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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.04.2006
Aktenzeichen: 13 Sa 2299/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 02.11.2005 - 5 (2) Ca 1632/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Abzug von Stunden für die Zeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung für Schichtplangestaltung.

Der Kläger ist bei der Beklagten in der 37,5 Stunden-Woche als Reparateur im Bereich Engine Operations (ENO) zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.550,79 € beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 ist er Mitglied des 21köpfigen Betriebsrates.

Im Jahre 2002 wurden in einer Arbeitsgruppe, bestehend aus der Betriebsratsvorsitzenden A1xxxxxxx, ihrem Stellvertreter G2xxxxx und den Betriebsratsmitgliedern G3xx, S5xxxxxx, S6xxxxx und W3xxx sowie dem Kläger, diverse Aspekte der Schichtarbeit und eine mögliche Änderung der Schichtmodelle diskutiert.

Im Jahre 2003 kam es für den Bereich "Supply Operations" zur Verabschiedung eines Schichtmodells. Dabei waren die Betriebsratsmitglieder A1xxxxxxx, G2xxxxx, S5xxxxxx, G3xx, S6xxxxx, K5xxx und K3xxxx Verhandlungspartner für den Betriebsrat.

Ab Anfang 2004 nahmen der Betriebsrat und die Beklagte Gespräche über Änderungen des Schichtmodells im Bereich "ENO" auf. Zunächst wurde eine aus Vertretern beider Seiten bestehende Projektgruppe gebildet, in der der Betriebsrat durch seine Mitglieder G3xx und J1xxxx repräsentiert war. Aufgabe diese Gremiums war es, die Vielzahl denkbarer Schichtmodelle nach zuvor mit der Geschäftsleitung vereinbarten Kriterien zu bewerten.

Am 14.09.2004 reichte dann die Beklagte dem Betriebsrat einen Antrag auf Pilotierung eines neuen Schichtmodells ein. Die anschließenden Verhandlungen führte für den Betriebsrat der Betriebsausschuss, bestehend aus den Mitgliedern A1xxxxxxx, G2xxxxx, G3xx, S5xxxxxx, S6xxxxx, K5xxx und K3xxxx.

Am 08.12.2004 einigte man sich auf ein (Test-) Schichtmodell, das ab dem 01.01.2005 im Rahmen eines Pilotprojekts auf drei Fertigungslinien im Bereich "ENO" erprobt wurde. Zur Begleitung und Auswertung dieses Projekts wurde eine Arbeitsgruppe konstituiert, in der der Betriebsrat durch seine Mitglieder A1xxxxxxx, G2xxxxx und H4xxxxxx vertreten war.

Daneben setzte die im Jahre 2004 gebildete Projektgruppe ihre Arbeit fort. Sie wurde am 19.01.2005 um die Betriebsratsmitglieder P1xxxxxx (Kläger im vorliegenden Verfahren) und E1xxxxxxxx erweitert. Es kam zu zwei Treffen am 15.03 und 17.05.2005, wobei der Kläger nur an der ersten Sitzung teilnahm.

Am 02.08.2005 schloss der Betriebsrat mit der Beklagten eine ab dem 01.09.2005 geltende Betriebsvereinbarung über das neue Schichtmodell im Bereich "ENO".

Zuvor hatte der Betriebsrat anlässlich seiner Sitzung am 08.12.2004 die Entscheidung getroffen, dass der Kläger - neben den Betriebsratsmitgliedern H4xxxxxx und E1xxxxxxxx - an einer Veranstaltung des Bildungszentrums S4xxxxxxxxx der IG Metall vom 27.02 bis 04.03.2005 zum Thema " Schichtplangestaltung" teilnehmen sollte. Der Themenplan der Schulung lautet auszugsweise wie folgt:

- Schichtarbeit als Element unternehmerischer Arbeitsplatzpolitik

- Gesundheitliche Auswirkungen von Schichtarbeit

- soziale und familiäre Auswirkung von Schichtarbeit

- beschäftigungspolitische Auswirkungen von Schichtarbeit

- einkommenspolitische Auswirkungen von Schichtarbeit

- gesetzliche und tarifliche Bestimmungen bezüglich Schichtarbeit

- Möglichkeiten der Gestaltung von Schichtplänen im Zwei- und Dreischicht-Betrieb

- computergestützte Schichtplangestaltung

- Maßnahmen zur Reduzierung von Belastungen infolge Schichtarbeit

- Entwicklung betrieblicher Vorgehensweise zu Gestaltung von Schichtarbeit (Fallbeispiele)

- gewerkschaftspolitische und tarifpolitische Perspektiven bezüglich Schichtarbeit

Als der Kläger von der einwöchigen Schulungsveranstaltung der IG Metall zurückgekehrt war, zog ihm die Beklagte von seinem Arbeitszeitkonto 37,5 Stunden ab.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Abzug sei zu Unrecht erfolgt, weil die Schulung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich gewesen sei.

Dem stehe die Teilnahme an der Schulung durch Rechtsanwalt H1xx im Oktober 2002 nicht entgegen, weil sie sich nicht auf das nunmehr in Rede stehende Schichtmodell fokussiert habe.

Zum Zeitpunkt des Entsendungsbeschlusses Anfang Dezember 2004 habe ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen über ein neues Schichtmodell noch nicht festgestanden; vielmehr habe man sich nur auf die Durchführung eines Tests verständigt.

Die erweiterte Projektgruppe, der er angehört habe, sei als Schnittstelle zwischen Betriebsrat, Arbeitgeber und Arbeitnehmern geplant gewesen. Es habe u.a. zu seinen Aufgaben gehört, als Arbeitnehmer aus dem betroffenen Bereich "ENO" Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten und dabei auch andere Schichtmodelle im Auge zu behalten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 37,5 Stunden gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Meinung vertreten, die Schulungsteilnahme sei nicht im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich gewesen. Im Betriebsrat habe nämlich bereits ein bereitgefächertes Wissen bezüglich der Themen Schichtpläne, Schichtarbeit und Schichtplangestaltung bestanden. Dies ergebe sich aus der Vielzahl von Projekten, Schulungen und Arbeitsgruppen.

Insoweit ist unstreitig, dass Betriebsratsmitglieder in der Vergangenheit an folgenden einschlägigen Schulungsveranstaltungen teilgenommen haben:

- Schichtplangestaltung für Profis, Februar 2005

R4xxxx G3xx, M6xxxxxxx J1xxxx

- Menschengerechte Arbeitszeiten und Arbeitsplatzgestaltung, November 2004

Kläger, C3xxxxxxx H5xxxxx, W1xxxxxx E1xxxxxxxx

- Flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten und Beschäftigungssicherung, Juni 2004

S7xxxxx B3xxxx, Kläger, C4xxxxxxx L1xxx, N3xxxxx H6xxx-K4xx, M6xxxxxx J1xxxx

- F1xxxxxx Arbeitszeiten, Oktober 2003

R4xxxx G3xx, M6xxxxxx J1xxxx

- Arbeitszeitregelungen im Betrieb, Mai 2003

Kläger

- Einführung in die Mitbestimmung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, Oktober 2002

C3xxxxxxx H5xxxxx, Kläger, S7xxxxx B3xxxx, N3xxxxx H6xxx-K4xx

Der Kläger habe weder dem geschäftsführenden Ausschuss, der für die Verhandlungen des neuen Schichtmodells zuständig gewesen sei, noch der Arbeitsgruppe, die sich mit der Auswertung des Piloten beschäftigt habe, angehört.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.11.2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch sei schon deshalb nicht gegeben, weil der Betriebsrat als Gremium bereits über beträchtliche theoretische und praktische Kenntnisse zu den in der Schulung behandelten Thema verfügt habe. Ein etwaiger Bedarf für weitere Fortbildungen sei jedenfalls nicht durch die Seminarteilnahme des Klägers zu erfüllen gewesen. Denn dieser habe den auf Betriebsratsseite maßgeblichen Gremien zur Vorbereitung und zum Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht angehört.

Gegen dieses ihm am 25.11.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.12.2005 Berufung eingelegt und diese am 23.01.2006 begründet.

Es sei zu beachten, dass die für das Fachgebiet "Schichtmodelle" berufenen und geschulten Betriebsratsmitglieder G3xx und J1xxxx in ihren Funktionen als Line-Manager/stellvertretender Betriebsleiter und Koordinator sehr weit im Arbeitgeberlager gestanden hätten und deshalb die erweiterte Projektgruppe mit ihm, dem Kläger, als Gegengewicht geschaffen worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 02.11.2005 - 5 (2) Ca 1632/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 37,5 Stunden gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hebt hervor, dass der erweiterten Projektgruppe keine maßgeblichen Aufgaben bei der Ausgestaltung des neuen Schichtmodells zugekommen seien. Entsprechende Äußerungen habe der Kläger selbst in der ersten Sitzung am 15.03.2005 gemacht und sei deshalb zum zweiten Treffen gar nicht mehr erschienen.

Wegen des weiteren Vorbringens beider Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch darauf, 37,5 Arbeitsstunden für die Teilnahme an der einwöchigen Schulungsveranstaltung "Schichtplangestaltung" vom 27.02. bis zum 04.03.2005 in Sprockhövel gutgeschrieben zu bekommen. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG i. V. m. § 37 Abs. 2 BetrVG liegen nämlich nicht vor.

Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 136, 106, 67) ist die Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen nur dann im Sinne des § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit letzterer seine derzeitigen und demnächst anfallenden Aufgaben ordnungsgemäß erledigen kann. Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben gerade die Schulung des entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich macht, ist entscheidend auf den Wissensstand des Betriebsrates insgesamt und die innerhalb dieses Gremiums vorgenommene Aufgabenverteilung abzustellen (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106).

Nach diesen Grundsätzen durfte hier der Betriebsrat im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Beschlussfassung am 08.12.2004 die Schulung des Klägers nicht für erforderlich halten.

I.

In dem Zusammenhang kann offen bleiben, ob bei der Beschlussfassung des Betriebsrates am 08.12.2004 überhaupt bereits feststand, dass der Kläger gut einen Monat später am 19.01.2005 zum Mitglied der erweiterten Projektgruppe bestimmt werden sollte.

II.

Entscheidend gegen den Anspruch des Klägers spricht, dass er nach den vom Betriebsrat gefassten Beschlüssen nicht zum Kreis der Amtsträger gehörte, die für die Arbeitnehmervertretung die gesetzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Schichtmodells im Bereich "ENO" wahrnehmen sollten.

Hierzu waren zum einen die sieben Mitglieder des Betriebsausschusses berufen, die ab Mitte September 2004 die Verhandlungen über die Einführung eines Test-Schichtmodells führten und auch zum Abschluss brachten. Dazu gehörte auch das Betriebsratsmitglied G3xx, das zusammen mit dem Betriebsratsmitglied J1xxxx bereits seit Anfang 2004 der Projektgruppe angehörte, die erst Mitte Januar 2005 unter anderem um den Kläger erweitert wurde.

Wenn der Kläger in dem Zusammenhang einwendet, die genannten Betriebsratsmitglieder G3xx und J1xxxx hätten aufgrund ihrer Funktionen sehr weit im Arbeitgeberlager gestanden, kann dies seinem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Denn aufgrund eines entsprechenden Betriebsratsbeschlusses sind die beiden Personen als Repräsentanten in die genannten Gremien gewählt bzw. entsandt worden und dort auch bis zum Abschluss der Betriebsvereinbarung zur Schichtarbeit im Bereich "ENO" verblieben. An diese Organisationsentscheidung muss sich der Betriebsrat im Rahmen des § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG festhalten lassen, wenn es darum geht, festzulegen, für welche Betriebsratsmitglieder er eine einwöchige Spezialschulung zu Fragen der Schichtarbeit in Anspruch nehmen will.

Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass es am 08.12.2004, als sich die Betriebspartner auch auf die Durchführung eines Test-Schichtmodells ab 01.01.2005 geeinigt hatten, für die Aufrechterhaltung einer kompetenten Betriebsratsarbeit in diesem Bereich noch erforderlich war, weitere Mitglieder des insgesamt 21 Personen umfassenden Betriebsrates zu Fragen der Schichtplangestaltung schulen zu lassen. Denn es gab ausreichend durch vorangegangene Schulungen und praktische Arbeiten sachkundig gewordene Mitglieder des Betriebsrates, neben der Betriebsratsvorsitzenden und ihrem Stellvertreter namentlich die Betriebsratsmitglieder G3xx und J1xxxx, die die noch anfallenden Arbeiten bis zum Abschluss der Betriebsvereinbarung am 02.08.2005 erledigen konnten. Gegebenenfalls hätte sich deshalb der Kläger, wenn er bei der Kontrolle der Auswirkungen des Pilotprojekts in seiner Schicht Problempunkte ausgemacht hätte, an die genannten mit der entsprechenden Sachkunde versehenen Betriebsratskollegen wenden können, soweit sein eigenes in Schulungen und Arbeitsgruppentätigkeiten erworbenes Wissen nicht ausgereicht hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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