wonach die jeweiligen Einsatzkräfte für die Dauer der Assistenz ein Entgelt nach Vergütungsgruppe VI b BAT erhielten, während sie zuvor nach Vergütungsgruppe VII oder - im Falle der Beschäftigten F3xxxxxx - nach Vergütungsgruppe IX b BAT bezahlt worden waren.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ein sachlicher Grund für die aktuelle Befristung sei nicht gegeben. Es liege nämlich kein Zusammenhang zwischen der Beurlaubung der Schreibkraft F2xxxxxx und der Dauertätigkeit einer Arbeitsplatzassistentin vor. Bei einer sogenannten mittelbaren Vertretung sei es zwingend erforderlich, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der befristet übertragenen Tätigkeit über eine uneingeschränkte Versetzungs- bzw. Umsetzungsbefugnis verfüge. Hiervon könne vorliegend nicht ausgegangen werden.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Befristung im Arbeitsvertrag der Parteien vom 15.06.2001 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den 23.10.2003 hinaus fortbesteht.
Das beklagte L1xx hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat gemeint, die Befristung sei sachlich gerechtfertigt. Denn durch die Beurlaubung der Beschäftigten F2xxxxxx sei im Schreibdienst ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf entstanden, den man durch die befristete Einstellung der Klägerin gedeckt habe. Ob und wie der Arbeitgeber in einer solchen Situation die Aufgaben (neu) verteile, bleibe ihm überlassen.
Mit Urteil vom 09.01.2003 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es liege zwischen der Beurlaubung der Mitarbeiterin F2xxxxxx und der befristeten Fortbeschäftigung der Klägerin der erforderliche kausale Zusammenhang vor. Denn ohne den Einsatz der Klägerin hätte eine Mitarbeiterin aus dem Schreibpool freiwillig die Stelle der Arbeitsplatzassistenz übernommen, wodurch dort eine weitere Lücke entstanden wäre. Diese habe man durch die befristete Fortbeschäftigung der Klägerin bis zur Rückkehr der Arbeitnehmerin F2xxxxxx verhindert. Die Frage der unterschiedlichen Vergütung sei in dem Zusammenhang von keiner Relevanz.
Gegen dieses ihr am 10.02.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.02.2003 Berufung eingelegt und diese am 26.03.2003 begründet.
Die Klägerin ist der Auffassung, im Falle einer mittelbaren Vertretung müsse der Arbeitgeber hinsichtlich der befristet übertragenen Tätigkeit über ein uneingeschränkte Versetzungs- bzw. Umsetzungsbefugnis verfügen. Davon könne vorliegend nicht ausgegangen werden, weil das beklagte L1xx aufgrund seines Direktionsrechts nicht befugt gewesen sei, einer Schreibkraft die höher dotierte Stelle einer Arbeitsplatzassistentin zu übertragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 09.01.2003 - 2 Ca 356/02 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung vom 15.06.2001 nicht mit Ablauf des 23.10.2003 beendet ist.
Das beklagte L1xx beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es weist darauf hin, dass in der Vergangenheit die Stelle der Arbeitsplatzassistenz fast immer aus dem Schreibpool besetzt worden sei. Dementsprechend habe man der Klägerin, ausgehend vom Ausfall der Arbeitnehmerin F2xxxxxx aus dem Schreibpool, die Assistenzstelle angeboten; sie habe ihr Einverständnis erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und zulässige Berufung ist begründet.
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann die Klägerin im Verhältnis zum beklagten L1xx die Feststellung verlangen, dass das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung vom 15.06.2001 mit Ablauf des 23.10.2003 beendet wird. Die vereinbarte Befristung ist nämlich rechtsunwirksam, weil ein Vertretungsfall nicht gegeben ist.
Allerdings ist es nach Nr. 1 c) SR 2 y BAT, der kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, zulässig, sogenannte Aushilfsangestellte zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers befristet einzustellen (s. a. § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG).
Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. BAG AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, Bl. 2 f.; AP Nr. 135 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, Bl. 3 f.; AP Nr. 138 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, Bl. 2 R; AP Nr. 228 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, Bl. 1 R ff.; AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2 y, Bl. 3 R f.) ist dafür erforderlich, dass durch den zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters ein als vorübergehend anzusehender Bedarf an der Beschäftigung eines Arbeitnehmers entsteht und dass dieser gerade deswegen eingestellt wird. In dem Zusammenhang ist es unerheblich, ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitgeber anlässlich der Einstellung eine Umverteilung der Aufgaben vornimmt. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass zwischen dem Ausfall einer Stammkraft und der befristeten Beschäftigung des Aushilfsangestellten ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei muss die Vertretungskraft nicht dieselben Aufgaben verrichten, wie sie der ausgefallene Arbeitnehmer zu erledigen gehabt hätte. Es muss allerdings sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall einer Stammkraft entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. Davon kann wiederum nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber auch rechtlich und tatsächlich in der Lage war, den ausfallenden Mitarbeiter in den Arbeitsbereich des Vertreters zu versetzen bzw. umzusetzen (BAG AP Nr. 288 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, Bl. 2 R; AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2 y, Bl. 4).
Die Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Denn entgegen der Ansicht des beklagten Landes war dieses im Rahmen des ihr eingeräumten Direktionsrechts (früher: § 315 BGB; jetzt: § 106 GewO) zu keinem Zeitpunkt befugt, einseitig nach Vergütungsgruppe VII BAT bezahlte Kräfte aus dem Schreib- oder Botendienst auf der Grundlage des § 12 BAT in die nach Vergütungsgruppe VI b BAT bewertete Position einer Arbeitsplatzassistentin zu versetzen bzw. umzusetzen. Es können nämlich, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen gem. § 24 BAT abgesehen, Angestellte des Öffentlichen Dienstes arbeitgeberseits nur Tätigkeiten übertragen werden, die die Merkmale der für sie maßgeblichen Vergütungsgruppe des BAT erfüllen. So räumt das beklagte L1xx auch selbst ein, dass man in der Vergangenheit üblicherweise Änderungsverträge mit den betroffenen Beschäftigten abgeschlossen habe, also zu keinem Zeitpunkt einseitig im Wege des Direktionsrechts Kräfte namentlich aus dem Schreibpool mit der Arbeitsplatzassistenz betraut hat.
In einer solche Konstellation fehlt es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der auf einer "VI b"-Stelle erfolgten Einstellung der Klägerin und einem durch die Elternzeit der Mitarbeiterin F2xxxxxx entstandenen zusätzlichen Arbeitskräftebedarf auf einer "VII"-Stelle. Denn der Sachgrund der Vertretung liegt gerade darin, den vom Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag mit dem zu Vertretenden vorgegebenen Bedarf an Tätigkeiten einer bestimmten vergütungsrechtlichen Wertigkeit vorübergehend bis zur Rückkehr der Stammkraft abzudecken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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