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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.04.2008
Aktenzeichen: 13 Ta 176/08
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 3
BetrVG § 19
BetrVG § 78
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.02.2008 - 6 BV 56/07 - wird zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer Gebühr von 40,00 € zu tragen.

Gründe:

I.

Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf Fortbestand seines Mandats in Anspruch genommen, nachdem die M1 H1gesellschaft mbH & Co. OHG den Betrieb des Baumarktes B1 mit Wirkung zum 01.09.2007 auf die Arbeitgeberin übertragen hatte. Im Baumarkt B1 war ein dreiköpfiger Betriebsrat gewählt worden. Unter anderem unter Hinweis auf einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG a. F. vom 10.09.1999 hatte die Arbeitgeberin den Fortbestand des Betriebsrats im Baumarkt B1 in Abrede gestellt.

Mit dem am 05.09.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat daraufhin folgende Anträge angekündigt:

"1. Es wird festgestellt, dass das Mandat des Betriebsrats auch nach dem Übergang des Betriebes des Baumarktes B1, O1 Str. 123, 12345 B1, auf die Arbeitgeberin per 01.09.2007 fortbesteht,

2. der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, den Betriebsrat in der Ausübung seiner Tätigkeit dadurch zu behindern, dass gegenüber den Arbeitnehmern des Baumarktes B1, O1 Str. 123, 12345 B1 behauptet wird, der Betriebsrat bestehe nicht mehr."

Im Ausgangsverfahren war die Arbeitgeberin erstinstanzlich unterlegen. Inzwischen hat der Betriebsrat nach Einlegung der Beschwerde durch die Arbeitgeberin mitgeteilt, das Verfahren nicht weiterbetrieben zu wollen. Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 31.01.2008 den Gegenstandswert für das Ausgangsverfahren auf 7.000,00 € festgesetzt, der Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats jedoch abgeholfen und den Verfahrenswert durch Beschluss vom 13.02.2008 auf 14.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss vom 13.02.2008 wendet sich die Arbeitgeberin mit der am 28.02.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, der Gegenstandswert sei mit 4.000,00 €, allenfalls mit 8.000,00 € angemessen bewertet. Im vorliegenden Fall handele es sich um einen schlichten Kompetenzkonflikt, die Sachlage sei nicht vergleichbar mit dem Verfahren über die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl, die mit hohen Kosten für den Arbeitgeber verbunden sei. Der Unterlassungsantrag sei wirtschaftlich identisch mit dem Hauptantrag. Selbst wenn ihm ein eigener Gegenstandswert zukomme, sei er allenfalls mit 1.000,00 € zu bewerten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 14.000,00 € festgesetzt. Der Feststellungsantrag war mit 10.000,00 €, der Unterlassungsantrag mit 4.000,00 € zu bemessen.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (früher: § 8 Abs. 2 BRAGO) stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist ebenso wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber immer erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - NZA-RR 2005, 435; GK/Wenzel, ArbGG, § 121 Rz. 194, 441 ff.).

Zutreffend gehen die Beteiligten wie auch das Arbeitsgericht für den vorliegenden Fall davon aus, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG handelt. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nicht vermögensrechtlicher Natur (Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 445). Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat den Fortbestand seines Mandats über den 01.09.2007 hinaus in Folge eines Betriebsübergangs geltend gemacht. Insoweit handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, für die grundsätzlich der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist.

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin konnte aber der Feststellungsantrag nicht mit dem einfachen Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von 4.000,00 € bemessen werden. Der Gegenstandswert für den Feststellungsantrag beträgt vielmehr in Anlehnung an die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts zur Festsetzung des Gegenstandswerts in Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG 10.000,00 €.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG angefochten wird, richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebs bestimmt wird. Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin, Beschluss vom 17.12.1991 - NZA 1992, 327; LAG Thüringen, Beschluss vom 13.11.1998 - AuR 1999, 146; LAG Köln, Beschluss vom 10.10.2002 - NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.07.2003 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 55). Die zuständigen Kammern des Beschwerdegerichts haben sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (LAG Hamm, Beschluss vom 09.03.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 48 a = NZA-RR 2002, 104; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - NZA-RR 2005, 435; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 461, 464). Ein Wahlanfechtungsverfahren, das die Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrats zum Gegenstand hätte, würde hiernach mit einem Gegenstandswert von 10.000,00 € bewertet.

Für den Feststellungsantrag im Ausgangsverfahren, der den Fortbestand des Mandats des Betriebsrats über den 01.09.2007 hinaus zum Gegenstand hatte, kann nichts anderes gelten. Dass das vorliegende Verfahren nicht direkt im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl eingeleitet worden ist, erscheint für die Wertfestsetzung unerheblich (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 17.12.1996 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 37). Sachgerecht auch für das vorliegende Verfahren ist es, bei der Wertfestsetzung an die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer anzuknüpfen. Dies sind im vorliegenden Fall ca. 31 Beschäftigte. Insoweit erscheint es angemessen, auch bei der Wertfestsetzung für den Feststellungsantrag von den für Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG entwickelten Grundsätzen auszugehen. Auch im vorliegenden Verfahren erscheint der Rückgriff auf die Stufen des § 9 BetrVG angemessen, weil sich in diesen Stufen und der dort jeweils festgelegten Anzahl der Mitglieder des Betriebsrats die Bedeutung der Angelegenheit widerspiegelt (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 17.12.1996 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 37; LAG Bremen, Beschluss vom 12.05.1999 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 43). Angesichts der Größe des Baumarktes B1 und des dort gewählten Betriebsrat kann nicht vom einfachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ausgegangen werden.

Die von der Arbeitgeberin vorgelegten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30.11.2007 - 15 Ta 516/07 - und vom 02.01.2008 - 10 Ta 543/07 - und des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24.01.2008 - 2 Ta 291/07 - sowie weiterer arbeitsgerichtlicher Entscheidungen führen nicht zu einer anderweitigen Beurteilung. Teilweise sind die in Bezug genommenen Entscheidungen bereits durch die Beschlüsse der Beschwerdekammern vom 07.01.2008 - 10 Ta 775/07, 10 Ta 785/07, 10 Ta 829/07, 13 Ta 816/07 - abgeändert worden, andere Entscheidungen enthalten keine konkrete Begründung.

Richtig ist zwar, dass im vorliegenden Fall auch nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin keine Neuwahl des Betriebsrats stattzufinden hatte und die betroffene Belegschaft nicht betriebsratslos war. Nach Auffassung der Beschwerdekammern sind dennoch die gleichen Maßstäbe wie bei einer Anfechtung einer Betriebsratswahl anzulegen. Entscheidend ist nämlich, dass nicht der Bestand eines Betriebsrats überhaupt, sondern der Bestand des gewählten Betriebsrats in der jeweiligen Organisationseinheit zwischen den Beteiligten streitig war. Dies ist vorliegend der Bestand des dreiköpfigen Betriebsrats im Baumarkt B1 mit 31 Mitarbeitern. Darauf ist nach Auffassung der Beschwerdekammer entscheidend abzustellen. Auch in vergleichbaren Beschlussverfahren über die Existenz zweier Betriebe oder eines Gemeinschaftsbetriebs wurde die Größe des jeweiligen Betriebes nach § 9 BetrVG als Wertfaktor für die Bemessung des Gegenstandswerts für maßgeblich gehalten (LAG Hamm, Beschluss vom 01.03.2006 - 10 Ta 21/06). Für den vorliegenden Fall hiervon abzuweichen, besteht keine Veranlassung.

2. Zu dem Wert für den Feststellungsantrag von 10.000,00 € war für den vom Betriebsrat gestellten Unterlassungsantrag der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von 4.000,00 € hinzuzurechnen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin betrafen der Feststellungsantrag und der Unterlassungsantrag nicht denselben Streitgegenstand. Während der Betriebsrat mit dem Feststellungsantrag den Fortbestand seines Mandats über den 01.09.2007 hinaus geltend gemacht hat, hat er mit dem Antrag zu 2) die Unterlassung der Behinderung seiner Betriebsratstätigkeit (§ 78 BetrVG) geltend gemacht. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Zwischen den Anträgen besteht keine wirtschaftliche Identität.

III.

Die Entscheidung über die Auferlegung einer Gebühr in Höhe von 40,00 € beruht auf § 1 S. 2 GKG i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG (LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007 - 10 Ta 97/07 - NZA-RR 2007, 491).

Ende der Entscheidung

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