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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.01.2008
Aktenzeichen: 13 Sa 1644/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1004
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.08.2007 - 5 Ca 620/07 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 23.02.2007 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung.

Der Kläger ist seit dem 01.10.1982 bei der Beklagten, einer Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft, beschäftigt, zuletzt in der Funktion eines Sachbearbeiters Technik und Projektleiters zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.950,-- €. Der Kläger, der zugleich auch Betriebsratsvorsitzender ist, ist u.a. zuständig für die Instandhaltung von ca. 2.000 durch die Beklagte verwalteter Wohnungen. In dem Zusammenhang besteht eine arbeitgeberseits erlassene Dienstanweisung Nr. 7, in der unter "B. Modernisierungsaufträge - Bauaufträge" folgendes bestimmt ist:

Diese Aufträge sind nur über das Baubuch zu erteilen. Die festgelegten Kontierungen nach Sachbearbeiter und Konten sind zu beachten. Aufträge bis 5.000,00 € können von dem zuständigen Sachbearbeiter eigenverantwortlich erteilt werten. Im Baubuch wird hierzu das "kleine Auftragsschreiben" gewählt. Dieser Vordruck wird nicht eigenhändig unterzeichnet. Das Auftragsblatt druckt den Namen des Abteilungsleiters und des auftragerteilenden Sachbearbeiters mit gezeichnet aus.

Aufträge über 5.000,00 € sind mit dem "großen Auftragsschreiben" zu erteilen. Diese Aufträge sind der Abteilungsleitung vorzulegen und werden von der Abteilungsleitung und dem Sachbearbeiter eigenhändig unterschrieben.

Die Auftragserteilung erfolgt durch die technischen Sachbearbeiter.

In dem angesprochenen (elektronischen) Baubuch werden die Aufträge der Sachbearbeiter mit einer bestimmten Nummer eingegeben - neben dem Datum und den geschätzten Kosten. Anschließend erfolgt die schriftliche Auftragserteilung. Nach Erledigung der Arbeiten erstellt der Handwerker eine Rechnung, die von der Rechnungsstelle der Beklagten beglichen wird. Liegt der Betrag deutlich höher als zuvor vom Sachbearbeiter geschätzt, erfolgt eine automatische Zahlungssperre, die nur vom Vorgesetzten aufgehoben werden kann.

Zu dem vom Kläger zu verwaltenden Bestand gehört die Wohnung "L1 Straße 12, DG re" in D1. Dort waren im Oktober/November 2006 anlässlich eines Mieterwechsels Malerarbeiten durchzuführen. Damit beauftragte der Kläger am 24.10.2006 die Firma O1 M1 aus D1. Er legte im Baubuch einen entsprechenden Auftrag an über eine von ihm geschätzte Auftragssumme in Höhe von 1.800,-- €. Sodann erhielt die Firma M1 einen entsprechenden schriftlichen Auftrag (Bl. 25 d. A.). Als Auftragsnummer gab der Kläger in das Baubuch ein: 2006/100768/01. Im Zuge der Durchführung des Auftrags teilte die Firma M1 dem Kläger telefonisch mit, dass ein Mehraufwand in Form einer Neutapezierung der Decken erforderlich sei. Telefonisch genehmigte der Kläger diese Mehrarbeiten. Anschließend erstellte die Firma M1 der Beklagten unter dem 15.11.2006 eine Rechnung über insgesamt 3.211,58 € zur Auftragsnummer 2006/100768/01 und wies darin auf die beauftragten Mehrarbeiten hin. Daraufhin legte der Kläger am 20.11.2006 im Baubuch einen zweiten Auftrag bezüglich der Malerarbeiten in dem Objekt unter der Nummer 2006/100768/02 an. Als Auftragsdatum trug er den 24.10.2006 ein und als geschätzte Auftragssumme 3.220,00 €. Die Auftragsnummer in der Rechnung der Firma M1 änderte der Kläger handschriftlich auf 02 am Ende ab. Im elektronischen Baubuch der Beklagten waren nunmehr zwei Aufträge verzeichnet, zum einen über 1.800,00 € und zum anderen über 3.220,00 €.

Die Beklagte nahm diesen Sachverhalt zum Anlass, dem Kläger mit Schreiben vom 23.02.2007 eine Abmahnung zu erteilen. Darin wird u.a. ausgeführt:

Sehr geehrter Herr N1, wir beanstanden, dass Sie einen neuen Auftrag angelegt hatten, nachdem bereits der ursprüngliche Auftrag erfüllt und hierüber eine Rechnung erteilt war. Diese überstieg das Volumen lt. Auftrag vom 24.10.2006 um 1.411,58 €. Um die Gründe für eine derart gegenüber dem ursprünglich erteilten Auftrag erhöhte Rechnung prüfen zu können, ist es nicht statthaft, einen "neuen Auftrag" über ein höheres Volumen, als ursprünglich vorgesehen, anzulegen. Hierdurch werden Kontrollen und etwa notwendige Rückfragen erschwert. Sie hätten vor einer eigenmächtigen, nachträglichen Auftragsveränderung Rücksprache mit Ihrem Vorgesetzten nehmen müssen.

Bezüglich des weiteren Inhalts wird Bezug genommen auf die mit Klageschriftsatz vom 06.03.2007 eingereichte Kopie (Bl. 7 f. d. A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe mit seiner Vorgehensweise nicht gegen die Dienstanweisung Nr. 7 der Beklagten verstoßen. So habe ihm die Kompetenz zugestanden, Aufträge in einem Volumen von bis zu 5.000,-- € eigenhändig zu erteilen. Das Erfordernis einer Vorlage des Vorgangs beim Vorgesetzten betreffe nur den hier nicht einschlägigen Fall, dass ein Handwerker auf der Grundlage eines unverändert gebliebenen Auftrages einen höheren Betrag in Rechnung stelle, als zuvor vom Sachbearbeiter im Baubuch vorläufig geschätzt worden sei. Es sei ihm aus technischen Gründen nicht möglich gewesen, im Baubuch die Auftragserweiterung anders als geschehen ordnungsgemäß zu erfassen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 23.02.2007 erteilte Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger sei der Vorwurf zu machen, dass er noch einen neuen Auftrag über 3.220,-- € angelegt habe, nachdem der ursprüngliche Auftrag bereits erfüllt und hierüber eine Rechnung erteilt worden sei. Die Verfahrensweise des Klägers erschwerte Kontrollen und Rückfragen, wenn es, wie hier, zu einer Überschreitung des Rechnungsvolumens um ca. 1.400,-- € gekommen sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.08.2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung war im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei trotz einer fehlenden Verfahrensregelung bei einer nachträglichen Auftragserhöhung nicht berechtigt gewesen, im Nachhinein einen zweiten Auftrag über die Gesamtsumme anzulegen; ggf. hätte er seinen Dienstvorgesetzten fragen müssen.

Gegen dieses dem Kläger am 24.08.2007 zugestellte Urteil hat er am 14.09.2007 Berufung eingelegt und sie am 24.09.2007 begründet.

Er ist unverändert der Ansicht, dass er wegen seiner Befugnis, bis zu einem Betrag von 5.000,-- € Aufträge selbstständig erteilen zu können, im konkreten Fall auch zur nachträglichen Erweiterung des Auftrags ohne Rücksprache berechtigt gewesen sei. Nur im hier nicht gegebenen Fall der nachträglichen Erhöhung der ursprünglichen Rechnungssumme sei er verpflichtet gewesen, sich gegenüber seinem Vorgesetzten zu erklären. Das elektronische Baubuch sehe den Fall einer nachträglichen Auftragserweiterung nicht vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.08.2007 - 5 Ca 620/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 23.02.2007 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, der Kläger sei bei einer nachträglichen Auftragserweiterung nicht befugt, wie geschehen zu verfahren. Zudem hätte er seinen Vorgesetzten einschalten müssen, um die erforderlichen Kontrollen hinsichtlich des Auftrags, der Arbeit und des Rechnungsbetrages zu ermöglichen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Denn entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat er gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 23.02.2007 aus der Personalakte. Insofern kann er sich auf § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog stützen, wonach der Arbeitnehmer bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht in Form unzutreffender Äußerungen des Arbeitgebers die Beseitigung verlangen kann. Die Voraussetzungen sind erfüllt bei einer zu Unrecht ausgesprochenen Abmahnung, weil die in ihr erhobenen Vorwürfe Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein und dadurch sein berufliches Fortkommen behindern oder andere arbeitsrechtliche Nachteile mit sich bringen können (z.B. BAG AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 93; AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 4, 8).

Die Abmahnung muss u.a. einer sogenannten Hinweis- bzw. Rügefunktion gerecht werden, in dem sie den Inhalt einer bestehenden Vertragspflicht beschreibt und den Arbeitnehmer an die Einhaltung erinnert. Diesem Zweck kann sie nicht gerecht werden, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien unklar ist, welche konkrete Handlungspflicht den Arbeitnehmer in einer bestimmten Situation trifft, weil der Arbeitgeber es versäumt hat, erforderliche präzise Vorgaben zu machen. Dann bedarf es erst genauer Anweisungen, bevor ein anschließendes Fehlverhalten zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht werden kann.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier dazu, dass die vom Kläger angegriffene Abmahnung aus seiner Personalakte zu entfernen ist. Denn die Beklagte hat es in der Vergangenheit versäumt, klare Verhaltensvorgaben für den bei ihr sicher nicht selten vorkommenden Fall zu machen, dass nach der Dienstanweisung Nr. 7 B. vom zuständigen Sachbearbeiter ein Auftrag erteilt wird und sich dann bei dessen Durchführung ein zusätzlicher Renovierungsbedarf ergibt.

Genauso, wie sie in der genannten Dienstanweisung exakte Vorgaben für die Erteilung von Aufträgen gemacht und festgelegt hat, in welchen Fällen die Abteilungsleitung zur Gewährleistung der erforderlichen Transparenz und Kontrolle einzuschalten ist, hätte sie entsprechend der in der mündlichen Verhandlung am 18.01.2008 erstmals aktenkundig gewordenen Erklärung ihren Arbeitnehmern, darunter dem Kläger, auch vorgeben müssen, dass auch im Falle der "bloßen" Erweiterung eines bereits erteilten Auftrages entweder über das Baubuch eine zweite Beauftragung zu erfolgen hat oder vorab die Zustimmung des Vorgesetzten einzuholen ist.

Da diese Handlungspflichten im Oktober/November 2006, als der Kläger der Firma M1 den erweiterten Auftrag (auch) zur Neutapezierung der Decken in der Wohnung "L1 Str. 12, DG re" erteilte, nicht entsprechend gefasst waren, stand es der Beklagten nicht zu, das tatsächliche Verhalten des Klägers in der konkreten Situation dazu zu nutzen, ihm sofort eine Abmahnung auszusprechen, statt den Vorfall zum Anlass zu nehmen, zunächst einmal die Anweisungen - endlich - zu präzisieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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