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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 1100/07
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 25 | |
BetrVG § 33 | |
BetrVG § 37 Abs. 2 | |
BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 24.04.2007 - 2 Ca 335/07 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Zahlung der Arbeitsvergütung für die Zeit der Teilnahme an einer eintägigen Schulungsveranstaltung.
Der 60-jährige Kläger ist bei der Beklagten seit Anfang 1978 als technischer Angestellter in der Arbeitsvorbereitung tätig. Er gehört seit dem Jahre 1987 dem neunköpfigen Betriebsrat an, dessen freigestellter Betriebsratsvorsitzender er zwischenzeitlich auch war. Im Oktober 2006 wurde er ebenfalls in die fünfköpfige betriebliche Tarifkommission gewählt, zu deren Bildung es kam, nachdem die Beklagte am 29.08.2006 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten war.
Am Montag, den 13.11.2006, fand eine Betriebsratssitzung statt, an der acht Betriebsratsmitglieder teilnahmen. Ein Telefonat zu Beginn der Sitzung ergab, dass für das neunte Betriebsratsmitglied K4 am Freitag zuvor bestimmt worden war, er solle am folgenden Montag Überstunden abbauen.
Man kam zu dem Ergebnis, die Sitzung trotzdem durchzuführen und fasste mit den acht anwesenden Betriebsratsmitgliedern unter anderem einstimmig den Beschluss, die fünf Betriebsratsmitglieder, die auch der Tarifkommission angehören, am 28.11.2006 zu einem Tagesseminar mit dem Thema "Betriebsrat und Tarifvertrag" zu entsenden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Schulungsveranstaltung wird verwiesen auf den mit Klageschriftsatz vom 08.02.2007 eingereichten Themenkatalog (Bl. 7 d.A.) sowie auf die mit klägerischem Schriftsatz vom 28.03.2007 zur Gerichtsakte gereichte neunseitige Tischvorlage (Bl. 35 ff. d. A.).
Entsprechend einer schriftlichen Mitteilung vom 20.11.2006 zahlte die Beklagte nach dem Besuch der Veranstaltung an drei Betriebsratsmitglieder das Arbeitsentgelt, nicht aber an die beiden anderen, darunter der Kläger.
Daraufhin hat dieser mit der vorliegenden Klage die Arbeitsvergütung für den 28.11.2006 in unstreitiger Höhe von 203,06 € brutto geltend gemacht.
Er hat die Auffassung vertreten, er habe an einer erforderlichen Schulungsveranstaltung teilgenommen, weil das Seminar Kenntnisse vermittelt habe, die für die Arbeit in der betrieblichen Tarifkommission notwendig gewesen seien. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, sich bei anderen Betriebsratsmitgliedern oder aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 203,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat das ordnungsgemäße Zustandekommen des Entsendungsbeschlusses des Betriebsrates bestritten. Auch hat sie die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme des Klägers in Frage gestellt, weil es um die Vermittlung von Wissen in Zusammenhang mit den Aufgaben in der Tarifkommission, nicht aber im Betriebsrat gegangen sei. Es entspreche auch nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass fünf Betriebsratsmitglieder an der Veranstaltung teilgenommen hätten.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.04.2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es habe kein konkreter, aktueller Anlass für den Kläger in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied bestanden, an dem streitigen Tagesseminar teilzunehmen.
Gegen dieses dem Kläger am 04.06.2007 zugestellte Urteil hat er am 28.06.2007 die zugelassene Berufung eingelegt und sie am 02.08.2007 begründet.
Es ist der Meinung, die Teilnahme an der Schulung sei erforderlich gewesen. Denn nach dem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband hätte der Betriebsrat über die Fortgeltung von Tarifverträgen informiert werden müssen - gerade auch im Hinblick auf die besondere Bedeutung für die Mitbestimmungsrechte. Ebenso habe sich die Notwendigkeit einer besonderen Überwachung der Arbeitsverträge ergeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 24.04.2007 - 2 Ca 335/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 203,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kläger tausche seinen erstinstanzlichen Vortrag unzulässig aus.
Auch bleibe die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten; so habe die Möglichkeit bestanden, ein Ersatzmitglied zu laden.
Das Tagesseminar sei nicht erforderlich gewesen, weil in ihm nur allgemeine gewerkschaftliche Fragen Gegenstand der Erörterungen gewesen sei.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 37 Abs. 6 S. 1, Abs. 2 BetrVG ableitbaren Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung für den 28.11.2006.
Er hat nämlich schon nicht dargelegt, dass seiner Teilnahme an der eintägigen Schulung zum Thema "Betriebsrat und Tarifvertrag" ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats zugrunde lag.
Nach § 37 Abs. 6 S. 1 i. V. m. § 37 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat das Alleinentscheidungsrecht über die Erforderlichkeit der Teilnahme eines seiner Mitglieder an einer bestimmten Schulungsveranstaltung, ohne dass sich das Arbeitsentgelt des Betroffenen mindert. Das gebietet eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Gremiums vor dem Besuch der Veranstaltung (BAG, Beschl. v. 07.06.1989 - 7 ABR 26/88 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; Beschl. v. 08.03.2000 - 7 ABR 11/98 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 68; LAG Hamm, Beschl. v. 10.03.2006 - 10 TaBV 154/05).
Diese Voraussetzungen hat der Kläger trotz der substanziierten Einwände der Beklagten namentlich unter Ziffer 3 des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 27.08.2007 nicht dargelegt. Unstreitig haben an der einschlägigen Betriebsratssitzung am 13.11.2006 "nur" acht statt der gesetzlich vorgesehenen neun Betriebsratsmitglieder teilgenommen. Es finden sich keine Ausführungen dazu, warum man für das kurzfristig wegen des Abbaus von Überstunden verhinderte Betriebsratsmitglied K4 am Morgen des 13.11.2006 zu der insgesamt 1 3/4 Stunden dauernden Betriebsratssitzung kein Ersatzmitglied gemäß § 25 BetrVG mehr laden konnte, um das gesetzgeberische Ziel zu erreichen, möglichst alle Beschlüsse in der nach § 9 BetrVG vorgesehenen Besetzung zu fassen, hier also mit neun Betriebsratsmitgliedern. Dies hat nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschl. v. 19.08.1992 - 7 ABR 58/91 - AP BetrVG 1972 § 76a Nr. 3; Urt. v. 23.08.1984 - 2 AZR 391/83 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 17; zustimmend z. B. Fitting, 23. Aufl., § 29 Rdnr. 45) zur Folge, dass der Betriebsrat an diesem Vormittag gehindert war, einen wirksamen Beschluss zur Teilnahme des Klägers an der erst 14 Tage später vorgesehenen Schulungsveranstaltung zu fassen.
Schon deshalb kann dieser die begehrte Vergütung nicht verlangen.
So kann offen bleiben, ob das auf der eintägigen Schulungsveranstaltung vermittelte Wissen tatsächlich für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit des Klägers (noch) erforderlich war, wenn man berücksichtigt, dass er dem Betriebsrat im Entscheidungszeitpunkt bereits rund 19 Jahre angehörte und teilweise freigestellter Betriebsratsvorsitzender war und auf diese Art und Weise schon Kenntnisse über die Bedeutung von Tarifverträgen für die Tätigkeit des Betriebsrates gesammelt haben muss.
Bemerkenswert ist auch, dass der Kläger bei seiner erstinstanzlichen Argumentation zur Erforderlichkeit maßgeblich auf die für ihn neue Funktion als Mitglied der kurz zuvor gewählten 5-köpfigen betrieblichen Tarifkommission und nicht auf § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG abgestellt hat. Dazu passt, dass just die fünf Personen der Tarifkommission an der Schulung teilgenommen haben und kein anderes Mitglied des Betriebsrates.
Letztlich fragt sich auch und ist von der Klägersseite nicht überzeugend dargelegt worden, warum an der Tagesveranstaltung fünf Betriebsratsmitglieder teilnehmen mussten und es nicht ausreichend war, drei Mitglieder zu entsenden, die unter Benutzung der überlassenen Tagungsunterlagen den anderen Betriebsratsmitgliedern über die vermittelten Kenntnisse hätten berichten können.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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