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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.09.2004
Aktenzeichen: 13 (12) Sa 853/03
Rechtsgebiete: DÜG, BGB, VVG


Vorschriften:

DÜG § 1
BGB § 247
VVG § 67 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.04.2003 - 10 Ca 3310/02 - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand: Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteter und teilweise zugestandener Kassendifferenzen. Die Klägerin betreibt in D1xxxxxx und Umgebung u.a. Tankstellen. Der Beklagte kam seit dem 01.10.1993 als Leiter der Großtankstelle "W1xxxxxxxxxxx 12x" in D1xxxxxx zum Ein-satz. In dieser Funktion war er u.a. für das Abrechnungssystem verantwortlich. In einem zentralen Rechner, der sich in einem separaten, abgeschlossenen Raum befindet, werden die Buchungen aller Kassen der Tankstelle zusammengeführt. Sie können registriert und von dort gesteuert werden. Über die zentrale Rechenanlage erfolgt auch die Abrech-nung, wobei der Leiter tägliche Berichte über alle Umsätze erstellt. Die EDV-Anlage ist durch ein Zugangs-Codewort abgesichert, wobei es dem Tankstellenleiter untersagt ist, das Co-dewort Dritten mitzuteilen. So vertreten sich die Tankstellenleiter der Klägerin im Bedarfsfall auch untereinander. In der Zeit vom 17.06. bis 02.07.2000 übernahm der Beklagte die Urlaubsvertretung für den Leiter der Autobahntankstelle L5xxxxxxxxx-S4x, M4xx. Anschließend wurde bei der Abrech-nung für den Monat Juni 2000 beim Dieselkraftstoff eine Differenz von 134 Liter festgestellt. Der mit der Klärung des Sachverhalts beauftragte Zeuge M4xx stieß bei einer Überprüfung auf eine ihm unbekannte Datei "Storno-Buchungen". Die 134 Liter Dieselkraftstoff waren dort als "Storno", also als Warenrückgabe gebucht. Wegen der bei Kraftstoffen schwer vorstell-baren Rückgabe nahm er weitere Überprüfungen vor und stellte Stornierungen in erhebli-chem Umfang fest. Teilweise wurden sie abgewickelt über Artikelnummern, für die es in der Tankstelle keine Ware gab. Auf diese Weise verzeichnete das System für Stornobuchungen eine Artikelnummer, ohne dass es im tatsächlichen Warenbestand zu Differenzen kam. Der Zeuge M4xx stellte für den Zeitraum seiner Urlaubsabwesenheit irreguläre Buchungen im Umfang von 1.501,20 DM = 767,55 EUR fest; der Betrag wurde dem Beklagten von dessen Vergütung für den Monat August 2000 abgezogen. In einem Personalgespräch am 30.08.2000 räumte der Beklagte ein, den genannten Betrag mittels manipulatorischer Fehlbuchungen entnommen und für sich verwandt zu haben. Auf Nachfrage des Geschäftsführers gestand er auch ein, in der von ihm verwalteten Tankstel-lenanlage "A1 W1xxxxxxxxxxx" insgesamt weitere 5.000,00 DM bis 6.000,00 DM entwen- det zu haben. Wegen des Eindrucks, dass der Beklagte nicht sämtliche Manipulationen zugegeben hatte, gab die Klägerin bei der Revision der D3xxxxxxxx S5xxxxxxxx AG am 04.09.2000 ein Gut-achten in Auftrag, um durch einen neutralen Prüfer "den Schaden zu beziffern" bzw. "kurz-fristig umsetzbare Vorschläge zur Absicherung des Abrechnungsverfahrens zu entwickeln". Für den Prüfungszeitraum von Januar 1998 bis August 2000 wurde ein Gesamtschaden in Höhe von 53.031,40 DM = 27.114,52 EUR ermittelt. Insoweit wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen auf den mit Klageschriftsatz vom 24.05.2002 eingereichten Revisionsbe-richt (Bl. 14 ff. d.A.). Für die Erstellung des Berichtes wurde der Klägerin von der D3xxxxxxxx S5xxxxxxxx AG ein Betrag in Höhe von 12.350,00 DM = 6.314,45 EUR berechnet, und zwar für 13 Prüfungstage jeweils 950,00 DM. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Anspruch auf Ersatz der genannten Schäden zu. Insoweit hat sie vorgetragen, dass das Zugangs-Codewort für den zentralen Rechner nur dem jeweiligen Tankstellenleiter bekannt sei. Mithin seien die erfolgten Manipu-lationen allein auf den Beklagten zurückzuführen. Zwar habe jeder Mitarbeiter die Bezahlung von Waren an den Kassen buchen können, soweit den Artikeln tatsächlich eine entspre-chende Nummer zugeordnet gewesen sei. Die Einbuchung mit Artikelnummern, ohne dass diese bestimmten Waren hätten zugeordnet werden können, sei hingegen nur über den dem Beklagten zugänglichen Rechner möglich gewesen. Um eine berprüfung der Vorgänge zu verhindern, habe dieser die Anweisung gegeben, Buchungsbelege zu vernichten. Die Klägerin behauptet, ihr sei durch die Erstellung des Gutachtens ein Schaden in Höhe von 12.350,00 DM = 6.314,45 EUR entstanden - abzüglich des durch Aufrechnung erloschenen Teils in Höhe von 2.147,43 EUR. Insoweit ist unstreitig, dass die Klägerin den Geschäftsanteil des Beklagten am Unternehmen in der entsprechende Höhe im September/Oktober 2002 eingezogen hat. Die Erstellung des Gutachtens sei erforderlich gewesen, um den Umfang des verursachten Schadens durch eine unabhängige Institution ermitteln zu lassen. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 33.428,98 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 08.10.2001 zu zahlen, abzüglich am 03.10.2002 gezahlter 2.147,43 EUR. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, eine Rückbuchung von Waren ohne Artikelbezeichnung sei nicht möglich. Im Übrigen hätte jeder Kassierer über die vorhandenen Kassen Warenrücknahmen durchführen können. Die vorgelegten Zahlen hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Die Kosten für den Revisionsbericht seien schon deshalb nicht zu erstatten, weil es nicht dessen zuvörderstes Ziel gewesen sei, die Schadenshöhe zu ermitteln. Im Übrigen werde auch bestritten, dass tatsächlich 13 Prüfungstage erforderlich waren mit einem Tagessatz von 950,00 DM. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.04.2003 der Klage im Umfang von 27.114,52 EUR nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei zur Zahlung des im Revisionsbericht festgestellten Schadens verpflichtet, weil er den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin nicht substanziiert bestritten habe. Es lägen angesichts des Zugeständnisses des Beklagten, ein Teil der Manipulationen begangen zu haben, und wegen der Tatsache, dass weitere Manipulationen nach dem gleichen System durchgeführt worden seien, ausreichend Indizien für eine Gesamtverursachung durch den Beklagten vor. Daher wäre es dessen Aufgabe gewesen, im Einzelnen darzulegen, was er zugestehe und was er bestreite. Demgegenüber könne die Klägerin den Ersatz der Kosten für den Revisionsbericht schon deshalb nicht verlangen, weil sie es versäumt habe, den geltend gemachten Betrag näher aufzuschlüsseln. Gegen dieses ihm am 07.05.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 02.06.2003 Berufung eingelegt und diese am 24.06.2003 begründet. Nachdem in der zweiten Instanz zwischen den Parteien unstreitig geworden ist, dass bereits am 24.07.2002 ein Teilbetrag in Höhe von 40.978,35 DM = 20.951,90 EUR von der Klägerin auf die W2xxxxxxxx G1xxxxxx D4xxxxxx G1xxxxxx- und K3xxxxxxxxxxxxxxxxxxx AG (im Folgenden kurz: W2xxxxxxxx) als Vertrauensschadensversicherer übergegangen ist, stellt der Beklagte die Prozessführungsbefugnis der Klägerin in Abrede. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der geltend gemachte Gesamtanspruch einschließlich der Prüfungskosten auf die Versicherung übergegangen sei. In jedem Fall hätte aufgeschlüsselt werden müssen, wem welche Ansprüche noch zustehen. In der Sache weist der Beklagte u.a. darauf hin, er könne anhand des vorgelegten Revisionsberichts nicht überprüfen, ob berechtigte oder unberechtigte Stornierungen vorliegen würden; dazu müssten ihm die gesamten Buchungsunterlagen vorgelegt werden. Im Übrigen hätten die festgelegten Stornos von jedem Kassierer vorgenommen werden können. Er habe keine Warenrücknahmen ohne zugehörige Artikelnummern oder im Bereich Kraftstoff vorgenommen. Im Übrigen werde das gesamte Zahlenwerk der Klägerin bestritten. Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.04.2003 - 10 Ca 3310/02 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und - im Wege der Anschlussberufung - das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.04.2003 - 10 Ca 3310/02 - teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, a) an die Klägerin 9.562,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG bzw. § 247 BGB ab dem 08.10.2001 zu zahlen, b) an die W2xxxxxxxx Deutsche G1xxxxxx- und K5xxxxxx-V1xxxxxxxxxxx-A2xxxxxxxxxxxxxxxx, L3xxxxxxxxxxx 22x, 81xxx M5xxxxx, 20.951,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG bzw. § 247 BGB ab dem 08.10.2001 zu zahlen. Hinsichtlich des Übergangs behauptet die Klägerin, Ansprüche seien nur im beglichenen Umfang in Höhe von 20.951,89 EUR auf die W2xxxxxxxx übergegangen. Davon seien nicht die Ermittlungskosten in Höhe von 6.340,45 EUR erfasst. In der Sache behauptet die Klägerin, es hätten Geldentnahmen aus der Kasse stattge-funden, denen keine Verkäufe vorausgegangen seien, weil im Warenwirtschaftssystem für den jeweiligen Artikel keine entsprechenden Bezeichnungen vorgesehen gewesen seien. Man habe Luftbuchungen vorgenommen, wodurch einerseits die Kassenfreigabe erreicht und andererseits keine Fehlbestände im Warenvorrat bewirkt worden seien. Zu diesem Zweck habe der Beklagte neue Artikelnummern ohne entsprechende Artikel vergeben. Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen. Wegen des weiteren Vorbringens beider Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet, während die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen war. A. Was den im Revisionsbericht festgestellten Schadensbetrag in Höhe von 53.031,40 DM = 27.114,52 EUR abzüglich der in der Vergütungsabrechnung für August einbehaltenen 1.501,20 DM = 767,55 EUR angeht, zu zahlen in Höhe von 20.951,89 EUR an die W2xxxxxxxx und in Höhe von 5.395,08 EUR an die Klägerin, war die Klage mangels nicht geklärter Sachbefugnis abzuweisen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BGHZ 44, 382; BGH BB 1965, 688; VersR 1966, 364; OLG Köln RuS 1986, 193; OLG Rostock NZG 2001, 945), dass der Schuldner in zumutbarer Weise Gewissheit darüber erhalten muss, an wen er auf welcher Basis welchen Betrag zu leisten hat, wenn - wie vorliegend von der Klägerin selbst behauptet - die Schadensersatzforderungen nur teilweise auf den Versicherer nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangen sind. Darauf hat der Beklagte bereits im Schriftsatz vom 01.10.2003, S. 2, ausdrücklich hingewiesen, als er eine nähere Aufschlüsselung verlangte. Weder im Antwortschriftsatz vom 09.10.2003 noch in späteren Stellungnahmen ist die Klägerin auf diesen Einwand eingegangen, obwohl die Problematik in der ersten Berufungsverhandlung am 10.10.2003 diskutiert worden war. Aufgabe der Klägerin wäre es gewesen, beispielsweise anhand der im Revisionsbericht vorgenommenen Aufteilung nach Schäden bis Januar 2000 in Höhe von 18.546,00 DM, ab Mai 2000 in Höhe von 6.421,30 DM, für angebliche Waschmarkenverkäufe in Höhe von 16.311,90 DM sowie für Zeitschriften, Lebensmittel und sonstige Artikel in Höhe von 2.179,00 DM, 8.567,10 DM und 1.006,10 DM im einzelnen gegebenenfalls unter Einreichung der entsprechenden Versicherungsunterlagen darzulegen, auf welche Schadenspositionen die W2xxxxxxxx welche Leistungen erbracht hat. Nur dann wäre es für den Beklagten möglich gewesen, seine in der Sache differenzierenden Stellungnahmen zu den einzelnen Schadensforderungen dem jeweiligen Gläubiger zuzuordnen. Nimmt man beispielsweise den letzten Betrag in Höhe von 1.006,10 DM für "sonstige Artikel" und käme man hier zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten insoweit kein Fehlverhalten nachzuweisen ist, wäre es für das Gericht nach dem Klägervorbringen nicht feststellbar, ob der Betrag bei der Klägerin, bei der W2xxxxxxxx oder anteilig in Abzug zu bringen wäre, z.B. wegen eines Selbstbehalts oder einer Unterversicherung. Nach alledem war die Klage insoweit wegen der ungeklärten Sachbefugnis abzuweisen. B. Der Anspruch auf Zahlung weiterer 4.167,02 EUR für die Kosten des Revisionsberichtes steht der Klägerin schon dem Grunde nach nicht zu, so dass der Beweisfrage eines fehlenden Anspruchsübergangs (siehe Klägerschriftsatz vom 07.10.2003, S. 2 ff.) nicht nachzugehen war. So hat die Klägerin an keiner Stelle genau dargelegt, aus welchem Grunde es zur Wahrung der Objektivität der Heranziehung des Dipl.-Kfm. H5xxxxxx bedurfte, um die behaupteten Manipulationen aufzudecken und zu beziffern. Die Kammer hat sich gefragt, warum nicht z.B. ein mit der konkreten Materie vertrauter Leiter einer anderen Tankstelle der Beklagten dazu berufen war, die Ermittlungen (kostengünstiger) vorzunehmen. So war es doch auch der Zeuge M4xx, der die Missstände an der Autobahntankstelle L4xxxxxxxxx-S4x sachkompetent und gerichtsverwertbar aufgeklärt hat. Gesichtspunkte fehlender Objektivität sind insoweit nicht erkennbar. Im Übrigen fand die Kammer es bemerkenswert, dass die Klägerin mit Klageschriftsatz vom 24.05.2002 einen Revisionsbericht eingereicht hat, der inhaltlich nicht unerheblich abweicht von dem im Strafverfahren eingereichten Bericht (Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 08.07.2002, Bl. 60 ff. d.A.). In Letzterem wird nämlich als Prüfungsauftrag auch angegeben, "kurzfristig umsetzbare Vorschläge zur Absicherung des Abrechnungsverfahrens zu entwickeln". Es ist nicht ersichtlich, wieso die insoweit entstandenen Prüfkosten auch vom Beklagten zu tragen sind. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin auch im Einzelnen unter Zuordnung entsprechender Stunden darlegen müssen, für welche Arbeiten der Prüfer insgesamt 13 Tage benötigt hat und warum es deshalb angemessen war, pro Tag einen Vergütungssatz in Höhe von 950,00 DM in Ansatz zu bringen. Darauf hat auch schon das Arbeitsgericht unter III. der Gründe hingewiesen. Nach alldem war wie erkannt zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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