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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.05.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 1117/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 104
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 07.06.2006 - 2 Ca 187/06 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit zweier Ermahnungen und dreier Abmahnungen.

Der am 17.08.1957 geborene Kläger, ein ausgebildeter Schlosser, ist seit dem 03.07.1978 bei der Beklagten, die Entsorgungsfahrzeuge produziert, beschäftigt. Zugleich fungiert er als Vorsitzender des siebenköpfigen Betriebsrats.

Zwischen den Parteien besteht Streit über den erforderlichen Umfang der vom Kläger zu leistenden Betriebsratstätigkeit. Weil die Beklagte deshalb seit Mai 2004 pauschal 20 % von der monatlichen Vergütung des Klägers abgezogen hatte, führten die Parteien einen Rechtsstreit, der am 20.05.2005 im Berufungsverfahren vor dem LAG Hamm (Az: 10 Sa 41/05) mit folgendem Vergleich beigelegt wurde:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger als Betriebsratsvorsitzender im Umfang von 115 Stunden monatlich durchschnittlich pro Jahr wegen Betriebsratstätigkeit von seiner Arbeitsleistung freigestellt wird.

2. Die Beklagte zahlt die ab Mai 2004 einbehaltenen Lohndifferenzen in Höhe von jeweils 20 % an den Kläger nach.

3. Der Kläger und die Beklagte sind sich darüber einig, dass vorerst auf die tägliche An- und Abmeldeverpflichtung des Klägers wegen Betriebsratstätigkeit verzichtet wird.

Daraufhin teilte der Kläger der Beklagten am 24.05.2005 mit, dass unter Berücksichtigung weiterer Freistellungstatbestände, namentlich Erholungsurlaub, Arbeitnehmerweiterbildung, ehrenamtliche Tätigkeiten als Richter beim Arbeitsgericht Detmold und für die IG Metall, sein monatlich als Arbeitnehmer geschuldetes Stundenkontingent in vollem Umfang ausgeschöpft werde.

Unter dem 17.11.2005 erhielt der Kläger eine erste zu seiner Personalakte genommene Ermahnung. Darin wird ihm vorgehalten, entgegen dem ihm übergebenen Einsatzplan an insgesamt 6 Tagen im Oktober 2005 seine Arbeitsleistung unentschuldigt nicht erbracht zu haben. Eine zweite Ermahnung wurde ihm unter dem 15.12.2005 erteilt mit dem Inhalt, im November 2005 ebenfalls an 6 Tagen unentschuldigt gefehlt zu haben.

Unter dem 16.01.2006 mahnte die Beklagte ihn dann ab mit Hinweis darauf, dass er auch im Dezember 2005 an 6 Tagen nicht gearbeitet habe.

Zwei weitere Abmahnungen wurden unter dem 20.02. und 21.04.2006 ausgesprochen mit den Vorhaltungen, im Januar 2006 an 6 und im März 2006 an 2 Tagen unentschuldigt gefehlt zu haben.

In allen fünf erwähnten Schreiben weißt die Beklagte daraufhin, dass der Kläger, sollte er an den im Einsatzplan vorgesehenen Tagen wegen der Ausführung von Betriebsratstätigkeiten nicht arbeiten können, dies der Geschäftsleitung bis spätestens 4 Tage vor seinem Einsatz mitzuteilen habe - um gleichzeitig einen Termin abzusprechen, an dem die geschuldete Arbeitsleistung nachgeholt werde.

Wegen des weiteren Inhalts der erwähnten Schreiben wird verwiesen aus die mit den klägerischen Schriftsätzen vom 13. und 23.02.2006 (Bl. 10-15 u. 22-24 d.A.) und mit Beklagtenschriftsatz vom 30.11.2006 (Bl. 242 f. d. A.) eingereichten Kopien. Weiterhin wird Bezug genommen auf die Gegendarstellungen des Klägers gemäß den Schreiben vom 20.02. sowie 21. und 23.04.2006 als Anlagen zu den klägerischen Schriftsätzen vom 23.02.2006 (Bl. 25 ff. d. A.) und dem Sitzungsprotokoll vom 25.05.2007 (Bl. 288 ff. d. A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf den im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Stundenansatz könnten andere Freistellungstatbestände nicht angerechnet werden. Deshalb sei er in den hier streitbefangenen Monaten nicht in dem verlangten Umfang zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Davon abgesehen seien betriebsverfassungswidrig für ihn nicht vom Direktionsrecht abgedeckte Personaleinsatzpläne aufgestellt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, folgende Schreiben aus der Personalakte des Klägers zu entfernen:

1. Ermahnung vom 17.11.2005;

2. Ermahnung vom 15.12.2005,

3. Abmahnung vom 16.01.2006;

4. Abmahnschreiben vom 20.02.2006;

5. Gegendarstellung des Klägers vom 20.02.2006;

6. Abmahnschreiben vom 21.04.2006;

7. Gegendarstellung des Klägers vom 21.04.2006 und 23.04.2006 (Ergänzung)

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger in den Monaten Oktober 2005 bis Januar 2006 und März 2006 aufgrund der für ihn kraft Direktionsrecht aufgestellten Einsatzpläne zur Arbeit verpflichtet gewesen sei. Im gerichtlichen Vergleich seien "lediglich" 115 Stunden, und dann auch nur im Durchschnitt eines Jahres, vereinbart worden, wobei andere Freistellungstatbestände in Anrechnung gebracht werden müssten.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.06.2006 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei keine (schuldhafte) Arbeitspflichtverletzung bzw. Arbeitsverweigerung vorzuwerfen. So könne er sich wegen einer nicht bestehenden An- und Abmeldepflicht für die 115 Arbeitsstunden eines jeden Monats auf die Regelung im gerichtlichen Vergleich berufen. Im Übrigen habe er dargetan, durch andere Tätigkeiten, z. B. IG Metall-Ortsvorstandssitzung, Wirtschaftsausschuss, Vorsorgeuntersuchung beim Betriebsarzt, Freizeitausgleich gemäß Betriebsvereinbarung Arbeitszeitmodul II, unbezahlte Freistellung für gewerkschaftliche Vertrauensleute sowie Tätigkeit als ehrenamtlicher Arbeitsrichter, keine Arbeitsverpflichtungen mehr gehabt zu haben.

Gegen dieses der Beklagten am 29.06.2006 zugestellte Urteil hat sie am 05.07.2006 Berufung eingelegt und diese am 27.07.2006 begründet.

Sie meint, der gerichtliche Vergleich besage nicht, dass der Kläger unabhängig davon, ob tatsächlich Betriebsratstätigkeit zu erledigen sei, im Umfang der ersten 115 Stunden eines jeden Monats von seiner Arbeitspflicht befreit sei. Deshalb müsse es ihr als Arbeitgeberin möglich sein, bereits zu Monatsbeginn die Arbeitseinsatzzeiten des Klägers festzulegen. Sollte dann in diesem Zeitraum eine Betriebsratstätigkeit anfallen, müsse dies der Kläger spätestens 4 Tage vorher mitteilen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 07.06.2006 - 2 Ca 187/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, andere Freistellungstatbestände könnten nicht auf das im Vergleich festgelegte Kontingent von 115 Monatsstunden angerechnet werden; dies habe die Beklagte für die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht Detmold auch bereits zugestanden. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass die ersten 115 Stunden eines jeden Monats für Betriebsratstätigkeiten anzusetzen seien.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Denn der Kläger hat ihr gegenüber eine Anspruch auf Entfernung der beiden Ermahnungen vom 17.11. und 15.12.2005 sowie der drei Abmahnungen vom 16.01., 20.02. und 21.04.2006 einschließlich der dazu verfassten drei Schreiben des Klägers vom 20.02. sowie 21. und 23.04.2006 aus der Personalakte. Insofern kann er sich auf § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog stützen, wonach der Arbeitnehmer bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht in Form unzutreffender Äußerungen des Arbeitgebers deren Beseitigung verlangen kann. Die Voraussetzungen sind erfüllt bei einer zu Unrecht ausgesprochenen Ermahnung bzw. Abmahnung, weil die in ihnen erhobenen Vorwürfe Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein und dadurch sein berufliches Fortkommen behindern oder andere arbeitsrechtliche Nachteile mit sich bringen können (z.B. BAG AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 93; AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 4 und Nr. 8).

Ein Entfernungsanspruch besteht insoweit bereits dann, wenn in einer Ermahnung bzw. Abmahnung eine von mehreren Tatsachenfeststellungen und/oder Bewertungen unzutreffend bzw. unsubstanziiert sind. Denn - anders als bei einer Kündigung - bildet in einem Prozess wie hier ein ganz bestimmtes Schriftstück mit einem bestimmten Inhalt den Streitgegenstand; entweder hat dieses Schreiben, so wie es gefasst ist, in der Personalakte zu verbleiben oder es ist bei einer Unrichtigkeit zu entfernen (vgl. BAG AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 5; LAG Hamm LAGE BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 10; LAG Düsseldorf LAGE BGB § 611 Abmahnung Nr. 7; LAG Köln LAGE BGB § 611 Abmahnung Nr. 3).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier dazu, dass alle vom Kläger angegriffenen Schreiben aus seiner Personalakte zu entfernen sind.

Denn ohne auf die Grundsatzproblematik zwischen den Parteien näher eingehen zu müssen, kann jedenfalls festgestellt werden, dass die Beklagte - wie geschehen - dem Kläger nicht aufgeben kann, ausnahmslos bis spätestens vier Tage vor geplanten Arbeitseinsätzen Mitteilung über in der Zeit anfallende Betriebsratstätigkeiten zu machen.

Allgemein gilt, sofern keine andere betriebsinterne Abmachung besteht, dass Betriebsratsmitglieder den Arbeitgeber so rechtszeitig wie möglich über ein bevorstehendes Arbeitsversäumnis zu informieren haben, damit die betrieblich notwendigen Maßnahmen ergriffen werden können (DKK/Wedde, 10. Aufl., § 37 Rdnr. 43; GK-BetrVG/Weber, 8. Aufl., § 37 Rdnr. 48; vgl. auch BAG AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 119). Dafür kann es aber keine festen Fristen geben, weil Amtstätigkeiten, insbesondere für den Betriebsratsvorsitzenden als Vertreter des Betriebsrates (§ 26 Abs. 2 S. 1 BetrVG), immer wieder auch unvorhergesehen anfallen können. In jedem Fall scheidet aber eine unterschiedslos geltende Mitteilungsfrist von drei Tagen - wie hier- schon deshalb aus, weil z. B. im Falle der Beteiligung des Betriebsrats im Vorfeld einer außerordentlichen Kündigung für diesen nur eine Frist von drei Tagen zur Stellungnahme verbleibt (§ 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG). In einer solchen Konstellation wäre es für den Betriebsratsvorsitzenden schon aus Zeitgründen nicht möglich, der arbeitgeberseitigen Vorgabe, immer spätestens vier Tage vorher Mitteilung zu machen, Rechnung zu tragen.

Nach alledem ist die jeweilige Passage in allen fünf angegriffenen arbeitgeberseitigen Schreiben rechtlich nicht haltbar - mit der Folge eines entsprechenden Entfernungsanspruchs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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