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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 13 (6) Ta 787/06
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG, KSchG
Vorschriften:
RVG § 23 | |
RVG § 33 | |
BetrVG § 111 | |
KSchG § 17 |
Tenor:
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 07.11.2006 - 1 BV 22/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 37.333,50 € festgesetzt.
Gründe:
A.
Im Ausgangsverfahren hat der für den Standort O1xxxxxxx gewählte Betriebsrat geltend gemacht, ein vom Gesamtbetriebsrat für die Standorte B3x B4xxxxxxx (73 Arbeitnehmer) und O1xxxxxxx (56 Arbeitnehmer) abgeschlossener Interessenausgleich und Sozialplan sei unwirksam, weil er, der Betriebsrat, für den Standort O1xxxxxxx allein regelungsbefugt gewesen sei (siehe z. B. Antragsschriftsatz vom 21.06.2006, Seite 4 unter 3.).
Nach einer außergerichtlichen Verständigung der Beteiligten wurde der Antrag zurückgenommen.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 07.11.2006 den Gegenstandswert auf 12.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit dem Begehren, den Gegenstandswert auf 300.000,00 € festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
B.
Die gemäß § 33 RVG zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Bei der Bemessung des Gegenstandswertes ist von § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG auszugehen. Danach ist der Gegenstandswert auf 4.000,00 €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000,00 € anzunehmen, sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (BAG NZA 2005, 70; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO § 8; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 169, 181, 266).
Hier liegt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, weil es dem Betriebsrat erkennbar in erster Linie um die Wahrung der von ihm reklamierten Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung gem. §§ 111f. BetrVG ging. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht (NZA 2005, 70) entschiedenen Fall zielte sein Begehren also nicht allein auf einen angemessenen finanziellen Ausgleich der mit der beabsichtigten Standortschließung verbundenen Nachteile; dies war "lediglich" der Auslöser dafür, von Arbeitgeberseite die Aufnahme von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen zu fordern.
Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 4.000,00 € stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die im Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Schneider, Anm. zu BAG EzA Nr. 36 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 132 b, 264).
Maßgeblich ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.
Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es vor allem auf die Bedeutung der Angelegenheit und daneben auf den Umfang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ankommt (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).
Mit der Bedeutung der Angelegenheit als Ausgangspunkt der Bewertung ist die Tragweite der gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen angesprochen, was ihnen selbst die Sache "wert" ist. Maßgeblich sind also nicht nur die unmittelbar mit dem Verfahren verfolgten Ziele, sondern auch die weiteren Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Stellung und das Ansehen der Beteiligten (BVerfG, a.a.O.).
Auch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit können bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen sein.
Allerdings müssen beide Gesichtspunkte in Relation zur Bedeutung der Sache gesehen werden. Entspricht also der anwaltliche Arbeitsaufwand von seinem Umfang und seiner Schwierigkeit her typischerweise der Bedeutung der Sache, bleibt es bei deren Bewertung; die Bedeutung ist also letztlich das ausschlaggebende Moment für die vorzunehmende Wertfestsetzung (BVerfG, a.a.O.; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).
Andererseits ist der im Beschlussverfahren zum Ausdruck kommenden Grundtendenz Rechnung zu tragen, wonach die dem Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, bei ihm nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 265; vgl. auch § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG und § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).
Damit steht wiederum die Sonderbestimmung des § 2 Abs. 2 GKG in Einklang, wonach in Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden.
Nach alldem ist also ein Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Arbeitgeber tragbare Gebühren ergibt (LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).
Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt es entscheidend auf das Interesse an, das im konkreten Beschlussverfahren durchgesetzt werden soll. Insoweit hält es die Kammer auch in Fällen wie hier, wo es zuvörderst darum ging, bei einer Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus das zuständige betriebsverfassungsrechtliche Gremium zu bestimmen, für sachgerecht, sich bei der Festsetzung des Gegenstandswertes an den Zahlenwerken des § 17 Abs. 1 KSchG zu orientieren, wie sie das Bundesarbeitsgericht im Rahmen des § 111 BetrVG zugrunde legt (erstmals BAG AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 12).
Demzufolge ist der Grundfall einer Entlassung von mindestens sechs Arbeitnehmern (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG) mit dem Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG in Höhe von 4.000,00 € zu bewerten (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern LAGE Nr. 47 zu § 8 BRAGO). Daran anknüpfend, ist zur Gewährleistung der erforderlichen Berechenbarkeit eine Bewertungsstaffel zugrunde zu legen, in deren Rahmen pro betroffenem Arbeitnehmer regelmäßig ein Teilwert von 666,67 € (4.000,00 € : 6) in Ansatz zu bringen ist (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 07.03.2005 - 13 TaBV 139/04; Beschluss vom 11.05.2005 - 10 TaBV 61/05).
Daraus ergibt sich bei insgesamt 56 Arbeitnehmern, für die der Betriebsrat seine Zuständigkeit reklamiert, für die ersten sechs Arbeitnehmer ein Wert von 4.000,00 € und für die weiteren 50 Arbeitnehmer jeweils 666,67 €, insgesamt also 37.333,50 €.
Ende der Entscheidung
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