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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.06.2007
Aktenzeichen: 13 TaBV 117/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 99 Abs. 3
BetrVG § 99 Abs. 4
Die gleichmäßige Absenkung der Eingangsvergütung für neu eingestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und kann deshalb nicht die Verweigerung der Zustimmung zur geplanten Eingruppierung rechtfertigen.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Betriebsrats und auf die Anschlussbeschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.10.2006 - 8 BV 206/06 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin V2 B6 in die Vergütungsgruppe AW-KrT IV des Teils II Abschnitt B der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II für die Arbeitnehmer der A1 unter Berücksichtigung einer Kürzung der Entgeltbestandteile Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage um jeweils 7 % nicht als erteilt gilt.

Auf den Hilfsantrag des Arbeitgebers wird die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin V2 B6 in die Vergütungsgruppe AW-KrT IV des Teils II Abschnitt B der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II für die Arbeitnehmer der A1 unter Berücksichtigung einer Kürzung der Entgeltbestandteile Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage um jeweils 7 % ersetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin als erteilt gilt oder zu ersetzen ist.

Der Antragsteller ist der im vom Arbeitgeber unterhaltenen D6 M1-S1-S5 gebildete Betriebsrat.

Auf die beim Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse fand in der Vergangenheit das Tarifwerk für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der A1 (BMT-AW II) Anwendung, unter anderem der Bundes-Manteltarifvertrag, der Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der A1 sowie der jeweils aktuelle Vergütungs- und Lohntarifvertrag zum BMT-AW II. Nach der Kündigung des BMT-AW II zum 31.03.2004 einigten sich die Tarifvertragsparteien auf einen bis zum 31.12.2006 geltenden und zwischenzeitlich gekündigten Übergangstarifvertrag. Unabhängig davon wurde der letzte Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 33 zum 31.01.2005 gekündigt.

Mit einer personellen "Beschäftigungs-Veränderungsanzeige" vom 07.04.2006 beantragte der Arbeitgeber beim Betriebsrat die Zustimmung zur (zwischenzeitlich bis zum 17.04.2008 verlängerten) Einstellung der Mitarbeiterin V2 B6. Zugleich teilte er seine Absicht mit, die Eingruppierung gemäß "Übergangstarifvertrag" nach "KrT IV abzüglich 7 %" vorzunehmen. Nach den ausgesprochenen Kündigungen der Tarifverträge hatte sich der Arbeitgeber nämlich entschlossen, bei Neueinstellungen zwar das gesamte tariflichen Eingruppierungssystem weiter anzuwenden, aber die Entgeltbestandteile Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage, geregelt im Vergütungs- und Lohntarifvertrag, jeweils um 7 % zu kürzen.

Mit Schreiben vom 10.04.2006 stimmte der Betriebsrat der Einstellung zum 18.04.2006 zu, führte aber dann unter Ziffer 2 aus:

Der Betriebsrat widerspricht vor dem Hintergrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 BetrVG in Verbindung mit dem § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der geplanten Vergütung.

Es existiert ein tarifliches Eingruppierungssystem welches auf die bisher beschäftigten Arbeitnehmer angewendet wird und auch auf Neueinzustellende anzuwenden ist, da ein anderes Vergütungssystem bislang nicht vereinbart wurde.

Ohne eine getroffene Vereinbarung zu Fragen der Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 (Fragen der betrieblichen Lohngestaltung) verstößt die beabsichtigte Kürzung des Entgeltes gegen die o.g. Vorschriften.

Nachdem der Arbeitgeber in der Folgezeit - wie in zahlreichen anderen Fällen auch - kein Zustimmungsersetzungsverfahren einleitete, begehrte der Betriebsrat mit einem beim Arbeitsgericht am 12.07.2006 eingegangenen Antrag, dem Arbeitgeber diese Maßnahme aufzugeben.

Er hat die Auffassung vertreten, angesichts des von ihm erhobenen beachtlichen "Widerspruchs" sei der Arbeitgeber verpflichtet, gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Antragstellers zur bereits vorgenommenen Eingruppierung der Mitarbeiterin V2 B6 zu beantragen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen,

hilfsweise die verweigerte Zustimmung des Antragstellers zur Eingruppierung der Mitarbeiterin V2 B6 in die Vergütungsgruppe KrT IV der Anlage 3 zum Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 30 BMT-AW II für die Tätigkeit als Pflegefachkraft in der Zeit vom 18.04.2006 bis zum 31.05.2007 unter Berücksichtigung einer Kürzung sämtlicher tariflicher Entgeltbestandteile um 7% zu ersetzen.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat sei bereits unbeachtlich mit der Folge, dass die Zustimmung als erteilt gelte.

Abgesehen davon beanstande dieser nicht die eigentliche Eingruppierung, sondern "nur" die absolute Höhe des Monatsentgelts. Insoweit bestehe aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Mitbestimmungsrecht.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Hilfsantrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 25.10.2006 den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Arbeitgeber habe im konkreten Fall das vorhandene Eingruppierungssystem unverändert angewandt und eine entsprechende Eingruppierung vorgenommen. Die lineare Absenkung des Gehalts um 7 % begründe kein neues, mitbestimmungspflichtiges Vergütungssystem; das innerbetriebliche Lohngefüge bleibe nämlich unverändert, und es träten lediglich Veränderungen in der absoluten Gehaltshöhe ein.

Gegen diesen dem Betriebsrat am 28.11.2006 zugestellten Beschluss hat er am 15.12.2006 Beschwerde eingelegt und diese am 16.02.2007 begründet.

Er ist unverändert der Auffassung, dass seine Zustimmungsverweigerung beachtlich sei, weil er eine möglicherweise unzutreffende, aber in keinem Fall unsinnige Begründung für die Versagung der Zustimmung zur Eingruppierung gegeben habe. Die Schlüssigkeitsprüfung bleibe sodann den Gerichten im Rahmen eines vom Arbeitgeber einzuleitenden Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG überlassen.

In der Sache wende der Arbeitgeber bei Neueinstellungen einseitig ein neues Vergütungssystem an, ohne zuvor die gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrates eingeholt zu haben. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass nur bei drei Bestandteilen der Gesamtvergütung Kürzungen vorgenommen würden.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.10.2006 - 8 BV 206/06 - abzuändern und festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin V2 B6 in die Vergütungsgruppe AW-KrT IV des Teils II Abschnitt B der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II für die Arbeitnehmer der A1 vom 01.11.1977 unter Berücksichtigung einer Kürzung der Entgeltbestandteile Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage um jeweils 7 % nicht als erteilt gilt.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

im Wege der Anschlussbeschwerde hilfsweise die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin V2 B6 in die Vergütungsgruppe AW-KrT IV des Teils II Abschnitt B der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II für die Arbeitnehmer der A1 vom 01.11.1977 unter Berücksichtigung einer Kürzung der Entgeltbestandteile Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage um jeweils 7 % zu ersetzen.

Im Anschluss an das erstinstanzliche Vorbringen verbleibt der Arbeitgeber bei seiner Meinung, dass er bei der einseitigen Absenkung der im gekündigten Vergütungs- und Lohntarifvertrag enthaltenen Vergütungsbestandteile um jeweils 7 % kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu beachten hatte. Er habe nämlich die tarifvertraglich begründeten Vergütungsstrukturen beibehalten und "lediglich" die absolute Höhe des Entgelts bei Neueinstellungen gleichmäßig abgesenkt.

Der Betriebsrat beantragt,

die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

B.

I. Ebenso wie die Beschwerde des Betriebsrates ist auch die (unselbständige) Anschlussbeschwerde des Arbeitgebers zulässig. Zwar wurde diese nur für den Fall der Erfolglosigkeit des "Hauptantrages", gerichtet auf die Zurückweisung der Beschwerde, erhoben. Trotz dieser Bedingung ist sie aber zulässig, weil sie lediglich von einem sogenannten "innerprozessualen Vorgang" in Gestalt einer bestimmten gerichtlichen Entscheidung abhängig gemacht worden ist, sodass die Wirksamkeit der Prozesshandlung spätestens bei Verfahrensabschluss feststeht (vgl. z. B. BGH NJW 1984,1240; Schwab, FA 2006,130,132; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 524 Rdnr. 17).

Die gerichtlicherseits bis zum 13.04.2007 gesetzte Frist zur Erwiderung auf die Beschwerde wurde auch im Rahmen des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO gewahrt, obwohl der förmliche Hilfsantrag erst im arbeitgeberseitigen Schriftsatz vom 18.05.2007 angekündigt wurde; denn aus dem fristgerecht eingereichten Schriftsatz vom 12.04.2007 unter III. und IV. lässt sich unmissverständlich das Rechtsschutzziel des Arbeitgebers erkennen, ggfls. auch die Voraussetzungen des § 99 Abs. 4 BetrVG zur Überprüfung zu stellen (vgl. BGH NJW-RR 1999, 211; NJW 1992, 698; Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 520 Rdnr. 28).

II. Sowohl die Beschwerde des Betriebsrates als auch die (bedingte) Anschlussbeschwerde des Arbeitgebers sind begründet.

1. Der vom Betriebsrat in der letzten mündlichen Anhörung am 08.06.2007 allein noch gestellte Feststellungsantrag ist zulässig. Ihm kann das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs 1 ZPO) nicht abgesprochen werden.

Allerdings hatte der Betriebsrat ursprünglich aus seiner Sicht zu Recht begehrt, dem Arbeitgeber aufzugeben, wegen der Eingruppierung ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, um auf diese Weise sein Mitbeurteilungsrecht im Sinne einer Richtigkeitskontrolle zu wahren (vgl. zuletzt BAG AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 m. w. N.). Der Arbeitgeber hat diesem Verlangen dann aber im laufenden Verfahren durch einen entsprechenden Eventualwiderantrag Rechnung getragen und damit sichergestellt, dass die Herstellung eines dem Beteiligungsrecht des Betriebsrats entsprechenden Zustandes in jedem Fall zeitnah erreicht wird (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 6; AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23).

Vor diesem Hintergrund war es aus Sicht des Betriebsrates sachgerecht, als Hauptantrag nurmehr die bis dahin inzidenter begehrte Feststellung zu verlangen, dass die Zustimmung nicht gemäß § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gilt. Kommt es nämlich - wie hier - zwischen den Betriebspartnern zu Meinungsverschiedenheiten (auch) über die Anforderungen an die Begründung einer vom Betriebsrat versagten Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme, und der Arbeitgeber stellt sich auf den Standpunkt, es bedürfte keines Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG, muss es dem Betriebsrat möglich sein, den Streit über den Inhalt des betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses gerichtlich klären zu lassen. Nur so kann alsbald verbindlich festgestellt werden, ob überhaupt ein Zustimmungsersetzungsverfahren mit einer damit verbundenen Sachprüfung durchzuführen ist (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 34).

So wird zunächst im Rahmen des vom Betriebsrat gestellten negativen Feststellungsantrages die zwischen den Beteiligten vorrangig streitige Frage geklärt, ob die Voraussetzungen des § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG gegeben und damit die Zustimmung bereits als erteilt gilt. Gegebenenfalls wird sodann im Rahmen des Hilfsantrages des Arbeitgebers darüber entschieden, ob die nicht bereits als erteilt geltende Zustimmung zu ersetzen ist.

2. Der Feststellungsantrag des Betriebsrates ist begründet. Seine unter dem 10.04.2006 schriftlich verfasste Verweigerung der Zustimmung zur "geplanten Vergütung" der Arbeitnehmerin B6 ist nämlich rechtlich beachtlich, sodass die Zustimmung nicht gemäß § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gilt.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG (AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 50 u. Nr. 118; AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 27; zust. z. B. Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 99 Rdnr. 214 f. m. w. N.) ist es ausreichend, dass die vom Betriebsrat dem Arbeitgeber schriftlich mitgeteilten Gründe den in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgeführten Tatbeständen noch irgendwie zuzuordnen sind. Nur wenn die Begründung offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist sie unbeachtlich. Damit wird dem Arbeitgeber ein eng begrenztes Vorprüfungsrecht zugestanden, zugleich aber auch der Gefahr begegnet, dass er leichtfertig oder wider besseren Wissens die Zustimmungsverweigerung für unbeachtlich erklärt und von der Durchführung eines Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG absieht.

An diesen Anforderungen gemessen, war die vom Betriebsrat mit Schreiben vom 10.04.2006 erklärte Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin B6 nicht unbeachtlich. Denn er führt darin unter Zif. 2 aus, dass aus seiner Sicht das im Betrieb des Arbeitgebers nach wie vor bestehende (tarifliche) Eingruppierungssystem ohne Entgeltkürzungen auch auf die neu eingestellte Beschäftige B6 zur Anwendung gelangen müsse und verweist dabei auf den Normen des § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 4 i. V. m. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Damit hat der Betriebsrat die Zustimmung mit der in § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG geforderten Angabe von Gründen verweigert (vgl. zu einem vergleichbaren Fall: BAG AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 27). Wenn der Arbeitgeber diese nicht offensichtlich abwegige Begründung für unzutreffend hält, ist es nunmehr seine ihm durch den Gesetzgeber zugedachte Aufgabe, die vom Betriebsrat aufgeworfene Rechtsfrage im Rahmen des § 99 Abs. 4 BetrVG einer verbindlichen rechtlichen Klärung zuzuführen.

3. Der für den soeben unter B. II. 2. der Gründe festgestellten Fall der Stattgabe des Antrages des Betriebsrates erhobene Widerantrag des Arbeitgebers ist ebenfalls begründet.

Die Zustimmung des Betriebsrates zu der begehrten Eingruppierung der Arbeitnehmerin B6 in die Vergütungsgruppe AW-KrT IV des Teils II Abschnitt B der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II für die Arbeitnehmer der A1 unter Berücksichtigung einer Kürzung der im Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 33 festgelegten Entgeltbestandteile Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage um jeweils 7 % war zu ersetzen, weil kein aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ableitbarer Grund für die erklärte Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung gegeben ist.

Unter einer Eingruppierung versteht man die Einordnung eines Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema, das eine Zuordnung der Beschäftigten nach bestimmten, generell beschriebenen Merkmalen vorsieht (zuletzt z. B. BAG AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 30, 32).

So nimmt der Arbeitgeber hier - insoweit vom Betriebsrat akzeptiert - unverändert auch bei Neueinstellungen die Eingruppierung anhand des tariflichen Vergütungssystems des gekündigten BMT-AW II vor. Dementsprechend hat er die Arbeitnehmerin B6, unbeanstandet durch den Betriebsrat, der Vergütungsgruppe AW-KrT IV des Teils II Abschnitt B (Pflegepersonal) der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II für die Arbeitnehmer der A1 zugeordnet.

Wenn der Arbeitgeber dann in einem zweiten Schritt die sich daraus ergebende Grundvergütung, den Ortszuschlag und die Allgemeine Zulage um jeweils 7 % gekürzt hat, hat er kein neues, nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtiges Entgeltschema geschaffen.

Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. BAG AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 26; AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105 u. Nr. 113; AP TVG § 3 Nr. 31) umfasst der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen. Es geht um die Festlegung abstrakt- genereller Kriterien, nach denen die Vergütung im Betrieb zu erfolgen hat. So sollen die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers ausgerichteten Lohngestaltung geschützt und die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gewahrt werden. Deshalb hat der Betriebsrat mitzubestimmen über die Faktoren für die Lohnfindung einschließlich der Festlegung einzelner Lohngruppen zueinander sowie über das Verfahren, nach dem sich die Bestimmung des Entgelts richtet; es ist mit ihm die Struktur der Vergütung einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen zu vereinbaren. Hingegen besteht - ebenso wie zur Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit - kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zur Höhe der Vergütung. Es obliegt vielmehr grundsätzlich dem Arbeitgeber, darüber zu bestimmen, welches Entgeltvolumen er für die Bezahlung der bei ihm Beschäftigten zur Verfügung stellt. Bedient er sich dann - wie hier - bei der Verteilung des für die Neueinstellungen reduzierten Gesamtvolumens eines bestehenden Systems, ohne dessen Struktur in Frage zu stellen, handelt es sich wegen der unterschiedslos für alle neu eintretenden Beschäftigten geltenden Maßstäbe "nur" um eine - zulässige - mitbestimmungsfreie Absenkung der Entgelthöhe (vgl. z. B. BAG AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 30; LAG Hamm - Beschluss vom 24.05.2006 - 10 TaBV 215/05); sie steht auch mit allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsätzen im Einklang (vgl. BAG AP TVG § 3 Nr. 31).

Wenn der Betriebsrat demgegenüber auf - wegen insoweit fortbestehender Tarifbindung - nicht gekürzte Vergütungsbestandteile wie z. B. Urlaubsgeld und Schicht- sowie Geriatriezulagen hinweist, ändert nichts daran, dass das bestehende Entgeltfindungssystem, an der die Eingruppierung zu messen ist, unverändert vom Arbeitgeber zur Anwendung gebracht wird.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage war die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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