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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.01.2006
Aktenzeichen: 13 TaBV 116/04
Rechtsgebiete: BetrVG, Bundesentgelttarifvertrag in der Chemischen Industrie


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
Bundesentgelttarifvertrag in der Chemischen Industrie § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 03.08.2004 - 1 BV 38/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor folgende Fassung erhält:

Die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Arbeitnehmers W1xxxx P1xxxx von der Entgeltgruppe E 4 in die Entgeltgruppe E 2 des § 7 des Bundesentgelttarifvertrages in der chemischen Industrie vom 18.07.1987 in der Fassung vom 30. September 2004 wird ersetzt

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten darum, ob die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu einer Umgruppierung zu ersetzen ist.

Die antragstellende Arbeitgeberin stellt Hydraulikkomponenten und Komplettsysteme für die Automation her. Auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten rund 230 Arbeitnehmer, davon ca. 200 im gewerblichen Bereich, findet das Tarifwerk für die chemische Industrie Westfalen Anwendung, unter anderem der Bundesentgelttarifvertrag in der chemischen Industrie (im folgenden kurz: BETV).

Mit Schreiben vom 27.10.2003 (Bl. 40 f. der Akten) beantragte die Arbeitgeberin bei dem im Betrieb bestehenden Betriebsrat die Zustimmung zur Umgruppierung des Arbeitnehmers P1xxxx von Entgeltgruppe E 4 in E 2 des § 7 BETV.

Der Betriebsrat widersprach dem mit Schreiben vom 05.11.2003, wobei er unter anderem ausführte:

Herr P1xxxx ist seit über 30 Jahren mit dem Armieren von Schläuchen betraut, kann selbstständig arbeiten und pflegt und wartet darüber hinaus seine Maschinen auch noch selber, was nicht selbstverständlich ist.

Der Mitarbeiter wurde seinerzeit Regelüberführt bei der Einführung des Bundesentgelttarifvertrages im Jahre 1988 und gehört nach unserer Auffassung auch in die Entgeltgruppe E 4.

Einen Vergleich zu den Mitarbeitern H1xxxxxx und K6xxxx, beide in E 2 lassen wir nicht gelten, denn diese gehören von ihren Aufgaben her im Vergleich zu anderen Mitarbeitern eher in E 4, bezogen auf das betriebliche Lohnniveau und den ausgeübten Tätigkeiten.

Im übrigen können wir eine personelle Benachteiligung des Herrn P1xxxx im Vergleich zu anderen Mitarbeitern nicht zulassen und lehnen dieses daher ab, auch wenn der Mitarbeiter schon vorab aus Unwissenheit zugestimmt hat.

Der Beschäftigte P1xxxx, ein ausgebildeter Polsterer, ist als angelernter Arbeitnehmer seit dem 01.08.1969 beschäftigt und arbeitet seit mindestens 15 Jahren in der Schlauchkonfektionierung. Er hat dort Armaturen in Schlauchenden zu stecken und die so zusammengefügten Teile mittels hydraulischer Pressen zu verpressen. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Tätigkeit wird ergänzend Bezug genommen auf die mit Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 30.08.2005 eingereichten Fotos (Bl. 173 ff. d. Akten).

Mit Schriftsatz vom 13.11.2003 hat die Arbeitgeberin das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet.

Sie hat bestritten, dass dem Widerspruch des Betriebsrats ein ordnungsgemäßer Beschluss zugrunde liege. In der Sache hat sie die Ansicht vertreten, die vom Arbeitnehmer P1xxxx ausgeübte Tätigkeit erfordere nur eine Anlernzeit von unter 13 Wochen.

Soweit hier noch von Interesse, hat die Arbeitgeberin beantragt,

festzustellen, dass im Falle des Arbeitnehmers W1xxxx P1xxxx die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung gemäß § 99 Absatz 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt,

hilfsweise die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung des Arbeitnehmers W1xxxx P1xxxx von der Entgeltgruppe gemäß § 7 des Bundesentgelttarifvertrages in der chemischen Industrie vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 18. April 2002 von E 4 nach E 2 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt, er habe mit Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen, dass das korrekte Zustandekommen des Beschlusses bestritten werde. Die erforderlichen Voraussetzungen würden rechtzeitig dargelegt.

Im Übrigen sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Mitarbeiter P1xxx abzugruppieren sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03.08.2004 dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Betriebsrat habe nichts dazu vorgetragen, dass dem Widerspruch vom 05.11.2003 ein ordnungsgemäßer Beschluss zugrunde liege.

Gegen diesen ihm am 24.08.2004 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 21.09.2004 Beschwerde eingelegt und diese am 18.10.2004 begründet.

Er hat - arbeitgeberseits nicht mehr in Frage gestellte - Unterlagen betreffend die Einladung, die Tagesordnung und die Sitzung einschließlich der Anwesenheitsliste zur Gerichtsakte gereicht; auf sie wird als Anlage zum Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 18.10.2004 Bezug genommen (Bl. 116 ff. der Akten).

In der Sache weist der Betriebsrat darauf hin, der Arbeitnehmer P1xxxx habe bei seiner Tätigkeit eine erhebliche Erfahrung einzusetzen; deshalb lerne er auch andere Mitarbeiter an, die ebenfalls in der Armierung zum Einsatz kämen und eine Vergütung nach E 4 erhielten. Der Beschäftigte P1xxxx erledige alle anfallenden Arbeiten alleine einschließlich der eigenen Kontrolle.

Im Übrigen sei es nicht nachvollziehbar, dass andere Arbeitnehmer im Bereich der Armierung nach den Entgeltgruppen 3 und 4 vergütet würden, obwohl zum Beispiel in den Fällen H2xxxxx, N1xxxx und T1xx vergleichbare Tätigkeitsbereiche gegeben seien.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 03.08.2004 - 1 BV 38/03 - abzuändern und den Antrag der Arbeitgeberin betreffend die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Arbeitnehmers W1xxxx P1xxxx abzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie streicht heraus, die Tätigkeiten des Beschäftigten P1xxxx erforderten "nur" Kenntnisse und Fertigkeiten, die in einem Zeitraum von in der Regel bis zu 13 Wochen erworben würden. So seien die Materialien (Schlauch und Armaturen) vorgegeben, und die Fertigung erfolge auf Anweisung. Die Maschinen würden vorab eingestellt und vorbereitet. Angesichts dieser immer wiederkehrenden Arbeiten einfacher Art sei die Umgruppierung in E 2 gerechtfertigt, während das Arbeitsspektrum anderer, höher eingestufter Mitarbeiter in der Abteilung Schlaucharmierung deutlich breiter sei.

B.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

I.

Insoweit ist vorauszuschicken, dass zweitinstanzlich angesichts der vorgelegten Unterlagen im Einvernehmen mit den Beteiligten festgestellt werden konnte, dass die Arbeitgeberin den Betriebsrat unter Berücksichtigung der bei diesem vorhandenen Kenntnisse im gebotenen Umfang über die beabsichtigte Umgruppierung informiert hat (§ 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Daraufhin hat der Betriebsrat auf der Basis eines wirksam gefassten Beschlusses der geplanten personellen Einzelmaßnahme namentlich unter Verweis auf einen Verstoß gegen das tarifliche Entgeltsystem (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) mit beachtlichen Gründen schriftlich seine Zustimmung verweigert (§ 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG).

II.

Die Zustimmung war gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, weil die Arbeitgeberin im Einklang mit den im Betrieb geltenden tariflichen Vorgaben den Arbeitnehmer P1xxxx von Entgeltgruppe 4 in Entgeltgruppe 2 des § 7 BETV umgruppiert hat.

Bei der personellen Einzelmaßnahme der Umgruppierung handelt es sich um einen Akt der Rechtsanwendung und der Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses, dass nämlich die vom betroffenen Mitarbeiter zu verrichtenden Tätigkeiten bestimmen Merkmalen eines im Betrieb zur Anwendung kommenden Vergütungssystems entsprechen. Daran ist der Betriebsrat im Rahmen des § 99 BetrVG in Gestalt eines Mitbeurteilungsrechts im Sinne einer Richtigkeitskontrolle zu beteiligen (vgl. z. B. BAG AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 m. w. N.).

Hiervon ausgehend, hat die Arbeitgeberin zu Recht den Arbeitnehmer P1xxxx der Entgeltgruppe 2 des § 7 BETV zugeordnet.

Dabei war gemäß § 3 Ziff. 2 S. 2 BETV maßgeblich von der tatsächlichen Tätigkeit des genannten Mitarbeiters auszugehen. Diesem kommt schon seit vielen Jahren die Aufgabe zu, Armaturen in Schlauchenden zu stecken und sie anschließend maschinell zu verpressen. Es handelt sich dabei um Arbeiten gleichwertiger Art in der Produktion (siehe Richtbeispiel bei Entgeltgruppe 2 des § 7 BETV), die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie durch eine angemessene Berufspraxis von in keinem Fall mehr als 13 Wochen erworben werden können.

Denn gerade die zur Gerichtsakte gereichten Fotos geben wieder, dass das manuelle Aufstecken und das Einlegen der Schläuche in die Maschine sowie die Bedienung der

Schlauchpresse mittels zweier Knöpfe, um den Armierungsvorgang durchführen zu können, relativ leichte, gut überschaubare Tätigkeiten sind. Um diese Aufgaben arbeitsvertragsgemäß durchführen zu können, reicht ein Wissen und eine Geschicklichkeit aus, die man in der beruflichen Praxis längstens innerhalb einiger weniger Wochen erwerben kann, für die es aber in keinem Fall eines Zeitraums von mehr als 3 Monaten bedarf.

Selbst wenn man in dem Zusammenhang zugunsten des Betriebsrats davon ausgeht, dass die Einrichtung der Maschine auch zu den Pflichten des Arbeitnehmers P1xxxx gehört, so wird dadurch der Charakter seines Arbeitsbereichs nicht wesentlich bestimmt (vgl. § 3 Ziff. 4 S. 1 BETV), wie sich schon allein daraus ergibt, dass diese Tätigkeit "weit unter 50%" seiner Gesamtarbeitszeit ausmacht.

Der Verweis des Betriebsrats auf andere Arbeitnehmer, die bei vergleichbarer Tätigkeit nach den Entgeltgruppen 3 und 4 des § 7 BETV vergütet würden, ist im Zusammenhang mit der im vorliegenden Verfahrens allein durchzuführenden Prüfung der zutreffenden tariflichen Eingruppierung des Arbeitnehmers P1xxxx unergiebig. Vielmehr wäre, ausgehend von dessen zutreffender Einstufung in Entgeltgruppe E 2 des § 7 BETV, ggfs. an anderer Stelle zu prüfen, ob bei anderen Mitarbeitern im Bereich der Armierung, namentlich den Beschäftigten H2xxxxx, N1xxxx und T1xx, für die höhere Eingruppierung tarifvertraglich begründbare Unterschiede bestehen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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