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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.08.2004
Aktenzeichen: 13 (8) Sa 148/04
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, KSchG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 103
BetrVG § 103 Abs. 1
BetrVG § 24 Nr. 2
BetrVG § 26 Abs. 2 Satz 2
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 623
BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 9
KSchG § 10
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 02.12.2003 - 1 Ca 1190/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung; der Kläger begehrt hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Der am 28.12.1950 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, einem Betrieb mit rund 56 Beschäftigten, unter Berücksichtigung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 01.04.1973 als Elektrotechniker beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttoverdienst beläuft sich auf 3.400,00 EUR. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Anstellungsvertrag vom 21.05.2003 zugrunde, auf dessen Inhalt als Anlage zum Klägerschriftsatz vom 11.06.2003 Bezug genommen wird (Bl. 4 ff. d.A.).

Der Kläger ist der Vorsitzende des im Jahre 2002 gewählten fünfköpfigen Betriebsrates.

Er ist als Einkäufer der Beklagten unter anderem zuständig für die Bestellung von Verbrauchsgütern. Am 28.04.2003 bestellte er bei der Firma H5xxxxxx Aderendhülsen und Kabelbinder. Zum Lieferumfang gehörte - wie von der Firma H5xxxxxx im Rahmen einer Werbeaktion angepriesen - jeweils ein DVD-Player der Marke Yamakawa 215-5.1 im damaligen Neuwert von ca. 30,00 EUR bis 40,00 EUR. Auf dem Bestellformular (Bl. 47 d.A.), das vom Zeugen W3xxx freigegeben wurde, war die Farbe der Aderendhülsen angegeben, nicht jedoch diejenige der Kabelbinder, die der Kläger in der Farbe "natur" bestellte. Ein Hinweis auf die Lieferung von DVD-Playern befand sich dort nicht. Auf dem Bestellschein fertigte der Kläger unten rechts einen handschriftlichen Zusatz folgenden Inhalts:

"Versandadresse:

G2xxxx W4xxxxxx

W1xxxxxx-W2xxxxxxxxxxx GmbH

B2xxxxxxxxxxxxx D3xx 81

43xxx N1xxxxxxxxxx"

Die Lieferung erfolgte am 30.04.2003. Der Lieferschein vom 29.04.2003 (Bl. 48 d.A.) enthält unter anderem die Angabe über die Lieferung von zwei DVD-Playern. Der Kläger nahm einen Lieferschein zu seinen Unterlagen. Auf diesem Exemplar war die Zeile betreffend die Lieferung der beiden DVD-Player geschwärzt (Bl. 50 d.A.).

Am Mittwoch, den 28.05.2003, wurde der Kläger von der Beklagten im Beisein der Zeugen I1xxx, V2xxxxxxx, R2xxxxx und W3xxx nach dem Verbleib der DVD-Player befragt. Er erklärte, er habe sie mit nach Hause genommen. Die Beklagte fertigte sodann ein Schreiben an den Betriebsrat mit Datum vom 28.05.2003, das mit dem Worten "Wir bitten um Stellungnahme nach § 102 BetrVG" endete. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die mit Klägerschriftsatz vom 26.08.2003 eingereichte Kopie verwiesen (Bl. 44 f. d.A.).

In einer nachfolgenden Anhörung durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden A2xxx und das Betriebsratsmitglied M4xxxx gab der Kläger wiederum die Erklärung ab, er habe die DVD-Player mit nach Hause genommen. Die weiteren Einzelheiten der Äußerungen des Klägers gegenüber der Beklagten und dem Betriebsrat sind zwischen den Parteien streitig.

Noch am Abend des 28.05.2003 teilte der Kläger dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden A2xxx telefonisch mit, seine Erklärungen zum Verbleib der DVD-Player seien falsch gewesen. Einer der beiden Player sei ihm gestohlen worden, der zweite befände sich in einem einseitig verschlossenen Schiebetürenschrank in seinem Büro.

Auf Initiative der Betriebsratsmitglieder A2xxx und M4xxxx wurde ein Besichtigungstermin mit dem Zeugen W3xxx vereinbart. Am 30.05.2003 gegen 15.00 Uhr nahm man den einseitig verschlossenen, doppelflügigen Schiebetürenschrank im Büro des Klägers in Augenschein. Insoweit wird verwiesen auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 18.11.2003 eingereichten fotografischen Abbildungen (Bl. 160 ff. d.A.).

Am Montag, den 02.06.2003, bat der Kläger die Zeugen L1xxxxx und K2xxx in sein Büro, öffnete den Schiebetürenschrank und zeigte den Zeugen einen im oberen Regal rechts an der Schrankaußenwand hochkant stehenden DVD-Player-Karton.

Der nach der Wahl im Jahre 2002 gebildete fünfköpfige Betriebsrat der Beklagten setzte sich zusammen aus dem Kläger und den weiteren Mitgliedern A2xxx, M4xxxx, L1xxxxx und P2xxxxxxx. Am 07.05.2003 trat das Betriebsratsmitglied L1xxxxx zurück. Das zu dieser Zeit einzig noch zur Verfügung stehende Ersatzmitglied war der Zeuge L2xxxxx.

Am 02.06.2003 trat der Betriebsrat zusammen und beriet über den arbeitgeberseitigen Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Daran nahmen die Betriebsratsmitglieder A2xxx, M4xxxx und P2xxxxxxx teil, nicht aber der Zeuge L2xxxxx. Sodann teilten die drei Betriebsratsmitglieder mit einem von ihnen allen unterschriebenen schriftlichen Vermerk vom 02.06.2003 der Beklagten Folgendes mit:

"Die rechtliche Situation kann vom Betriebsrat nicht geklärt werden. Aus den vorliegenden Informationen und Aussagen stimmen wir sowohl einer fristlosen Kündigung als auch einer vorsorglich ordentlichen Kündigung zu."

Mit Schreiben vom 03.06.2003 - dem Kläger am selben Tag zugegangen - kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Insoweit wird verwiesen auf die mit Klageschriftsatz vom 11.06.2003 eingereichte Kopie (Bl. 10 d.A.). Gegen deren Rechtswirksamkeit richtete sich die am 12.06.2003 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage.

Der Kläger hat behauptet, er habe die Schwärzungen auf dem Lieferschein nicht vorgenommen. Es sei üblich, auf Bestellformularen auch die Versandadresse eines bestimmten Mitarbeiters anzugeben. Er könne nicht mehr sagen, ob er die Versandadresse auf dem Bestellformular vor oder nach Abzeichnung durch den Zeugen W3xxx aufgebracht habe. Die Preise der Firma H5xxxxxx seien trotz der Lieferung der DVD-Player sehr günstig gewesen. Auf einer vom Zeugen W3xxx abgezeichneten Rechnung der Firma H5xxxxxx, die ihm vorliege und der Beklagten als Grundlage zum Ausgleich des Rechnungsbetrages gedient habe, befinde sich - insoweit unstreitig - der Hinweis auf die Lieferung der DVD-Player (Bl. 64 d.A.).

Die DVD-Player, die er entgegengenommen habe, seien zunächst für etwa eine Woche unter seinem Schreibtisch stehen geblieben. Er habe sodann festgestellt, dass eines der Geräte verschwunden gewesen sei. Deshalb habe er das zweite Gerät in seinen Schrank eingeschlossen. Dort sei es verblieben. Es sei nicht möglich, in den Schrank, dessen rechte Schiebetür verschlossen gewesen sei, so Einblick zu nehmen, dass die Seitenwand und die Halterungslöcher für die Schrankböden sichtbar seien, wozu er ergänzend Beweis antrete durch richterliche Augenscheinseinnahme. Die Sicht sei im Übrigen mit Aktenordnern verstellt gewesen.

Er habe als Betriebsratsvorsitzender den Sachverhalt bezüglich des abhanden gekommenen DVD-Players aufklären und keinen weiteren Mitarbeiter belasten wollen. Deshalb habe er sich zunächst in die Ausrede geflüchtet, die Geräte mit nach Hause genommen zu haben. Er habe nicht erklärt, sie entwendet und Schwärzungen vorgenommen zu haben. Er habe die DVD-Player am Ende des Jahres in die alljährliche Tombola geben wollen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei bereits aus formalen Gründen unwirksam. Hinsichtlich der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei zu bemerken, dass er bereits am 26.05.2003 einen Anruf vom Zeugen V2xxxxxxx erhalten habe. Er sei trotz seines Urlaubs aufgefordert worden, am 28.05.2003 zu einer Besprechung zu erscheinen. Es sei deshalb nicht erklärlich, wie die Beklagte behaupten könne, sie habe die Werbeanzeige der Firma H5xxxxxx erst am 26.05.2003 entdeckt. Eine ordnungsgemäße Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung liege nicht vor. Der Restbetriebsrat sei mit Schreiben vom 28.05.2003 ausdrücklich "nur" zur Abgabe einer Stellungnahme nach § 102 BetrVG gebeten worden, nicht aber zur Erteilung seiner Zustimmung nach § 103 BetrVG. Dem Betriebsrat sei nicht bewusst gewesen, dass von ihm eine Zustimmung nach § 103 BetrVG abgegeben werden sollte. Die Beklagte habe Kenntnis davon gehabt, dass nur drei Betriebsratsmitglieder getagt hätten, ohne dass das Ersatzmitglied L2xxxxx zur Betriebsratssitzung am 02.06.2003 eingeladen gewesen wäre.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.06.2003 aufgelöst worden ist,

das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2004 aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung, mindestens 51.000,00 EUR, zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe auf dem Bestellformular vom 28.04.2003 die Farbbezeichnung der Kabelbinder bewusst weggelassen. Sie benötige keine Kabelbinder in der Farbe natur, wie sie der Kläger unstreitig bestellt habe. Außerdem seien die georderten Produkte überteuert. Die auf dem Kläger bezogene Versandadresse sei auf dem Bestellschein vom 28.04.2003 im Zeitpunkt der Abzeichnung durch den Zeuge W3xxx nicht enthalten gewesen. Aufgrund der Versandadresse habe die Lieferung am Wareneingang vorbei direkt an den Kläger gelangen können.

Während des Gesprächs am 28.05.2003 habe dieser auf die Frage, wo sich die beiden DVD-Player befinden würden, zunächst ausweichend geantwortet und schließlich eingeräumt, sie entwendet und zur privaten Nutzung mit nach Hause genommen zu haben. Außerdem habe er bestätigt, die Schwärzungen auf dem Lieferschein selbst vorgenommen zu haben. Sofern der Kläger nun behaupte, er habe die Erklärungen deshalb abgegeben, weil er nicht den Verdacht hinsichtlich des Verlustes eines DVD-Players auf einen anderen Mitarbeiter habe lenken wollen, handele es sich um eine Schutzbehauptung. So sei nicht erkennbar, warum eine solche Erklärung auch gegenüber dem Betriebsrat während der Anhörung am 28.05.2003 nicht abgegeben worden sei.

Am Freitag, den 30.05.2003, habe der Zeuge M4xxx den Zeugen W3xxx telefonisch über die Korrektur der Aussage des Klägers gegenüber dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden A2xxx informiert. Sodann hätten die Zeugen W3xxx, A2xxx und M4xxxx am 30.05.2003 gegen 15.00 Uhr das Büro des Klägers aufgesucht und dort in den nur einseitig verschlossenen Schiebetürenschrank Einblick genommen. Durch einen Spalt hätten die Zeugen in den Schrank hineinsehen können. Ein DVD-Player hätte sich dort nicht befunden.

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten. Der Kläger sei vom 26.05. bis 28.05.2003 im Urlaub gewesen. Am 26.05.2003 habe der Zeuge V2xxxxxxx die Einkaufsakte des Klägers, in der dieser u.a. die Bestellvorgänge im Zusammenhang mit der Lieferung der Kabelbinder und Aderendhülsen aufbewahrt habe, eingesehen. Dem Zeugen sei aufgefallen, dass auf dem Bestellformular die Versandadresse mit dem Namen des Klägers handschriftlich nachgetragen worden sei. Außerdem habe er die Schwärzungen auf dem Lieferschein bemerkt. Angesichts der zuvor zur Kenntnis genommenen Werbeaktion der Firma H5xxxxxx über den Bezug der DVD-Player habe der Zeuge gemutmaßt, es handele sich bei den Schwärzungen um den Bereich des Lieferscheins, der die DVD-Player betroffen habe. Erst durch die Erklärung des Klägers am 28.05.2003 habe sie, die Beklagte, anschließend Kenntnis genommen, dass dieser die DVD-Player entwendet habe. Sodann habe sie am 02.06.2003 die außerordentliche Kündigung als Tat- und Verdachtskündigung ausgesprochen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei nach § 103 BetrVG ordnungsgemäß beteiligt worden. Eine rechtswirksame Zustimmung liege vor. Dazu behauptet sie, am Morgen des 02.06.2003 habe zunächst eine weitere Besprechung über den Vorgang stattgefunden, an dem auch der Kläger beteiligt gewesen sei. An dieser Sitzung hätten die verbliebenen drei Betriebsratsmitglieder teilgenommen. Der Zeuge V2xxxxxxx habe deutlich gemacht, dass der Betriebsrat um Erteilung der Zustimmung zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ersucht werde. Während der nachfolgenden Betriebsratssitzung seien die Zeugen R2xxxxx und V2xxxxxxx mehrfach vom Betriebsrat hinzugebeten worden. Beide Zeugen hätten den Betriebsrat darauf aufmerksam gemacht, es werde um Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung gebeten. Der Betriebsrat habe im Übrigen bei der örtlichen IG Metall-Geschäftsstelle Erkundigungen eingeholt. Es sei ihm klar gewesen, dass es um die Erteilung der Zustimmung gegangen sei, die er dann durch seinen schriftlichen Vermerk vom 02.06.2003 auch erteilt habe.

Den Zeugen L2xxxxx habe der Betriebsrat nicht zur Sitzung am 02.06.2003 einladen müssen. Am 13.05.2003 habe der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende A2xxx dem Zeugen L2xxxx mitgeteilt, das Betriebsratsmitglied L1xxxxx sei aus dem Betriebsrat ausgeschieden. Der Zeuge L2xxxxx habe daraufhin seine Mitwirkung im Betriebsrat gegenüber dem Zeugen A2xxx endgültig und nachhaltig abgelehnt. Diese Erklärung habe angesichts einer - unstreitig vom 12. bis 14.05.2003 bestehenden - Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 13.05.2003 dem Zeugen A2xxx als stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zugehen müssen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L2xxxxx, A2xxx, V2-xxxxxxx, W3xxx, M4xxxx und I1xxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 02.12.2003, S. 3 ff. (Bl. 178 ff.).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.12.2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger durch den Bruch des Gewahrsams der Beklagten an den beiden DVD-Playern zu Lasten seines Arbeitgebers Eigentumsdelikte begangen habe. Dies habe er selbst am 28.05.2003 eingeräumt, als er zugestanden habe, die beiden Geräte mit nach Hause genommen zu haben. Seine weiteren Erklärungen stellten sich als durch die Beweisaufnahme entkräftete Schutzbehauptungen dar. So stehe nach den Aussagen namentlich der Zeugen W3xxx und M4xxxx fest, dass sich am 30.05.2003 in dem einseitig verschlossenen Schrank kein noch eingepackter DVD-Player befunden habe. Die danach gegebene schwerwiegende Vertragsverletzung mit dem einhergehenden erheblichen Vertrauensverlust rechtfertige die außerordentliche Kündigung.

Selbst sofern die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB bereits mit dem 23.05.2003 zu laufen begonnen habe, sei sie gewahrt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe auch fest, dass der Betriebsrat um Erteilung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gebeten worden sei. Dies hätten die Zeugen M4xxxx und A2xxx glaubhaft bekundet, und es ergebe sich auch aus der schriftlichen Stellungnahme des Betriebsrates.

Der der Zustimmung zugrunde liegende Betriebsratsbeschluss, gefasst durch die drei Mitglieder A2xxx, M4xxxx und P2xxxxxxx, sei wirksam zustande gekommen. Neben dem im Rechtssinne verhinderten Kläger habe auch der für das zurückgetretene Betriebsratsmitglied L1xxxxx nachgerückte Zeuge L2xxxxx nicht teilnehmen dürfen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Zeuge L2xxxxx am 13.05.2003 gegenüber dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden A2xxx wirksam sein Amt niedergelegt habe.

Gegen dieses dem Kläger am 31.12.2003 zugestellte Urteil hat er am 22.01.2004 Berufung eingelegt und diese am 18.02.2004 begründet.

Er rügt nun erstmals, dass das Kündigungsschreiben nicht von der alleinigen Geschäftsführerin der Beklagten, I1xxx-H4xx, sondern von ihrem Vater, dem Zeugen I1xxx, unterschrieben worden sei. Zur Begründung beruft er sich auf den Vergleich mit einer ihm erst nach dem erstinstanzlichen Urteil zugegangenen Unterschriftenprobe aus einem notariellen Vertrag (Bl. 277 d.A.).

Im Übrigen liege auch keine wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. So habe es das Arbeitsgericht unterlassen, den Wert der beiden DVD-Player zu ermitteln. Diese seien als Werbegaben kostenlos beigefügt gewesen, und es habe für sie im Betrieb keine Verwendung gegeben.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei auch nicht gebührend berücksichtigt worden, dass er, der Kläger, sich während der langen Betriebszugehörigkeit stets untadelig geführt habe.

Der Betriebsratsbeschluss betreffend die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung sei unwirksam, weil der Zeuge L2xxxxx hätte mitwirken müssen. Er habe sein Amt nicht niedergelegt; davon abgesehen sei die Erklärung nicht gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden abgegeben worden.

Schließlich sei dem Beweisantrag (richterliche Augenscheinseinnahme) nicht nachgegangen worden; die Zeugen W3xxx und M4xxxx hätten am 30.05.2003 die Seitenwand und insbesondere die Halterungslöcher nicht sehen können.

U.a. aufgrund der mehr als negativen Einstellung der vorgesetzten Mitarbeiter und teilweise auch der Arbeitskollegen sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 02.12.2003 - 1 Ca 1190/03 - abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.06.2003 aufgelöst worden ist,

2. das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG mit Ablauf des 30.08.2004 gegen Zahlung einer vom Gericht festzusetzenden Abfindung von mindestens 51.000,00 EUR aufzulösen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, das Kündigungsschreiben sei - ebenso wie der Anstellungsvertrag vom 21.05.2003 und das Schreiben an den Betriebsrat vom 28.05.2003 - von der alleinigen Geschäftsführerin I1xxx-H4xx unterschrieben worden. Im Übrigen sei der diesbezügliche Vortrag verspätet.

Da der Kläger für seine Behauptung, die Seitenwand und die Halterungslöcher seien in der konkreten Situation nicht sichtbar gewesen, keine tatsächlichen Anhaltspunkte angegeben habe, handele es sich um einen unbeachtlichen Beweisermittlungsantrag.

Was die Interessenabwägung angehe, habe der Kläger durch die Wegnahme der DVD-Player seine Stellung als Einkäufer im Betrieb missbraucht und damit das arbeitgeberseitige Vertrauen in seine Redlichkeit unwiederbringlich zerstört.

Der Zeuge L2xxxxx habe unmissverständlich ausgesagt, er habe gegenüber dem zuständigen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden A2xxx am 13.05.2003 darauf hingewiesen, nichts mit dem Betriebsrat zu tun haben zu wollen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I1xxx. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Seiten 3 f. der Sitzungsniederschrift vom 30.08.2004 (Bl. 389 f. d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die (noch) streitbefangene außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.06.2003 ist nämlich rechtswirksam.

A.

Die Schriftform des § 623 BGB wurde gewahrt. Denn die erstmals in der zweiten Instanz erhobene Rüge, das Kündigungsschreiben sei nicht von der alleinigen Geschäftsführerin der Beklagten, I1xxx-H4xx, sondern von ihrem Vater, dem Zeugen I1xxx, unterschrieben worden - eine Genehmigung wäre dann wegen der Ausschlussfrist des § 626 BGB nicht mehr möglich (vgl. BAG AP BGB § 180 Nr. 2) - ist unzutreffend.

I.

Das Vorbringen war noch zuzulassen, weil der Kläger - insoweit unwidersprochen - vorgebracht hat, er habe im ersten Rechtszug noch keinen Zugang zu der Vergleichsunterschrift gehabt.

II.

Nach Befragung der Geschäftsführerin der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung am 30.08.2004 unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Aussage des Zeugen I1xxx sowie mehrerer sich bei der Akte befindlicher Schriftstücke ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Unterschrift unter dem Kündigungsschreiben von der Geschäftsführerin der Beklagten stammt.

Allerdings unterscheidet sich die Unterschrift in dem vom Kläger auszugsweise eingereichten notariellen Vertrag vom Schriftbild her nicht unerheblich von der Unterschrift unter dem Kündigungsschreiben, auch wenn ein Mal mit vollem Namen und das andere Mal nur mit dem Nachnamen unterschrieben wurde. Insoweit hat aber die Geschäftsführerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, dass sie an allen Fingern eine Sehnenverkürzung hat und deshalb unterschiedliche Schriftbilder entstehen können. Des Weiteren kommt hinzu, dass die Unterschriften unter dem Anstellungsvertrag vom 21.05.2003, dem Anhörungsschreiben an dem Betriebsrat vom 28.05.2003, dem Ergebnisprotokoll der Managementsitzung vom 10.05.2003 sowie der Terminsvollmacht vom 17.06.2004 sehr deutliche Parallelen mit der Unterschrift unter dem Kündigungsschreiben vom 03.06.2003 aufweisen. In dem Zusammenhang hatte der Zeuge I1xxx bereits vor dem Arbeitsgericht am 02.12.2003 ausgesagt, die Unterschrift unter dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat stamme von seiner Tochter, der Geschäftsführerin. Zweitinstanzlich hat er dann sehr glaubhaft bekundet, (auch) das Kündigungsschreiben habe seine Tochter und nicht er unterschrieben, worauf auch das Zeichen "AI" sowie die Angabe der Geschäftsführerin als "Ansprechpartner" im Kündigungsschreiben hindeuten. Bestätigt werden die Zeugenangaben durch die sehr deutlichen Unterschiede im Unterschriftenbild des Ergebnisprotokolls vom 10.05.2003 bei "I1xxx-H4xx" und "I1xxx".

Nach alledem hat die Kammer keinerlei Zweifel mehr, dass die Unterschrift im Kündigungsschreiben vom 03.06.2003 von der dazu berufenen alleinigen Geschäftsführerin stammt, so dass es der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mehr bedurfte.

B.

Entgegen der Ansicht des Klägers war der Betriebsrat auch ordnungsgemäß besetzt, als er am 02.06.2003 unter Mitwirkung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden A2xxx und der Betriebsratsmitglieder M4xxxx und P2xxxxxxx die nach § 103 Abs. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung erteilte.

I.

Wegen seiner unmittelbaren Betroffenheit war der Kläger selbst zeitweilig verhindert (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) und deshalb zur Sitzung nicht zu laden.

II.

Auch der Arbeitnehmer L2xxxxx hatte an der Sitzung nicht (mehr) teilzunehmen, weil er knapp drei Wochen zuvor am 13.05.2003 gegenüber dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden A2xxx wirksam sein gerade erst erworbenes Betriebsratsamt mit sofortiger Wirkung niedergelegt hatte.

1. Das vormalige Ersatzmitglied L2xxxxx trat am 07.05.2003 ohne weiteres an die Stelle des ausgeschiedenen Betriebsratsmitgliedes L1xxxxx (vgl. Fitting, 22. Aufl., § 25 Rdn. 14).

2. Das erworbene Betriebsratsamt L2xxxxx hat er am 13.05.2003 im Sinne des § 24 Nr. 2 BetrVG wirksam niedergelegt.

Es entspricht allgemeiner Meinung (z.B. DKK/Buschmann, 9. Aufl., § 24 Rdn. 7; ErfK/Eisemann, 4. Aufl., § 24 Rdn. 3; Fitting, a.a.O., § 24 Rdn. 10; GK/Oetker, 7. Aufl., § 24 Rdn. 10; Richardi/Thüsing, 9. Aufl., § 24 Rdn. 8), dass die Amtsniederlegung formlos durch eine hinreichend bestimmte empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Betriebsrat erfolgen kann, wobei der Betriebsratsvorsitzende bzw. sein Stellvertreter (§ 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) empfangszuständig sind.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Am 13.05.2003 war der Betriebsratsvorsitzende, wie die Beklagte am 02.12.2003 vor dem Arbeitsgericht unwidersprochen zu Protokoll erklärt hat, arbeitsunfähig erkrankt. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte führte dies, der Regel entsprechend, auch zu seiner Amtsunfähigkeit und damit zur Verhinderung im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 2; AP KSchG 1969 § 15 Nr. 26; Fitting, a.a.O., § 26 Rdn. 39; § 25 Rdn. 17; GK/Oetker, a.a.O., § 26 Rdn. 64; § 25 Rdn. 18). Folglich war der stellvertretende Vorsitzende A2xxx an diesem Tage befugt, für den Betriebsrat Erklärungen seines Mitgliedes L2xxxxx entgegenzunehmen.

b) Dieser hat am 13.05.2003 sein Amt wirksam niedergelegt. Das ergibt sich aus der erstinstanzlich durchgeführten Vernehmung der beiden Zeugen L2xxxxx und A2xxx. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden auf die überzeugenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil auf S. 12, denen sich die erkennende Kammer anschließt (vgl. § 69 Abs. 2 ArbGG). Wenn der Zeuge L2xxxxx es abgelehnt hat, das Amt wahrzunehmen, und der Zeuge A2xxx als Empfänger dies "eindeutig" dahingehend verstanden hat, er, L2xxxxx, wolle mit der ganzen Sache nichts mehr zutun haben, kann dies aus der maßgeblichen Sicht eines unbefangenen Dritten in der konkreten Situation nur als Niederlegung des Amtes verstanden werden.

Nach alledem hat der Betriebsrat am 02.06.2003 ordnungsgemäß mit (noch) drei Mitgliedern den Beschluss gefasst, der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers zuzustimmen, was im Übrigen zweitinstanzlich auch nicht mehr gerügt wird.

C.

Das Verhalten des Klägers stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt Urteil vom 11.12.2003 - 2 AZR 36/03 - NZA 2004, 486 m.w.N.) rechtfertigen vollendete oder auch nur versuchte Eigentumsdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung. Denn der Arbeitnehmer bricht durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Dies gilt namentlich auch beim Diebstahl bzw. der Unterschlagung geringwertiger Sachen. Erst die auf einer zweiten Stufe vorzunehmende Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist, kann unter Umständen trotzdem zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier dazu, dass dem Kläger zu Recht am 03.06.2003 das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt worden ist.

In dem Zusammenhang folgt die Kammer zunächst der sehr sorgfältig begründeten und zutreffenden Entscheidung des Arbeitsgerichts unter I. 1. der Gründe. Insoweit kann darauf zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen werden.

Die Ausführungen in der Berufungsbegründung geben zu folgenden Ergänzungen Anlass:

Dem Beweisantrag des Klägers, den teilweise verschlossen gewesenen Schrank in Augenschein zu nehmen, um festzustellen, dass die rechte Seitenwand und insbesondere die Halterungslöcher entgegen den Angaben der Zeugen W3xxx und M4xxxx nicht zu sehen waren, war nicht nachzugehen. Denn der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung am 30.08.2004 - teilweise entgegen früheren Ausführungen - zu Protokoll erklärt, die Zeugen könnten die Seitenwände gesehen haben, wenn davor kein DVD-Karton gestanden hätte. Insofern steht seine Angabe im Einklang mit den entsprechenden Aussagen der Zeugen W3xxx und M4xxxx.

Zugleich hat der Kläger erklärt, man hätte selbst bei versetzt davor gestandenen Ordnern den DVD-Karton sehen müssen. Nach alledem ist nicht ersichtlich, warum noch eine Inaugenscheinnahme erfolgen sollte, wo es doch entscheidend darum geht, ob sich der DVD-Karton am 30.05.2003 in dem verschlossenen Teil des Schrankes befand. Insoweit hätten die Zeugen - losgelöst von der Beschaffenheit der rechten Seitenwand - nach den eigenen Ausführungen des Klägers über die Aktenordner hinweg den Karton sehen müssen, was sie tatsächlich aber verneint haben.

Vor dem Hintergrund bleibt festzuhalten, dass der Kläger entsprechend seinen ersten Angaben gegenüber den Vertretern der Beklagten und auch gegenüber dem Zeugen A2xxx am 28.05.2003 - zumindest einen - DVD-Player im Wert von ca. 30,00 EUR bis ca. 40,00 EUR mit nach Hause genommen und damit das Eigentum seines Arbeitgebers an diesem Gerät rechtswidrig und schuldhaft verletzt hat; denn nur die Beklagte war befugt, über das von der Firma H5xxxxxx überlassene Werbegeschenk zu verfügen, z.B. durch Verwendung bei der alljährlichen Tombola.

Der danach grundsätzlich gegebene Grund für eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt vorliegend auch unter Berücksichtigung der gebotenen Interessenabwägung die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Zwar wies der verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 03.06.2003 eine mehr als 30jährige Betriebszugehörigkeit auf. Trotz dieser Gesichtspunkte spricht entscheidend gegen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, dass der Kläger hier in seiner Funktion als Einkäufer, dem arbeitgeberseits ein erhöhtes Vertrauen entgegengebracht wird, das Eigentumsdelikt innerhalb seines konkreten Aufgabenbereichs bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübt hat (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 51/02 - NZA 2003, 1193, 1194 m.w.N.). Dies führte - trotz des relativ bescheidenen Schadens - zu einem irreparablen Verlust der Vertrauenswürdigkeit des Klägers und gab deshalb der Beklagten das Recht, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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