Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.02.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 2150/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 112
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 28.10.2004 - 3 Ca 764/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um den Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung. Der Kläger war seit dem 02.01.1991 bei der Beklagten als Betriebselektriker beschäftigt. Am 08.12.2003 schloss diese mit dem im Betrieb bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich. Darin wurden u.a. folgende Regelungen getroffen: ... B. ... I. .... 2. Die Elektroarbeiten werden zukünftig fremdvergeben. Dadurch entfällt der Arbeitsplatz für den Elektriker.

...

IV. ...

3. Die zu entlassenden Mitarbeiter werden einvernehmlich zwischen den Betriebsparteien ermittelt und in einer Liste namentlich ausgeführt. Die Liste ist von beiden Betriebsparteien zu unterschreiben.

Sie ist als Anlage 1 Bestandteil dieses Interessenausgleiches.

...

V. Für die vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiter wird ein Sozialplan gemäß § 112 BetrVG vereinbart. Alle Mitarbeiter, die im Rahmen und nach den Vorgaben dieses Interessenausgleichs ausscheiden, haben Anspruch auf eine Abfindung. Die Kriterien werden im Sozialplan geregelt. Der Sozialplan berücksichtigt ausgewogen die berechtigten Interessen des Unternehmens sowie die der zu entlassenden Mitarbeiter.

Im zugleich abgeschlossenen Sozialplan heißt es auszugsweise wie folgt: 1. Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - im folgenden Arbeitnehmer genannt - der Firma, die durch die im Interessenausgleich vom 08.12.2003 beschlossenen Maßnahmen betroffen werden. Er regelt die Abfindungen sowie sonstige Maßnahmen, die zum Ausgleich bzw. zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Härten dienen, unabhängig davon, ob eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird. .... 4. Alle Arbeitnehmer, ... - soweit sie durch diese Maßnahme von einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses betroffen sind -, erhalten eine Abfindung in Höhe von 900,00 EUR je vollendetem Jahr der Betriebszugehörigkeit.

... 5. Die Abfindung wird mit der Schlussabrechnung an den Arbeitnehmer ausgezahlt.

Dem in der Liste als Anlage 1 zum Interessenausgleich aufgeführten Kläger wurde mit Schreiben vom 17.12.2003 betriebsbedingt eine ordentliche Kündigung zum 30.04.2004 ausgesprochen (Bl. 17 d.A.). Gegen deren Wirksamkeit hat er sich im Rechtsstreit 3 Ca 2129/03 (Arbeitsgericht Detmold) zur Wehr gesetzt und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Mit Schreiben vom 29.03.2004 (Bl. 92 d.A.), dem Kläger zugegangen am 31.03.2004, nahm die Beklagte die ausgesprochene Kündigung zurück. Einen Tag zuvor am 30.03.2004 hatte der Kläger bereits seine Kündigungsschutzklage zurückgenommen, so dass der anberaumte Kammertermin aufgehoben werden konnte. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er nach erfolgter Rücknahme der Kündigungsschutzklage, wodurch das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.04.2004 beendet worden sei, die Zahlung der Sozialplanabfindung in unstreitiger Höhe von 10.800,00 € beanspruchen könne. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.800,00 € zzgl. 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2004 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, sie habe von der ursprünglich beabsichtigten Maßnahme, der Fremdvergabe der Elektrikerarbeiten, noch während des Laufs der Kündigungsfrist des Klägers Abstand genommen. Dementsprechend hätten die Prozessbevollmächtigten beider Seiten am 29.03.2004 telefonisch über eine Rücknahme der Kündigung gesprochen, die dann auch mit Schreiben vom selben Tag erklärt worden sei. Vor dem Hintergrund könne der Kläger die Sozialplanabfindung nicht beanspruchen; zumindest sei sie anzupassen. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.10.2004 der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zahlung der Sozialplanabfindung seien gegeben, weil der Kläger nach Rücknahme der Klage aufgrund der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 17.12.2003 mit Ablauf des 30.04.2004 rechtswirksam ausgeschieden sei. Das in der Rücknahme der Kündigung liegende Angebot der Beklagten auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses habe er nicht angenommen. Eine Anpassung der Sozialplanabfindung scheide schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht substantiiert unter Beweisantritt dargelegt habe, wann sie aufgrund welcher Umstände die Absicht, die Elektroarbeiten fremd zu vergeben, wieder aufgegeben habe. Gegen dieses ihr am 04.11.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.11.2004 Berufung eingelegt und diese zugleich auch begründet. Sie behauptet - unverändert -, sie habe die Maßnahme, die Stelle des Betriebselektrikers zu streichen, aufgehoben und dies der gegnerischen Seite am 29.03.2004 mitgeteilt. Deshalb sei der Kläger am 30.04.2004, als der Abfindungsanspruch fällig geworden sei, gar nicht mehr von den Umstrukturierungsmaßnahmen betroffen gewesen. Im Übrigen liege in der Erhebung der Kündigungsschutzklage eine antizipierte Zustimmung zur erfolgten Rücknahme der Kündigung. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 28.10.2004 - 3 Ca 764/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, sein Fall sei von den Regelungen des abgeschlossenen Sozialplans umfasst, nachdem er am 30.03.2004 seine Kündigungsschutzklage zurückgenommen habe. Eine Zustimmung zur Rücknahme der Kündigung habe er zu keinem Zeitpunkt erteilt; so sei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 30.03.2004 fernmündlich mitgeteilt worden, dass kein Einverständnis erklärt werde. Im Übrigen könne u.a. auf die zutreffenden Bewertungen im erstinstanzlichen Urteil unter Ziffer 2 der Entscheidungsgründe verwiesen werden. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht ist das Arbeitsgericht zum Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten nach Ziffer 4 Satz 1 und Ziffer 5 des abgeschlossenen Sozialplans i.V.m. B. I. 2., V. des Interessenausgleichs vom 08.12.2003 ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in unstreitiger Höhe von 10.800,00 € zusteht. Insoweit folgt die Kammer in allen Punkten der zutreffend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung ergeben lediglich zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlass: Der Kläger ist nach Ablehnung der beklagtenseits ausgesprochenen "Rücknahme" der Kündigung und selbst erklärter Rücknahme der Kündigungsschutzklage rechtswirksam mit Ablauf des 30.04.2004 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hat damit nach dem Wortlaut der Regelungen im Sozialplan die Voraussetzungen für die Zahlung der Abfindung erfüllt. Allerdings ist es nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP Nr. 86 und 104 zu § 112 BetrVG 1972) denkbar, dass die Geschäftsgrundlage für einen Sozialplan wegen veränderter tatsächlicher Umstände wegfällt. In einem solchen Fall haben die Betriebspartner eine Anpassung vorzunehmen, so dass ein Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zum Abschluss einer Neuregelung auszusetzen wäre. Die Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht dargetan. Denn die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat trotz der Ausführungen unter 2. der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts, die sich der Kläger im Berufungserwiderungsschriftsatz vom 05.01.2005 unter 3. zu eigen gemacht hat, bis zum Schluss nicht substantiiert dargelegt, wann sie aufgrund welcher veränderten Umstände in ihrer unternehmerischen Konzeption von der ursprünglichen Maßnahme, die Elektroarbeiten nach dem 30.04.2004 fremd zu vergeben, wieder Abstand genommen hat. Im Gegenteil hat sie auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am 11.02.2005 zu Protokoll erklärt, die Tätigkeiten seien tatsächlich auch von einem Dienstleister übernommen worden. Nach alledem steht dem Kläger, auch wenn er übergangslos eine neue Beschäftigung gefunden haben sollte, der volle Sozialplananspruch zu (vgl. Ziffer 1 Satz 2 a.E. des Sozialplans). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück