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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.09.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 991/05
Rechtsgebiete: EFZG, KSchG


Vorschriften:

EFZG § 5
KSchG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.04.2005 - 1 Ca 3410/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung; der Kläger begehrt seine Weiterbeschäftigung. Der am 29.03.1969 geborene Kläger ist verheiratet und hat Drillinge im Alter von 7 Jahren. Er trat mit Wirkung ab 01.01.1990 zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.957,56 € in die Dienste der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin. In den letzten Jahren arbeitete der Kläger als Straßenreiniger in festen Gruppen von 4 - 6 Leuten - neben einem Fahrer des Kehrichtwagens. Ihnen wurde jeweils ein bestimmtes zu reinigendes Revier zugewiesen; der Ausfall eines Mitarbeiters führte zwangsläufig zu einer Mehrbelastung der übrigen Gruppenangehörigen. Am 18.09.2003 erhielt der Kläger eine erste Abmahnung, in der ihm vorgeworfen wurde, am 04.08. und 04.09.2003 jeweils den Dienst morgens um 6.00 Uhr ohne Abmeldung nicht aufgenommen und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst mittags eingereicht zu haben; darüber hinaus sei er am 29.08.2003 erst um 7.00 Uhr erschienen und habe sich damit entschuldigt, verschlafen zu haben. In einer zweiten Abmahnung vom 19.02.2004 hat man ihm vorgehalten, am 02.02.2004 ohne Abmeldung nicht zum Dienst erschienen zu sein. In einer dritten Abmahnung vom 25.05.2004 rügte die Beklagte, der Kläger habe sich am 18.05.2004 zu Dienstbeginn nicht abgemeldet und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst um 12.00 Uhr vorgelegt. Inhalt der vierten Abmahnung vom 19.08.2004 war, dass der Kläger am 02.08.2004 den Dienst "wieder verspätet aufgenommen" hatte. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Abmahnungen wird verwiesen auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 17.01.2005 eingereichten Kopien (Bl. 15 ff. d. Akten). Am 26.11.2004 kam der Kläger ohne vorherige Abmeldung morgens um 6.00 Uhr nicht zur Arbeit. Erst gegen 12.00 Uhr ging der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Tag zu. Daraufhin sprach sie dem Kläger nach Anhörung und erteilter Zustimmung des zuständigen Personalrats mit Schreiben vom 14.12.2004, dem Kläger zugegangen am 17.12.2004, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2005 aus. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozialwidrig. Ihm sei nämlich zu keiner Zeit die Verpflichtung zur unverzüglichen Krankmeldung bekannt gewesen; darauf habe ihn auch kein Vorgesetzter hingewiesen. Der Kläger hat beantragt, 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.12.2004 zum 30. Juni 2005 nicht beendet wird. 2. Weiterhin im Falle des Obsiegens zu dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Arbeitsbedingungen als Straßenreiniger weiter zu beschäftigen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat darauf hingewiesen, der Kläger sei, bestätigt durch seine Unterschrift, wiederholt von seinem Vorgesetzten auf die Verpflichtung zur unverzüglichen Krankmeldung hingewiesen worden. Deshalb rechtfertigten die dokumentierten beharrlichen Verstöße die ordentliche Kündigung, zumal der Betriebsmeister immer ab 5.30 Uhr erreichbar gewesen und die Pförtnerloge rund um die Uhr besetzt gewesen sei. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.04.2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe in Kenntnis seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Krankmeldung beharrlich dagegen verstoßen, wie die Abmahnungen der Vergangenheit zeigten. Deshalb sei wegen der erneuten Pflichtverletzung am 26.11.2004 die ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Gegen dieses ihm am 14.04.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.05.2005 Berufung eingelegt und diese am 10.06.2005 begründet. Er weist darauf hin, dass es hinsichtlich des einschlägigen Vorfalls, nämlich die unterbliebene unverzügliche Krankmeldung, noch nicht die im Abmahnschreiben vom 19.08.2004 erwähnte "letztmalige Abmahnung" gegeben habe; deshalb habe er, der Kläger, nicht damit rechnen müssen, aufgrund des Vorfalls am 26.11.2004 schon gekündigt zu werden. Im Übrigen liege keine Beharrlichkeit vor. So habe er jetzt die Handynummer des Pförtners eingespeichert und achte auf die Einhaltung seiner Pflichten. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.04.2005 - 1 Ca 3410/04 - abzuändern und 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 14.12.2004 mit Ablauf des 30.06.2005 aufgelöst worden ist, 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab sofort bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Straßenreiniger weiterzubeschäftigen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie führt aus, dass es angesichts der zahlreichen Abmahnungen mit den deutlichen Hinweisen auf die vom Kläger einzuhaltenden Pflichten wirklichkeitsfremd sei, wenn dieser angesichts des Vorfalls vom 26.11.2004 noch nicht mit einer Kündigung habe rechnen müssen. Dies gelte um so mehr, als er wisse, welche Ablaufstörungen jeweils eingetreten seien, wenn das Reinigungsteam nicht in voller Besetzung seine Arbeit habe aufnehmen können. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht seine Klage abgewiesen. Denn die streitbefangene ordentliche Kündigung vom 14.12.2004 ist aus Gründen im Verhalten des Klägers (§1 Abs. 2 S. 1 2. Fall KSchG) sozial gerechtfertigt und damit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtswirksam. Nach zutreffender allgemeiner Meinung (BAG AP Nr. 23, 25, 26 und 27 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; EzA Nr. 44 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 475 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 11. Aufl., § 130 Rdnr. 24) ist der wiederholte Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG), nach vergeblicher Abmahnung an sich geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. I. Der Kläger wurde erstmals mit Schreiben vom 18.09.2003 unter anderem deshalb abgemahnt, weil er sich zwei Mal innerhalb eines Monats am 04.08. und 04.09.2003 jeweils morgens zu Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr bei seiner Arbeitgeberin nicht unverzüglich krank gemeldet hatte, sondern mehrere Stunden zuwartete, bevor er in der Mittagszeit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreichte. Die darin jeweils liegende Pflichtverletzung wiederholte sich bereits gut 8 Monate später, als er am 18.05.2004 erneut erst in der Mittagszeit bei der Arbeitgeberin mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorstellig wurde, ohne sich morgens abgemeldet zu haben. Wenn er die daraufhin ausgesprochene Abmahnung vom 25.05.2004 wieder nicht zum Anlass nahm, sein mehrfach unmissverständlich gerügtes Fehlverhalten abzustellen und sich gut ein halbes Jahr später am 26.11.2004 erneut morgens nicht rechtzeitig arbeitsunfähig meldete, sondern es bei der Übergabe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst um 12.00 Uhr beließ, rechtfertigte es das geschilderte Gesamtverhalten grundsätzlich, ihm eine ordentliche Kündigung auszusprechen. II. Entgegen der Ansicht des Klägers wurde ihm auch in dem letzten Abmahnschreiben vom 19.08.2004 durch den letzten Satz, wonach ihm bei einem weiteren Verstoß gegen seine "arbeitsvertraglichen Pflichten" die Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohe, unmissverständlich die Kündigungsrelevanz auch eines Verstoßes gegen § 5 Absatz 1 Satz 1 EFZG vor Augen geführt; denn zuvor war im Satz 2 des genannten Schreibens auch auf die unmittelbar einschlägige Abmahnung vom 25.05.2004 hingewiesen worden. III. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er über einen Zeitraum von gut 15 Monaten insgesamt vier Mal seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Krankmeldung nicht nachgekommen ist und zwei unmittelbar einschlägige Abmahnungen erhalten hat. In einer solchen Konstellation der beharrlichen Weigerung, einer gesetzlich verankerten Abmeldepflicht nachzukommen, konnte die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung am 17.12.2004 berechtigter Weise davon ausgehen, der Kläger werde dieser Verpflichtung auch zukünftig nicht nachkommen. Der darin zum Ausdruck kommenden Wiederholungsgefahr (vgl. BAG AP Nr. 25 und 27 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung) durfte sie deshalb mit dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung begegnen. Hier kommt hinzu, dass die Versäumnisse des Klägers jeweils zu ohne weiteres nachvollziehbaren Betriebsablaufstörungen führten. Er war nämlich jeweils in einer Gruppe von 4 - 6 Personen eingebunden, die ein bestimmtes Revier zu reinigen hatte. Die Tatsache, dass der Kläger an den hier einschlägigen Tagen am 04.08. und 04.09.2003 sowie 18.05. und 26.11.2004 nicht planmäßig um 6.00 Uhr zum Dienst erschienen war und sich auch nicht rechtzeitig abgemeldet hatte, führte dazu, dass der Beklagten die Möglichkeit genommen wurde, ihre Arbeitseinsatzplanung kurzfristig zu ändern (z. B. Einsatz eines Springers) und deshalb die um eine Person reduzierte Gruppe über die jeweils individuell geschuldete Arbeitsleistung hinaus Reinigungsaufgaben zu erledigen hatte. Nach alledem ist hier zur Sicherstellung eines fortan ungestörten Betriebsablaufs - auch unter Berücksichtigung einer fast 15-jährigen Betriebszugehörigkeit und der familiären Situation des jetzt 36 Jahre alten Klägers - die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Absatz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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